Internetfrage: Psychotisches Erleben aus der Sicht von Betroffenen



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Transkript:

Internetfrage: Psychotisches Erleben aus der Sicht von Betroffenen Liebe Teilnehmer Wie versprochen möchte ich hiermit allen Teilnehmern der Internetfrage: Psychotisches Erleben aus der Sicht von Betroffenen, die ihre e-mail Adresse hinterlassen hatten, eine Rückmeldung zu den Ergebnissen der Umfrage senden. Vorab möchte ich mich auch im Namen meiner Kollegen nochmals bei allen Teilnehmern für Euer Vertrauen, Interesse und Engagement bedanken. Auch möchte ich mich als Hauptverantwortliche der Auswertung dafür entschuldigen, dass die Rückmeldung aufgrund vielfältiger Verpflichtungen leider wesentlich länger gedauert hat, als von mir vorher geplant. Wir planen die vorliegenden Ergebnisse und weitere Analysen in einer medizinischen Fachzeitschrift zu publizieren. Eine solche Veröffentlichung dauert unserer Erfahrung nach mindestens ein weiteres Jahr. Bei Interesse könnt Ihr uns gerne erneut eine Rückmeldung geben, so dass wir Euch den Artikel nach seinem Erscheinen via mail zu schicken können. Ergebnisse der Befragung: Charakteristika der Teilnehmer: In einem Zeitraum von 4 Monaten nahmen insgesamt 391 Teilnehmer an der offenen Befragung teil. 186 Teilnehmer hatten den Fragebogen vollständig ausgefüllt, bestätigten die Richtigkeit ihrer Angaben, waren älter als 16 Jahre, berichteten über psychotisches Erleben und wurden somit in die Analyse aufgenommen werden. Von diesen 186 Teilnehmern berichteten 78%, dass sie die Diagnose einer schizophrenen oder affektiven Psychose hätten. Dies wurde zusätzlich durch den inhaltlichen Bericht ihrer Symptome und eine antipsychotische Medikation unterstützt. 43% der Teilnehmer berichteten die Diagnose einer Depression, 22% eine Angststörung, 16% eine Borderline Störung und 7% berichteten, dass sie keine psychiatrische Diagnose hätten. Fast die Hälfte aller Teilnehmer (48%) berichtete, dass bei ihnen mehrere psychiatrische Diagnosen gleichzeitig gestellt worden seien. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 36 Jahren (16-6 Jahre), die Teilnehmer der Umfrage gaben an durchschnittlich vor 1 Jahren erkrankt und 4 mal im Krankenhaus stationär behandelt worden zu sein. Immerhin ein Drittel der Teilnehmer (27%) waren niemals in einem Krankenhaus behandelt worden. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichteten, dass sie regelmäßig arbeiten würden (56%), 17% dass sie berentet seien und 27% dass sie arbeitslos seien oder von Sozialhilfe leben würden. 1

Ergebnisse der Befragung zu den unterschiedlichen Symptomen: 51 Teilnehmer (27%) berichteten, dass sie hören würden, 57 (31%) Teilnehmer berichteten verschiedene Wahrnehmungsveränderungen anderer Sinnesqualitäten, 47 (25%) berichteten Überzeugungen wie Verfolgungserleben und 45 (24%) Störungen des Ich Erlebens wie Gedanken anderer Menschen lesen können. Graphik 1: Prozentuale Verteilung der unterschiedlichen Bereiche psychotischen Erlebens Positivsymptome 7 6 5 2 1 hören Andere Halluzinationen Wahnerleben Ich-Störungen Mindestens ein Symptombereich 2

Graphik 2: Verschiedene Inhalte des hörens (Angaben in Prozent) Positivsymptome 8 7 6 5 2 1 feuern mich an/bestätigen mich kommentieren mein Verhalten werten mich herab geben Befehle Bezüglich ihres hörens berichteten 14 (27.5%) Teilnehmer, dass die eher positive, bestärkende Inhalte hätten, 34 (7.8%) berichteten kommentierende, 21 (43.8%) abwertende und 14 (29.2%) Befehlsstimmen. Im Durchschnitt hörten die Teilnehmer 3 verschiedene, von denen eine als positiv oder angenehm bewertet wurden und 2 als negativ bzw. abwerten empfunden wurden. Verschiedene Wahrnehmungsveränderungen anderer Sinnesqualitäten wurden von 57 Teilnehmern berichtet, wobei 32 (66.7%) optische Wahrnehmungsveränderungen, 29 (6.4%) Geruchswahrnehmungen, 17 (35.4%) Veränderungen des Tastsinnes, 11 (22.9%) Veränderungen der Körperwahrnehmung und 9 (18.8%) Geschmacksveränderungen berichteten. Im Durchschnitt wurden 3 unterschiedliche Veränderungen berichtet, wobei erneut die negativen Erlebnisse überwogen. 19 (43.2%) Teilnehmer berichteten, dass sie Verfolgungserleben hatten, 18 (.9%) Beziehungserleben, 12 (27.3%) Größenideen, 1 (22.7%) Liebesüberzeugungen und 14 (31.8) ungewöhnliche religiöse Überzeugungen. Negative Erlebnisqualitäten waren dabei häufiger als positive. 1 (24.4%) Teilnehmer berichteten das Gefühl die Gedanken anderer lesen zu können, während 17 (41.5%) das Gefühl hatten andere Menschen könnten ihre Gedanken lesen oder kontrollieren, was wiederum überwiegend als negativ erlebt wurde. 3

Graphik 3: Subjektive Bewertung der (Angaben in Prozent) Subjektive Bedeutung der 8 7 63 71 62 6 54 5 38 2 19 12 1 Mehrere Positive Negative Wenig Beeinflussung Alltag Keine zentrale Wichtigkeit Möchte behalten Zeitweise Kontrolle Graphik 4: Ursachen für die Entwicklung psychotischen Erlebens (Angaben in Prozent) Problematische Kindheit oder Jugend Familiäre/partnerschaftliche Schwierigkeiten Einsamkeit und Isolation Rezeptoren im Gehirm Schwierigkeiten in Ausbildung Traumatisierung in Kindheit Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch Vererbung Berufliche Schwierigkeiten Es sind besondere Fähigkeiten Es gibt keine Erklärung Schlechte psychiatrische Behandlung 1 2 5 6 4

Zusammenfassung: Aus meiner Sicht lassen sich die Ergebnisse bisher wie folgt zusammenfassen: 1. Es gibt ein großes Interesse an einem Austausch von Informationen via Internet einerseits zwischen Betroffenen mit Psychosen, aber auch zwischen Betroffenen und Professionellen, und eine überraschende Offenheit auch schwierige Inhalte subjektiven Erlebens auszutauschen. 2. Wissenschaftler können durch Onlinebefragungen ihre Erkenntnisse über psychotisches Erleben erweitern, da an Onlinebefragungen auch Menschen teilnehmen, die nie in irgendeinem Behandlungskontext waren und daher auch nie an einer wissenschaftlichen Befragung teilnehmen würden. 3. Erwartungsgemäß gibt es eine hohe Heterogenität sowohl negativer als auch positiver Erfahrungen mit psychotischem Erleben. Neu ist, dass die Mehrzahl der Betroffenen auch positive psychotische Erlebnisse berichtet, wobei die Anzahl und Intensität negativer Erlebnisse dennoch letztlich überwiegt. 4. Aufgrund der Ergebnisse der Befragung und wichtiger Anmerkungen einzelner Teilnehmer wird der Fragebogen weiter verbessert werden, z.b. haben wir es bisher versäumt nach einem Zeitrahmen für das psychotische Erleben zu fragen. Dies wird in der nächsten Version des Fragebogens nachgeholt werden. Zusammenfassend handelt sich um die Ergebnisse einer vorläufigen Analyse, weitergehende Analysen und ihre Publikation sind in Arbeit und werden bei einer Rückmeldung zugesandt. Herzliche Grüsse, Eure Anne Karow 5