Wie man mit Worten Dinge erschafft

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Transkript:

Christiana Werner Wie man mit Worten Dinge erschafft Die sprachliche Konstruktion fiktiver Gegenstände V& Runipress

www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC C083411 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0391-2 ISBN 978-3-8470-0391-5 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0391-9 (V&ReLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen (GSGG) und des Deutschen Akademikerinnen Bundes e.v. (DAB). Diese Arbeit wurde als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften der Universität Regensburg eingereicht. 2016, V&Runipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen /www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: 77479311 pensiero immaginario superpapero Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum AltenBerg24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt Vorwort.................................... 9 Einleitung.................................. 11 1. Die Terminologie der Sprechakttheorie................. 17 1.1 Fiktionale Rede als Problem der Sprechakttheorie......... 17 1.2 Der illokutionäre Akt......................... 18 1.2.1 Sprachliche Äußerungen, die keine Sprechakte sind..... 30 1.2.2 Fiktionale Rede als Problem der Klassifikation illokutionärer Akte....................... 35 1.3 Der lokutionäre Akt.......................... 40 1.3.1 Bedeutung und illokutionärer Akt............... 42 1.4 Der propositionale Akt........................ 53 1.4.1 Die Unselbstständigkeitsthese................. 57 1.5 Fazit aus Kapitel 1........................... 61 2. Analysen fiktionaler Rede: Darstellung und Kritik........... 65 2.1 Fiktionale Rede und Rede über Fiktion............... 65 2.2 Die ia-these............................ 71 2.2.1 Fiktionale Rede als sprachliche Äußerung ohne propositionalen und illokutionären Akt............ 72 2.2.1.1 Das Determinationsprinzip.............. 77 2.2.1.2 Wird bei fiktionaler Rede ein propositionaler Akt vollzogen?........................ 82 2.2.1.3 So-tun-als-ob...................... 87 2.2.1.4 Fiktionale Rede als So-tun-als-ob........... 89 2.2.1.4.1 Belegbedingung und Korrespondenzbedingung.......... 95 2.2.1.5 Wird mit fiktionaler Rede ein illokutionärer Akt vollzogen?........................ 99 d

6 Inhalt 2.2.2 Fiktionale Rede als Vollzug propositionaler Akte ohne Vollzug illokutionärerakte.................. 100 2.2.3 Die Pseudoprädikationsthese................. 106 2.2.4 Fiktionale Rede als Zitat (I).................. 109 2.2.5 Waltons Kritik sprechakttheoretischer Analysen fiktionaler Rede............................... 114 2.3 Die ia-these.............................. 116 2.3.1 Fiktionale Rede als Zitat (II).................. 117 2.3.2 Fiktionale Rede als direktiver illokutionärer Akt....... 122 2.3.3 Fiktionale Rede als deklarativer illokutionärer Akt...... 131 2.4 Fazit aus Kapitel 2........................... 134 3. Fiktionaler Realismus inder Debatte um Rede über Fiktion...... 139 3.1 Rede über Fiktion........................... 139 3.1.1 Aussagen über nicht-existierende Gegenstände........ 140 3.1.2 Redet der Literaturwissenschaftler tatsächlich über Sherlock Holmes? Der Fiktionsoperator................ 146 3.1.3 Inter- und transfiktionale Aussagen.............. 151 3.2 Der Fiktionale Realismus: Fiktive Gegenstände als abstrakte Artefakte................................ 154 3.2.1 Fiktive Gegenstände und Common Sense........... 155 3.2.2 Abhängigkeiten abstrakter Artefakte............. 157 3.2.3 Existenzbedingungen...................... 160 3.2.4 Identitätskriterien fiktiver Gegenstände............ 165 3.2.5 Eigenschaften und fiktive Eigenschaften........... 166 4. Die Konstruktion fiktiver Gegenstände................. 171 4.1 Fiktionale Rede als Vollzug deklarativer illokutionärer Akte.... 171 4.2 Vorüberlegungen: Der deklarative illokutionäre Akttyp...... 175 4.2.1 KonstitutiveRegeln....................... 178 4.2.2 Erschaffende deklarative illokutionäre Akte......... 180 4.2.3 Ein Beispiel: Die Konstruktion eines Amtes......... 183 4.2.3.1 Input- und Output-Bedingungen........... 184 4.2.3.2 Regeln des propositionalen Gehalts.......... 185 4.2.3.2.1 Der Akt der Referenz............. 186 4.2.3.2.2 Der Akt der Prädikation........... 188 4.2.3.3 Einleitungsregeln.................... 190 4.2.2.4 Aufrichtigkeitsbedingung............... 190 4.3 Analyse fiktionaler Äußerungen als deklarative illokutionäre Akte: Gelingensbedingungen..................... 192 4.3.1 Input- und Output-Bedingungen............... 193

Inhalt 7 4.3.2 Das Erkennen der illokutionären Rolle der Äußerung.... 195 4.3.3 Aufrichtigkeitsbedingung die Absicht des Autors/Sprechers........................ 196 4.3.4 Fiktionale Konvention..................... 197 4.3.5 Fiktionalitätssignale...................... 199 4.4 Analyse fiktionaler deklarativer illokutionärer Akte: Die Konstruktion fiktiver Rollen..................... 204 4.4.1 Regeln des propositionalen Gehalts.............. 204 4.4.2 Der Akt der Referenz Bezugnahme auf abstrakte Artefakte 207 4.4.3 Der Akt der Prädikation.................... 210 4.4.4 Eine Herausforderung: Eigennamen empirischer Gegenstände in fiktionalen Äußerungen........... 218 4.5 Schluss................................. 227 Literaturverzeichnis............................. 233

Vorwort Der vorliegende Text ist als Dissertation im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts»Wissen und Bedeutung in der Literatur«an der Universität Regensburg entstanden. Die Veröffentlichung dieser Arbeit wurde mir durch die freundliche Unterstützung der Graduiertenschule fürgeisteswissenschaften Göttingen und des Deutschen Akademikerinnen Bundes e.v. ermöglicht. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich für die Unterstützung, Ermunterungen und kritischen Kommentare zu meiner Arbeit bei Hans Rott, Mark Textor und den Mitglieder der Forschungsprojektgruppe Jürgen Daiber, Eva- Maria Konrad, Thomas Petraschka und Daniel Hartenstein. Teile dieser Arbeit habe ich immer wieder mit Tim Kraft, Miguel Höltje, Jamal Nusseibeh, Jan Werner, Simon Sauter, Thorsten Sander, Oliver Petersen, Anke Knevels, Bernd Gräfrath, Carl Bottek, Benjamin Schnieder, Louise Röska-Hardy und überhaupt nicht zuletzt mit Neil Roughley diskutiert. Alle haben mir sehr weitegeholfen. Stefan Reining, Dražan Rozić, Jan Schreiber, Mirko Sykorra, Barbara Werner, Annika Werner und Tiana Fischer danke ich nicht nur,aber besonders für ihre Korrekturarbeiten. Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre es mir kaum möglich gewesen, diese Arbeit zu beenden das gilt besonders für meine Eltern und Tobias Werner. Schließlich möchte ich mich ganz besonders bei Thomas Spitzley dafür bedanken, dass er so viel Zeit und Energie investiert hat, als es am wichtigsten war. Essen und Göttingen, im Oktober 2015 Christiana Werner

Einleitung Da sitzt einer überseiner Schreibmaschine, rauchtzuviel, bläst Staub vonden Tasten, beißt ineinen Apfel und denkt an Schiller dabei, starrt auf das leere Papier und dann auf die Uhr, kratzt an dem verklebten kleinen a herum, bis es wieder sauber ist, hat schon wieder eine Zigarette in Brand und nennt das alles Arbeit. Er lauert auf den Gedanken. Der Gedankesteckt den Kopf um die Ecke, zögert noch, zögertlange, aber endlich kommt er näher. Er kommt! Macht er noch einen einzigen Schritt, einen winzigen Schritt, dann schnappt die Falle zu, dann ist er ausgedacht, und ein Mann schlägt ihn ans Papier. (Hermann Kant, Die Aula) Fiktionale Texte sind ein fester Bestandteil unserer Kultur.Die ersten Texte, die Kindern vorgelesen werden, und oft auch die ersten Texte, die sie dann selbst lesen, sind fiktionale. Viele Texte, die als Literatur bezeichnet werden und denen deshalb ein besonderer Wert beigemessen wird, sind fiktional. Wir sind so geübt im Umgang mit Fiktionalität, dass wir sehr selten im Unklaren darüber sind, ob ein uns vorliegender Text ein fiktionaler ist oder nicht. Hermann Kant beschreibt in der oben zitierten Stelle sehr anschaulich, dass das Schreiben kein leichtes Unterfangen ist. Aber auch das Beschreiben des Schreibens ist keine leichte Aufgabe, der Versuch, die Handlungen des Autors zu charakterisieren zeigt: Fiktionale Äußerungen stellen eine Herausforderung fürdie Sprachphilosophie dar. Die zentrale Frage dieser Arbeit lautet daher: Wie kann die sprachliche Handlung des Autors fiktionaler Rede korrekt beschrieben werden? Denn eine Theorie der Sprache sollte mit einem Phänomen, das eine so zentrale Rolle spielt, umgehen können. John L. Austin hat in seiner Vorlesungsreihe, die später unter dem Titel How to do things with words veröffentlich wurde, versucht, eine Terminologie zu entwickeln, mit der alltägliche sprachliche Äußerungen als Vollzüge von Handlungen analysiert werden können. Doch fiktionale Äußerungen fallen nicht in den Bereich, der vonseiner Theorie erfasst oder mit seiner Terminologie beschrieben werden könnte. Bei Austin finden sich überhaupt nur wenige verstreute Bemerkungen dazu.

12 Einleitung John R. Searle, der einige Jahre nach dem Erscheinen von How todothings with words eine eigene Variante der Sprechakttheorie entwickelt, schließt fiktionale Äußerungen ebenfalls aus dem Bereich der Äußerungen aus, die vollständig mit seiner Terminologie beschrieben werden können. Fiktionale Äußerungen sind gemäß Searle bloße Äußerungsakte; wer fiktional spricht oder schreibt, vollzieht also weder propositionale noch illokutionäre Akte. Um klären zu können, warum die Begründer der Sprechakttheorie fiktionale Äußerungen ausdem Anwendungsbereich ausschließen, und um zu prüfen, ob dies angemessen ist, werde ich im ersten Teil dieser Arbeit zunächst die Aspekte der Sprechakttheorie vorstellen, die dafür relevant sind. Ich werde u. a. die für die Sprechakttheorie zentralen Begriffe»Äußerungsakt«,»propositionaler Akt«und»illokutionärer Akt«erläutern. Vor anderen Theorien der Sprache zeichnet sich die Sprechakttheorie dadurch aus, dass sie sprachliche Äußerungen in erster Linie als Handlungen auffasst. Dies legtes nahe, nach den Zwecken zu fragen, die mit den Äußerungen von Sprechern verfolgt werden. Solche Zwecke können sehr unterschiedlich sein: Sprecher können mit einer Äußerung z. B. versuchen zu überzeugen, zu erschrecken, zu amüsieren oder einem Kind einen Namen zu geben. Einige Zwecke können nur dann erfolgreich verfolgt werden, wenn es bestimmte Konventionen gibt, die regeln, dass eine sprachliche Äußerung als Vollzug einer bestimmten Handlung zählt. Dieses Phänomen gibt es nicht nur bei sprachlichen Äußerungen. Auch mit nicht-sprachlichen Handlungen können bestimmte Zwecke nur verfolgt werden, wenn die Handlung aufgrund einer entsprechenden Konvention als Vollzug einer bestimmten Handlung zählt. So gilt das Bewegen einer kleinen Holzfigur auf einem Brett nur dann als Zug der Dame auf einem Schachbrett, wenn es entsprechende Konventionen gibt. Mit einer sprachlichen Äußerung kann ich beispielsweise jemanden erschrecken, weil ich sehr laut spreche. Dafürbedarfeskeiner Konventionen. Ich kann auch jemanden mit einer sprachlichen Äußerung erschrecken, weil der Gehalt der Äußerung für den Hörer erschreckend ist. Im ersten Fall muss die Äußerung nicht einmal als eine sprachliche erkannt werden, damit ich mit der Äußerung meinen Adressaten erschrecken konnte. Im zweiten Fall muss der Adressat in der Lage sein, zu verstehen, was ich mit der Äußerung sagen wollte; die Äußerung muss als eine sprachliche erkannt werden und Sprecher und Adressat müssen die gleiche Sprache sprechen. Dass sich der Adressat angesichts des geäußerten Gehalts erschrickt, ist aber nicht deshalb so, weil die Äußerung konventionell als eine Handlung des Erschreckens zählen würde. Sagt aber der Standesbeamte:»Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau.«, dann hat er zwei Menschen einen neuen Status zugewiesen, nämlich Ehefrau und Ehemann zu sein. Dies konnte er mit seiner Äußerung aber nurdeshalb erreichen, weil diese Äußerung als Vollzug einer Vermählung unter geeigneten Umständen

Einleitung 13 zählt. Ohne eine entsprechende Konvention hätte der Beamte den Zweck, die beiden Menschen miteinander zu verheiraten, nicht erfolgreich verfolgen können. Eine sprachliche Äußerung kann dann als Vollzug eines illokutionären Aktes zählen, wenn es eine Konvention gibt, die die Äußerung als Vollzug einer bestimmten Handlung zählen lässt. Das scheint aber auch auf fiktionale Äußerungen zuzutreffen. In einer Sprechergemeinschaft, in der das fiktionale Erzählen unbekannt ist, würde eine fiktionale Äußerung wahrscheinlich als Behauptung und damit entgegen der Absicht des Autors aufgefasst werden. Der spezifische Zweck, der mit fiktionalen Äußerungen verfolgt wird, nämlich eine erfundene Geschichte zu erzählen, und zwar so,dass der Adressaterkennt, dass es sich um eine erfundene Geschichte handelt, kann nur erfolgreich verfolgt werden, wenn es eine Konvention gibt, die Äußerungen als fiktionale zählen lässt. Das legt nun aber nahe, so werde ich argumentieren, fiktionale Äußerungen doch als Vollzug illokutionärer Akte eines bestimmten Typs aufzufassen. Mit dieser These widerspreche ich aber den Begründern der Sprechakttheorie, denn diese sehen fiktionale Äußerungen gerade nicht als Vollzug illokutionärer Akte an. Um herauszufinden, ob an dieser These festgehalten werden kann, werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit zunächst Argumente untersucht, die gegen diese These angeführt werden. In diesem Zusammenhang werde ich vier Thesen bzw.argumentevorstellenund diskutieren, mit welchen der Versuch unternommenwird,fiktionale Äußerungen gerade nicht als Vollzug illokutionärer Akte zu verstehen. Ich hoffe, zeigen zu können, dass diese Thesen nicht zutreffen und die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente nicht überzeugen können. Werden fiktionale Äußerungen als Vollzug illokutionärer Akte aufgefasst, stellt sich die Frage, welche illokutionären Akte mit diesen Äußerungen vollzogen werden. Daher werde ich drei Thesen vorstellen, mit welchen fiktionale Äußerungen als Vollzug bestimmter illokutionärerakte charakterisiert werden. Doch auch mit diesen Thesen können meines Erachtens fiktionale Äußerungen nicht angemessen beschrieben werden. Um zu klären, welcher illokutionäre Akttyp mit fiktionalen Äußerungen vollzogen wird, muss geklärt werden, ob Autoren dieser Äußerungen sich mit entsprechenden Ausdrücken auf etwas beziehen, und wenn sie es nicht tun, wie die Verwendung der Ausdrücke dann korrekt beschrieben werden kann.ob sich die Autoren fiktionaler Äußerungen auf etwas beziehen können, hängt aber von einer Frage ab, die üblicherweise nicht im Zusammenhang mit den fiktionalen Äußerungen selbst, sondern im Zusammenhang mit Rede über Fiktion diskutiert wird. Diese ontologische Frage lautet: Gibt es fiktive Gegenstände? Besonders so genannte metafiktionale Aussagen wie»thomas Buddenbrook ist bekannter als Sesemi Weichbrodt.«stellen ein Problem dar. In dieser Debatte

14 Einleitung wird also diskutiert, ob z. B. wir als Leser uns mit»thomas Buddenbrook«auf etwas beziehen oder gerade nicht. Wer diese Frage negativ beantwortet, wird eine andere Beschreibung der Handlung des Autors fiktionaler Rede geben müssen als diejenigen, die die Frage positiv beantworten. Im dritten Kapitel dieser Arbeit werde ich eine realistische Position vorstellen, die fiktive Gegenstände als abstrakte Artefakte versteht. Nicht nur fiktive Charaktere werden als abstrakte Artefakte aufgefasst,sondern auch u. a. Gesetze, Verfassungen und Ämter. Solche Gegenstände haben mit fiktiven Gegenständen gemeinsam, dass sie durch sprachliche Handlungen erschaffen werden können. Illokutionäre Akte, mit denen dies möglich ist, nennt Searle deklarative illokutionäre Akte. Wenn aber Gesetze, Verfassungen und Ämter durch deklarative illokutionäre Akte erschaffen werden, dann ist es naheliegend, auch anzunehmen, dass die sprachlichen Äußerungen, durch welche fiktive Gegenstände erschaffen werden, ebenfalls als deklarative illokutionäre Akte aufzufassen sind. Zu Beginn des vierten Kapitels werde ich an einem Beispiel untersuchen, wie die Handlung des Erschaffens eines Amtes beschrieben werden muss. Ein Amt ist insofern ein besonderes abstraktes Artefakt, als es die Eigenschaft hat, einen Träger haben zu können. Wird ein Amt erschaffen und werden bestimmte Rechte und Pflichten an dieses Amt gebunden, so heißt dies, dass ein möglicher Träger diese Rechte und Pflichten verliehen bekommt. Es ist nicht das abstrakte Artefakt»Amt«, das Rechte und Pflichten hat, sondern der Träger des Amtes. Analog zu der Untersuchung des deklarativen Aktes der Amtseinführung werde ich fiktionale Äußerungen als deklarative illokutionäre Akte analysieren. Ich werde in einem ersten Schritt notwendige Bedingungen für das Vorliegen einer fiktionalen Äußerung formulieren sowie Bedingungen für das Gelingen dieser Äußerungen als deklarativer illokutionärer Akt. In einem zweiten Schritt werde ich, ebenfalls analog zu der Untersuchung der nicht-fiktionalen deklarativen Akte, die Regeln bezüglich des propositionalen Gehalts fiktionaler Äußerungenuntersuchen. In diesem Zusammenhang werde ich eine Spezifikation der ontologischen These des fiktionalen Realismus vornehmen: Fiktive Gegenstände sind abstrakte Artefakte einer bestimmten Art sie sind fiktive Rollen. Fiktive Rollen haben mit Ämtern einige Gemeinsamkeiten: Sie können ebenfalls durch eine sprachliche Handlung erschaffen werden und auch Rollen haben die Eigenschaft, einen Träger haben zu können. Unter Voraussetzung dieser ontologischen These werde ich zeigen, dass u. a. mit fiktionalen Eigennamen auch im Rahmen fiktionaler Äußerungen auf einen fiktiven Gegenstand,nämlich die fiktiverolle, Bezug genommen wird. Der Akt der Prädikation wird analog zum Prädizieren bei nicht-fiktionalen deklarativen Akten zu beschreiben sein. Mit dem Akt der Prädikation werden an die fiktiven Rollen höherstufige Eigenschaften gebunden, die sowie bei einem Amt nicht

Einleitung 15 dem abstrakten Artefakt selbst verliehen werden, sondern die ein möglicher Träger der fiktiven Rolle haben muss, um Träger dieser Rolle zu sein. Werden fiktionale Äußerungen als fiktionale deklarative Akte erfolgreich vollzogen, werden also mit diesem Akt fiktive Rollen erschaffen. Anhand von Beispielen werde ich zeigen, wie fiktionale Äußerungen sowohl performativ als auch propositional expliziert werden müssen, mit dem Ergebnis, dass der propositionale Gehalt fiktionaler Äußerungen durch den erfolgreichen Vollzug der Äußerung als fiktionaler deklarativer Akt wahr wird.

1. Die Terminologie der Sprechakttheorie 1.1 Fiktionale Rede als Problem der Sprechakttheorie Die zentrale These der Sprechakttheorie ist, dass Sprecher handeln, wenn sie etwas sagen. Sprachliche Äußerungen lassen sich auf verschiedene Arten beschreiben, als das Produzieren von Lauten, das Ausdrücken eines bestimmten Gehalts und als der Vollzug so genannter illokutionärer und perlokutionärer Akte. Beispiele für illokutionäre Akte sind Behauptungen, Fragen, Befehle, Gratulationen. Beispiele für Verben, die perlokutionäre Akte bezeichnen sind amüsieren, erschrecken oder überzeugen. Die Frage, wie fiktionale Rede angemessen analysiert werden kann, spielt in der Debatte um Fiktion eine große Rolle. Vor dem Hintergrund der Sprechakttheorie wird zur Beantwortung dieser Frage untersucht, wie das, was der Autor eines fiktionalen Werkes tut, beschrieben werden kann. Im Zentrum des Interessessteht bei dieser Herangehensweise die Frage, ob mit fiktionaler Rede ein illokutionärer Akt vollzogen wird, und falls dem so ist, welcher. Diese Frage drängt sich u. a. durch die Beobachtung auf, dass bei dem Versuch, z. B. einen Satz eines Romans performativ explizit zu formulieren, sich zeigt, dass im Deutschen kein illokutionäres Verb für den Vollzug fiktionaler Rede reserviert ist:»fingieren«wird häufig im Zusammenhang mit einer Täuschungsabsicht verwendet. Diese Absicht wird einem Romanautor jedoch normalerweise gerade nicht unterstellt.»erzählen«impliziert zwar keine Täuschung, wird dafür aber auch in nicht-fiktionalen Kontexten verwendet. Das alleine ist noch kein Argument für die These, mit fiktionaler Rede werde kein illokutionärer Akt vollzogen, zeigt aber doch, dass das Benennen der Tätigkeit des Autors gewisse Schwierigkeiten bereitet. In der Debatte wird häufig der Versuch unternommen, fiktionale Rede in Abgrenzung zu assertiven Äußerungen, insbesondere dem illokutionären Akt der Behauptung,zubestimmen. Ein Grund fürden Vergleich mit Behauptungen ist die Betrachtung narrativer fiktionaler Literatur, z.b.von Romanen. Bei dieser literarischen Gattung überwiegen Sätze, deren Äußerung wegen ihrer gram-

18 Die Terminologie der Sprechakttheorie matikalischen Struktur zunächst wie Behauptungen erscheinen. Anhand der grammatikalischen Oberfläche lassen sich nämlich zumindest prima facie keine Merkmale finden, die eine Unterscheidung zwischen Sätzen, verwendet in fiktionalem oder in nicht-fiktionalem Kontext, zuließen. 1 Ich werde dafür argumentieren, dass syntaktische bzw.grammatikalische Aspekte einer Äußerung zwar Hinweise auf den illokutionären Akt, der damit vollzogen wird, geben können, dass aber die Betrachtung von Grammatik und Syntax alleine häufig nicht weiterhilft. Vielmehr müssen Informationen über die jeweilige Äußerungssituation mitherangezogen werden, um zu bestimmen, welcher illokutionäre Akt vollzogen wurde. Beider Analyse der fiktionalen Rede führtdie auf grammatikalische Aspekte konzentrierte Betrachtung, wie ich hoffe zeigen zu können, dazu, dass Vertreter der These, mit fiktionaler Rede werde kein illokutionärer Akt vollzogen, für fiktionale Rede keine anderen als assertive Sprechakte in Betracht ziehen. Da festgestellt werden kann, dass für fiktionale Rede die Gelingensbedingungen der assertiven Sprechakte nicht gültig sind, wird angenommen, dass fiktionale Rede keiner der illokutionären Klassen angehört. Die folgenden Kapitel sollen dazu dienen, zentrale Begriffe der Sprechakttheorie zu klären, um so Theorien, die fiktionale Rede sprechakttheoretisch zu fassen versuchen, besser darstellen zu können, aber auch, um auf die Schwierigkeiten der oben genannten These hinweisen zu können. Um die Frage zu beantworten, ob mit fiktionaler Rede ein illokutionärer Akt vollzogen wird, muss zunächst geklärt werden, wann sprachliche Äußerungen als Vollzug eines solchen Aktes verstanden werden können. In diesem Zusammenhang werde ich auch Äußerungen untersuchen, die keine illokutionären Akte sind. Solche Äußerungen sollen dann auf Ähnlichkeiten mit fiktionaler Rede hin untersucht werden, um auch auf diese Weise die Plausibilität der These, bei fiktionaler Rede werde kein illokutionärer Akt vollzogen, prüfen zu können. 1.2 Der illokutionäre Akt Mit der Searleschen Terminologie kann eine sprachliche Äußerung als Äußerungsakt, als propositionaler, illokutionärer und als perlokutionärer Akt bezeichnet werden. Mit der Beschreibung einer Äußerung als illokutionärer Akt soll eine Beschreibung geliefert werden, die noch nicht dadurch abgedeckt ist, dass ein Äußerungsakt als das Äußern linguistischer Ausdrücke bezeichnet wurde. 1 Der Versuch, auch an der grammatikalischen Oberfläche Fiktionalitätsmerkmale zu bestimmen, wird von Käthe Hamburger in Logik der Dichtung unternommen.

