Verkehrsmedizinische Beurteilung der Fahreignung Dr. Ulfert Grimm Institut für Rechtsmedizin KSSG ulfert.grimm@kssg.ch
Geburtsstunde der Verkehrsophthalmologie Die Lagerlunda Kollision 15.11.1875, 9 Marmor, Michael F.: The Lagerlunda Collision and the Introduction of Color Vision Testing. In: Survey of Ophthalmology Volume 57 (2012) 178-94
3 Definitionen Fahrfähigkeit Ereignisbezogen und zeitlich begrenzt Aktuelle gesundheitliche Verfassung Fahreignung Allgemein, zeitlich nicht umschrieben und nicht ereignisbezogen Grundvoraussetzung
Sensorik Kognition Bewusstsein Motorik Vierter St.Galler Ophtag Fahreignung
5 Fahreignung Chronische Krankheit Missbrauch/Sucht Fahrübung Fahrfähigkeit Aktuelle Verfassung Suchtmittelkonsum Leistungsprofil (Fahrer) Anforderungsprofil (Umfeld) Fahrzeug Strasse Beschilderung Vorschriften Überdauernde Witterung Tageszeit Verkehrsdichte Aktion anderer Situative Komponente
6 Das für die aktive Teilnahme am motorisierten Strassenverkehr notwendige Sehvermögen muss so gross sein, dass verkehrsrelevante Informationen rechtzeitig wahrgenommen und verarbeitet werden können, damit richtig gehandelt und reagiert werden kann, dies auch bei schlechten Sichtverhältnissen bzw. eingeschränkter psychischer und physischer Leistungsreserve.
7 Auswirkung reduzierter Sehleistungen 1. Defensive Fahrweise 2. Mangelhafte Übersichtsgewinnung 3. Überforderung in komplexen Situationen 4. Kollisionen am Fussgängerstreifen 5. Abbiegefehler, Manövrierfehler 6. Auffahrkollisionen 7. Kollisionen mit schwächeren Verkehrsteilnehmern
Gesetzliche Grundlagen Grundsatz Art. 14 SVG Über Fahreignung verfügt, wer: 2b die erforderliche körperliche + geistige Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von MFZ hat; 2c frei von einer Sucht ist. 2d nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr bietet, die Vorschriften zu beachten + auf Mitmenschen Rücksicht zu nehmen.
Ausnahmeregelungen Art. 7 VZV 3. Die kantonale Behörde kann von den medizinischen Mindestanforderungen abweichen, wenn kein Ausschlussgrund nach Art. 14. SVG vorliegt und eine mit Spezialuntersuchungen betraute Stelle dies beantragt.
Nichterreichen der Mindestanforderungen Bei vorübergehender Visuseinschränkung (Operation, Unfall, Entzündung, etc.) mit Wiederherstellung in kurzer Zeit ist die Aufklärung und ein vom Augenarzt ausgesprochenes, temporäres Fahrverbot ausreichend. Cave: Aufklärungspflicht, Dokumentation, Compliance
Gesetzliche Grundlagen Melderecht Art. 15d SVG 1 Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, namentlich bei: a. e. Meldung eines Arztes, dass eine Person wegen einer körperlichen oder psychischen Krankheit, wegen eines Gebrechens oder wegen einer Sucht Motorfahrzeuge nicht sicher führen kann; 2. 3 Ärzte sind in Bezug auf Meldungen nach Absatz 1 Buchstabe e vom Berufsgeheimnis entbunden. Sie können die Meldung direkt an die zuständige kantonale Strassenverkehrsbehörde oder an die Aufsichtsbehörde für Ärzte erstatten.
Art. 15d Abs. 1 lit. e und Abs. 3 SVG www.rechtsmedizin.kssg.ch Personalien Fallangaben Information Proband Datum/Stempel/Unterschrift
Sorgfaltspflicht beachten
Dokumentation Vierter St.Galler Ophtag
Gesetzliche Grundlagen Art. 318 StGB 1 Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Hebammen, die vorsätzlich ein unwahres Zeugnis ausstellen, das zum Gebrauche bei einer Behörde oder zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils bestimmt, oder das geeignet ist, wichtige und berechtigte Interessen Dritter zu verletzen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Hat der Täter dafür eine besondere Belohnung gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.
16 Via sicura Verkehrssicherheitspaket Massnahmen (FuD, BM, IV, FiaZ) 4-Stufen-Modell Qualitätsanforderungen
17 Medizinische Mindestanforderungen (VZV) Harmonisierung mit EU 1. Gruppe 2. Gruppe Kat. A und B Kat. A1 und B1 Kat. F, G, M Kat. C und D Kat. C1 und D1 BPT, Verkehrsexperten 1. Gruppe 2. Gruppe 3. Gruppe D C, C1, D, D1, BPT, Verkehrsexperten A, B, A1, B1, F, G, M 24.10.2014 Referent / Bereich
18 Via sicura (Anhang 1 VZV) Sehvermögen Gruppe 1: Fernvisus: 0.5 / 0.2 (bisher: 0.6 / 0.1) Gesichtsfeld: 120 0 (bisher: 140 0 ) Einäugige: 0.6 (bisher: 0.8) Hörvermögen: Gehörlose Einäugige dürfen fahren Mindestanforderungen mit Hörgerät erfüllt
19 Via sicura (Anhang 1 VZV) Gesichtsfeld (3. Gruppe) Horizontal bds. bis 50 Grad Nach und unten je 20 Grad Horizontal mind. 120 Grad
20 Schiefer U., et al, 2000, Der Ophthalmologe
21 Schiefer U., et al, 2000, Der Ophthalmologe
Beurteilung der Fahreignung (3. med. Gruppe) Gesichtsfeld Homonyme Hemianopsie Homonyme Quadrantenanopsie unten Homonyme Quadrantenanopsie oben Zentrale Defekte (Skotome), kompensierbar Zentrale Defekte, nicht kompensierbar Fahreignung Negativ Keine Fahreignung Wenn zentrales GF intakt, hahrgeeignet Fahrgeeignet Keine Fahreignung Neglect Generell keine Fahreignung (alle med. Gruppen)
Typische GF-Unfälle Kollisionen mit: Fussgängern auf Zebrastreifen mit Fahrradfahrern Überfahren der Sicherheitslinie Manövrierfehler/Parkfehler Abbiegefehler Gefährliche Spurwechsel Johnson et al. 1983: Doppelt so viele Unfälle bei GF-Defekt (Glaukom, Cataract), vorallem wenn der Defekt nicht bemerkt wird.
Fallbeispiele Anfrage aus der Klinik Patient, 25 Lj. Multiple ischämische cerebrale Insulte im vertebrobasilären Stromgebiet vor 6 Jahren Ätiologie: septisch-embolisch bei i.v. Drogenabusus Angiographisch: Basilarisstenose mit hochgradigen Wandveränderungen im mittleren und insbesondere im distalen Bereich der A. basilaris Status nach Staphylokokkenbakteriämie vor 6 Jahren
Fallbeispiele Anfrage aus der Klinik Patient, 25 Lj. Multiple ischämische cerebrale Insulte im vertebrobasilären Stromgebiet vor 6 Jahren Ätiologie: septisch-embolisch bei i.v. Drogenabusus Angiographisch: Basilarisstenose mit hochgradigen Wandveränderungen im mittleren und insbesondere im distalen Bereich der A. basilaris Status nach Staphylokokkenbakteriämie vor 6 Jahren Fahreignung ja, Frage Drogenabstinenz, Leistung.
Fallbeispiele Anfrage Hausarzt: Patient, 71-jährig VZV-Kontrolle bei Hausarzt «Patient ist seit vielen Jahren einäugig. Visus cc 0.9. Das Gesichtsfeld beträgt horizontal 120. Ist dies genügend?» Der Untersuchte ist adaptiert. Falls der Patient ansonsten kognitiv und körperlich gesund ist, kann die Fahreignung befürwortet werden.
Fallbeispiele Kollision mit Fussgänger bei Dunkelheit: Automobilistin, 42-jährig Gesund Visus sc 1.25 bds. Gesichtsfeld intakt, horizontal > 160 Nyktometer: Alle Kontraststufen inkl. Blendung erkannt Beurteilung? Fahrgeeignet, da GF völlig intakt. Auch gesunde Menschen kommen in der Dunkelheit an die Grenzen der Leistungsfähigkeit.
29 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit