HVBG. HVBG-Info 32/2000 vom 17.11.2000, S. 3024-3029, DOK 401.09



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Transkript:

HVBG HVBG-Info 32/2000 vom 17.11.2000, S. 3024-3029, DOK 401.09 Kein Verlust des UV-Schutzes auf dem Weg zur Berufsschule bei straßenverkehrsgefährdendem Verhalten eines Auszubildenden - Urteil des LSG für das Land Brandenburg vom 27.03.2000 - L 7 U 53/99 Kein Verlust des UV-Schutzes ( 550 Abs. 1 RVO = 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) bei straßenverkehrsgefährdendem Verhalten ( 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB) eines achtzehnjährigen Auszubildenden; hier: Rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Brandenburg vom 27.03.2000 - L 7 U 53/99 - Das LSG für das Land Brandenburg hat mit Urteil vom 27.03.2000 - L 7 U 53/99 - Folgendes entschieden: Orientierungssatz: Zum Vorliegen eines Wegeunfalles bei einem Berufsschüler, der auf dem Weg zur Berufsschule wegen eines gefährlichen Überholvorganges einen Verkehrsunfall verursachte und deswegen gem 315c Abs 1 Nr 2 Buchst b StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden ist. Tenor: Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Februar 1999 wird das Urteil und der Bescheid der Beklagten vom 22. März 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 1996 dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass der Unfall des Klägers vom 02. Juni 1994 einen Arbeitsunfall darstellt. Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand ---------- Im Streit ist, ob ein Verkehrsunfall des Klägers vom 02. Juni 1994 als Arbeitsunfall zu bewerten ist. Der 1976 geborene Kläger führte am 02. Juni 1994 gegen 6.20 Uhr den PKW der Marke Ford Fiesta mit dem amtlichen Kennzeichen.. auf der B 97 aus Richtung G kommend in Richtung T. Ziel seiner Fahrt war die Berufsschule in C, dem Oberstufenzentrum M-Straße. Er war zur Unfallzeit als auszubildender Elektroinstallateur bei der EAB G GmbH tätig gewesen. In dem von ihm geführten PKW befanden sich die Zeugen O und Z. Als der Kläger im Begriff war, etwa 1 km vor T 10 bis 15 vor ihm befindliche Fahrzeuge zu überholen und auf Höhe des zweiten vor ihm fahrenden Fahrzeuges war, bemerkte er den im Gegenverkehr befindlichen Transporter, der von dem Zeugen M geführt wurde. Mit diesem Fahrzeug stieß das vom Kläger gelenkte Fahrzeug zusammen. Beide Fahrzeugführer wurden verletzt. - 1 -

In der Zeit vom 02. Juni bis 24. Juni 1994 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des N-W-Stift G. Dort wurde eine dislozierte Nasenbeinfraktur, Innenknöcheltrümmerfraktur links und Taluskompressionsfraktur im Halsbereich diagnostiziert. Die dem Kläger am 02. Juni 1994 entnommene Blutprobe enthielt keinen Alkohol. Mit Beschluss des Amtsgerichts Guben vom 26. Oktober 1994 wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis gemäß 111 a StPO entzogen wegen des dringenden Verdachts, am 02. Juni 1994 auf der B 97 grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch Leib oder Leben eines anderen sowie fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben. Der beschlagnahmte Führerschein war am 17. April 1994 ausgestellt worden. Mit Anklageschrift vom 06. Januar 1995 wurde der Kläger durch die Staatsanwaltschaft Cottbus angeklagt, am 02. Juni 1994 als Heranwachsender eine Straßenverkehrsgefährdung gemäß 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung begangen zu haben. Durch Urteil des Amtsgerichts Guben vom 12. September 1995 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen a 15,00 DM verurteilt. Der Führerschein wurde ihm in der Verhandlung wieder ausgehändigt. Der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg ermittelte durch Beiziehung von Krankenunterlagen und Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, die seinerzeit mit Erhebung der Anklage endeten. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1994 teilte der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg dem Kläger vor Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten mit, aufgrund seines Arbeitsunfalls vom 02. Juni 1994 sei die Versorgung mit einer Ober-Unterschenkel-Hülsen-Orthese erforderlich gewesen. Es bestehe ein Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung für Aufwendungen durch außergewöhnlichen Kleider- und Wäscheverschleiß. Die Beklagte holte von Frau Dipl.