14. Wahlperiode 19. 09. 2007 Kleine Anfrage der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Antwort des Innenministeriums Rechtsextremistische Umtriebe im Landkreis Göppingen Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen dem Innenministerium, den zuständigen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz über die rechtsextremistische Szene im Landkreis Göppingen vor? 2. Welche Informationen liegen dem Innenministerium über die Jungen Nationaldemokraten, insbesondere deren Auftreten in Geislingen, vor? 3. Wie viele (öffentliche und nicht öffentliche, genehmigte und nicht ge - nehmigte) Veranstaltungen, Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen und sonstige Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene hat es im Landkreis Göppingen in den letzten 5 Jahren jährlich, mit Angaben der einzelnen Aktivitäten je Gemeinde gegeben? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Entscheidung des Ordnungsamtes der Stadt Geislingen, einen kurzfristig beantragten Infostand der Jungen Nationaldemokraten zuzulassen, aber eine Gegendemonstration als Mahnwache nicht zu erlauben? 5. Von wie vielen Personen wurden am 8. September 2007 in Geislingen aus dem Kreis der Jungen Nationalen und aus dem Kreis der Gegendemons - tranten die Personalien aufgenommen? 18. 09. 2007 Lösch GRÜNE Eingegangen: 19. 09. 2007 / Ausgegeben: 12. 10. 2007 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente
Antwort Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 Nr. 5 1082.2/341 beantwortet das Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen dem Innenministerium, den zuständigen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz über die rechtsextremistische Szene im Landkreis Göppingen vor? Zu 1.: Rechtsextremistische Skinheadszene: Im Landkreis Göppingen sind in den vergangenen Jahren die beiden derzeit inaktiven Skinheadbands Tobsucht und Division Staufen bekannt geworden. Tobsucht bestand seit dem Jahre 2004 und brachte 2006 ihre CD Des Landes letzte Stunde auf den Markt. Division Staufen, die sich 2001 gründete, veröffentlichte im Jahr 2004 die CD Fiktion oder Realität. Beide Bands sind auf dem CD-Sampler Süddeutscher Nachwuchs/Best of Schwarze Sonne vertreten. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheads schwankt seit Jahren zwischen ca. 25 und 35 Personen. Ein Schwerpunkt der rechtextremistischen Skinhead - szene ist im Landkreis Göppingen nicht zu verzeichnen. Neonazistische Szene: Im Landkreis Göppingen existiert keine auffällige neonazistische Szene. Während noch in den 1990er Jahren die Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) verboten am 13. Juli 1993 und der Staufersturm Göppingen (SSG) aufgelöst Ende 1996 im Landkreis Göppingen aktiv waren, gibt es derzeit dort keine Kameradschaften, Freundeskreise oder sonstige neonazistische Zusammenschlüsse. Festgestellt wurden Auftritte einzelner Neonazis auch aus anderen Regionen bei Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene im Landkreis. So befand sich unter den Rednern einer Demonstration der Jungen Nationaldemokraten (JN) am 23. September 2006 in Göppingen ein Neonazi aus dem Großraum Karlsruhe. Parteien: Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) hat nach eigenen Angaben einen Kreisverband Esslingen/Göppingen, der unter einer Postfachadresse in Esslingen zu erreichen ist. Seit Mitte 2006 verfügt er über keine eigene Homepage mehr. Von dem Kreisverband gingen in letzter Zeit keine Aktivitäten mit Außenwirkung aus. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), verfügt über einen Stützpunkt Göppingen mit Postfachadresse in Geislingen. Der Stützpunkt Göppingen besitzt keine eigene Homepage. Auf der Homepage des Bundesverbands der Partei Die Republikaner (REP) findet sich lediglich der Hinweis auf einen regelmäßig stattfindenden Stammtisch des Kreisverbandes Göppingen. Auch die Parteizeitung Zeit für Protest weist in ihrer Septemberausgabe darauf hin. Eine eigene Seite des Kreisverbandes Göppingen existiert jedoch nicht. Schließlich findet sich auch auf der Homepage des Landesverbands kein Hinweis auf den Kreisverband, der im Übrigen in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung tritt. 2
2. Welche Informationen liegen dem Innenministerium über die Jungen Nationaldemokraten, insbesondere deren Auftreten in Geislingen, vor? Zu 2.: Göppingen ist einer von derzeit neun Stützpunkten der JN in Baden-Württemberg. In Geislingen sind die JN durch mehrere Veranstaltungen und Aktionen in Erscheinung getreten, die in der Antwort zu Frage 3 dargestellt werden. Ein Aktionsschwerpunkt der NPD/JN in Baden-Württemberg ist im Bereich des Landkreises Göppingen nicht zu erkennen. 3. Wie viele (öffentliche und nicht öffentliche, genehmigte und nicht genehmigte) Veranstaltungen, Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen und sonstige Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene hat es im Landkreis Göppingen in den letzten 5 Jahren jährlich, mit Angaben der einzelnen Aktivitäten je Gemeinde gegeben? Zu 3.: Für die Jahre 2002 bis 2007 ergibt sich bezogen auf den Landkreis Göppingen folgendes Bild: 2002 Es sind keine rechtsextremistischen Veranstaltungen oder sonstige Aktivitäten bekannt geworden. 