Urteile ins rechte Licht rücken Von Linda Bohorc und Christoph Wey, HEFTI. HESS. MARTIGNONI., www.hhm.ch Mitte Februar 2012 wurden die neuen Räumlichkeiten des Obergerichts des Kantons Zürich am Hirschengraben bezogen. Ein in vielerlei Hinsicht komplexes Umbau- und Erweiterungsprojekt in einem historisch stark geprägten Umfeld war damit abgeschlossen. In den rund sieben Jahren Planungs- und Bauzeit trug auch die beauftragte Lichtplanerin massgeblich zum Gelingen des Projekts bei. Ihre Arbeit war geprägt durch hohe ästhetische und funktionale Ansprüche, die der Hochwertigkeit der Gebäude und Materialisierung einerseits und der besonderen Atmosphäre dieses geschichtsträchtigen und bedeutsamen Orts andererseits Rechnung tragen sollte. Seit 1831 besteht das Zürcher Obergericht. 1839 konnte das Obergericht dann erstmals in den eigenen Gerichtssälen tagen, nachdem auf dem Gelände des ehemaligen Barfüsserklosters am Hirschengraben ein neues «Gerichtsgebäude» gebaut wurde. Die Institution zählt heute, gut 170 Jahre später, 39 Oberrichterinnen und Oberrichter und rund 250 Mitarbeitende. Sie sind im Neubau so untergebracht, wie das der Bedeutung der Institution und ihrer Vertreter entspricht. Mit der Erweiterung und Umstrukturierung des historisch gewachsenen Gebäudeensembles am Hirschengraben konnte der Gerichtsbetrieb optimiert und die Sicherheit erhöht werden. Die städtebaulich und historisch anspruchsvolle Ausgangslage stellte für die beteiligten Architekten und Planer in vielerlei Hinsicht eine herausfordernde Aufgabe dar. Sorgsamer Umgang mit der Substanz Das architektonische Konzept des Aarauer Büros Felber Widmer Schweizer Architekten SIA AG berücksichtigte, dass in der langen Geschichte der Gebäude Eingriffe stets das Ziel hatten, die bestehende Substanz optimal zu nutzen und den neuen Bedürfnissen anzupassen. Auf vollständige Abbrüche konnte verzichtet werden. Heute verbindet ein L- förmiger Ergänzungsbau die bestehenden Bauten am Hirschengraben 13 und 15 und macht den Gebäudekomplex dadurch erst komplett.
Der Charakter der Anlage und die hohen Ansprüche an die Sicherheit verleihen den Gebäuden einen ungewollt introvertierten Ausdruck, dem mit Transparenz und überraschenden Ein- und Ausblicken in den Innenhof oder die Stadt entgegengewirkt wird. Die bestehenden Innenräume wurden in Absprache mit der Denkmalpflege subtil mit hochwertigen Materialien ergänzt. Sie sind geprägt von Schweizer Nussbaumholz und Sandstein vom oberen Zürichsee. Sowohl der Ergänzungsbau wie auch die bestehenden Altbauten erfüllen den Minergie- Standard. Dazu trägt nicht zuletzt das Lichtkonzept bei, das den atmosphärischen, ja fast ehrfurchtvollen Gebäuden mit der nötigen, hochwertigen Qualität und Zurückhaltung begegnet. Für grosse Teile des Grundausbaus und die Aussenbeleuchtung wurde auf LED-Technik gesetzt. Deren Vorteile schlagen sich insbesondere im fast wartungsfreien Betrieb und dem tiefen Energieverbrauch nieder; letzterer war nicht zuletzt der Minergie- Zertifizierung geschuldet. Dem Ort gerecht werden Der Neubau setzt bezüglich Leuchten bewusst auf eine kleine Produktevielfalt. Das Gebäude soll in seinem Ganzen erfasst und erlebt werden. Runde Aufbauleuchten mit Indirektanteil kommen im Ergänzungsbau zur Anwendung. Die Leuchten unterscheiden sich bspw. in ihrer