Vernissage Erdwissenschaften im Bündner Naturmuseum vom 22. Februar 2017 Rede von Martin Jäger, Regierungsrat Sehr geehrte Damen und Herren Wie Vieles auf der Welt sind auch die Ausstellungen eines Museums in aller Regel nicht in Stein gemeisselt aus Stein gestaltet sein oder zumindest Gesteine präsentieren können sie jedoch sehr wohl. Vor 10 Jahren hat das Bündner Naturmuseum damit begonnen, seine Dauerausstellungen Schritt für Schritt zu erneuern. Dahinter stand das Anliegen, die Natur Graubündens unserem Publikum modern und zeitgemäss präsentieren zu können und damit dem Auftrag, umfassend über die Pflanzen, Tiere, Gesteine, Mineralien und Fossilien zu informieren, auf attraktive und besucherfreundliche Art und Weise nachzukommen. Mit dem heutigen Abend ist diese Neugestaltung nun auch im dritten Stockwerk angekommen und darf offiziell Ihren Abschluss feiern. Dies bietet für mich Gelegenheit für eine kurze, eine freudige Rückschau auf diesen zehnjährigen Erneuerungsprozess. Begonnen wurde dieser im 1. Obergeschoss des Museums mit dem Thema «Leben ist Vielfalt Vielfalt erleben». Im Zentrum steht dort, wo einst die Vögel und andere Tiere in ihren Vitrinen standen, die Biodiversität, die Vielfalt der Arten und der Lebensräume in der Natur. Der Titel «Leben ist Vielfalt Vielfalt erleben» bringt zum Ausdruck, dass ein Museumsbesuch nicht nur Informationen, sondern auch Erlebnis bieten möchte, bieten muss.
Für Ausstellungsbauer heisst dies: Mit gestalterischer Vielfalt beim Design, dem Einsatz neuer Vermittlungsmethoden wie Bildschirmen oder anderer interaktiver Elemente Neugierde wecken, Wissen vermitteln und die Freude und das Interesse an der Natur fördern. Im Zentrum stand und steht jedoch unverändert das dreidimensionale, originale Objekt, das uns Besuchenden erlaubt, Natur möglichst in ihrem Ursprungszustand zu erleben. Im Unterschied zu draussen jedoch, wo Vieles in Bewegung und Alles vergänglich ist, lassen sich die Objekte im Museum mit Zeit und Musse genau beobachten, erleben, miteinander vergleichen. Hunderte Schmetterlinge nebeneinander zu bewundern oder den kleinsten einheimischen Vogel dem grössten auf dessen Fuss gegenüberstellen dies ist halt nur im Museum möglich. Geschätzte Anwesende In einer zweiten Etappe wurde im Erdgeschoss die Ausstellung Säugetiere Graubündens erstellt. Viele Objekte werden hier offen, also nicht mehr hinter Glas, präsentiert. Dies ermöglicht dem Besucher eine unmittelbarere Begegnung mit dem Objekt. Einem Hirsch, Reh oder Luchs direkt in die Augen schauen das ist in der Natur äusserst schwierig. Wie der Titel der Ausstellung besagt, steht auch im Erdgeschoss dieses Hauses die Natur des Kantons im Zentrum. Dabei ist das Bündner Naturmuseum in der privilegierten Situation, dem Publikum stets auch Bündner Spezialitäten präsentieren zu können. Beispielsweise Fridolin, der kantonsweit bekannte Calancascer Mischling aus einem Steinbock und einer Ziege. 2
Oder JJ3, einer der ersten in unserem Jahrhundert eingewanderten Bären. Als vorläufig letzte Etappe finanziell gefördert durch einen Entwicklungsschwerpunkt unseres Regierungsprogramms konnte nun die 30 Jahre alte Dauerausstellung Erdwissenschaften" neu gestaltet werden. Es war auch hier das Ziel, eine moderne Ausstellung zu erstellen, in der Wissen leicht verständlich und doch fachlich fundiert präsentiert wird und die uns sowohl den Ablauf als auch die Bedeutung geologischer Phänomene deutlich macht. Thematisch gibt es hier drei Module: Wie die Gesteine Graubündens entstanden Wie die Gesteine Graubündens vergehen sowie Dynamisches Graubünden Ein viertes Modul Fossilien in Graubünden zeigt versteinerte