Probeklausur zur Vorlesung Staatsrecht I Staatsorganisationsrecht, Professor Dr. Christoph Degenhart
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1 Probeklausur zur Vorlesung Staatsrecht I Staatsorganisationsrecht, Professor Dr. Christoph Degenhart Der Sachverhalt ist den Klausuren beigeheftet. Die ursprüngliche Lösung stammt von Professor Dr. Christoph Degenhart. Die folgende Musterlösung wurde von Wiss. Mit. RA Norman Jäckel überarbeitet. Sie enthält an unproblematischen Stellen in eckigen Klammern nur Normzitate oder Stichworte. In der Klausur wären diese auch vollständig auszuformulieren. Seite 1
2 Gutachten Der Antrag der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht hat als abstrakte Normenkontrolle Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit (Der Antrag müsste zulässig sein.) I. Zuständigkeit [Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, 13 Nr. 6 BVerfGG] II. Antragsteller [Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, 13 Nr. 6, 76 Abs. 1 BVerfGG] III. Antragsgegenstand Es müsste ein überprüfbarer Antragsgegenstand vorliegen. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, 13 Nr. 6, 76 Abs. 1 BVerfGG kann Bundes- oder Landesrecht, also jede Rechtsnorm, Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle sein. Hier liegt ein Änderungsgesetz zum Vereinsgesetz (des Bundes) vor. Dieses Änderungsgesetz ist selbst ein Bundesgesetz und damit Bundesrecht. Mithin liegt ein überprüfbarer Antragsgegenstand vor. IV. Antragsgrund Es müsste auch ein Antragsgrund gegeben sein. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG ist erforderlich, dass Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der bundesrechtlichen Norm vorliegen. Hingegen ist nach 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG erforderlich, dass der Antragsteller die Norm für nichtig hält, bloße Zweifel genügen nicht. Hier hält die Bundesregierung das Änderungsgesetz für nichtig. Somit hat sie auch Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit. Damit sind die Voraussetzungen beider Vorschriften erfüllt. Es bedarf keiner Entscheidung, welche von beiden Vorschriften zur Anwendung kommt. Ergänzend, das heißt über den Wortlaut der Vorschriften des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes hinaus, muss ein objektives Klarstellungsinteresse vorliegen. Dies Seite 2
3 ist jedenfalls gegeben, wenn der Antragsteller an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes mindestens zweifelt und das Gesetz bereits ausgefertigt und verkündet ist. Hier ist das Änderungsgesetz bereits ausgefertigt und verkündet und die notwendigen Zweifel des Antragstellers liegen vor. Ein objektives Klarstellungsinteresse ist gegeben. Ein Antragsgrund ist gegeben. V. Form Der Antrag müsste formgerecht gestellt worden sein. Nach 23 Abs. 1 BVerfGG sind Anträge schriftlich zu stellen. Hier ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Schriftform gewahrt wurde. Der Antrag ist formgerecht. VI. Ergebnis Der Antrag ist zulässig. B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn das Änderungsgesetz formell oder materiell verfassungswidrig ist. I. Formelle Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Das Änderungsgesetz ist formell verfassungswidrig, wenn es unter Missachtung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes erlassen wurde, das Gesetzgebungsverfahren nicht den Vorschriften des Grundgesetzes entspricht oder die verfassungsrechtlich erforderliche Form nicht eingehalten wurde. 1. Gesetzgebungskompetenz Es ist zu prüfen, ob der Bund für das Änderungsgesetz zuständig ist. a) Grundsatz Grundsätzlich sind die Länder für die Gesetzgebung zuständig, Art. 70 Abs. 1 GG. Der Bund ist nur zuständig, wenn das Grundgesetz dies für die vorliegende Gesetzgebungsmaterie bestimmt. b) Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes [nichts ersichtlich] Seite 3
