Karriere als Lebensstil Ein Beitrag in Wirtschaftspsychologie aktuell, Deutscher Psychologen Verlag GmbH eine Rezension Es war einmal... eine Zeit, da bedeutete Karriere, beruflich den möglichst direkten Weg nach oben einzuschlagen, gegebenenfalls und wenn möglich in ein und demselben Unternehmen. Gleichzeitig war klar: Karriere, das ist ein harter und steiniger Weg. Heute existieren andere Bilder in den Köpfen, die angehende Generation von Führungskräften wertet nach anderen Kriterien und definiert in anderer Weise, was sie für Karriere einzusetzen bereit ist. Die Ausgabe 1/2009 der Wirtschaftspsychologie aktuell beschäftigt sich mit Karriere als einem Phänomen im Wandel. Was macht Karriere aus, wann beginnt sie, vor welche Anforderungen stellt sie die Arbeitnehmer und vor welche die Unternehmen? Ein, wie ich finde, sehr interessantes Heft mit zahlreichen Beiträgen, die sich mit einem Thema auseinandersetzen, das viel facettenreicher ist, als es auf den gewohnten Blick zu sein scheint. Karriere als Lebensstil Das Wort Karriere bedeutet dem Wortsinn nach Fahrstrasse. Als Karriere wird laut Definition die Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben beschrieben. Dabei kann es sich um einen Aufstieg innerhalb der Unternehmenshierarchie handeln oder um einen Aufstieg innerhalb eines Fachgebietes, der in einem Expertenstatus mündet. Ob nun hierarchisch oder fachlich: Das tradierte Verständnis von Karriere wird in erster Linie mit einer positiven Entwicklung innerhalb einer Organisation assoziiert, mit hohem Einkommen, beruflichem wie gesellschaftlichem Ansehen, mit Durchsetzungsvermögen und enormem Engagement. 1 / 5
Die alternative Variante eines erfolgreichen Berufswegs, der Schritt in die Selbstständigkeit, wird typischerweise nicht als Karriere begriffen. Es fehlt hier das Hauptmerkmal: Die nachvollziehbare Entwicklung innerhalb einer oder mehreren Organisation/en. Die in der Wirtschaftspsychologie aktuell veröffentlichten Beiträge beschäftigen sich mit dem Thema Karriere in Organisationen. Und sie zeigen einen Wandel des hergebrachten Verständnisses von Karriere auf. Karriere scheint in der heutigen Zeit viel mehr ein Lebensstil zu sein, als ein festgefügter beruflicher Weg und erzielter Status. Die Tätigkeit, die vom Arbeitnehmer ausgeübt wird, ist Teil seines Lebensgefüges, eines Systems aus Arbeit und Freizeit, durchzogen von bestimmten Werthaltungen und Ansprüchen. Der Übergang zwischen dem Einsatz für das Unternehmen und dem für die eigenen Interessen ist fließend. Der Sinn von Arbeit hat hohe Bedeutung, ebenso die Anpassung der Arbeit an die Bedürfnisse des Arbeitnehmers wie auch ihr Beitrag zu gesamtgesellschaftlich relevanten Themen. H.-U. Hohner, Dipl. Psychologe und Privatdozent für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Freien Universität Berlin, beschreibt in seinem Beitrag Karriereberatung für Studierende, wie sich die Karriereplanung im Rahmen des Studiums als berufsvorbereitendes Modul in den Stundenplan integrieren lässt. Das Ziel soll dabei sein, in Workshops und unterstützt durch Coachings, karriererelevante Schlüssel- und Kernkompetenzen zu erkennen und zu fördern. Dabei werden zunächst Handlungskompetenzen für den Einstieg in den Arbeitsmarkt analysiert und aufgebaut. In darauffolgenden Schritten werden persönliche und berufliche Ziele geklärt und Selbstmarketingstrategien konkretisiert. Karriere beginnt also schon vor dem Eintritt ins Berufsleben. Sie umfasst mehr als das Anstreben und Erreichen einer bestimmten hierarchischen Position, sondern eine persönliche Positionierung. Und sie scheint viel stärker der Herausforderung gegenüber gestellt zu sein, das individuelle Zielprofil des Einzelnen zu berücksichtigen. 2 / 5