Der illokutionäre Akt 19 Beispiele für Verben, mit denen Äußerungen als illokutionäre Akte bezeichnet werden, sind»behaupten«,»befehlen«,»taufen«und»versprechen«. Wenn eine Äußerung als Äußerungsakt bezeichnet wird, dann wird im Fall einer mündlichen Äußerung auf diese nur als das Produzieren von Lauten Bezug genommen. Wer nur ein Geräusch von sich gibt, vollzieht sofern dies absichtlich geschehen ist einen bloßen Äußerungsakt. So können menschliche und nicht-menschliche Tiere, die absichtlich handeln aber nicht sprechen können, in diesem Sinn einen Äußerungsakt vollziehen. Wird eine sprachliche Äußerung als Äußerungsakt bezeichnet, dannwird bei dieser Benennung gerade nicht berücksichtigt, dass die produzierten Geräusche Wörter, Sätze usw. sind. Zunächst wird mit dieser Bezeichnung auch nicht auf eine kommunikative Absichthingewiesen. Es kann jemand nur die Absichthaben, ein Geräusch von sich zu geben. Er war dann erfolgreich, wenn es ihm gelungen ist, das Geräusch zu produzieren, völlig unabhängig davon, ob dieses Geräusch gehört wurde oder von jemandem hätte gehört werden können. Searle vertritt die Position, dass mit sprachlichen Äußerungen typischerweise ein propositionaler Gehalt ausgedrückt wird. Wenn also ein Sprecher Geräusche äußert, die Wörter, Sätze 2 usw. sind, und er diese bedeutungsvoll verwendet, dann drückt er damit gewöhnlich eine Proposition aus. Wird die Äußerung so beschrieben, ist aber immer noch nicht gesagt, dass mit dieser Äußerung auch ein illokutionärer Akt vollzogen wird.typischerweise wird aber, so Austin und Searle, mit einer bedeutungsvollen Äußerung ein illokutionärer Akt vollzogen, d. h. indem ein Sprecher etwas Bedeutungsvolles sagt, behauptet er etwas, oder verspricht, tauft usw. Laut Searle (Searle, 1969, S. 22ff.) ist es möglich, jeweils separate Beschreibungen füreine Äußerung als propositionalen Akt und als illokutionären Akt zu geben. Obwohl diese beiden Akte getrennt beschrieben werden können, nimmt er aber an, dass es nicht möglich ist, eine Proposition zu äußern, ohne dass mit dieser Äußerung nicht auch ein illokutionärer Akt vollzogen würde. Auf diese sog. Unselbstständigkeitsthese werde ich in Kapitel 1.4.1 näher eingehen. Nun stellt sich aber die Frage, worin sich diese Beschreibungen unterscheiden und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Äußerung als illokutionärer Akt beschrieben werden kann. Diese Fragen sind zentral für eine Debatte, die von Sprachphilosophen und Linguisten seit mehr als vierzig Jahren geführt wird.dabei lassen sich grob zwei Positionen voneinander unterscheiden. Die eine folgt in gewisser Weise Austin und versucht, nur oder hauptsächlich über Regeln oder Konventionen zu klären, was eine Äußerung zu einem illokutionären Akt macht(u. a. Sbisµ, Kissine). Die andere, an Grice orientierte Position versucht, nur oder hauptsächlich über 2 Ich werde im Folgenden nur stellvertretend von Sätzen sprechen.

