Stellungnahme im Verfahren - 2 BvL 2/16 -

Ähnliche Dokumente
Keine amtsangemessene Besoldung für Richter in Brandenburg

An den Landeshauptvorstand des dbb Hessen

Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Beamtenbesoldung

Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung

Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Vorlage des Verfahrens nach Artikel 100 Abs. 1 GG.

Amtsangemessene Alimentation für begrenzt dienstfähige Beamte

Sonderausgabe Besoldungsdiktat verfassungswidrig!

Musterantrag. Name, Anschrift Dezember 2014 Personal Nr.

Anhang zur Presseinfo vom

lnformat10n 16/,:~:?~:ß.

DGB BVV, Abt. OEB. Parameter 1 - Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst

Kurzexpertise. Dr. Rudolf Martens Der Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband Berlin 15. Dezember 2004

Zur Eingliederung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung

INFORMATION 16/.?;.~.2.:~

Widerspruch (aktive Beamte)

Richter auf Zeit verfassungsrechtlich bedenklich

Versorgungs-Informationen zur Altersteilzeit

SOZIALGERICHT HANNOVER

Chemnitz-Times Infoservice des FB-Gemeinden ver.di Bezirkes Chemnitz-Erzgebirge 19. Januar 2016 Nr. 5

Die Beamtenbesoldung in Hessen seit dem

Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen. Beschluss

Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Verfassungs- und Rechtsausschusses des sächsischen Landtages am , Uhr

Stellungnahme. des Deutschen Hochschulverbandes - Landesverband Bremen - (DHV)

Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/8349. Unterrichtung

Kurzexpertise. Dr. Rudolf Martens Der Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband Berlin / 22. Mai 2006

Eckpunkte zur Systematik der Besoldungsanpassung in Umsetzung. der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom

Internetpublikation der Abteilung D - Dienstleistungszentrum -

- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Köln vom 13. Oktober 1994 (S 23 Kg 11/94) -

In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden

12. Wahlperiode Arbeitgeber-Direktversicherung für Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Nordrhein-Westfalen - Der Vorsitzende -

SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Az.: L 6 AS 726/14 B Az : S 23 AS 3453/12 SG Dortmund. Beschluss

Wissenschaftliche Dienste. Sachstand. Physisches und soziokulturelles Existenzminimum Deutscher Bundestag WD /16

Begründung zum Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den Jahren 2017 und 2018

Erstattet für den dbb beamtenbund und tarifunion, Landesbund Hessen von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, unter Mitarbeit von René Bahns

Probeklausur zur Vorlesung Staatsrecht I Staatsorganisationsrecht, Professor Dr. Christoph Degenhart

Beschlussvorschlag: Der 11-monatige Beförderungsaufschub wird gemäß Vorlage Nr. 14/2564 mit sofortiger Wirkung abgeschafft.

Akkreditierung in Deutschland Was bedeutet die Entscheidung des BVerfG? Prof. Dr. Andreas Musil Vizepräsident für Lehre und Studium Universität

AUSARBEITUNG. Kommunales Wahlrecht für Ausländer (Drittstaater)

Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen. Beschluss

STEUERRECHT I. Kontrollfragen zu 1. Einführung. 1) Nennen Sie wesentliche Formen der Finanzierung des Staatshaushalts.

Deutscher Gewerkschaftsbund Bezirk Nord

Antrag auf Neufestsetzung meiner Bezüge für Dezember 2007/ Antrag auf Nachzahlung der jährlichen Sonderzahlung ( Weihnachtsgeld ) für 2007

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

Laufbahn- und Besoldungsrecht für Grundschullehrer

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Februar 2012, Az. 2 BvL 4/10 - W 2-Besoldung von Professoren in Hessen ist verfassungswidrig

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss

Selbstständige im SGB II ohne wirtschaftliche Tragfähigkeit

Fall 3: Wahlprüfungsbeschwerde - Lösungshinweise. Die Wahlprüfungsbeschwerde des W hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

Im Namen des Volkes. In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

Verordnung zur Überleitung der Besoldung und Versorgung auf das Bundesrecht

LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-NBREMEN BESCHLUSS

STELLUNGNAHME 16/864. Alle Abg

GESETZENTWURF. der CDU-Landtagsfraktion der SPD-Landtagsfraktion

Presseinformation: Anmerkungen. zur Vorlage des FM NRW an den UA Personal und den HFA des Landtags NRW vom 1. Juli 2013

THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT. Im Namen des Volkes Urteil

VEREINIGUNG DER VERWALTUNGSRICHTER RHEINLAND - PFALZ VVR

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften Artikel 1. Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes

Auswirkungen der PARITÄTISCHEN Berechnungen zu Regelsätzen und Kinderregelsätzen auf das steuerliche Existenzminimum

Die aktuelle Besoldungssituation in Hessen

W-Besoldung Zulagen, Versorgung, Rechtsschutz etc.