2003 14. Juni 2003 in Böhmenkirch: Skinkonzert der Division Staufen. 2004 23. Mai 2004 in Böhmenkirch: Geburtstagsfeier der rechten Szene in einer Feldscheuer mit ca. 30 bis 40 Teilnehmern. 2005 9. Juli 2005 in Geislingen-Eybach: Geburtstagsfeier eines Skinbandmitglieds mit ca. 20 Teilnehmern auf einem ehemaligen Fabrikareal. 10. Dezember 2005 in Donzdorf: Informationsstand der NPD anlässlich der Landtagswahl. Die NPD-Mitglieder wurden von einem Angehörigen der linken Szene attackiert. 2006 21. Januar 2006 in Geislingen-Eybach: Skinkonzert auf einem ehemaligen Fabrikareal mit etwa 130 Teilnehmern. Das Konzert wurde aufgelöst. Beim Zugriff wurde eine Flasche auf einen Polizeibeamten geworfen. Der Täter wurde zu einer Jugendstrafe verurteilt. 26. Januar 2006 in Geislingen: Flugblattverteilung der rechten Szene als Reaktion auf die Auflösung des Skinkonzerts am 21. Januar 2006. 27. Mai 2006 in Geislingen: Anlässlich des durch den Stadtjugendring Geislingen veranstalteten Aktionstag gegen Rechts kommt es auf Initiative des vor Ort anwesenden stellvertretenden Landesvorsitzenden der JN zu einer Spontandemonstration von der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Personen. Die Versammlung wurde aufgelöst. 3
23. September 2006 in Göppingen: Demonstration der JN gegen die Integrationspolitik (Motto: Ein Rückflug kostet 19 Integration Millionen ) mit ca. 200 Teilnehmern der rechten Szene. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen etwa 150 gewaltbereiter Gegendemonstranten, die sich auch gegen die eingesetzten Polizeibeamten richteten. Dies führte zur Einleitung zahlreicher Strafverfahren (u. a. wegen Körperverletzungen, Gefangenenbefreiung, Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz). Gegen einen Demonstrationsteilnehmer der JN wurde ein Strafverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet. 14. Oktober 2006 in Göppingen: Anbringen eines Flugblatts am Pkw eines Moscheebesuchers mit islamfeindlichem Inhalt. 2007 17. März 2007 in Ebersbach: Skinkonzert u. a. mit den Bands Jagdstaffel aus dem Großraum Stuttgart und Sturmpropheten aus dem Raum Calw mit etwa 100 Teilnehmern. 16. Juli 2007 in Geislingen: Flugblattaktion der JN gegen das Jugendhaus Maikäferhäusle in Geislingen. 8. September 2007 in Geislingen: Mahnwache des JN-Landesverbandes Baden-Württemberg unter dem Motto Keine Macht den Drogen. Die Versammlung wurde mit ca. 50 bis 60 der rechten Szene zuzurechnenden Personen durchgeführt und von ca. 300 Gegendemonstranten begleitet. Sieben Personen aus den Reihen der Kundgebungsgegner wurden wegen Steinwürfen, Widerstand sowie versuchter Körperverletzung und Beleidigung vorläufig festgenommen. Zwei Kundgebungsteilnehmer wurden in Gewahrsam genommen. Folgende rechtsextremistisch motivierte Straftaten wurden im Landkreis Göppingen in den letzten fünf Jahren polizeilich bekannt: 2002: 14 Straftaten, davon 0 Gewaltstraftaten 2003: 18 Straftaten, davon eine Gewaltstraftat 2004: 28 Straftaten, davon zwei Gewaltstraftaten 2005: 24 Straftaten, davon drei Gewaltstraftaten 2006: 33 Straftaten, davon fünf Gewaltstraftaten 2007: 15 Straftaten, davon 0 Gewaltstraftaten (Stand 24. September 2007) 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Entscheidung des Ordnungsamtes der Stadt Geislingen, einen kurzfristig beantragten Infostand der Jungen Nationaldemokraten zuzulassen, aber eine Gegendemonstration als Mahnwache nicht zu erlauben? Zu 4.: Laut Mitteilung der Stadtverwaltung Geislingen ging die Anzeige des Landesverbandes Baden-Württemberg der Jungen Nationaldemokraten über die geplante Versammlung bei der Stadtverwaltung am 5. September 2007 zwischen 23.00 und 24.00 Uhr per E-Mail und per Fax ein. Die Stadt Geislingen ordnete mit Schreiben vom 6. September 2007 versammlungsrechtliche Auflagen für die Durchführung der Versammlung an. Die Gegendemonstration wurde bei der Stadtverwaltung Geislingen nicht angezeigt. Eine Untersagung durch das Ordnungsamt der Stadt Geislingen erfolgte nicht. Aufgrund von Gewalttätigkeiten aus den Reihen der Gegendemonstranten (siehe Antwort zu Frage 3) kam es zu Festnahmen durch die Polizei. 4
Die Landesregierung sieht keinen Anlass, das Vorgehen der Stadt Geislingen zu beanstanden. 5. Von wie vielen Personen wurden am 8. September 2007 in Geislingen aus dem Kreis der Jungen Nationalen und aus dem Kreis der Gegendemons - tranten die Personalien aufgenommen? Zu 5.: Aus dem Kreis der Jungen Nationaldemokraten wurden von 28 Personen die Personalien aufgenommen. Bei den Gegendemonstranten wurde bei acht Personen in Geislingen und bei zehn Personen auf dem Bahnhof Plochingen, nachdem dort eine weitere Auseinandersetzung zu befürchten war, eine Personalienfeststellung durchgeführt. Rech Innenminister 5