4 c) Konkurrierende Gesetzgebung Der Bund könnte im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zuständig sein. Dies ist in allen in Art. 72 Abs. 2 GG nicht genannten Gebieten des Art. 74 Abs. 1 GG stets der Fall, in den übrigen Fällen des Art. 74 Abs. 1 GG nur, wenn die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt ist. In Betracht kommt hier der in Art. 72 Abs. 2 GG nicht genannte Kompetenztitel Vereinsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG. Darunter ist das öffentliche Vereinsrecht, also das Recht der Zulassung, der Überwachung, des Verbots und der Auflösung von Vereinen zu verstehen. Dafür ist der Bund stets zuständig. Hier ist indes fraglich, ob das Änderungsgesetz solche Regelungen des öffentlich-rechtlichen Vereinswesens betrifft. Denkbar ist auch, dass es sich statt um Vereinsrecht um Parteienrecht (Recht der Parteien) handelt. Für solches wäre Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG nicht einschlägig. Für das Parteienrecht ist nach der ausdrücklichen Zuständigkeitsanordnung in Art. 21 Abs. 3 GG der Bund zuständig. Das vorliegende Änderungsgesetz regelt die Behandlung von Parteien als Vereine, insbesondere im Bereich des Verbots. Damit kommen andere Kompetenztitel außer Vereinsrecht oder Parteienrecht nicht in Betracht. Für beide in Betracht kommenden Gebiet ist indes der Bund zuständig. Es ist mithin unerheblich, ob das Änderungsgesetz Vereinsrecht oder Parteienrecht betrifft. Der Bund ist entweder im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung oder kraft ausdrücklicher Kompetenzanordnung zuständig. d) Ergebnis Der Bund ist für das Änderungsgesetz zuständig. 2. Gesetzgebungsverfahren Es ist zu prüfen, ob das Gesetzgebungsverfahren verfassungsgemäß verlaufen ist. a) Gesetzesinitiative [ordnungsgemäß] b) Beschluss des Bundestages [ordnungsgemäß, Klausurproblem: nur zwei statt drei Lesungen] c) Mitwirkung des Bundesrates, Zustandekommen des Gesetzes Das Gesetz könnte unter verfassungsgemäßer Mitwirkung des Bundesrates zustande gekommen sein. Nach Art. 78 Var. 5 GG kommt ein Gesetz zustande, wenn der Bundestag den Einspruch des Bundesrates nach Art. 77 Abs. 3 GG gemäß Art. 77 Abs. 4 GG überstimmt. Voraussetzung ist, dass der Bundesrat gemäß Art. 77 Abs. 3 GG Einspruch eingelegt hat. Dies ist der Fall, wenn ein so genanntes Einspruchsgesetz vorliegt, also die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, das Verfahren vor dem Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Seite 4
5 Abs. 2 GG ordnungsgemäß abgeschlossen ist und ein wirksamer und fristgerechter Einspruchsbeschluss des Bundesrates vorliegt. [Es folgt die Prüfung dieses Obersatzes, insbesondere der beiden Fristen.] Ein Art. 77 Abs. 3 GG entsprechender Einspruch liegt vor. Diesen müsste der Bundestag ordnungsgemäß überstimmt haben. [Es folgt die Prüfung dieses Obersatzes, insbesondere der Mehrheiten.] Der Einspruch wurde ordnungsgemäß überstimmt. Das Gesetz ist unter verfassungsgemäßer Mitwirkung zustande gekommen. d) Ergebnis Das Gesetzgebungsverfahren ist verfassungsgemäß verlaufen. 3. Form [ordnungsgemäß (Art. 82 GG)] 4. Ergebnis Das Gesetz ist formell verfassungsmäßig. II. Materielle Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Das Gesetz ist materiell verfassungswidrig, wenn es materielle Vorschriften des Grundgesetzes verstößt. Hier kommt (nur) ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 2 GG in Betracht. Nach diesem... [es folgt die Definition der zwei Anforderungen (Parteiverbotsgründe und Parteierbotszuständigkeit) und die Subsumtion der neuen Verbotsgründe und der neuen Zuständigkeit nach dem Änderungsgesetz.] Das Änderungsgesetz verstößt gegen Art. 21 Abs. 2 GG. III. Ergebnis Der Antrag ist begründet. C. Zusammenfassung und Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht wird das Änderungsgesetz für nichtig erklären ( 78 Satz 1 BVerfGG). Erzeugt mit LATEX und KOMA-Script. Seite 5
6 Lösungsübersicht (Folie) A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit II. Antragsteller III. Antragsgegenstand IV. Antragsgrund V. Form VI. Ergebnis B. Begründetheit I. Formelle Verfassungswidrigkeit des Gesetzes 1. Gesetzgebungskompetenz a) Grundsatz b) Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes Seite 6
7 c) Konkurrierende Gesetzgebung d) Ergebnis 2. Gesetzgebungsverfahren a) Gesetzesinitiative b) Beschluss des Bundestages c) Mitwirkung des Bundesrates, Zustandekommen des Gesetzes d) Ergebnis 3. Form 4. Ergebnis II. Materielle Verfassungswidrigkeit des Gesetzes III. Ergebnis C. Zusammenfassung und Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Seite 7
Die von der Bundesregierung erarbeitete Gesetzesvorlage des SafariG lautet:
Fall: Jagdfieber 1. Teil Im Jahr 2013 möchte die Bundesregierung das BJagdG dahingehend ändern, dass in bestimmten Jagdbezirken die Jagd aus Helikoptern, Kraftfahrzeugen oder Motorbooten zulässig ist,
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