20 Die Terminologie der Sprechakttheorie Intentionen diese Frage zu beantworten (Strawson, Bach, Hanish, Pluntze). Ich werde im Folgenden für eine Antwort argumentieren, die zwar Intentionen berücksichtigt, aber sowohl auf Seiten des Sprechers als auch auf der Rezipientenseite die Bedeutung der Rolle von Konventionen (ich werde von Praxen sprechen) für alle illokutionären Akte betont. Illokutionäre Akte sind kommunikative Handlungen. Kommunikation kann auf sehr verschiedene Weisen stattfinden, insbesondere ist es möglich zu kommunizieren, ohne Sprache zu verwenden. Ichwerde im Folgenden aber nur dann vom Vollzug eines illokutionären Aktes sprechen, wenn dieser Akt durch das Äußern einer sprachlichen und bedeutungsvollen Äußerung geschieht. Demnach sind illokutionäre Akte kommunikative Handlungen, die mithilfe von sprachlich bedeutungsvollen Äußerungen vollzogen werden. Mit einer solchen Beschreibung ist man jedoch noch nicht sehr weit gekommen, denn sie würde noch zulassen, dass Beschreibungen von Äußerungen, die in der Literatur als perlokutionäre Beschreibungen bezeichnet werden, darunter fallen würden: Ich kann z. B. jemanden amüsieren, indem ich einen Witz erzähle. Damit der Adressat tatsächlich durch diesen Witz amüsiert wird,muss er (mindestens) den Gehalt des Witzes erfassen. Wann eine Äußerung als perlokutionärer Akt bezeichnet werden kann und auf welche Aspekte der Äußerung mit dieser Bezeichnung hingewiesenwird, ist mindestens so unklar und strittig, wie der Terminus»illokutionärer Akt«. Ich werde nicht näher auf perlokutionäre Akte eingehen, sondern mich mit der vagen Bestimmung begnügen, dass mit dem Terminus»perlokutionärer Akt«eine Äußerung im Hinblick auf die psychologischen Effekte, die bei Adressaten und Hörern aufgrund der Äußerung eintreten, beschrieben wird. Beispiele für perlokutionäre Verben sind»amüsieren«,»überzeugen«,»ängstigen«und»beeindrucken«. Austin weist daraufhin, dass perlokutionäre Beschreibungen keine Absichtlichkeit seitens des Sprechers implizieren. Ein Sprecher kann ganz unabsichtlich seinen Adressaten ängstigen, amüsieren usw. Eine perlokutionäre Beschreibung kann auch dann auf eine Äußerung zutreffen, wenn diese als Äußerungsakt, propositionaler und/oder illokutionärer Akt misslungen ist. Ein Sprecher kann z. B. gerade dadurch einen Hörer amüsieren, dass ihm beim bloßen Äußern ein Missgeschick passiert (oder er auch absichtlich hier etwas nicht richtig macht). Der erfolgreiche Vollzug perlokutionärer Akte ist daher nicht grundsätzlich davon abhängig, dass die Äußerung in Bezug auf die anderen Beschreibungen glückt oder richtig vollzogen wird. Austin sieht den Unterschied zwischen perlokutionären und illokutionären Akten darin, dass letztere konventionale Akte seien, perlokutionäre Akte dagegen nicht. Strawson folgend wird u. a. von J.O. Urmson (s. Urmson, 1977) und J. Hornsby (s. Hornsby, 1988) angenommen, dass bei illokutionären Akten»echte«performative Akte, die als konventionelle Akte angesehen werden

Der illokutionäre Akt 21 müssen, von solchen, die keine konventionellen Akte sind, unterschieden werden können. Erstere seien beispielsweise Taufen, den Krieg erklären, Heiraten. Nicht konventionelle Akte dagegen seien,»alltägliche«illokutionäre Akte wie Behaupten, Versprechen, Fragen usw. Mein Anliegen ist zu zeigen, dass das Vorhandensein einer bestimmten Praxis für alle illokutionären Akte eine notwendige Bedingung ist und daher eine Unterscheidung, wie sie von Strawson, Urmson und Hornsby vorgeschlagen wird, nicht sinnvoll ist. Eine von Austins zentralen Thesen, die sich auch bei Searle wiederfindet, lautet: Damit eine Äußerung als illokutionärer Akt glücken kann, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt werden. Diese unterscheiden sich je nach illokutionärem Akttyp voneinander. Damit eine Behauptung glückt, müssen andere Bedingungen erfüllt werden als für eine erfolgreiche Taufe.»Stark institutionalisierte«akte wie z.b. das Taufen können z. B. häufig nur von bestimmten Personen erfolgreich ausgeführt werden, weil sie das Recht und die Autorität haben, diese Akte auszuführen. Mein Vorschlag lautet: Mit einer sprachlich bedeutungsvollen Äußerung kann nur dann (irgend)ein illokutionärer Akt erfolgreich vollzogen werden, wenn es eine Praxis gibt, wonach mithilfe des Geäußerten ein solcher Akt vollzogen werden kann. Ich stütze mich hierbei auf die A1-Regel 3 von Austin: There must exist an accepted conventional procedure having a certain conventional effect, that procedure to include the uttering of certain words by certain persons in certain circumstances (Austin, 1962, S. 14 und S. 26) Austin sprichtvon»accepted conventional procedures«, während ich voneiner»praxis«spreche. In meiner Formulierung habe ich außerdem etwas vage von»es muss eine Praxis geben«gesprochen. Was das heißen soll, möchte ich im Folgenden an drei möglichen Szenarien erläutern: 1. Wir können uns einen Sprecher denken, der aus einer Gemeinschaft kommt, in der es die Praxis, Selbstverpflichtungen einzugehen, nicht gibt. Diesem Sprecher wäre daher auch nicht bekannt, dass mit einer sprachlich bedeutungsvollen Äußerung ein Versprechen abgegeben werden kann. Würde dieser Sprecher nun»ichwerdedir morgen helfen.«äußern, dann scheintes mir keine sinnvolle Beschreibung, dass er mit dieser Äußerung versucht hat, ein Versprechen abzugeben. Es ist naheliegender diese Äußerung als den Versuch 3 Die A1-Regel stellt Austin zu Beginn seiner Vorlesungsreihe auf, hier nimmt er noch an, dass die Unterscheidung zwischen performativen und konstativen Äußerungen aufrechtzuerhalten ist. Die Regeln, die er aufstellt, sollen nur fürdie performativen Äußerungen gültig sein. An dieser Unterscheidung hält er später nicht mehr fest, sondernvertritt die These, dass seine Ergebnisse der Untersuchungen der performativen Äußerungen auch auf die konstativen Äußerungen zutreffen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es richtig ist, Austin so zu interpretieren, dass A1 auf alle illokutionären Akte zutrifft. (s. Sbisµ, 2009, S. 46f.)