-Med. H ein Rentengutachten ein zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente, das anlässlich der Untersuchung vom 04. Oktober 1995 am 17. Oktober 1995 erstattet wurde. Sie stellte eingeschränkte Beweglichkeit an den Sprunggelenken, rechts nicht so stark wie links fest. Sie beurteilte die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 20 v.h. Mit Schreiben vom 10. Januar 1996 teilte der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg dem Kläger mit, ihm werde ein Vorschuss auf Rente ohne Anerkennung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach gewährt gemäß 42 SGB I. Mit Bescheid vom 22. März 1996 lehnte der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg es ab, den Unfall vom 02. Juni 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es sei durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgestellt worden, dass der Kläger rücksichtslos gehandelt habe und durch sein Verhalten Leib und Leben eines anderen sowie fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet habe. Der Unfall beruhe auf einer vom Kläger selbstgeschaffenen Gefahr. Das rücksichtslose Überholen könne daher nicht als Zurücklegung eines versicherten Weges zur Berufsschule beurteilt werden. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers übersandte dieser eine Ablichtung des Urteils des Amtsgerichts Guben, in dem ausgeführt wurde, dass das Gericht eigensüchtige Gründe beim Kläger nicht habe feststellen können und vom menschlichen Versagen auszugehen sei. - 2 -

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juni 1996 wies der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, in dem erlittenen Verkehrsunfall habe sich nicht mehr das der betrieblichen Sphäre zuzurechnende Risiko der Wegezurücklegung verwirklicht. Wirksam sei geworden die vom Kläger selbst geschaffene Gefahr eines grob verkehrs- und vernunftswidrigen Überholmanövers aus überwiegend privaten Motiven. Das Amtsgericht Guben habe in der Hauptverhandlung vom 12. September 1995 das Tatbestandsmerkmal des rücksichtslos falschen Überholens nicht festgestellt. Die Verfolgung privater, betriebsfremder Motive bei und während des Überholvorganges sei aber mittels der im Strafurteil getroffenen Feststellungen nachgewiesen. Er habe ausweislich der Gründe am Unfalltag unter keinem Zeitdruck gestanden. Beweggrund zur Einleitung des Überholmanövers sei die Absicht, mehrere Fahrzeuge zu überholen. Von dieser Absicht habe er selbst dann nicht abgelassen, als auf der Fahrbahn Gegenverkehr sichtbar gewesen sei. Gefahrverringerndes Verhalten habe er nicht versucht. Die Voraussetzung eines extrem vernunftwidrigen und damit den Versicherungsschutz lockernden Verhaltens sehe der Widerspruchsausschuss gerade auch in Anbetracht der geringen Fahrpraxis darin, im Schatten eines voraus überholenden Fahrzeuges selbst zum Überholen anzusetzen. Endgültig aufgehoben scheine der Versicherungsschutz ab dem Zeitpunkt, als das zuvor überholende Fahrzeug selbst in die Kolonne eingeschert sei und der Kläger seinen Überholvorsatz durch Fortsetzung des Überholvorganges manifestiert habe. Wegen der noch zurückzulegenden Überholstrecke sei mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Unfalleintritts zu rechnen gewesen. Mit der am 05. Juli 1996 beim Sozialgericht (SG) Cottbus eingegangenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Anerkennung des Unfalls vom 02. Juni 1994 als Arbeitsunfall weiter. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, etwa 500 m vor der Ortschaft T habe der Kläger ein Überholmanöver begonnen, bei dem er mehrere rechtsfahrende Fahrzeuge überholt habe. Als sich auf der von ihm befahrenen Fahrspur Gegenverkehr gezeigt habe, habe er zunächst versucht, nach rechts einzuscheren. Dies sei ihm allerdings nicht gelungen, da die rechts in einer Kolonne fahrenden Fahrzeuge derart dicht zueinander aufgeschlossen hätten, dass dem Kläger keine Möglichkeit des Einscherens geblieben sei. Die durch das vom Kläger eingeleitete Überholmanöver selbstgeschaffene Gefahr habe den Kausalzusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall nicht beseitigt. Eine Verurteilung nach dem Tatbestand des 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB sei nicht erfolgt. Der Kläger habe auch nicht extrem vernunftwidrig dadurch gehandelt, dass er bei Erkennen des Gegenverkehrs noch versucht habe, den neben ihm fahrenden PKW zu überholen, um erst dann nach rechts einzuscheren. Bei Beginn des Überholmanövers sei die rechtsfahrende Kolonne zunächst mit ausreichendem Sicherheitsabstand gefahren, erst während des Überholmanövers hätten diese Fahrzeuge derart dicht zueinander aufgeschlossen, dass ein gefahrloses Einscheren nicht mehr möglich gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte des in der mündlichen Verhandlung des SG Cottbus vom 18. Februar 1999 nach dem Protokoll nicht vertretenen Klägers beantragte schriftsätzlich, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 1996 in der Gestalt des Widerspruches vom 06. Juni 1996 den Wegeunfall des Klägers vom 02. Juni 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen. - 3 -

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen. Der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg verwies zur Begründung ihres Antrags auf den Inhalt des Widerspruches. Das SG übersandte der Beklagten das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Guben vom 12. September 1995. In der mündlichen Verhandlung des SG Cottbus vom 18. Februar 1999 wurden die Zeugen O und Z vernommen. Zum Inhalt ihrer Aussage wird Bezug aufgenommen auf Anlagen 1 und 2 zur Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 1999. Mit Urteil vom 18. Februar 1999 hat das SG Cottbus die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 1996 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06. Juni 1996 verurteilt, das Unfallereignis des Klägers vom 02. Juni 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung führte das SG aus, ein Wegeunfall liege vor, weil sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf dem Wege von seiner Wohnung zur Berufsschule in C befunden habe. Selbst bei verbotswidrig durchgeführtem Überholvorgang habe der Kläger nicht zur Verfolgung eigenwirtschaftlicher oder betriebsfremder Zwecke gehandelt. Denn er habe darauf vertraut, dass die vor ihm liegende Straße frei sei, als er hinter dem Wartburg herfahrend den Überholvorgang einleitete. Dabei bezog sich das SG auf die Feststellung S. 6 des Strafurteils des Amtsgerichts Guben vom 12. September 1995. Damit sei selbst der Überholvorgang von der Absicht der Zurücklegung des Weges zur Berufsschule getragen gewesen. Insbesondere aus den Vernehmungen der Zeugen O und Z ergäben sich keine eigenwirtschaftlichen oder betriebsfremden Zwecke. Offensichtlich vernunftswidriges und grobfahrlässiges Handeln schließe den Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit nicht aus, wenn für ein solches Handeln betriebsfremde Gründe ausschieden. Gegen das der Beklagten am 05. Juli 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. August 1999 beim Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wurde vorgetragen, es bliebe unzureichend gewürdigt, dass nicht allein auf das Verfolgen von wegekonformen Zwecken bei Einleitung des Überholmanövers abzustellen sei. Vielmehr sei zu fragen, ob sich das zunächst bloß ordnungswidrige Verhalten ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht umgewandelt habe in ein Tun ohne Verfolgung primär verkehrskonformer und wegerechtlicher Zwecke. Dafür verweise die Beklagte insbesondere auf die Ausführungen des Zeugen F in der strafgerichtlichen Verhandlung vom 12. September 1995. Danach habe sich in Anbetracht der konkreten Verkehrsverhältnisse bei Einordnen des Zeugen F nach Überholen von 2 bis 3 Fahrzeugen keine Basis mehr dafür gefunden, dass das Fortsetzen des Überholvorganges noch der Verfolgung wegekonformer oder gar betrieblicher Zwecke gedient habe. Zu diesem Zeitpunkt hätte noch positiv festgestellt werden müssen, dass nicht die Verfolgung eigenwirtschaftlicher oder betriebswegefremder Zwecke vorgeherrscht haben. Betriebsbedingte Gründe hätten den Kläger nicht zu der Fahrweise nach dem Einordnen des vor ihm fahrenden Fahrzeuges veranlasst. Das BSG habe gefahrerhöhendes Tun nur dann noch der versicherten Tätigkeit zugerechnet, wenn ein betriebliches Interesse, rechtzeitig zum Betrieb zu gelangen, vorgelegen habe. Das Urteil lasse auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen O und Z vermissen. Dagegen habe die Kammer diese zu jedem Zeitpunkt des Überholvorganges für ihre Überzeugung genutzt, dass sich - 4 -