Anforderungen an die Unternehmen Frau Dr. D. Wilbs, Dipl. Psychologin, Betriebswirtin und Leiterin Human- Capital-Beratung von Mercer für Zentraleuropa, beschreibt in ihrem Beitrag Die Generation Y selbstbewusst, anspruchsvoll und erlebnishungrig. Gemeint sind die in den vergangenen 20 Jahren Geborenen. Die Autorin traut ihnen zu, die produktivste Mitarbeitergruppe seit 1945 zu werden. Dies liegt nicht zuletzt daran, so Dr. Wilbs, dass die Vertreter dieser Generation in wirtschaftlichem Wohlstand und großem technologischen Fortschritt aufwachsen. Beide Aspekte sind für diese Generation Standard und sie wachsen mit der Überzeugung heran, dass sie alles erreichen können. Eine solche Haltung geht mit großen Ansprüchen an die Unternehmen einher. Der stetige Wandel ist für die Generation Y ebenfalls Normalität und sie sieht in ihm eine Chance, sich selbstständig verändern zu können. Gewünscht ist ein Job, der sich an ihre Bedürfnisse anpassen lässt, der Spaß macht, der Raum für Innovation und Kreativität in der Aufgabe und Ausführung bietet und in einer guten Atmosphäre erfolgt. Darüber hinaus haben die Faktoren Freizeit und persönliche Interessen an Bedeutung gewonnen, beschreibt Frau Dr. Wilbs. Für viele der Mitarbeiter ist die Work-Life-Balance wichtiger als Geld und beeinflusst im starken Maße die Entscheidung für den zukünftigen Arbeitgeber. Wollen die Unternehmen die Spitzenkräfte von morgen beschäftigen und halten, so müssen sie ihre Beschäftigungsmodelle an die veränderten Bedürfnisse anpassen. Das beginnt bei der technologischen Ausstattung am Arbeitsplatz und der damit verbundenen Möglichkeit, vom privaten Schreibtisch aus zu arbeiten. Überall und jederzeit arbeiten zu können heißt Flexibilität und Freiheit. Darüber hinaus ist die Technologie auch im Bereich der Weiterbildung gefragt. Um möglichst attraktiv für die Mitarbeiter der Zukunft zu sein, bieten sich Trainingsprogramme mit einer videospielähnlichen Ausprägung zum spielerischen Lernen an. 3 / 5
Unternehmen müssen es ernst nehmen, dass nicht allein der wirtschaftliche Erfolg für den Einzelnen zählt, sondern auch soziales Netzwerken und Engagement. Was dem Anteilseigner der Wert ist, werden den Mitarbeitern zunehmend die Werte, die ein Unternehmen vertritt. Nachhaltiges Wirtschaften, soziales und gesellschaftliches Engagement wird in der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern eine zunehmend relevante Größe. Anforderungen an die Mitarbeiter und die, die es werden wollen Von künftigen Führungskräften fordert das neue Karriereverständnis vor allem eines: Ein hohes Maß an Eigenständigkeit von Anfang an. Durch eine Karriere wird man nicht mehr geführt, man sucht sie, setzt eigene Prioritäten, netzwerkt, entwickelt Chancen. Positive Haltung zum lebenslangen Lernen, Übernahme von Verantwortung, Leistungsorientierung und fachliche Qualifizierung sind dabei nur ausgewählte Bausteine, die J. Rump, Prof. für Allgemeine BWL an der FH Ludwigshafen, und S. Eilers, Dipl. Betriebswirtin (FH), in ihrem Beitrag Employability Management neue Karriereperspektiven für alle Lebensphasen nennen. Im Zuge dieses hohen Maßes an Eigenverantwortung und Selbststeuerung, gewinnen unterstützende Leistungen wie Coaching immer weiter an Bedeutung. Reflexion der eigenen Karrierestrategie und Sicherheit bei Entscheidungsfindungen sind typische und immer mehr nachgefragte Themen. Quintessenz Für die Ausrichtung der Unternehmen und der derzeitigen wie künftigen Mitarbeiter liegt der Schlüssel in der Auseinandersetzung mit dem Wandel. Mit neuen Modellen für Personal- und Karriereentwicklung können sich motivierte und talentierte Mitarbeiter weiterentwickeln. Durch Mitarbeiter mit ausgeprägten fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen können Unternehmen Wettbewerbsvorteile schaffen und als attraktive Arbeitgeber dauerhaft gut ausgebildete Kräfte an sich binden. 4 / 5
Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere sowohl für Unternehmen als auch Mitarbeiter ist Selbstverständnis und Eigeninitiative. Vorrangig für das Engagement von Mitarbeitern sind dabei nicht-monetäre Anreize wie z. B. Work-Life-Balance, internationale Entwicklungsmöglichkeiten, persönliche Entwicklungschancen, Selbstverwirklichung in der Tätigkeit, Flexibilität und Wertschätzung. Dies angemessen zu berücksichtigen, darauf müssen sich viele Unternehmen noch einstellen. Literatur Wirtschaftspsychologie aktuell, 16. Jahrgang, 2009, Heft Nummer 1, Berlin, Deutscher Psychologen Verlag. Wikipedia, www.wikipedia.org EVOLOG/27.09.2009/IP/SB 5 / 5