22 Die Terminologie der Sprechakttheorie anzusehen, einen assertiven illokutionären Akt, z. B. eine Prognose, zu vollziehen. Es lässt sich daher folgende notwendige Bedingung formulieren: Ein Sprecher versucht nur dann, einen bestimmten illokutionären Akt zu vollziehen, wenn er selbst die Praxis dieses illokutionären Aktes kennt 4. Wie müsste man aber diesen Fall beschreiben, wenn dieser Sprecher statt des oben genannten Satzes einen explizit performativen Satz äußert? Könnte man nicht sagen, dass er nur die Bedeutung des Ausdrucks»versprechen«kennen muss? Diese Bedingung wäre erfüllt, wenn die Beschreibung»sprachlich bedeutungsvolle Äußerung«auf die Äußerung zutrifft. Denn um sagen zu können, dass er z. B.»Hiermit verspreche ich, dir morgen zu helfen.«bedeutungsvoll geäußerthat, muss der Sprecher tatsächlich die Bedeutung des Ausdrucks»versprechen«kennen. Anderenfalls hätte er zwar eine sprachliche Äußerung von sich gegeben, ohne aber dass ihm die Bedeutung hinreichend bekannt gewesen wäre. Damit würde ich diese Äußerung nicht als eine sprachlich bedeutungsvolle Äußerung verstehen. Doch die Bedeutung des Ausdrucks»versprechen«zu kennen, heißt nichts anderes, als dass der Sprecher die Praxis kennt und sie mit dem entsprechenden Ausdruck bezeichnen kann. Bei explizit performative Äußerungen wird also dadurch, dass die Äußerung als eine sprachlich bedeutungsvolle klassifiziert wird, gewährleistet, dass der Sprecher die jeweilige Praxis, die das performative Verb bezeichnet, kennt. Offensichtlich ist es also so, dass die Kenntnis der Bedeutung vonperfor- mativen Verben fürdas Verstehen explizit performativer Äußerungennotwen- dig ist. Daraus lässt sich aber keinesfalls ableiten, dass die Kenntnis der Bedeutung performativer Verben grundsätzlich eine notwendige Bedingung dafür ist, dass eine Äußerung als Vollzug eines illokutionären Aktes 5 verstanden werden kann. Es ist durchaus denkbar,dass einem Sprecher z.b. die Praxis des Versprechens bekannt ist, aber nicht das Verb»versprechen«. Dieser Sprecher wird grundsätzlich in der Lage sein, zu erkennen, ob mit einer implizit performativen Äußerung ein Versprechen gegeben wurde oder nicht. Und ich sehe keinen Grund, warum unter passenden Umständen seine Äußerung des Satzes»Ich werde dir morgen helfen.«nicht als Versprechen angesehen werden sollte. 4 Damit will ich nicht ausschließen, dass es Sprechern gelingen kann,neue Praxen zu etablieren. Das scheintaberein Sonderfall zu sein, den ich hier nicht weiter diskutieren will. Soweit ich sehe, werden auch in der relevanten Literatur keine Fälle von Neueinführungen eines illokutionären Akttyps verhandelt. 5 Austin könnte so verstanden werden, dass illokutionäre Akte als konventionelle angesehen werden, wenn es eine performative Formel gibt, mit der der illokutionäre Akt explizit gemacht werden kann. (Austin, 1962, S. 103) Sbisµ versucht zu zeigen, dass andere Textstellen aber auch eine andere Interpretation zulassen, die dem Vorhandensein performativer Formeln eine geringere Bedeutung beimisst. (s. Sbisµ, 2009)

Der illokutionäre Akt 23 Denkbar ist auch eine ganze Sprechergemeinschaft, die beispielsweise über alle von Searle aufgeführten illokutionären Akttypen verfügt, ohne aber in ihrer Sprache performative Verben zu besitzen, um die jeweiligen Akttypen und deren Tokenzubezeichnen. Das macht auch deutlich, dass dem Vorhandensein eines performativen Verbs bzw. einer performativen Formel in einer Sprache keine grundlegende Bedeutung beigemessen werden kann, 6 sondern dem Vorhandensein einer entsprechenden Praxis, die dem Sprecher bekannt sein muss. 2. Bisher habe ich nur von der Bedingung gesprochen, die notwendigerweise erfüllt sein muss, damit eine Äußerung als Versuch, einen illokutionären Akt zu vollziehen, charakterisiert werden kann. Wann kann aber eine Äußerung als erfolgreicher Versuch beschrieben werden? Wie ich bereits zu Beginn gesagt habe, unterscheiden sich die notwendigen Bedingungen für den erfolgreichen Vollzug der jeweiligen illokutionären Akte. Ich möchte aber im Folgenden dafür argumentieren, dass es eine notwendige Bedingung gibt, die erfüllt sein muss, damit eine Äußerung als illokutionärer Akt erfolgreich sein kann, unabhängig davon, welcher illokutionäre Akt mit dieser Äußerung vollzogen wird. Stellen wir uns jetzt einen Sprecher vor,der auseiner Sprechergemeinschaft kommt, in der es die Praxis des Versprechens gibt und die er selbst auch kennt. Nununternimmt er eine Reise zu einer anderen Sprechergemeinschaft, in der die Praxis des Versprechens nicht bekannt ist. Würde der Sprecher zu einem Mitglied dieser Sprechergemeinschaftsagen:»Ichwerde dir morgen helfen.«, wird dieser den Satz vielleicht als eine Prognose interpretieren, nicht aber als einen Versuch des Sprechers eine Selbstverpflichtung ihm gegenüber einzugehen. Würde der Sprecher sich explizit performativ äußern und sagen:»ich verspreche dir,dass ich dir morgen helfe.«, können wir nun sagen, dass dieser Adressat zunächst diese Äußerung rein semantisch nicht ganz verstehen kann, weil er die Bedeutung des Ausdrucks»versprechen«nicht kennt. Außerdem würde er auch in diesem Fall nicht erkennen können, welchen illokutionären Akt der Sprecher versucht hat zu vollziehen. Für den erfolgreichen Vollzug eines illokutionären Aktes lässt sich, dafür werde ich nun argumentieren, die folgende notwendige Bedingung formulieren: Damit eine Äußerung als erfolgreicher illokutionärer Akt beschrieben werden kann, muss der Adressat(oder die Rezipienten 7 )erkennen, welcher illokutionäre Akt mit der Äußerung vollzogen werden soll. 6 Zuder Frage, ob Austin so interpretiert werden muss, dass es ein performatives Verb geben muss, damit eine sprachliche Handlung als eine konventionelle und damit als illokutionärer Akt bezeichnet werden kann, s. Sbisµ, 2009. 7 Unter Rezipienten möchte ich Personen verstehen, die das, was der Sprecher mündlich, schriftlich oder gestisch äußert, vernehmen, sie müssen aber nicht Adressaten des Sprechers sein. Rezipienten nenne ich alle Personen, die eine mündliche, schriftliche oder gestische Äußerung vernehmen. Bloße Rezipienten sind Personen, die Äußerung vernehmen, an die sie