eigenwirtschaftliche oder betriebsfremde Zwecke nicht feststellen ließen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Cottbus vom 18. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger schließt sich den Feststellungen des angegriffenen Urteils inhaltlich voll an. Angesichts der damaligen Fahrpraxis des Klägers liege auf der Hand, dass eine Fehleinschätzung und nicht etwa andersartige, betriebsfremde Gründe das Unfallgeschehen kausal herbeigeführt hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die vorliegenden Gerichtsakten, Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Cottbus zum Az..., die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe ------------------- Die Berufung ist zulässig. Die Feststellungsklage unterliegt nicht der Beschränkung der Berufung des 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse ergibt sich bereits aus den im Verwaltungsverfahren gutachterlich festgestellten dauerhaften Unfallfolgen. Die nunmehr gegen die Unfallkasse Brandenburg gerichtete Klage ist begründet. Die vom Gemeindeunfallversicherungsverband erlassenen Bescheide sind abzuändern. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und daher abzuändern. Die Unfallkasse Brandenburg ist gemäß 1 Abs. 1 der Verordnung über die Errichtung einer Gemeinsamen Unfallkasse Brandenburg (UVK), Gesetzblatt Teil II Nr. 36 vom 19. Dezember 1997) ab 01. Januar 1998 Rechtsnachfolgerin des Gemeindeunfallversicherungsverbands Brandenburg und damit die richtige Beklagte. Der Feststellungsanspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 noch nach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Denn nach 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Der geltend gemachte Unfall hat sich vor dem Inkrafttreten des SGB VII ereignet. Nach 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Der Kläger war zur Unfallzeit Auszubildender und damit ein aufgrund eines Lehrverhältnisses Beschäftigter im Sinne von 539 Nr. 1 RVO und gleichzeitig Lernender der beruflichen Ausbildung in einer berufsbildenden Schule im Sinne von 539 Nr. 14 c RVO. Er erlitt einen Wegeunfall am Unfalltag im Sinne von 550 RVO, da der Verkehrsunfall auf dem Weg zur Berufsschule erfolgte. Das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, ist der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Diese Beurteilung betrifft den gesamten Verlauf des Überholvorganges, beginnend mit der gefassten - 5 -

Absicht zum Überholen bis hin zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn. Eine sachliche Verbindung mit der unfallversicherungsgeschützten Tätigkeit, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274), ist im vorliegenden Fall für den vollständigen Überholvorgang zu bejahen. Dieser innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (ständige Rechtsprechung z.b. BSGE 58, 76, 77). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat der Kläger den Unfall auf dem versicherungsrechtlich geschützten Weg zur Berufsschule erlitten. Ein nicht zur versicherten Tätigkeit zu rechnendes eigenwirtschaftliches Verhalten des Klägers ist nicht festzustellen. Der Kläger hat sich zu keinem Zeitpunkt des zum Unfall führenden Überholvorganges von der versicherten Tätigkeit gelöst. Bei dem gesamten zum Unfall führenden Hergang war der Kläger von der Absicht getragen, die Berufsschule zu erreichen. Persönliche bzw. private Interessen, die neben den betrieblichen mit dem Überholvorgang verfolgt sein könnten, sind für keinen Zeitpunkt feststellbar. Für eine Suizidabsicht, Wette, Mutprobe oder dergleichen sind keine Hinweise vorhanden. Es kommt nicht einmal in Betracht, dass der Kläger bestrebt war, das Ziel des Weges rascher zu erreichen. Für die Entscheidung, den Überholvorgang wie geschehen durchzuführen, war allein das Erreichen des Wegziels der maßgebliche Grund. Unerheblich ist, dass der