Dimension oder Gehäusefarbe voneinander, die abgestimmt auf den einzelnen Raum dessen Eigenart und Materialisierung zwar aufnehmen, dabei aber gleichzeitig den Neubau in seiner Gesamtheit betonen. Die ruhige, unaufgeregte Grundbeleuchtung im historischen Teil besteht dagegen aus zylindrischen LED-Glaspendelleuchten. Im Eingangsbereich des Obergerichts, inmitten der Kunst von Daniel Robert Hunziker, dessen filigrane Messingstäbe an den Decken eine Neuinterpretation des Formenrepertoires der Keilschrift darstellen, sorgen quadratische Deckeneinbauleuchten für eine unaufdringliche, homogene Grundbeleuchtung und gute Orientierung. Dekorative Stehleuchten neben den Sitzmöbeln im Wartebereich unterstreichen die Wertigkeit des Ortes. Unterschiedlichen Ansprüchen genügen Jedes zweite Geschoss des Ergänzungsbaus erschliesst über die Wandelhalle jeweils ein Geschoss des Gerichtsaalbaus. In diesem 4-geschossigen Luftraum sorgen grosse,
zylindrische Glaspendelleuchten für eine zweckmässige und doch würdevolle Atmosphäre, an jenem Ort, an dem der öffentliche Publikumsverkehr auf die internen Nutzer trifft. Den Gerichtssälen kommt innerhalb der Anlage zentrale Bedeutung zu, entsprechend aufwendig und vielfältig waren die gestellten Ansprüche. Quadratische Einbauleuchten bilden die Grundbeleuchtung über dem Podium. Wallwasher hellen die Rückwände grossflächig auf. Damit würdigen sie gleichzeitig die Kunst am Bau, welche in diesem Fall aus einem Schriftzug von Heimo Zobernig besteht. Grosse, elliptische LED-Lüster in der Dimension von 2.5 auf 5 Metern entfalten ihr Licht indirekt-direkt über den Parteienmöbeln. Sie wurden eigens für die Situation in den Gerichtssälen in Zusammenarbeit mit den Architekten entworfen. LED-Orientierungsleuchten dienen im Saal als Stufenakzentuierung. Die farbveränderlichen LED-Einbauleuchten in den tiefen Fensternischen des Gerichtsaalbaus lassen besondere Lichtstimmungen im Saal zu und fungieren gleichzeitig in der Dämmerung als Fassadenbespielung. Diese Rundbögen können ausserhalb der Prozesszeiten farblich unterschiedlich bespielt werden, während sie bei Verhandlungen in Weiss ausgeleuchtet sind. Schwarze, schwenkbare Arbeitsplatzleuchten am Richterpult lassen sich individuell verstellen. Um die Gerichtssäle in unterschiedlichen Szenarien erscheinen zu lassen, kann eine Vielzahl voreingestellter Lichtstimmungen benutzerfreundlich abgerufen werden. Besondere Atmosphäre schaffen Die Sachlichkeit der Grundbeleuchtung in weiten Teilen des Gebäudes wird in der Cafeteria eindrücklich durchbrochen. Diese besteht aus zwei Ebenen, die durch eine dezente Treppe miteinander verbunden sind. Die zwei modernen, textilbespannten Pendelleuchten im Luftraum sind eine Reminiszenz an den klassischen Lüster. Sie fungieren als verbindendes Element beider Ebenen und sorgen durch ihren diffusen Lichtschein für ein warmes, freundliches Ambiente. Im funktionalen und eher strengen Leuchtenkonzept stellen sie Akzente dar, die dem Ort und seiner Geschichte mit Respekt begegnen. Quadratische schwarze Einbauleuchten sowie hochglänzende, schwarze Pendelleuchten über dem Tresen ergänzen die stimmungsvolle Grundbeleuchtung. Die einladende und ruhige Stimmung wird durch das dunkle, warme Holz am Boden, an den Wänden und an den Deckenflächen zusätzlich unterstrichen.
