Das neue Erbrecht stärkt die private Pflege nicht

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GESETZLICHE ERBFOLGE

Die Europäische Erbrechtsverordnung

Transkript:

Wer pflegt, soll Gläubiger sein Das neue Erbrecht stärkt die private Pflege nicht Bochumer Gesetzgebungsvorschlag scheiterte - neuer Anlauf folgt Bochum (11. Januar 2010) - Mit den Neuerungen im deutschen Erbrecht zum 1. Januar 2010 wurden die gesetzlichen Bestimmungen an die veränderten Lebensbedingungen angepasst. Was die "Entlohnung" von Pflegeleistungen aus dem Erbe betrifft, blieb der Fortschritt dennoch sehr bescheiden. Schrieb die bislang gültige Rechtslage nur den Abkömmlingen, also Kindern und Enkeln des sog. Erblassers, einen Anspruch auf Vergütung von Pflegeleistungen zu, wenn diese für die Zeit der Pflege auf eigenes Einkommen verzichteten, so wurde nun lediglich die Einschränkung "unter Verzicht auf berufliches Einkommen" gestrichen. 1 / 7

Ein Gesetzgebungsvorschlag des Bochumer Juristen Prof. Dr. Peter A. Windel, den Anspruch auf Vergütung zumindest auf pflegende Familienangehörige auszudehnen, scheiterte ebenso wie ein weiterer der Bundesregierung. Weil es der Gesellschaft zugutekommt Solidarische Pflege kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Nicht zuletzt, weil die sozialen 2 / 7

Sicherungssysteme der "alternden Gesellschaft" entlastet werden. Doch das nun 2010 in Kraft getretene "Gesetz zur Änderung des Erbrechts" stärkt die private Pflege nicht. Das Erbrecht, das auch die Honorierung häuslicher Pflege aus dem Nachlass regelt, orientiert sich am familienrechtlichen Status, d.h. vornehmlich an der Bürgerlichen Ehe (Statusbeziehung). Die vielfältigen weiteren "Erscheinungsformen von Familie" (Realbeziehungen) in der heutigen Gesellschaft bleiben dabei außer Betracht. Dass die Gesetzeslage einer Änderung bedarf, ist längst erkannt. Doch die bisherigen Vorschläge (Regierungsentwurf sowie Alternativvorschläge aus den Ausschüssen) befriedigten den Bochumer Juristen Windel nicht, da sie Lösungen nur innerhalb der erbrechtlichen Verteilungsordnung suchen. 3 / 7

Der Bochumer Gesetzgebungsvorschlag Eine Gesetzesänderung ist immer ein politischer Prozess - und so sollte sie zunächst vorrangig den pflegenden Familienangehörigen zugute kommen. Dafür präzisierte Windel die häusliche Pflege hinsichtlich des allgemeinen Vermögens- und Haftungsrechts und fügte sie ins erbrechtliche System ein. Sein Gesetzesgebungsvorschlag lautet: (1) Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, hat derjenige, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, einen Anspruch auf Ersatz des Werts der Pflegeleistungen. (2) Die Höhe des Anspruchs bemisst sich i.d.r. nach den zur Zeit des Erbfalls in 37 Abs. 1 SGB XI vorgesehenen Beträgen. (3) Dem Anspruch steht es nicht entgegen, dass die Pflegeleistungen in Erfüllung einer familienrechtlichen Pflicht erbracht worden sind. Die 685 Abs. 2, 1360b und 1620 BGB finden keine 4 / 7

Anwendung. (4) Auf den Anspruch ist anzurechnen, was der Pflegeperson als Entgelt oder als Wertsatz für die Pflegeleistungen gewährt worden ist oder gewährt wird. Wurde die Pflegeperson durch Verfügung von Todes wegen über einen ihr zustehenden gesetzlichen Erbteil hinaus bedacht, erfolgt eine Anrechnung, soweit die Einsetzung mit Rücksicht auf geleistete oder erwartete Pflegeleistungen erfolgt ist. "Erster Erbe" ist der Gläubiger 5 / 7

Wenn auch sein Gesetzesvorschlag wie der der Bundesregierung im vergangenen Jahr im Deutschen Bundestag scheiterte, denkt Prof. Windel schon an einen neuen Anlauf - zum Erbrechtstag im März und zum Deutschen Juristentag im September 2010. Dabei reichen die Vorstellungen des Bochumer Juristen schon heute deutlich weiter, er betont: "Der Erblasser muss für die Leistung, die er zu Lebzeiten genossen hat, auch nach seinem Tode noch aufkommen, unabhängig davon, ob die Nachbarin, die Lebensgefährtin, die Ehefrau, Enkel oder Geschwister die Pflege übernahmen." In diesem Sinne ist häusliche Pflege für Windel eine Nachlassverbindlichkeit und wenn sie offen bleibt, wird der Pflegende zum Gläubiger. Diesen wiederum stellt das Gesetz voran, nachdem der Gläubiger der "erste Erbe" ist. 6 / 7

Quelle: Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum vom 11.01.2010 (tb). 7 / 7