Kläger nicht unter Zeitdruck stand und ohne daraus resultierende Zeitnot überholt hat. Allein die Absicht, auf dem gefährlicheren Weg des Überholvorgangs die Schule möglichst bald zu erreichen, bedeutet kein betriebsfremdes Motiv, das unter dem Gesichtspunkt der selbstgeschaffenen Gefahr den Kausalzusammenhang entfallen ließe. Bei einer sogenannten selbstgeschaffenen erhöhten Gefahr, einem in der Rechtsprechung des BSG mit größter Vorsicht angewendeten Begriff (sh. u.a. BSG SozR 2200 548 Nr. 60 m.w.n.), ist der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nur ausgeschlossen, wenn die erhöhte Gefahr aus betriebsfremden Motiven selbst herbeigeführt worden ist und dadurch die zunächst noch vorhandenen betriebsbezogenen Umstände soweit zurückgedrängt sind, dass sie keine wesentliche Bedingung mehr für den Unfall bilden (BSG aao). Bei der Verfolgung betriebsbezogener Zwecke ist danach der Zusammenhang selbst dann vorhanden, wenn der Unfall im hohen Maße selbstverschuldet ist. Und nur diese Beurteilung vermag der Senat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme im Straf- und Sozialgerichtsverfahren vorzunehmen. Der gesamte Überholvorgang stellt sich als leichtsinniges und unbedachtes Adoleszenzverhalten dar, das durch mangelnde Fahrpraxis noch gefahrerhöhend wirksam wurde. Hiervon ist der Senat überzeugt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im strafrechtlichen Verfahren als auch nach dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis und der Vernehmung der Zeugen O und Z in der Verhandlung des SG vom 18. Februar 1999. Dies gilt auch für den Fall, dass den Aussagen der Zeugen O und Z - wie es die Beklagte fordert -, nicht gefolgt würde und die Feststellungen in der polizeilichen Unfallanzeige zugrundegelegt würden, wonach die Zeugen ausgesagt hätten, der Kläger fahre "immer so". Auch dann ließen sich keine konkreten Feststellungen zu betriebsfremden Interessen treffen. Nach dem Inhalt der Aussagen der Zeugen F, M, O und Z setzte der - 6 -

Kläger als letztes von etwa 10 bis 15 Fahrzeugen hinter dem vom Zeugen F geführten PKW zum Überholen an, als der Zeuge F sich bereits mit dem von ihm geführten Wartburg auf der Gegenfahrbahn befand. Der Kläger fuhr hinter dem Wartburg gemeinsam mit diesem auf der Gegenfahrbahn. Während der Zeuge F sein Fahrzeug einordnete, als er den von dem Zeugen M geführten Transporter der Marke Fiat in etwa 100 m vor der Kuppe wahrnahm, scherte der Kläger nicht in den fließenden Verkehr ein. Er bremste nicht einmal. Die zu spät erfolgte Vollbremsung konnte den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Weder für den Zeitpunkt des Entschlusses, den Überholvorgang zu beginnen, noch für den Moment des Erkennens des vom Zeugen M geführten Transporters auf der Gegenfahrbahn lassen sich bei diesem Hergang persönliche und damit betriebsfremde Motive des Klägers feststellen. Auch wenn Platz zum Einscheren in den rechts fließenden Verkehr war, wovon der Senat insbesondere unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen F ausgeht, der ausgesagt hat, der Kläger hätte hinter ihm noch einscheren können, lässt sich ein betriebsfremdes Motiv hieraus nicht entnehmen. Ein besonnener erfahrener Kraftfahrer hätte diese Möglichkeit zum Einscheren mit Sicherheit gewählt. Aus den Gesamtumständen und auch aus dem von der Beklagten zu der Berufungsbegründung herangezogene polizeilichen Unfallbericht, wonach der Kläger "immer so" fahre, ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger gerade kein besonnener Kraftfahrer war. Er hatte erst am 17. April 1994 seinen Führerschein erhalten, also etwa sechs Wochen vor dem Unfall und hatte eine nur dürftige Fahrpraxis von etwa 2.000 km. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zur Unfallzeit gerade sechs Wochen erst 18 Jahre alt geworden war. Die Vertreterin des Jugendamtes hatte entsprechend in der strafgerichtlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, er sei einem Jugendlichen gleichzustellen. Für die Annahme verzögerter Reife spricht schon, dass der noch im Elternhaus lebende Kläger bei einem Einkommen von nur 545 DM Schulden in Höhe 2200 DM hatte. Auch dies ist Ausdruck von jugendlichen Fehleinschätzungen. Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger am Unfalltag mit Sicherheit nicht die ausreichende Fähigkeit hatte, mit der durch Erscheinen des Gegenverkehrs aufgetretenen Gefahrenlage zurecht zu kommen und nicht über die Möglichkeit verfügt habe, bei Fahrtantritt zu erkennen, dass er in eine solche Gefahrenlage geraten und das Fahrzeug aus dieser nicht sicher würde herausführen können. Dies gilt umsomehr, wenn der Kläger zuvor "immer so" auf dieser Strecke gefahren sein sollte. Dieses Verhalten würde verdeutlichen, dass der Kläger keine Einsicht in die reale Gefahrenlage hatte. Schon die Einlassung des Klägers im Strafverfahren, er habe keine Lücke gesehen, "da war vielleicht bei mir auch schon die Angst da" macht deutlich, dass der Kläger nicht in der Lage war, der Gefahrenlage angemessen und überlegt zu begegnen. Das Angstmoment hat mit Sicherheit die Fähigkeit des Klägers zum Erkennen der Lücke und zum entsprechenden Handeln eingeschränkt. Auch die Aussage des Zeugen F, er habe sich gewundert, dass der Kläger nicht in die hinter seinem Fahrzeug befindlichen Lücke gefahren sei, er, der Kläger, habe beim Auftauchen des Fiat auf der Gegenfahrbahn "keinerlei Reaktion" gezeigt, er, der Zeuge, habe kein Bremslicht sehen können, auch nicht den Versuch, dem entgegenkommenden Fiat-Transporter auszuweichen. Letzteres wäre möglich gewesen (schriftliche Angaben des Zeugen F im Ermittlungsverfahren (Bl. 26 der StA-Akte)), spricht für das durch Angst oder Panik aufgehobene Reaktionsvermögen des Klägers. - 7 -

Insbesondere diese Aussage macht deutlich, dass der Kläger offensichtlich überfordert war und spätestens zum Zeitpunkt des Erscheinens des Fahrzeuges auf der Gegenfahrbahn mit dieser Gefahrenlage in keiner Weise umgehen konnte. Hieraus folgt allenfalls die vom Strafgericht erfolgte Beurteilung, dass der Kläger den Unfall im hohen Maße verschuldet hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist bei der Verfolgung betriebsbezogener Zwecke der ursächliche Zusammenhang jedoch selbst dann vorhanden, wenn der Unfall im hohen Maße selbst verschuldet wird. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Arbeitsunfalls in 548 Abs. 1 Satz 1 RVO unabhängig vom Verschulden des Versicherten festgelegt. Demzufolge vermag der Grad des Verschuldens des Versicherten an dem Unfallgeschehen den Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit allein nicht zu beseitigen. Vielmehr müssen betriebsfremde Motive für die sogenannte selbstgeschaffene Gefahr vorhanden sein, um den Ursachenzusammenhang aus diesem Grunde verneinen zu können (BSG Urteil vom 29. April 1982-2 RU 10/81 aao). Da auch verbotswidriges Handeln unbeachtlich ist ( 548 Abs. 3 RVO) und der Kläger nur von dem Willen bestimmt wird, den Ort der Berufsschule zu erreichen, sind Gründe für die Annahme, der Kläger sei einer betriebsfremden selbstgeschaffenen Gefahr erlegen, nicht vorhanden. Dahinstehen kann, ob und inwieweit die von der Beklagten bei Erlass des Bescheides vom 22. März 1996 herangezogene Entscheidung des BSG vom 11. Oktober 1994-9 RV 8/94 - im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Anwendung findet. Die Voraussetzungen dieser Entscheidung liegen nicht vor. Es wurde nicht durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Kläger rücksichtslos gehandelt hat. Er ist lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Die dem Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zugrundeliegende rechtliche Bewertung des Verhaltens als grob verkehrswidriges und rücksichtsloses falsches Überholen, wurde in der Hauptverhandlung gerade nicht aufrecht erhalten. Dahinstehen kann ferner nach allem, ob die Beklagte bereits durch den Bescheid vom 24. Oktober 1994 eine bindende Anerkennung des Geschehens als Arbeitsunfall vorgenommen hat. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgte, wäre festzustellen, dass der Unfall als Arbeitsunfall zu bewerten ist. Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf 193 SGG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nach 160 Abs. 12 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es wird auch nicht von der Entscheidung der im Gesetz genannten übergeordneten Gerichte abgewichen. - 8 -