Kommunal statt Privat - Erfolgreiche Kommunalisierung der Müllabfuhr in Bergkamen

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Transkript:

Roland Schäfer Bürgermeister der Stadt Bergkamen Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes www.bergkamen.de www.dstgb.de www.roland-schaefer.de Kommunal statt Privat - Erfolgreiche Kommunalisierung der Müllabfuhr in Bergkamen Einleitung In Bergkamen, einer kreisangehörigen Stadt von 52.000 Einwohnern in Nordrhein-Westfalen, werden seit dem 01. Juli 2006 das Einsammeln und der Transport des Mülls nicht mehr durch ein beauftragtes Privatunternehmen sondern von der Stadt selbst mit ihrem neu gegründeten EBB EntsorgungsBetriebBergkamen durchgeführt. Die Umstellung klappte dank intensiver Vorbereitung ohne Probleme, die Abfallgebühren für die Bürgerinnen und Bürger konnten gesenkt werden. Frühere Kommunalisierungen und Privatisierungen in Bergkamen Die Müllabfuhr war nicht die erste Kommunalisierung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge in Bergkamen. 1995 wurde durch die Gründung von interkommunalen Stadtwerken GSW Gemeinschaftsstadtwerke Kamen Bönen Bergkamen GmbH die Voraussetzung geschaffen, die bis dahin durch private Versorgungsunternehmen erfolgte Strom- und Erdgasversorgung im Gebiet der drei Kommunen in die eigene Hand zu nehmen. Die GSW arbeiten bis heute ausgesprochen erfolgreich. 2002 wurde in Bergkamen weiterhin die bis dahin privat vergebene Straßenreinigung nach Vertragsende durch den Baubetriebshof der Stadt übernommen, wobei die Straßenreinigungsgebühr um 25 % gesenkt werden konnte. Umgekehrt wurde in Bergkamen die Gebäudereinigung, die ursprünglich rein kommunal erledigt wurde mit 113 städtischen Putzfrauen und 4 Fensterreinigern durch Nichtbesetzung freiwerdender Stellen inzwischen vollständig privatisiert. Der städtische Gebäudebestand ist in zwei Losen europaweit ausgeschrieben und an private Reinigungsunternehmen vergeben worden. Von den städtischen Sport- und Freizeitstätten sind seit 1995 ein Hallenbad, ein Frei- und Wellenbad sowie eine Eissporthalle eigentumsmäßig auf die Gemeinschaftsstadtwerke übertragen worden; der technisch-wirtschaftlich Verbund zur Verrechnung der Bäderverluste mit den Gewinnen der Stadtwerke aus dem Versorgungsbereich wurde von der Finanzverwaltung anerkannt. Ein weiteres Hallenbad wurde privatisiert. Für eine städtische Sporthalle sowie mehrere Sportstadien und Tennisanlagen wurden Nutzungsüberlassungsverträge mit Sportvereinen geschlossen. Der städtische Sportboothafen wurde ebenso an einen Privaten verpachtet wie ein großes städtisches Veranstaltungszentrum.

