Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Wissenschaft und Forschung DIE SENATORIN Tischrede beim 2. Jahrestreffen des Global Research Council 28. Mai 2013, 19:00 Uhr, Berlin Sehr geehrter Herr Prof. Strohschneider, sehr geehrter Herr Prof. Oliva, sehr geehrte Frau Bundesministerin Prof. Wanka, sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie im Namen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz begrüßen zu dürfen, also gleichsam im Namen der deutschen Länder. Die Vorsitzende der GWK, Doris Ahnen, ist leider terminlich verhindert und lässt Ihnen die herzlichsten Grüße ausrichten.
2 Meine Damen und Herren, Herr Prof. Strohschneider und Frau Wanka haben Ihnen bereits das föderale System der Bundesrepublik ein wenig nahegebracht. Ich würde gern noch etwas darauf eingehen, wie sich Bund und Länder in Deutschland die gesamtstaatliche Verantwortung für Wissenschaft und Forschung teilen und versuchen, gemeinsam Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung zu steigern. Laut Grundgesetz liegen Finanzierung und Verwaltung, Neubau und Ausbau der Hochschulen und der Universitäten mit den Universitätskliniken nahezu ausschließlich bei den Ländern. Sie haben auch das Recht der Gesetzgebung.
3 Daneben definiert das Grundgesetz aber auch sogenannte Gemeinschaftsaufgaben, die Bund und Länder gemeinsam wahrzunehmen haben. So beteiligt sich der Bund an der Finanzierung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und an Forschungsvorhaben an Hochschulen; Letzteres unter der Bedingung, dass alle Länder zustimmen. Und der Bund gibt erhebliche Summen aus für Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten. Summen, die die Länder alleine nicht tragen könnten. Am Beispiel eines Forschungscampus in Hamburg möchte ich Ihnen das erläutern, beispielhaft für andere Orte in Deutschland. Dort arbeitet die Universität mit ihrer traditionell sehr starken und sehr renommierten Physik zusammen mit mehreren ebenfalls sehr renommierten
4 außeruniversitären Forschungseinrichtungen: Dem Deutschen Elektronen Synchrotron DESY der Helmholtzgemeinschaft, einem der international führenden Beschleunigerzentren; mit der Max- Planck-Gesellschaft, einem neuen Max-Planck- Institut, dem Centre for structure Systems Biology und mit weiteren Partnern aus dem In- und Ausland. Dies ermöglicht Forscherinnen und Forschern aus aller Welt Grundlagenforschung in der Physik, Chemie, Biologie, Geologie und Medizin. Unter anderem hat eine Forschergruppe am DESY Experimente unternommen, die 2009 zum Chemie- Nobelpreis für die Strukturbiologin Ada Yonath führten. Internationale Kooperationen sind konstitutiv für diese Forschungscampi.
5 Meine Damen und Herren, organisiert wird die Zusammenarbeit von Bund und Ländern durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, die ich heute vertrete. Ihre Arbeit basiert auf einem Bund-Länder- Abkommen. Dieses Abkommen ist das Fundament der gemeinsamen Forschungsförderung in Deutschland. Auf dieser Basis haben Bund und Länder in den vergangenen Jahren verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse zu großen Wissenschaftspakten gefasst: dem Hochschulpakt, dem Qualitätspakt Lehre, dem Pakt für Forschung und Innovation und der Exzellenzinitiative. Der Hochschulpakt ist eine der wichtigsten Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. Er ist die vertragliche Basis, auf der beide Seiten
6 gemeinsam ihre gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen, zusätzliche Studienanfänger- Kapazitäten für die Hochschulen zur Verfügung zu stellen. Denn, und da möchte ich Frau Bundesministerin Prof. Wanka ausdrücklich zustimmen: Die Universitäten und Hochschulen sind die entscheidenden Motoren für die Wissenschaft. Von ihnen gehen die entscheidenden Impulse für die Perspektiven in Deutschland aus. Aufgabe der Wissenschaftspolitik ist es daher, die Universitäten und Hochschulen zu stärken, damit diese ausreichend Studienplätze zur Verfügung stellen und ihre Lehrstühle angemessen ausstatten können.
7 Der Qualitätspakt Lehre verbessert die Lehre an den Universitäten und Hochschulen. Auch er hat die Breite der Hochschullandschaft im Fokus. Durch den Pakt für Forschung und Innovation erhalten die von Bund und Ländern gemeinsam geförderten Forschungseinrichtungen finanzielle Planungssicherheit bis 2015. Die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern schließlich konzentriert sich auf die Förderung von Spitzenforschung in Deutschland und soll deren internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Meine Damen und Herren, das mag alles ein wenig kompliziert und vielleicht auch mühsam klingen. Und in der Tat müssen wir die Ausgestaltung dieser Pakte und ihre Fortsetzung immer wieder intensiv diskutieren. Dennoch halte ich dieses Modell, dieses
8 Wissenschaftssystem, das aus der föderalen Tradition Deutschlands nach 1945 entstanden ist, für einen Erfolg. Besonders die Exzellenzinitiative hat der Forschung in Deutschland inhaltlich und finanziell, qualitativ und quantitativ einen Schub verliehen und ihre internationale Sichtbarkeit deutlich erhöht. Nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ist der Anteil von Forscherinnen und Forschern aus dem Ausland an deutschen Universitäten oder Hochschulen innerhalb von fünf Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen. Um die Europäisierung und Internationalisierung der Forschung in Deutschland noch weiter voranzutreiben, haben die Mitglieder der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vor
9 einigen Wochen eine Internationalisierungsstrategie beschlossen. Bund und Länder wollen beispielsweise die Hochschulen dabei unterstützen, noch mehr exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen und - wissenschaftler aus dem Ausland zu gewinnen und internationale Forschungskooperationen einzugehen. Dazu müssen wir auch die rechtlichen Voraussetzungen auf Bundes- und Länderebene verbessern. Universitäten und Hochschulen können sich nur dann weiter für internationale Studierende und Lehrende öffnen, wenn etwa das Ausländerrecht es zulässt. Wenn ausländische Bildungsabschlüsse bei uns anerkannt werden. Und wenn z.b. noch mehr transnationale Studiengänge eingerichtet werden.
10 Außerdem wollen wir verstärkt an der Weiterentwicklung des europäischen Hochschulraums und des Europäischen Forschungsraums mitwirken und uns in den entsprechenden europäischen und internationalen Gremien einbringen. Mit Hilfe all dieser Initiativen, Pakte und Strategien haben Bund und Länder es geschafft, dem 3- Prozent-Ziel der Lissabon-Strategie der europäischen Union sehr sehr nahe zu kommen: Im Jahr 2010 lagen die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Deutschland bei 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, im Jahr 2011 bereits bei 2,9 Prozent. Meine Damen und Herren,
11 ich sagte es bereits: es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, wie sich in Deutschland Bund und Länder die Verantwortung für Bildung, Wissenschaft und Forschung teilen. Aber ich denke, unsere Ausführungen haben gezeigt, dass diese Aufteilung sowohl Wettbewerb als auch Kooperation in der Wissenschaft begünstigt. Und nur beides zusammen, und das ist ja auch Ihr Thema heute gewesen, beflügelt und befördert den Forschergeist. Dem Global Research Council wünsche das Beste für seine Konferenz in diesem Jahr in Berlin und für seine Entwicklung in den kommenden Jahren. Vielen Dank.