VL Wahlen/Einstellungen

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Transkript:

VL Wahlen/Einstellungen

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013

Letzte Woche: Wahlgeographie Gemeinsame Verteilung im Raum von Wählerstimmen möglichen erklärenden Variablen Problem: Ökologischer Fehlschluß Mechanismus mikro - mikro Daten makro - makro Grundannahme Komplexe Kausalkette Verhalten durch Gruppenmitgliedschaft und andere soziale (und ökonomische) Faktoren bedingt VL Wahlen/Einstellungen (1/25)

Heute: Soziologische Ansätze Machen Grundannahme explizit: (Wahl)verhalten sozial determiniert VL Wahlen/Einstellungen (2/25)

Heute: Soziologische Ansätze Machen Grundannahme explizit: (Wahl)verhalten sozial determiniert Mikrosoziologischer Ansatz: Schwerpunkt auf direkten Sozialkontakten VL Wahlen/Einstellungen (2/25)

Heute: Soziologische Ansätze Machen Grundannahme explizit: (Wahl)verhalten sozial determiniert Mikrosoziologischer Ansatz: Schwerpunkt auf direkten Sozialkontakten Makrosoziologischer Ansatz: Schwerpunkt auf Mitgliedschaft in Großgruppen VL Wahlen/Einstellungen (2/25)

Heute: Soziologische Ansätze Machen Grundannahme explizit: (Wahl)verhalten sozial determiniert Mikrosoziologischer Ansatz: Schwerpunkt auf direkten Sozialkontakten Makrosoziologischer Ansatz: Schwerpunkt auf Mitgliedschaft in Großgruppen Komplementär und mit sozialpsychologischem Ansatz kompatibel VL Wahlen/Einstellungen (2/25)

Die Columbia Gruppe Hauptwerke Lazarsfeld, P. F., Berelson, B., & Gaudet, H. (1944). The People s Choice. How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign. NewYork: Columbia University Press. Berelson, B., Lazarsfeld, P. F., &McPhee,W.N. (1954). Voting. A Study of Opinion Formation in a Presidential Campaign. Chicago: University of Chicago Press. Mitglieder Bernard Berelson Hazel Gaudet William McPhee Paul F. Lazarsfeld VL Wahlen/Einstellungen (3/25)

Paul Lazarsfeld Geboren 1901 in Wien, gestorben 1976 in New York 1933 emigriert, seit 1943 US-amerikanischer Bürger Zentrale Figur der internationalen Soziologie der 1940-60er Jahre Quelle: Wikimedia VL Wahlen/Einstellungen (4/25)

Die Pionierstudien Präsidentschaftswahlen 1940 / 1948 Panel mit vielen Wellen über mehrere Monate Regional beschränkt Multi-method Ausgangsannahme: Sozialkundebuch VL Wahlen/Einstellungen (5/25)

Hauptergebnisse: Politische Kommunikation Allgemein geringes Interesse an politischen Informationen Aber: Meinungsführer Two-Step-Flow of Political Communication VL Wahlen/Einstellungen (6/25)

Hauptergebnisse: Cross-Pressures Menschen gehören sozialen Kreisen mit Verhaltens-/Meinungserwartungen an Kreise können konzentrisch oder überlappend sein Cross-pressures: Widersprüchliche Erwartungen Nichtwahl Wechselwahl Unklare Wahlabsicht VL Wahlen/Einstellungen (7/25)

Hauptergebnisse: Index of Political Predisposition A person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference (Lazarsfeld et al., 1944, 27). VL Wahlen/Einstellungen (8/25)

Hauptergebnisse: Index of Political Predisposition A person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference (Lazarsfeld et al., 1944, 27). Für viele Wähler läßt sich Wahlverhalten anhand weniger Merkmale vorhersagen Ethnische Gruppe Konfession Klasse... VL Wahlen/Einstellungen (8/25)

Hauptergebnisse: Index of Political Predisposition A person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference (Lazarsfeld et al., 1944, 27). Für viele Wähler läßt sich Wahlverhalten anhand weniger Merkmale vorhersagen Ethnische Gruppe Konfession Klasse... People who work or live or play together are likely to vote for the same candidate (Lazarsfeld et al., 1944, 137). VL Wahlen/Einstellungen (8/25)

Fazit Wählen als Niedrigkostensituation, Verhalten vor allem durch soziale Anreize bestimmt (Klein)Gruppenprozesse als wesentlicher Mechanismus Zugleich auffällige Muster der Großgruppenmitgliedschaft - warum? VL Wahlen/Einstellungen (9/25)

Lipset & Rokkan VL Wahlen/Einstellungen (10/25)

Lipset/Rokkan Seymour Martin Lipset 1922-2006, einer der Begründer der Politischen Soziologie Working-class authoritarianism Modernisierungsthese: Ökonomischer Fortschritt Demokratie VL Wahlen/Einstellungen (11/25)