Auswirkungen der PARITÄTISCHEN Berechnungen zu Regelsätzen und Kinderregelsätzen auf das steuerliche Existenzminimum

Beispielsberechnungen für die Haftung aus Vermögen

Vom 24. November 1999 (GVM 1999 Nr. 2 Z. 4) Änderungen

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

Betrag in Euro, Vomhundert, Bruchteil

Mit Elterngeld kein Kinderzuschlag #Pressemitteilung. Mit Elterngeld kein Kinderzuschlag

Deutscher Bundestag. Sachstand. Rechtliche Fragen zum Kinderexistenzminimum. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag WD /11

Einsatz der Bundeswehr im Innern Übernahme von hoheitlichen Aufgaben der Polizei durch die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe

Amtsangemessene Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien Ein Leitfaden. I. Ausgangslage

Amtsangemessene Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien Ein Leitfaden. Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht

BVerwGE: ja Fachpresse: ja. Sachgebiet:

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Übungsfall 2. Übung im Öffentlichen Recht Prof. Dr. Alexander Proelß

Bedeutung des Urteils des Verfassungsgerichts vom Dezember 2015 für unsere Beamtenbesoldung Referent: Dr. Helmut Messer, Vorstandsmitglied des VHV

Besoldung von Richtern und Staatsanwälten im Land Bremen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Vorgang: 99. Sitzung des Hauptausschusses vom Sitzung des Hauptausschusses vom

Lösungsskizze zur Hausarbeit im Rahmen der Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger bei Prof. Dr. von Bernstorff

Stellungnahme des DGB Bezirk NRW

Landtag von Baden-Württemberg. Kleine Anfrage. Antwort. Drucksache 15 / Wahlperiode. des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP.

12 Alterssicherung der Landwirte anrechnen Versorgungslasten

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Beamtenversorgungsbezüge 2015/2016 in der Freien Hansestadt Bremen

Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur W-Besoldung auf das Bundesland Bremen

Mitteilung des Senats vom 1. September 2015

LS 2015 Drucksache 24 Vorlage der Kirchenleitung an die Landessynode

Arbeit smarktforschung und Jugend berufshilfe

Deutscher Bundestag. Ausarbeitung. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gesetzlichen Begrenzung von Mieterhöhungen bei Neuvertragsmieten

Sonder-Newsletter W-Besoldung/Bremen 1

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde. die Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn

Fall 4 Prüfungsrecht des Bundespräsidenten. Lösungshinweise

STELLUNGNAHME. zum Hinweisverfahren 2017/ kW-Grenze bei PV der Clearingstelle EEG

Prozentuale Entwicklung der Regelbedarfe nach dem SGB II im Vergleich zur gesetzlichen Rente

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT BESCHLUSS

In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden. - Bevollmächtigte: Wolfsteiner Roberts & Partner Rechtsanwälte, Brienner Straße 25, München -

Transkript:

Stellungnahme im Verfahren - 2 BvL 2/16 - Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 17. März 2016-6 K 83/14 - Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) schließt sich den Ausführungen des Vorlagebeschlusses an. Das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen geht zu Recht und mit überzeugenden Argumenten davon aus, dass die Besoldung der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (2013 und 2014) verfassungswidrig zu niedrig war. Die gesetzlichen Grundlagen des Bremischen Besoldungsgesetzes, die den Streitgegenstand dieses Verfahrens bilden, verstoßen auf allen drei Ebenen gegen die vom Bundesverfassungsgericht 1 festgestellten Vorgaben für eine amtsangemessene Alimentation. 1. Prozedurale Anforderungen Der Vorlagebeschluss macht die Defizite deutlich, die der Begründung der Besoldungsanpassungsgesetze zu Grunde liegen. Hierauf nehme ich uneingeschränkt Bezug. 2. Die relative Besoldungshöhe a) Der Vorlagebeschluss zeigt darüber hinaus durch stichhaltige Berechnungen eindrucksvoll auf, dass auf der ersten Ebene der verfassungsgerichtlich entwickelten Anforderungen 2 drei der fünf Parameter die Verfassungswidrigkeit der Besoldung indizieren. Zwei der drei Parameter liegen sogar erheblich über dem verfassungsrechtlichen Schwellenwert von fünf Prozent: Im Vergleich zur Tarifentwicklung beläuft sich die Differenz auf 8,8 Prozent bzw. 9,5 Prozent und im Vergleich zum Nominallohnindex auf 9,5 Prozent bzw. 10,5 Prozent. Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Erfüllung dieser ersten drei Parameter (Abweichung jeweils um mehr als fünf Prozent) nur um ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit der Besoldung handelt, so ist dennoch bereits wegen der erheblichen Grenzüberschreitung der beiden ersten Parameter von einer verfassungswidrig niedrigen Besoldung auszugehen. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien verfolgen keinen Selbstzweck. Sie können nicht so verstanden werden, dass die Alimentation bereits verfassungsgemäß ist, solange drei 1 BVerfGE 130, 263; 139, 64; 140, 240. 2 BVerfGE 139, 64 Rn. 97 ff.

der fünf Parameter gerade noch erfüllt sind. Die Parameter dienen vielmehr dazu, nachprüfbare Hinweise auf die von jeher in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ausgeformten Aspekte amtsangemessener bzw. unzureichender Alimentation zu geben. Es geht daher nicht zuvörderst um das mathematische Einhalten der Schwellenwerte, sondern vor allem um die Funktion der amtsangemessenen Besoldung, Richter und Beamte lebenslang nach ihrem Dienstrang und der mit dem Amt verbundenen Verantwortung zu alimentieren. Dabei ist die Einkommens- und Ausgabesituation der Gesamtbevölkerung genauso zu beachten wie die Notwendigkeit, den öffentlichen Dienst für die jeweiligen Jahrgangsbesten attraktiv zu halten. 3 Eine verfassungswidrig niedrige Alimentation ist daher schon dann anzunehmen, wenn weniger als drei der Schwellenwerte sehr deutlich überschritten sind. Im konkreten Verfahren kommt es daher auf die Überschreitung eines dritten Parameters nicht mehr an, obwohl eine solche nach dem Inhalt des Vorlagebeschlusses unzweifelhaft vorliegt. b) Für die zweite Ebene der verfassungsrechtlichen Prüfung kann der BDVR bestätigen, dass es zunehmend schwieriger wird, ausreichend qualifizierten Richternachwuchs zu gewinnen. Dies ist nach unserer Wahrnehmung, die auf der Einschätzung und Beobachtung vieler Mitglieder beruht, zu einem großen Maße auf die unbefriedigende Besoldungssituation gerade auch im Vergleich zur Privatwirtschaft sowie auf die darin zum Ausdruck kommende Geringschätzung des Richterberufs durch den Besoldungsgesetzgeber zurückzuführen. Gerade die Zahl qualifizierter männlicher Bewerber, die - gleich wie man das bewertet - stärker auf die Einkommenshöhe und weniger auf Familienverträglichkeit achten, ist stark rückläufig. c) Von einer Rechtfertigung der verfassungswidrig niedrigen Alimentationshöhe ist nicht auszugehen. Die offenbar allein vom Gesetzgeber in den Blick genommene schwierige Finanzlage kann keinesfalls zur Rechtfertigung herangezogen werden. Allenfalls zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen könnte ansonsten noch ein Eingriff in den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation erfolgen, und das auch nur im Rahmen eines schlüssigen Haushaltsgesamtkonzepts. 4 Weder für diese Ausnahmesituationen (Konjunkturschwankungen, Naturkatastrophen oder sonstige Notsituationen) noch für ein schlüssiges Haushaltsgesamtkonzept sind hier hinreichende Anhaltspunkte gegeben. Eine (relative) Kürzung der Alimentation kann im Übrigen überhaupt nur durch einen Sachgrund gerechtfertigt werden, der sich aus dem System der Beamtenbesoldung ergibt (relativer Normbestandsschutz). 5 Hierfür ist ebenfalls nichts ersichtlich. 3 BVerfGE 139, 64 Rn. 93. 4 BVerfGE 139, 64 Rn. 127. 5 BVerfGE 139, 64 Rn. 128. Seite 2 von 6

3. Die absolute Besoldungshöhe Das Verwaltungsgericht kommt wie gezeigt überzeugend zu dem Ergebnis, dass die prozeduralen Anforderungen wie auch die Anforderungen zur relativen Bemessung der Besoldung, wie sie sich aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 und vom 17. November 2015 ergeben, nicht erfüllt sind. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 2015 ist zudem deutlich geworden, dass die Besoldung nicht nur in ihrer Entwicklung - mithin im Vergleich zur früheren Besoldung gesehen - eine Untergrenze nicht unterschreiten darf. Eine absolute - Untergrenze für alle Besoldungsgruppen folgt auch daraus, dass die Einkommen der Beamten in den untersten Besoldungsgruppen einen Mindestabstand zu den Leistungen der Sozialhilfe oder der Grundsicherung und die Besoldungsgruppen untereinander ebenfalls einen Mindestabstand aufweisen müssen. a) Eine Alimentation, die sich in ihrer Höhe nicht hinreichend von diesen Instrumenten sozialstaatlich motivierter Mindestversorgung unterscheidet, kann nicht dem Amte eines Beamten angemessen sein. Bei dem schon früher in den Verfahren um die Besoldung kinderreicher Familien vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen notwendigen Abstand zur Sozialhilfe von 15 Prozent 6 handelt es sich - was der Besoldungsgesetzgeber gerne übersieht - nur um einen Mindestabstand. b) Die Besoldung der Beamten in den unteren Besoldungsgruppen ist auch für das Verfahren der Klägerin des hiesigen Verfahrens von Bedeutung. Aufgrund des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation muss die Höhe der Besoldung aller Besoldungsgruppen in einem stimmigen Gesamtkonzept festgelegt sein. Wesensmerkmal der dem Amte angemessenen Alimentation ist, dass sich diese von der nächsthöheren und der nächstniedrigeren Besoldungsgruppe unterscheiden muss (sog. Abstandsgebot). Denn mit jedem höherwertigen Amt geht auch eine gestiegene Verantwortung und ein gestiegener Schwierigkeits- und Belastungsgrad einher. Verändert sich mithin die Besoldung der unteren Besoldungsgruppen, muss die Besoldung der oberen Besoldungsgruppen zur Wahrung des Abstandsgebots ebenfalls angehoben werden. 7 Anderenfalls führte dies zu einem nicht zulässigen, scheibchenweisen Abschmelzen der durch die Verfassung vorgegebenen Abstände. Auch die Höhe der Besoldung in der Besoldungsgruppe R 1 kann mithin nur verfassungsgemäß sein, wenn bereits die unteren Besoldungsgruppen angemessen alimentiert und die verfassungsrechtlich erforderlichen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen eingehalten werden. Deswegen ist zunächst ein Vergleich zwischen der Besoldung der untersten Besoldungsgruppe in Bremen mit entsprechenden Sozialhilfeleistungen anzustellen. 6 BVerfGE 99, 300 Rn. 57. 7 BVerfGE 140, 240 Rn. 94 a. E. Seite 3 von 6