Drei ehemals kommunale Friedhöfe wurden an Kirchengemeinden übertragen. Wesentliche Tätigkeiten (Trauerhalle, Aufbewahrungskabinen, Grünflächenpflege) auf dem verbliebenen zentralen Kommunalfriedhof wurden an private Bestatter bzw. Gartenbaufirmen vergeben. Ausgangslage bei der Müllabfuhr In Nordrhein-Westfalen sind die kreisangehörigen Kommunen entsorgungspflichtige Körperschaften für die Sammlung und den Transport von Siedlungsabfällen. Die eigentliche Entsorgung Verbrennung, Kompostierung o. a. liegt in der Zuständigkeit des Landkreises. Die Durchführung ihrer Pflichtaufgabe können die Kommunen entweder in Eigenleistung durch die Stadtverwaltung selbst, durch einen Eigenbetrieb, durch eine kommunale GmbH oder auch interkommunal erledigen bzw. an einen privaten Dritten per Auftrag vergeben. In der Größenordnung der Stadt Bergkamen setzt letzteres heute eine europaweite Ausschreibung voraus. In Bergkamen wurde in der Vergangenheit Müllsammlung und transport stets durch beauftragte Privatunternehmen erledigt. Nach der letzten 1994 erfolgten Ausschreibung wurde die Abfallsammlung in Bergkamen mit einem Vertrag bis zum 31.12.2005 bei automatischer Verlängerung bei Nichtkündigung - von einem der großen deutschen Entsorgungsunternehmen als günstigstem Bieter durchgeführt. Zur Müllabfuhr gehörte die Sammlung und der Transport von Restmüll ( graue Tonne ), Biomüll ( grüne Tonne ) und Altpapier ( blaue Tonne ) sowie die Sperrmüll- und die Grünschnittabfuhr. Die Müllentsorgung wurde durch das Privatunternehmen kompetent und professionell erledigt, die Zusammenarbeit war angenehm und konstruktiv. Von Seiten der Verwaltungsführung der Stadt Bergkamen wurde es dennoch als Pflicht angesehen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Stadt mögliche Alternativen zur erneuten Ausschreibung und Privatvergabe ernsthaft zu untersuchen. Diese Prüfung setzte ab Anfang 2004 ein. Prüfungs- und Entscheidungsverfahren Folgende Alternativen zur Durchführung der Abfallentsorgung wurden abgewogen: erneute europaweite Ausschreibung und Vergabe an das preisgünstigste der teilnehmenden Privatunternehmen, gemeinschaftliche Abfallentsorgung mit Nachbarkommunen durch einen neu zu gründenden Zweckverband oder durch eine neue gemeinsame GmbH, Einbeziehung der Müllabfuhr in die bestehenden interkommunalen Gemeinschaftsstadtwerke oder alleinige Durchführung in Bergkamen durch einen städtischen Eigenbetrieb oder eine eigene GmbH. Zur Entscheidungsfindung wurde mit kommunalen Entsorgungsbetrieben aus Nachbarstädten ein intensiver Erfahrungsaustausch gesucht. Der städtische Baubetriebshof erstellte unter Mithilfe der städtischen Kostenrechner eine eigene Kostenkalkulation, die sich im Nachhinein als sehr zutreffend erwies. Von Anfang an wurde die Personalvertretung und die Bergkamener Politik eng in den Meinungsbildungsprozess eingebunden. Um eine belastbare und vertrauenswürdige Entscheidungsgrundlage zu erhalten, wurde zuletzt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und deren Tochtergesellschaft Econum Unternehmensberatung mit einem vergleichenden Wirtschaftlichkeitsgutachten beauftragt. Nachdem Nachbarkommunen ihre Interessenbekundung an einer

interkommunalen Variante zurückgezogen hatten, konzentrierte sich die Untersuchung auf eine rein Bergkamener Lösung. Die Vorgaben für den Gutachter waren dabei folgende: Basis des Kostenvergleichs war die Beibehaltung der bisherigen Abfuhrleistungen. Als Sammelfahrzeuge für die Abfalltonnen sollten - wie schon bei dem bisherigen privaten Entsorger - moderne Seitenlader eingesetzt werden, bei denen pro Fahrzeug lediglich eine Person erforderlich ist. Es sollte von einer realistischen Fahr- und Leerungsleistung sowie einem Fahrzeugund Personalbestand ausgegangen werden, der auch bei unvorhersehbaren Störungen einen reibungslosen Ablauf der Gefäßentleerung ermöglicht. Hinsichtlich des Personals sollte der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu Grunde gelegt werden. Weiterhin wurde unterstellt, dass alle erforderlichen Fahrzeuge und der komplette Bestand an Mülltonnen neu gekauft werden müssen. Das Gutachten kam zu dem für alle Beteiligten überraschenden Ergebnis, dass bei einer Eigenbetriebseinrichtung eine Kostenersparnis gegenüber der bisherigen Fremderledigung in Höhe von ca. 30 Prozent erreichbar sei. Im Mai 2005 fasste der Bergkamener Stadtrat nach intensiven Diskussionen in den Ratsfraktionen mit Mehrheit den Beschluss, die Sammlung und den Transport von Siedlungsabfällen zu kommunalisieren. Die Stadtverwaltung wurde beauftragt, den Vertrag mit dem privaten Entsorger fristgerecht zu kündigen und die zur Gründung einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung erforderlichen Organisationsstrukturen vorzubereiten. Gründung des EBB EntsorgungsBetriebBergkamen Im Herbst 2005 wurde vom Stadtrat die Satzung zur Gründung des EBB EntsorgungsBetriebBergkamen als eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt zum 01.01.2006 beschlossen. Als eigenbetriebsähnliche Einrichtung ist der EBB ein nicht rechtsfähiger Bestandteil der Stadt Bergkamen, der allerdings haushaltsrechtlich und organisatorisch verselbständigt ist. Aufgabengebiet des EBB ist das Einsammeln und Transportieren von Restmüll, Biomüll und Altpapier sowie auf Anforderung Sperrmüll und Grünschnitt. In den EBB einbezogen wurde die bis dahin vom städtischen Baubetriebshof erledigte Aufgabe der Straßenreinigung. Hinsichtlich des Beginns der tatsächlichen Abfuhrtätigkeit ergab sich noch eine Veränderung, da mit dem privaten Entsorger vereinbart wurde, dass dieser noch ein halbes Jahr länger die Entsorgung durchführen durfte. Im Gegenzug konnte Bergkamen die ca. 35.000 im Stadtgebiet befindlichen Abfallbehälter zu einem moderaten Preis von dem Entsorgungsunternehmen kaufen. Die operative Tätigkeit des EBB begann zum 03.07.2006, wie geplant mit der modernen Seitenladertechnik. Bereits im Jahr 2005 wurden die neuen Abfallsammelfahrzeuge nach europaweiter Ausschreibung bestellt. Der Fuhrpark des EBB besteht aus: 6 Abfallsammelfahrzeugen (5 Seitenlader, 1 Hecklader, jeweils mit MAN-Fahrwerk und Faun-Aufbau), 1 Lkw mit Kofferaufbau und Ladebühne,

2 Kehrmaschinen und 1 PKW-Kombi zur Streckenkontrolle. Die Gesamtinvestition zur Gründung des EBB belief sich auf 1,6 Mio. neuen Fahrzeugen gehörte dazu u. a. der Erwerb des Gefäßbestandes vom bisherigen Entsorger, Ersatzgefäßbeschaffung für 1 ½ Jahre, Arbeitskleidung, Büroeinrichtung, EDV-Software und der Bau von zwei Fahrzeugunterständen. Der EBB ist - gegen Abrechnung - mit seinem Personal und dem Fuhrpark auf dem Gelände und im Gebäude des Baubetriebshofes der Stadt untergebracht. Für die Routen- und Einsatzplanung und die konkrete Vorbereitung des operativen Geschäfts wurde bereits im Januar 2006 ein Disponent mit Berufserfahrung in der Entsorgungswirtschaft eingestellt. Die neuen Müllwagenfahrer wurden zum 01.06.2006 eingestellt, um ein einmonatiges Trockentraining, insbesondere für den Seitenladereinsatz, zu absolvieren. In den Vorstellungsgesprächen wurden Mitarbeitern