Interkommunale Zusammenarbeit in der Wasserversorgung und EU-Vergaberecht Prof. Dr. Gerald G. Sander
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1 Interkommunale Zusammenarbeit in der Wasserversorgung und EU-Vergaberecht Prof. Dr. Gerald G. Sander Leiter des Instituts für Angewandte Forschung und Direktor des Instituts für Öffentliches Wirtschaftsrecht
2 Grundlagen des EU-Vergaberechts Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der WTO seit 1995 als Teil der Welthandelsordnung der WTO plurilaterale Vereinbarung der EU mit 13 Mitgliedern der WTO, u. a. Island, Israel, Japan, Kanada, Korea, Norwegen, Schweiz und die USA Bieter aus allen Vertragsstaaten dürfen sich an den Ausschreibungsverfahren beteiligen und ihre Angebote müssen diskriminierungsfrei behandelt werden Europäisches Primärrecht (Verträge und Allgemeine Grundsätze) Grundfreiheiten, Nichtdiskriminierung, Transparenz Auslegung durch EuGH überwölbt Sekundärrecht (Richtlinien, Verordnungen etc.)
3 EU-Vergaberichtlinien Richtlinie 2004/18/EG mit Schwellenwerten ab 01/2012: Liefer- und Dienstleistungs-Aufträge: Bauaufträge: keine Anwendung auf DL-Konzessionen Richtlinie 2004/17/EG für Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, Postdienste: Liefer- und DL-Aufträge: Bauaufträge: keine Anwendung auf Bau- und DL- Konzessionen
4 Formen interkommunaler Kooperation Zweckverband (vertikal) Öffentlich-rechtliche Vereinbarung/ Zweckvereinbarung (horizontal) Mandatierung / Delegation ( 25 I GKZ BW) gemeinsame Aufgabenwahrnehmung gemeinsames Unternehmen in Privatrechtsform (z.b. GmbH - vertikal)
5 Problemlage Interkommunale Kooperation - Kommunen schließen sich im Zweckverband zusammen - Kommunen betreiben gemeinsame Gesellschaft - Kommune A vergibt Auftrag an Kommune B (Mandatierung/Delegation) - Kommunen schließen ö-r Vereinbarung zur gemeinsamen Aufgabenerledigung EuGH: öffentliche Stellen können Aufgaben grundsätzlich auch mit anderen öffentlichen Stellen wahrnehmen, ohne sich an Externe wenden zu müssen ( Stadtreinigung HH ). aber: interkommunale Zusammenarbeit darf nicht generell vom EU- Vergaberecht ausgeschlossen werden ( KOM./.SPA ).
6 Kriterien der Teckal -Rechtsprechung Keine Anwendbarkeit des EU-Vergaberechts auf sog. In-House-Geschäft, wenn beauftragte Körperschaft: eine Kontrolle über die beauftragte Körperschaft ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen die beauftragte Körperschaft im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft(en) tätig ist, die ihre Anteile innehat (innehaben) Kriterien gelten auch: wenn Kommune Auftrag an eigene Gesellschaft vergeben will, an der Kommune alle Anteile besitzt, oder an Zweckverband Folge: Benachteiligung von Staaten mit kommunaler Selbstverwaltung, da kommunaler Partner stets eine andere Stelle ist. [rein organisatorisch-administrativer Akt, keine Marktteilnahme?]
7 Kontrollkriterium Das Vorliegen einer Kontrolle ist abzulehnen: bei jeder (auch noch so geringen) privaten Beteiligung ( Stadt Halle ) wenn kein entscheidender Einfluss auf Unternehmensleitung, selbst bei nur öffentlichen Anteilseignern an der beauftragten Gesellschaft bei GmbH Kontrolle eher (+) 45 I, 46 Nr. 6 GmbHG bei AG Kontrolle eher (-); gemeinsame Kontrolle, auch durch die Minderheitsgesellschafter erforderlich
8 Wesentlichkeitskriterium alle Umsätze, die für öffentlichen Stellen erbracht werden, sind zusammen zu rechnen (EuGH: 90% reichen aus; OLG Celle: 92,5% reichen nicht) 80%-Schwelle der SKR für den Wassersektor [Leistungserbringung gegenüber Kunden bei Konzessionen außerhalb der Daseinsvorsorge]
9 Coditel Brabant - vertikale Kooperation Kontrolle bei mehreren öffentlichen Stellen gemeinsam möglich, wenn: institutionalisierte Einrichtung (z.b. Zweckverband) Organe nur aus Vertretern der angeschlossenen öffentlichen Stellen Organe kein hohes Maß an Selbstständigkeit Leistungen nur für Mitglieder; nicht am Markt für Dritte keine Öffnung für privates Kapital
10 Stadtreinigung HH - horizontale Kooperation gemeinsame Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe öffentliche Aufgabe (z.b. Wasserver-/-entsorgung) gemeinsame Wahrnehmung Finanztransfer nur zur Kostendeckung keine Beteiligung privaten Kapitals Kooperation im regionalen Verbund? gewisse zeitliche Dauer der Kooperation?
11 Piepenbrock - Delegation Fall einer delegierenden Zweckvereinbarung über Gebäudereinigungsarbeiten zwischen Kreis und Stadt Ausschreibung (+), weil - keine Gemeinwohlaufgabe - Beauftragung eines Dritten möglich (hier städtische GmbH), der im Wettbewerb mit Dritten steht - Beauftragender hat bei Delegation keine Kontrolle über Beauftragten
12 Folgen des Verstoßes gegen Vergabepflicht 1. Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG: Unwirksamkeit der Verträge Ausnahme: zwingende Gründe des Allgemeininteresses dann aber: alternative Sanktionen (z.b. Geldbußen) 2. Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH durch die Kommission
13 Fazit (i) Bei vertikaler Zusammenarbeit (z.b. in Zweckverbänden) Prüfung anhand der Teckal-Kriterien: - gemeinsame Kontrolle reicht dabei aus - Tätigkeit im Umfang von mindestens 80 Prozent für alle öffentlichen Stellen zusammen (ii) Bei einer vertikalen Kooperation in Form einer Kapitalgesellschaft: - Unternehmen darf zudem keine eigenständigen, marktstrategischen Entscheidungen treffen können (iii) Bei horizontaler Kooperation eigenständiger Prüfungsmaßstab: - v.a. gemeinsame Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (keine reinen Hilfsleistungen!) - bei Delegation zudem keine Kontrolle über den Auftragnehmer (iv) Für eine Vergaberechtsfreiheit darf kein privates Kapitel beteiligt sein.
14 Ausblick Überarbeitung der Vergabe-Richtlinien Ziel: ausdrückliche Aufnahme der Ausnahmetatbestände des EuGH vergleichbar mit Art. 5 Abs. 2 der VO über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße
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