Da die Besoldung eines Beamten aufgrund des durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation ausreichend sein muss, den Lebensunterhalt nicht nur des Beamten selbst, sondern auch seiner (vierköpfigen 8 ) Familie zu sichern, hat die Berechnung des Mindestabstands auf dieser Grundlage zu erfolgen. 9 Als Beispielfamilie wird diejenige eines Beamten der untersten in Bremen vergebenen Besoldungsgruppe A 4 mit zwei Kindern angesetzt. Der direkte Vergleich einer vierköpfigen Beamtenfamilie (1. Ehepartner Besoldungsgruppe A 4 (Stufe 3), 2. Ehepartner nicht berufstätig, zwei Kinder, sieben und zehn Jahre alt, wohnhaft in Bremen Östliche Vorstadt, Schwachhausen, Oberneuland oder Borgfeld) mit einer entsprechenden Familie, die Sozialhilfe bezieht, stellt sich zum Stichtag 1. Januar 2014 nach unseren Berechnungen wie folgt dar 10 : Beamtenfamilie: Monatliches Grundgehalt 1.930 Familienzuschlag 359 Kindergeld 368 Monatliches brutto 2.669 Jahresbrutto 32.016 Abzgl. Lohnsteuer in Höhe von 1.472 11 30.544 Abzgl. Kosten für die PKV in Höhe von 5.000 12 25.544 Jahresnetto 25.544 8 Vgl. BVerfGE 44, 249 (272 f.); 81, 363; 99, 300. 9 Vgl. im Einzelnen zu der Berechnungsmethode mit Beispielen Stuttmann, NVwZ 2016, 184. 10 Alle Zahlenwerte in Euro. 11 Berechnet nach www.oeffentlicher-dienst.info zum Stichtag 1. Mai 2014; Ungenauigkeiten bei der Berechnung der individuellen Lohnsteuer dürften sich allenfalls in einem kleineren zweistelligen Monatsbetrag auswirken. 12 Es wurde der denkbar günstigste Betrag angesetzt, vgl. Stuttmann, NVwZ 2016, 184 (187). Seite 4 von 6

Sozialhilfefamilie: Monatliche Regelleistungen 728 Sozialgeld 540 Kaltmiete 13 744 Heizkosten 14 143 Monatliche Summe 2.155 Jahressumme 25.860 Jährl. Mehrbedarf und Bildungszuschuss 800 Jahresnetto 26.660 Danach erfüllt die Besoldung der Beispielsbeamtenfamilie nicht nur nicht den Mindestabstand zur Sozialhilfe, sie fällt sogar niedriger aus; der Beamte könnte mit Aussicht auf Erfolg ergänzend Leistungen der Sozialhilfe beantragen. Um den Mindestabstand zur Sozialhilfe von 15 Prozent zu wahren, müsste die Nettobesoldung der Beispielsbeamtenfamilie 30.659 Euro, (26.660 x 1,15) mithin 5.109 Euro mehr als gegeben betragen. Die Nettobesoldung ist mithin um 20,0 Prozent anzuheben. Sowohl für die Amtsangemessenheit der absoluten Besoldungshöhe als auch für die Wahrung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen kommt es maßgeblich auf die Nettobezüge des Beamten an. Denn sie bestimmen, was sich der Beamte zur Deckung des Lebensbedarfs leisten kann. Dem Gesetzgeber steht bei der Gewährleistung der amtsangemessenen Nettobezüge ein Gestaltungsspielraum zu. Ob er sein Ziel der amtsangemessenen Alimentation durch Anhebung des Grundgehalts, des Beihilfesatzes, der Gewährung eines Ortszuschlags oder durch andere Mittel erreicht, ist ihm belassen, solange dieses Ziel erreicht wird. Gleich welches Mittel er im Beispielsfall wählt, um die Besoldung der unteren Besoldungsgruppen verfassungsgemäß zu gestalten, wird dies Auswirkungen auch auf die Besoldungshöhe der höheren Besoldungsgruppen wie hier der Klägerin haben müssen. 13 Vgl. Mietobergrenzen Bremen für Hartz IV, Grundsicherung und Sozialhilfe ab 1. Januar 2014 mit Stadtteilzuschlag, www.bev-bremen.de/?p=677. Vorgesehen ist als Regelfall für eine vierköpfige Familie eine 85qm-Wohnung. 14 Angesetzt wurde der mittlere Betrag von 1,69 Euro/qm, der für Fernwärme ausgegeben wird (Ölheizung 1,83 Euro, Gasheizung 1,50 Euro), ausgehend von einer Wohnfläche von 85 qm, vgl. www.bev-bremen.de/?p=677. Dabei wird zu Grunde gelegt, dass der Mieter regelmäßig keinen Einfluss auf die Heizungsart nehmen kann. Seite 5 von 6

Wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebots ist die Besoldung der Klägerin daher auch in absoluter Höhe verfassungswidrig niedrig bemessen. Berlin, den 19. September 2016 Dr. Robert Seegmüller (Vorsitzender) Seite 6 von 6