Lipset/Rokkan Seymour Martin Lipset 1922-2006, einer der Begründer der Politischen Soziologie Working-class authoritarianism Modernisierungsthese: Ökonomischer Fortschritt Demokratie Stein Rokkan 1921-79 Philosoph zentrale Figur in Politischer Soziologie und Comparative Politics VL Wahlen/Einstellungen (11/25)

Party Systems and Voter Alignments (1967) Warum gibt es in Westeuropa eine überschaubare Zahl von Parteienfamilien? Warum unterschieden sich (westeuropäische) Parteiensysteme dennoch? Warum sind die Parteiensysteme über die Zeit so stabil ( eingefroren )? VL Wahlen/Einstellungen (12/25)

Grundannahmen: Soziale Großkonflikte Politik als (demokratischer) Kampf zwischen großen Gruppen Gruppen müssen verschiedene Schwellen überwinden (Anerkennung, Organisation, Repräsentation, Beteiligung an Macht) Parteien repräsentieren Gruppen (Koalition zwischen Gruppenund Parteieliten) Parteiensysteme sind das Resultat dauerhafter sozialer Spaltungen (cleavages) VL Wahlen/Einstellungen (13/25)

Woran erkennt man ein Cleavage? Gruppenmitgliedschaft ist zentral für Leben der Mitglieder Schwierig bis unmöglich, der Gruppe zu entkommen, Mitgliedschaft qua Geburt Gruppendruck und Identität Wahrnehmung der Gruppenmitglieder durch andere Konflikt bleibt über Jahrzehnte/Jahrhunderte gesellschaftlich relevant Cleavages stehen in Zusammenhang mit den drei Revolutionen VL Wahlen/Einstellungen (14/25)

Drei Revolutionen / vier Cleavages 1. Reformation und Westfälischer Friede (Zentrum vs Peripherie) 2. Französische Revolution (Staat vs Kirche) 3. Industrielle Revolution (Stadt vs Land; Arbeit vs Kapital) VL Wahlen/Einstellungen (15/25)

Cleavages und Parteiensystem Cleavages können vorhanden sein oder nicht (Staat vs Kirche in Skandinavien) Clevages können sich verstärken oder kreuzen Parteien können mehrere Gruppen/Clevages repräsentieren VL Wahlen/Einstellungen (16/25)

Fazit Plausible Erklärung für die Entstehung und Struktur der Parteiensysteme...... aber zum Zeitpunkt der Publikation schon veraltet Bildungsexpansion Wertewandel Grüne und Neue Rechte Trotzdem nicht irrelevant, ergänzt mikrosoziologische Theorien VL Wahlen/Einstellungen (17/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Staat vs Kirche Kulturkampf in Preußen Minderheitenposition der Katholiken im deutschen Reich Zentrum Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg CDU Bedeutungsverlust der organisierten Religion. Heute: Religiös gebundene vs Rest? VL Wahlen/Einstellungen (18/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Arbeit vs Kapital Das Cleavage, das jeder versteht? KPD, SPD, Gewerkschaften, Vereine Niedergang der klassischen Industriearbeiterschaft SPD als Arbeitnehmerpartei Wer ist heute Arbeiter? VL Wahlen/Einstellungen (19/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Andere Stadt/Land: Bedeutungsverlust und Absorption durch CDU Zentrum/Peripherie Bayern: Bayernpartei und CSU Ostdeutschland: PDS/Linkspartei VL Wahlen/Einstellungen (20/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Konfession und Wahlentscheidung Daten: GLES, nur Nachwahl, gewichtet Konfession Union SPD FDP B90/Grüne Linke evangelisch 41 34 2 16 6 katholisch 54 28 3 12 3 keine 43 32 3 13 10 VL Wahlen/Einstellungen (21/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Kirchgangshäufigkeit und Wahlentscheidung Daten: GLES, nur Nachwahl, gewichtet Kirchgang Union SPD FDP B90/Grüne Linke selten/nie 34 32 3 15 15 gelegentlich 45 34 3 14 4 häufig 60 21 0 14 3 VL Wahlen/Einstellungen (22/25)

Welche Clevages sind/waren wichtig? BTW 2013 Subjektive Schichteinstufung und Wahlentscheidung Daten: GLES, nur Nachwahl, gewichtet Schicht Union SPD FDP B90/Grüne Linke Arbeiter 39 34 2 12 14 untere Mittelschicht 42 31 2 16 8 mittlere Mittelschicht 44 30 4 16 6 oberer Mittelschicht 53 23 3 14 6 VL Wahlen/Einstellungen (23/25)

Fazit Soziologische Ansätze erklären Wahlverhalten durch Gruppenzugehörigkeit Wechsel im Wahlverhalten? Gruppenzugehörigkeit weiter wichtig Wegen Interaktion? Sozialisation? Oder weil Gruppenmitglieder ähnliche Präferenzen/Interessen haben? VL Wahlen/Einstellungen (24/25)

Ausblick Nächste Woche: sozialpsychologischer Ansatz Basiert auf Einstellungen Betrachtet Gruppenmitgliedschaften als vorgelagerte Variablen VL Wahlen/Einstellungen (25/25)