24 Die Terminologie der Sprechakttheorie Indem ich das Erkennen des illokutionären Aktes, der mit einer Äußerung vollzogen wird, als eine notwendige Bedingung des Erfolgs dieses illokutionären Aktes ansehe, folge ich Austin. Er sieht ebenfalls den»uptake«als notwendige Bedingung für den erfolgreichen Vollzug des illokutionären Aktes an: Unless a certain effect is achieved, the illocutionnary act will not have been happily, successfully performed [ ] the performance of an illocutionary act involves the securing of uptake. (Austin 1962, 116 117) Damit der Adressat(oder die Rezipienten) erkennen, welcher illokutionäre Akt mit der Äußerung vollzogen wird, muss der Adressat(müssen die Rezipienten) die Praxis des entsprechenden illokutionären Aktes kennen. Diese Praxis zu kennen heißt, dass bekannt ist, dass diese Handlung mit sprachlich bedeutungsvollen Äußerungen vollzogen werden können und daher Satztoken als solche erkannt werden, mit welchen diese illokutionärenakte vollzogenwerden können. Dieses Wissen muss dem Adressat (den Rezipienten) nicht in einer expliziten Form vorliegen. Warum ist aber das Erkennen des illokutionären Aktes (»uptake«) eine notwendige Bedingung für den erfolgreichen Vollzug eines illokutionären Aktes? Der Grund dafür liegt zum einen in der kommunikativen Natur von Sprechakten. Zwar können Sätze auch geäußert werden, ohne dass der Sprecher damit eine kommunikative Absicht verfolgt, solche Fälle sind aber gerade Äußerungen, die nicht als Sprechakte bezeichnet werden können. (s. dazu Kapitel 1.2.1) Wer kommuniziert, richtet sich mit bestimmten Absichten an einen Adressaten (oder mehrere). Sehr grob gesprochen ist die Kommunikation gescheitert, wenn das Kommunizierte voneinem Adressaten nichtaufgenommen wird.zuerkennen, welcher illokutionäre Akt mit einer Äußerung verfolgt wird, ist eine Komponente des Verstehens einer sprachlichen Äußerung. So wie Missverständnisse auf der semantischen Ebene vorliegen können, ist dies auch hier möglich. Hält der Adressat ein Versprechen füreine Prognose, hat er etwas falsch verstanden und damit ist die Äußerung mindestens in dieser Hinsicht gescheitert. Für Searle ist ein illokutionärer Akt dann geglückt, wenn der Adressat erkannt hat, welcher illokutionäre Akt vollzogen werden sollte. Der»illokutionäre Effekt«, der durch eine Äußerung eintreten soll, ist das Erkennen der illokutionären Absicht des Sprechers seitens des Adressaten: In the case of illocutionaryactswesucceed in doing what we are trying to do by getting our audience to recognize what we are trying to do.but the»effect«on the hearer is not a belief or response,it consists simply in the hearer understanding the utterance of the speaker. (Searle, 1969, S. 47) aber nicht gerichtet war.unter Adressaten verstehe ich die Personen, an die sich der Sprecher richtet.

Der illokutionäre Akt 25 Während Searle nurdas richtige Erkennen des illokutionären Aktes seitens des Adressaten oder der Rezipienten als»illokutionäreneffekt«bezeichnet, spricht Austin von einem»certain conventional effect«, den eine Äußerung haben muss, damit sie glückt. Als Beispiel füreinen solchen»effekt«führt Austin an, dass ein Schiff nach einer erfolgreichen Taufe den entsprechenden Namen trägt (Austin 1962, 117). Sbisµ beschreibt diesen»effekt«folgendermaßen: The effect of naming a ship consists of a change not in the natural course of events but in norms, that is, in something belonging to the realm of social conventions: a new norm isenacted, as it can beseen from the assessments of people s relevant behavior that may stem from the norm. (Sbisµ, 2009, S.45) Ist ein Schiff erfolgreich getauft worden, trägt es ab dann den Namen, auf den es getauft wurde. Damit geht u.a. einher, dass mit diesem Namen von da an auf dieses Schiff korrekterweise Bezug genommen werden kann. Marina Sbisµ spricht in dem oben angeführten Zitat von einer Norm, die durch den Vollzug der Taufe in die Welt gekommen ist. Bei einer Taufe und sogar bei all den illokutionären Akten, die Searle Deklarativenennt, erscheintdie Beschreibung, dass durch ihren Vollzug eine Norm entsteht, noch relativplausibel. Die Frage ist aber, ob tatsächlich für alle illokutionären Akte gilt, dass sie einen solchen»effekt«haben. Sbisµ beantwortet diese Frage positiv und argumentiert dafür, illokutionäre Akte als konventionale Akte zu charakterisieren, weil sie aufgrund bestehender Konventionen die besagten Effekte im Erfolgsfall nach sich ziehen: Even for a type of illocutionary act that is explicitly invoked by Strawson to show that not all illocutionary acts are conventional, that is warning (1964: 440), there is quite intuitively a state of affairs which is brought about and can be described in terms similar to those [naming of aship]: it is astate in which the addressee, or anybodyelse in the community, is no longer allowed to take the speaker as responsible for some mishap or trouble, related to the content of warning, in which the addressee might incur. (Sbisµ, 2009, 45) Auch wenn ich glaube, dass es durchaus Situationen gibt, in denen wir weiter einen Sprecher füreine Gefahr verantwortlich machen, obwohl er davor gewarnt hat, glaube ich, dass Sbisµ aufeinen wichtigen Punkt aufmerksam macht: Auch bei alltäglichen illokutionären Akten, die nicht nur von Personen mit einer besonderen Autorität oder Legitimation ausgeführt werden, bringt es der erfolgreiche Vollzug eines illokutionären Aktes mit sich, dass bestimmte Rechte und Pflichten für Sprecher und Adressaten (oder Rezipienten) entstehen. Eine solche Tatsache möchte ich illokutionäre Folge nennen. Dass eine solche illokutionäre Folge eintritt, kann nur gelingen, wenn dies Teil der Praxis des entsprechenden illokutionären Akttyps in einer Sprechergemeinschaft ist. Welche Rechte und Pflichten an Sprecher und Rezipienten übergehen, ist vom jeweiligen illokutionären Akttyp abhängig. Nun wird auch klar, warum das