Biomonitoring von sprengstofftypischen Verbindungen (STV) in der Ostsee

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Transkript:

Biomonitoring von sprengstofftypischen Verbindungen (STV) in der Ostsee Prof. Dr. Edmund Maser Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel 24105 Kiel 1

Sonne, Strand, Meer.

Dann aber.

Sonne, Strand, Meer.

Sonne, Strand, Meer.

Sonne, Strand, Meer.

Was ist los?.

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Altmunition in Nord- und Ostsee Deutsche Ankertau- Seemine mit entfernten Kontaktzündern aus dem 2. Weltkrieg 17.09.2008 Timmendorfer Strand: alter Torpedo 9

Definitionen

Kampfmittel Explosivstoffe Sprengstoffe Chemische Kampfstoffe

Sprengstoffe Sprengstoff Ein chemischer Stoff oder eine Mischung chemischer Stoffe, die unter bestimmten Bedingungen sehr schnell reagieren und dabei eine relativ große Energiemenge in Form einer Druckwelle (oft mit Hitzeentwicklung) freisetzen (Detonation). Beispiele: Schwarzpulver Nitroglyzerin Schießbaumwolle Hexogen TNT (Trinitrotoluol)

Chemische Kampfstoffe

Gefahr für Mensch und Umwelt

Gefahrenpotential heute -- Mensch Munition in den Schleppnetzen (Fischerei) Explosionsgefahr bei Bergungen Gefahr für Hobbytaucher, Segler, Strandbesucher

Gefahrenpotential heute -- Ökosystem Freisetzung von Kampfstoffen durch Korrosion Detonationen - Anreicherung im Wasser / Sediment - Ökotoxikologische Wirkungen bei Meeresorganismen - Schadstoffanreicherung in Nahrungskette? (Arsen?!)

Toxizität von Explosivstoffen (Auswahl: Nitroaromate) O 2 N NO 2 NO 2 1,3,5-Trinitrobenzol Humantoxizität Blutschädigung: Verringerung des Hb, Methämoglobinämie O 2 N O 2 N CH 3 NO 2 CH 3 NO2 NH 2 2,4,6-Trinitrotoluol, TNT 2-Amino-4,6-dinitrotoluol Leberschädigung: toxische Hepatitis Augenschädigung: TNT-Star (Katarakt) Hautausschlag: allergische Dermatitis Nervensystem: periphere Neuritis Mutagenität: MAK-Kat. 3b Kanzerogenität: MAK-Kat. 2 NO 2 Ökotoxizität O 2 N CH 3 NH 2 NO 2 4-Amino-2,6-dinitrotoluol Signifikante Toxizität für marine Pflanzen, Kleinkrebse, Muscheln, Würmer, Fische Eintrag in die Nahrungskette schwer einzuschätzen weil zu wenig Daten 17

Was kann man tun??

Wichtig: Biomonitoring Sowohl die kontinuierliche (Korrosion) als auch die stoßweise (Bergung) Freisetzung von chemischen Kampfstoffen und / oder Explosivstoffen führt: zu einer Belastung des Ökosystems den Eintrag in die Nahrungskette einer akuten Gefährdung des Menschen Aus diesem Grund muß eine geeignetes Biomonitoring-Verfahren entwickelt und durchgeführt werden Problem: schwierige Analytik Die Nachweisgrenzen müssen sehr niedrig sein, weil sich die toxischen Substanzen im freien Wasser schnell verdünnen.

Biomonitoring mit Miesmuscheln weit verbreitet sessile Lebensweise, standorttreu Filtrierer geringer Abbau von Fremdstoffen hohes Bioakkumulationspotential Langzeit-Monitoring möglich im Labor leicht zu hältern Institut für Toxikologie (Kiel) erarbeitet gerade Methode dazu (Finanzierung: BMBF, WT.SH, Future Ocean, MELUR)

(BMBF) + RoBEMM Robotisches Unterwasser-Bergungs- und Entsorgungsverfahren inklusive Technik zur Delaboration von Munition im Meer, insbesondere im Küsten- und Flachwasserbereich (BMWi)

UDEMM Arbeitspakete AP1: AP2: AP3: AP4: AP5: Hydroakustische Munitions- und Sedimentkartierung, visuelle Beobachtung und Sedimentbeprobung (GEOMAR) Erfassung und Modellierung der küstennahen Strömung (IOW) Geochemische Untersuchungen zur Ausbreitung konventioneller Munitionsschadstoffe (GEOMAR) Untersuchung der Beeinträchtigung des Ökosystems durch sprengstofftypische Verbindungen (STV) (CAU; Toxikologie) Koordination (GEOMAR) Toxikologie Wikipedia

AP4: Untersuchung der Beeinträchtigung des Ökosystems durch sprengstofftypische Verbindungen (STV) Verwendung der Miesmuschel zum Monitoring Ausbringung in kleinen Körben in unmittelbarer Nähe (< 2 m) sowie in unterschiedlichen Tiefen und Abständen zu den Munitionskörpern Registrierung der Wassertiefe, Temperatur, Strömung und Jahreszeit als beeinflussende Parameter Einsatz der Muschel vor, während und nach der Delaborierung Bergung der Muscheln nach definierten Zeiträumen (Wochen, Monate) Unbelastete Miesmuscheln anderer Standorte dienen als Referenzproben Toxikologie

AP4: Untersuchung der Beeinträchtigung des Ökosystems durch sprengstofftypische Verbindungen (STV) Analyse der STVs im Labor Aufarbeitung der Muschelgewebe durch Extraktion Aufbau einer zuverlässigen Analytik mit sensiblen Nachweisgrenzen zur Detektion von STVs (Gaschromatographie, Massenspektrometrie). Analyse von Schwermetallen (Blei, Quecksilber, Arsen) aus Zünderbestandteilen im Muschelgewebe durch Atomabsorptionsspektroskopie (AAS). Toxikologische Bewertung Ableitung akzeptabler Wasserkontaminationswerte unter Einbeziehung von Strömungs-und Verdünnungsfaktoren während der Delaboration Abschätzung der Gefährdung von Mensch und Umwelt (Ökotoxikologie, Eintrag in die Nahrungskette) Toxikologie

AP4: Untersuchung der Beeinträchtigung des Ökosystems durch sprengstofftypische Verbindungen (STV) Ziele 1) Sicherstellung der Umweltverträglichkeit des Demonstrators Modellierung des Gefährdungspotentials und ggf. Optimierung des Systems Minimierung der Risiken für die Umwelt 2) Schutz des marinen Ökosystems rechtzeitiges Erkennen von Umweltschäden 3) Schutz des Menschen Entwicklung von Szenarien für den Eintrag dieser toxischen und z.t. auch krebserzeugenden Substanzen in die Nahrungskette Etablierung eines Langzeitmonitoring-Programms, das in nachfolgenden Projekten eine umweltschonende Beseitigung im Meer versenkter Kampfmittel begleiten kann Toxikologie

University on the Baltic Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 29