des bisherigen privaten Entsorgers Vorrang eingeräumt. Das Personal des EBB - bezahlt nach TVöD - besteht aus: 1 Disponent sowie 1 ½ Verwaltungsstellen, 9 gewerbliche Mitarbeiter für die Müllabfuhr (davon 2 vom bisherigen Entsorger, 1 vom Baubetriebshof und 6 vom Arbeitsmarkt) und 2 gewerbliche Mitarbeiter für die Straßenreinigung. Weitere Leistungen (Datenverarbeitung, Personalverwaltung, Arbeitsspitzen u. a.) werden durch Beschäftigte der Stadtverwaltung gegen Abrechnung erbracht. Die Betriebsleitung des EBB wird nebenamtlich vom technischen Beigeordneten der Stadt und in seiner Vertretung vom Leiter des Baubetriebshofes wahrgenommen. Mit dem Personalrat wurde eine Dienstvereinbarung hinsichtlich des EBB geschlossen mit Vereinbarung eines Arbeitszeitrahmens und wechselnder 4-Tage-Woche einschließlich Samstagsarbeit. Die politische Begleitung und Kontrolle des EBB erfolgt durch einen städtischen Betriebsausschuss, in dem alle Fraktionen vertreten sind (17 Ratsmitglieder, 2 Beschäftigtenvertreter, Vorsitz durch den Bürgermeister). Die Mitglieder des Betriebsausschusses erhalten kein Sitzungsgeld. Ergebnisse der Kommunalisierung in Bergkamen Wie von dem externen Gutachter prognostiziert, konnte tatsächlich eine Kosteneinsparung von 30 % gegenüber der bisherigen Privatentsorgung realisiert werden. Diese Kostensenkung konnte allerdings nicht in gleicher Höhe als Gebührensenkung weiter gegeben werden, da die Kosten für Müllsammlung und Transport nur ca. ein Drittel der gesamten Entsorgungskosten ausmachen. Der Hauptteil der Kosten sind die vom Landkreis in Rechnung gestellten Verbrennungs- und Kompostierungskosten. Die Gründe für den deutlichen Kostenunterschied liegen im Fall von Bergkamen i. w. in folgenden Umständen: Die Stadt muss mit der Müllabfuhr keinen Gewinn erzielen; der EBB muss lediglich kostendeckend arbeiten. Der für den Betrieb erforderlich Overhead (Betriebsleitung, Verwaltung, Kontrollorgan) wurde bewusst sparsam und kostengünstig ausgerichtet.

Die Personalausstattung wurde knapp kalkuliert; ergänzende Dienstleistungen werden bedarfsorientiert von der Stadtverwaltung eingekauft. Der gewählte Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gewährt den Vollzeitbeschäftigten zwar einen auskömmlichen Lohn, er ist aber keineswegs ein Luxustarif. Eine gewisse Rolle spielt natürlich auch die Tatsache, dass der EBB als Betrieb mit öffentlich-rechtlicher Rechtsnatur keine Mehrwertsteuer für seine Leistungen in Rechnung stellen muss, anders als ein wirtschaftlicher Betrieb in privatrechtlicher Rechtsform wie etwa eine GmbH. Allerdings ist ein Eigenbetrieb aber auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt, so dass hierdurch ein gewisser Ausgleich eintritt. Mangels Gewinnerzielung würden auch in der Rechtsform einer GmbH keine Körperschaftssteuer- und in den meisten Fällen auch keine Gewerbesteuerpflicht entstehen. Die Müllgebühren für die Bergkamener Bürger konnten gesenkt werden: für das Jahr 2006 um 7,8 % und für 2007 nochmals um 3,4 % - trotz 3 % MWSt-Erhöhung und 6 % Steigerung der vom Kreis in Rechnung gestellten Verbrennungskosten im Jahr 2007 -. Da die Stadt nunmehr selbst kurzfristig entscheiden kann, wurden bereits einige Verbesserungen bei der Müllabfuhr vorgenommen: der Abfuhrrhythmus der unterschiedlichen Abfalltonnen wurde vereinheitlicht, als zusätzliche Dienstleistung wird für die Sperrmüllabfuhr ein Express-Service (garantierte Abholung innerhalb von drei Tagen) und ein Vollservice (Abholung aus der Wohnung, Keller etc.) angeboten. Für Familien mit kleinen Kindern wurde als Beitrag zur Familienfreundlichkeit der Stadt eine verbilligte Windeltonne eingeführt. Die anfängliche Skepsis in der Bürgerschaft ( Die Stadt braucht bestimmt viel mehr Personal, Das klappt doch nie bei der Stadt, Die öffentliche Hand ist doch immer teuerer etc.) ist nach dem reibungslosen Arbeitsbeginn des EBB einer breiten Zustimmung und Zufriedenheit gewichen. Entscheidungsfreiheit als Kernbestandteil kommunaler Selbstverwaltung Aus dem Bergkamener Erfolgsbeispiel sollte man nicht schließen, dass eine Kommunalisierung oder Rekommunalisierung das Allheilmittel für alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge darstellt. Für eine Ausschreibung und Vergabe der Müllabfuhr oder einer anderen Aufgabe der Daseinsvorsorge an einen Privatunternehmer können durchaus gewichtige Gründe sprechen: Durch die Ausschreibung erhält die Kommune eine exakte Übersicht über die interessierten Firmen und den preisgünstigsten Bieter. Kapitalstarke Privatfirmen können dort investieren, wo die Kommune es u. U. wegen Haushaltsdefiziten nicht mehr kann. Das bei Privatunternehmen vorauszusetzende betriebswirtschaftliche Denken und die - berechtigte - Gewinnorientierung ist Garant für hohe Effizienz in der Aufgabenerledigung. Private können überregionale Erfahrungen, spezifisches Fachwissen und spezialisiertes Know-how einbringen. Das Risiko des Personaleinsatzes, der Fehlkalkulation und des wirtschaftlichen Scheiterns trägt allein das Privatunternehmen.

Umgekehrt lassen sich die Vorteile einer kommunalen Aufgabenerledigung am Beispiel der Kommunalisierung der Müllabfuhr in Bergkamen erläutern: die Müllentsorgung wurde deutlich billiger, die Belastung der Gebührenzahler konnte spürbar gesenkt werden, in der Stadt sind neue sozialversicherungspflichtige und tariflich bezahlte Arbeitsplätze entstanden, die lokale Kaufkraft wurde gestärkt, Aufträge an Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen können - soweit Angebote vorhanden sind - gezielt innerhalb der eigenen Stadt bzw. Region vergeben werden, die kommunale Erledigung erlaubt flexible Reaktionen und kurzfristige Verbesserungen des Angebots. Bei kommunalen Wirtschaftsunternehmen wie den Stadtwerken kommt als weiterer entscheidender Punkt hinzu, dass der z. B. mit der Strom-, Gas-, Wasser-, Fernwärme- und Telekommunikationsversorgung erwirtschaftete Gewinn nicht in eine ferne Konzernzentrale fließt, sondern den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort unmittelbar zu Gute kommt. Shareholder Value auf der einen und Public Value auf der anderen Seite können sich gegenseitig ausschließen, müssen es aber nicht. Kommunal vor Privat ist als allgemeine Maxime genauso wenig tauglich wie die neoliberale und marktradikale Losung Privat vor Staat. In jeder Gemeinde kann zu einem konkreten Zeitpunkt jeweils eine völlig andere Lösung angezeigt sein. Die Bandbreite reicht vom kommunalen Eigenbetrieb oder einer städtisch getragenen GmbH über unterschiedliche Formen interkommunaler Zusammenarbeit und PPP- Modelle bis hin zur vollständigen Privatisierung. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet, die vorhandenen Wahlmöglichkeiten zu erkennen und auszuschöpfen. Im Sinne der kommunalen Demokratie ist allein wichtig, dass die Verantwortlichen einer Kommune sich klar machen, welche Handlungsalternativen ihnen konkret offen stehen, eine sorgfältige, nachvollziehbare Abwägung durchführen und dann erst im Interesse ihrer Bürgerschaft eine transparente Entscheidung treffen.