Fische, Saurier, Amphibien, Schnecken, Muscheln und Korallen oder Fussabdrücke von Dinosauriern, die vor 200 Millionen Jahren in Graubünden unterwegs waren, als dieses noch auf Meereshöhe lag. Ein wichtiger Teil dieses Stockwerks ist die Präsentation der Mineralien. Das Bündner Naturmuseum verfügt in seinen Sammlungen über einzigartige Stücke, in jeder Hinsicht Farben, Formen, Grösse, Gewicht. Zusätzlich verfügt unser Museum über herausragende Goldfunde, von denen einer 2001 Ursprung zur Gründung der Stiftung Sammlung Bündner Naturmuseum bildete, in deren Besitz sich heute alle Sammlungen dieses Hauses befinden und deren Stifter der Kanton, die Stadt Chur und die Naturforschende Gesellschaft sind. 3
Für mich als Bildungsminister stellt sich u.a. die Frage: Warum ist es wichtig, die Bevölkerung über Geologie, Mineralogie und Paläontologie zu informieren? Darauf gibt es mehrere Antworten. Erstens: Graubünden ist ein Gebirgskanton. In Gebirgen stellt sich die Frage nach ihrem Ursprung mit besonderem Gewicht, zeigen sich doch Aspekte wie Gesteinsformationen, Hangneigungen oder Höhenunterschiede im Wechselspiel von Tälern und Bergen besonders eindrücklich. Denn ob wir als Wanderer oder Kletterer die Hänge (mehr oder weniger mühsam) ersteigen, uns als Bewohner und Landnutzende irgendwo niederlassen, als Tunnelbauer ins Erdinnere vorstossen oder als Touristinnen und Touristen Landschaften ganz einfach spektakulär oder eher trivial finden stets gibt es Berührungspunkte mit der Geologie. Eine zweite Antwort wäre: Der Mensch ist ein neugieriges Wesen und das Befriedigen dieser Neugierde ist ein wichtiger Teil unserer Auseinandersetzung mit der Umwelt. Wir finden unverhofft einen farbigen Stein oder durchsichtige Kristalle, stossen auf brüchigen Bündnerschiefer oder auf fast unzerstörbaren Granit und fragen uns: Woher kommen die? Warum sind diese Fundstücke so, wie sie sind? Warum sind die Felspartien am Calanda anders als jene am Montalin? Warum ragen Berge einmal steil in die Höhe und einige Kilometer weiter gleichen sie eher sanft gewellten Hügeln? Als dritte und letzte Antwort möchte ich die Zeit nennen. Die Lebensdauer eines Menschen dauert erdgeschichtlich gesehen kaum länger als ein Wimpernschlag. 4
Entsprechend stehen wir stets mit einer Prise Ungläubigkeit vor Fossilien oder Steinen, die Dutzende oder Hunderte Millionen Jahre alt sind und damit Zeugnis ablegen, dass noch andere Dimensionen eine Rolle spielen als jene eines Wimpernschlags. Millionen Jahre das sind Zeiträume, die unser Fassungsvermögen ganz einfach übersteigen. Gerade deshalb veranschaulichen sie jedoch die Kraft und Bedeutung von Prozessen in der Natur, die in unserer Landschaft Veränderungen bewirken, die zwar unendlich langsam ablaufen und Millionen Jahre dauern können, sich gleichwohl nicht aufhalten lassen. Erdwissenschaft ist somit ein Stück weit stets auch die Erlebbarmachung der Zeit, die wir anderweitig nicht fassen oder visualisieren können. Das Bewusstsein über zeitliche Dimensionen und die daran gekoppelten Abläufe zu wecken, kann in einer Zeit, in der der Mensch immer stärker in die Natur eingreift, mit Bestimmtheit nicht schaden. Denn es lässt uns staunen über die Vielfalt der natürlichen Prozesse, weckt in uns eine gewisse Demut den Kräften der Natur gegenüber, und relativiert damit implizit auch ein wenig die Bedeutung unseres Tuns. Geschätzte Damen und Herren Ich freue mich, mit Ihnen heute die Fertigstellung der Ausstellung Erdwissenschaften feiern zu dürfen. Ich wünsche Ihnen einen lehrreichen und angenehmen Besuch und übergebe das Wort nun an Ueli Rehsteiner. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 5