Die obere Ebene der Cafeteria wird durch schwarze, runde Aufbauleuchten mit Indirektanteil erhellt. Um die Sitzlandschaften wie auch in den Wandnischen finden sich hochglänzende, schwarze Tisch- und Stehleuchten, die dem Raum eine entspannte, behagliche Atmosphäre verleihen. Die gesamte Beleuchtung in der Cafeteria ist regelbar. Die homogene Grundbeleuchtung in der zweigeschossigen Bibliothek erfolgt ausschliesslich über eine indirekte Beleuchtung in Form von umlaufenden, dimmbaren Lichtbändern mit überlappenden Leuchtmitteln. Die Bänder sind auf einem Wandvorsprung unter der weissen Gewölbedecke platziert. Ergänzt wird diese Grundbeleuchtung durch schwarze, schwenkbare LED-Tischleuchten an den Arbeitsplätzen, die auch in den Gerichtssälen zum Einsatz kamen. Funktionalität und Effizienz an den Arbeitsplätzen Für die Arbeitsplatzbeleuchtung in den Büros der Gerichtsschreiber und Oberrichter wurde ein Stehleuchten-Konzept realisiert, das sich konsequent sowohl durch die bestehenden Bauten wie auch den neuen Ergänzungsbau zieht. Verchromte Stehleuchten mit zwei schwenkbaren Leuchtenköpfen werden den individuellen Anforderungen an die Arbeitsplatz- Beleuchtung gerecht. Die tageslichtabhängige Steuerung und Präsenzmelder punkten bezüglich Energieeffizienz. Der Kreuzgang, als markantestes Zeugnis des alten Barfüsserklosters am Obergericht, dient in Anlehnung an seine ursprüngliche Funktion als gedeckter Verbindungsweg. Flache, runde Aufbauleuchten mit einem indirekten Lichtaustritt nehmen sich diskret zurück. Sie lassen den Blick ungehindert durch die offenen Zwillingsbögen in den Innenhof schweifen. Gleichzeitig beeinträchtigen in der Aussenbetrachtung keine sichtbaren Leuchten die prägnanten Fenster. Umgebung im rechten Licht Auch im Aussenraum lag das Hauptaugenmerk auf der bewussten Produktreduktion sowie einer räumlichen Verzahnung der einzelnen Aussenbereiche. Der Lichtverschmutzung im öffentlichen Raum wird dahin gehend begegnet, dass auf frei strahlende Leuchten verzichtet wurde. Stattdessen kamen Produkte zum Einsatz, die sich als reine Wegbeleuchtung auf die zu beleuchtende Fläche beziehen oder Objekte dezent betonen. Die Betonsitzbänke in den Grünbereichen Obmannamtsgasse und Lindenegg sind durch LED-Lichtbänder unterleuchtet
und bekommen damit einen filigranen, fast schwebenden Charakter. Selbstleuchtende Lichtsitze unter den Silberlinden laden zudem zum Verweilen ein. LED-Orientierungsleuchten, die auf Kniehöhe in Wände und Mauern eingebaut wurden, sorgen gleichermassen für eine gute Orientierung wie die zylindrischen LED-Pollerleuchten auf dem Parkplatz. Ein dritter, für die Öffentlichkeit nicht zugänglicher, aber einsehbarer Aussenbereich, wird ebenfalls durch LED-Poller als Verkehrswegebeleuchtung illuminiert. Überrollbare Bodeneinbauleuchten mit einseitigem Lichtaustritt flankieren die Zufahrt zum Zuführbereich. Am Beispiel des Obergerichts des Kantons Zürich zeigt sich, dass sich mit LED- Technologien heute und in Zukunft Lichtlösungen realisieren lassen, die in vielerlei Hinsicht überzeugen. Im Innen- und Aussenbereich entstehen damit vielfältige Möglichkeiten. Linda Bohorc ist Projektleiterin Lichtplanung und Christoph Wey ist Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher bei HEFTI. HESS. MARTIGNONI., www.hhm.ch Weitere Informationen: HEFTI. HESS. MARTIGNONI. Zürich AG, Eggbühlstrasse 36, Postfach, 8050 Zürich, Tel. 044 308 98 00 www.hhm.ch
Der grosse Gerichtssaal im Erdgeschoss mit Blick auf den gotischen Kreuzgang. mobil Werke AG Blick in die Verhandlungshalle mit Kunst am Bau. Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger
Cafeteria im Ergänzungsbau mit den textilbespannten Pendelleuchten. Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger