Merkblatt über die Änderung bei der Rentenbemessung im Bereich der Invalidenversicherung

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Transkript:

Merkblatt über die Änderung bei der Rentenbemessung im Bereich der Invalidenversicherung (IVG) Seit Beginn des Jahres müssen IV-Stellen den Anspruch auf eine IV-Rente bei teilerwerbstätigen Personen nach neuen Regeln bemessen. Damit verbessern sich die Chancen von teilerwerbstätigen Personen auf den Erhalt einer IV-Rente. Jene Personen, deren Antrag auf eine IV-Rente nach den früheren Regeln bereits abgewiesen wurde, können eine erneute Überprüfung beantragen. Dieses Merkblatt erläutert die Neuerungen und Möglichkeiten für Sozialdienste. 1 Inkrafttreten und Ausgangslage Per 1. Januar 2018 ist eine weitreichende Änderung bei der Bemessung der Invalidenrenten nach IVG in Kraft getreten. Sie betrifft die gemischte Methode, welche bei teilerwerbstätigen Personen zur Anwendung gelangt. Anstoss für die Änderung gab ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Der EGMR befand, dass diese Methode diskriminierend sei, da sie regelmässig zu ungünstigeren Ergebnissen führe als die allgemeine Methode, die bei vollerwerbstätigen Personen zur Anwendung gelangt. Da erheblich mehr Frauen einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen, sind es auch sie, die von der ungünstigen Bemessungsmethode zu einem Grossteil betroffen sind. Darin erkannte der EGMR eine Diskriminierung der Frauen. 1 Allgemeines zur Bemessung des Invaliditätsgrades (IV-Grad): Die Methoden der Bemessung unterscheiden sich danach, ob eine versicherte Person als vollerwerbstätig (allgemeine Methode), teilerwerbstätig (gemischte Methode) oder nichterwerbstätig (spezifische Methode) gilt. Der Status wird mit der hypothetischen Fragestellung geklärt, was die versicherte Person bei guter Gesundheit täte. Alle Methoden haben gemeinsam, dass ein IV-relevanter Gesundheitsschaden zugrunde liegen muss, der sich auf die Erwerbstätigkeit bzw. den Aufgabenbereich auswirkt. Im Erwerbsbereich wird die Auswirkung anhand des Invalideneinkommens aufgezeigt. Das Invalideneinkommen besagt, welches Einkommen eine Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens noch erwirtschaften kann. Beim Aufgabenbereich (z.b. Haushalt) werden die Einschränkungen direkt vor Ort untersucht. 1 Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates, 1. Dezember 2017: Die Invalidität von Teilerwerbstätigen soll ausgewogener berechnet werden. Einsehbar unter: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-69037.html. 1

Der IV-Grad widerspiegelt sodann die prozentuale Einbusse im Vergleich zu den Verhältnissen als Gesunde: Vollerwerbstätig Nichterwerbstätige Einkommen als Gesunde Valideneinkommen Erwerbseinbusse bzw. IV-Grad im Erwerb Invalideneinkommen Betätigung im Aufgabenbereich als Gesunde IV-grad Aufgabenbereich Noch zumutbare Aufgaben Teilerwerbstätige Die beiden IV-Grade werden auf die in beiden Bereichen ausgeübten Pensen (sog. Anteile) heruntergebrochen (siehe unten Schritt 3 «x 0.5»). Hinweis: Beide Pensen bzw. Anteile zusammen dürfen nicht mehr als 100% geben, z.b. 50% Erwerb und 50% Aufgabenbereich. 2 Änderung bei der gemischten Methode (vgl. Art. 27bis Abs. 3 lit. a IVV ab 1.1.18) Der Bundesrat hat reagiert und setzt nun per 1. Januar 2018 eine Änderung bei der gemischten Methode in Kraft. Die IVV beinhaltet im Wesentlichen folgende Änderung, welche sich am einfachsten an einem Beispiel erläutern lässt, das der Bundesrat in seinem Bericht zur geplanten Änderung verwendet hat. 2 Fallbeispiel 1: Die versicherte Person hätte bei voller Gesundheit 50% gearbeitet und dabei 30'000 verdient. Daneben wäre sie im Haushalt zu 50% tätig gewesen (Aufgabenbereich). Aktuelles Modell gemischte Methode 1. Invalidität im Erwerbsteil: Valideneinkommen (bei 50%) = 30 000.- Invalideneinkommen = 30 000.- Erwerbseinbusse = 0.- IV-Grad Erwerb: 0% 2. Invalidität im Aufgabenbereich: 30% Neues Modell gemischte Methode 1. Invalidität im Erwerbsteil: Valideneinkommen (bei 100%) = 60 000.- Invalideneinkommen = 30 000.- Erwerbseinbusse = 30 000.- IV-Grad Erwerb: 50% 2. Invalidität im Aufgabenbereich: 30% Festgestellte gesundheitliche Einschränkungen: - 50% arbeitsfähig bezogen auf den bisherigen Beruf (und auf ein 100%- Pensum). Die versicherte Person bleibt beim bisherigen Arbeitgeber angestellt - 30% Einschränkung im Haushalt (gemäss Abklärung vor Ort) 3. Berechnung der Gesamtinvalidität*: (0% x 0.5) + (30% x 0.5) = 15% Die versicherte Person hat keinen Rentenanspruch. 3. Berechnung der Gesamtinvalidität*: (50% x 0.5) + (30% x 0.5) = 40% Die versicherte Person hat Anspruch auf eine Viertelsrente. *Bei diesem 3. Schritt werden die festgestellten Invaliditätsgrade entsprechend dem ausgeübten Pensum gewichtet. Dass vorliegend der Faktor in beiden Klammern gleich hoch ist (0.5), ist auf die Aufteilung 50% Erwerb und 50% Haushalt zurückzuführen. In Fällen, wo z.b. die Aufteilung 70% Erwerb und 30% Haushalt ist, entspricht der Faktor 0.7 (x IV-Grad Erwerb) bzw. 0.3 (x IV-Grad Haushalt). Wie dem Beispiel zu entnehmen ist, beschlägt die Änderung nur einen Teilschritt der gemischten Methode: Beim ersten Schritt der Ermittlung des Invaliditätsgrades im Erwerbsteil wird das Valideneinkommen auf ein 100% Pensum hochgerechnet statt vom effektiven Erwerbseinkommen im Teilzeitpensum auszugehen. Die Anpassung an das effektive Pensum findet dann wie bisher - nur noch beim 3. Schritt statt, bei welchem der IV-Grad im Erwerbsteil auf das Teilzeitpensum heruntergebrochen wird. 2 Vgl. https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/50607.pdf. 2

2.1 Folgen bei der IV Die dargelegte Änderung hat zur Folge, dass der IV-Grad im Erwerbsteil im Vergleich zur aktuellen Bemessung stets höher ausfällt, wobei ein Invaliditätsgrad von 100% (d.h. bei einer Restarbeitsfähigkeit von 0%) nicht überschritten werden kann. Diese regelmässige Erhöhung des IV-Grades im Erwerbsteil hat zur Folge, dass sich auch der Gesamtinvaliditätsgrad erhöht. Dieser ist für den Rentenanspruch ausschlaggebend und kann zu einem neuen oder erhöhten Rentenanspruch führen. 2.2 Umsetzung der Änderung per 1. Januar 2018 Es sind drei Ausgangslagen zu unterscheiden: Laufende Renten: Die IV zieht laufende Renten, die nach gemischter Methode ermittelt wurden, von Amtes wegen in Revision. Ergibt sich eine Änderung im Rentenanspruch wird diese rückwirkend ab 1. Januar 2018 umgesetzt. Sie hat die Revision im 2018 zu starten, wobei die ganzen Renten erst im Rahmen der ordentlichen Revision überprüft werden. Hängige Rentengesuche: Diese werden von der IV-Stelle umgehend nach der neuen Methode bemessen. Zum Zeitpunkt der Wirkung ist der neuen Verordnung nichts zu entnehmen. Rentenausschliessende Rentenentscheide: Lag einem negativen Rentenentscheid die gemischte Methode zugrunde, haben sich die betroffenen versicherten Personen bei der IV-Stelle neu anzumelden. Gestützt auf Art. 29 IVG würde die Änderung erst 6 Monate nach der Neuanmeldung zur Auszahlung gelangen. Hinweis: Bei einer Revision oder Neuanmeldung ist es grundsätzlich möglich, dass die Rentenbemessung komplett überprüft wird. 2.3 Auswirkung auf die berufliche Vorsorge Bei der gemischten Methode richtet sich der Rentenanspruch gegenüber der beruflichen Vorsorge ausschliesslich nach dem IV-Grad im Erwerbsteil. Im obigen Beispiel wäre dies der IV-Grad von 50% bei der geänderten Bemessungsmethode. Dies kann zweierlei Auswirkungen haben: - Rentenanspruch: Jede Erhöhung des von der IV neu ermittelten Invaliditätsgrades im erwerblichen Bereich kann sich auf die berufliche Vorsorge auswirken, betrachtet man die überobligatorische und obligatorische Vorsorge gemeinsam. Entscheidend ist, dass die versicherte Person im Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit bei der beruflichen Vorsorge versichert war. - Überentschädigung: Dort, wo bei der IV ein höherer Rentenanspruch entsteht, hat dies auch eine Auswirkung auf die Überentschädigungsberechnung. 2.4 Auswirkung auf die Unfallversicherung und Militärversicherung Bezieht jemand aktuell eine Komplementärrente der Unfallversicherung (UV), wird bei einer Erhöhung der Invalidenrente der IV die Komplementärrente gegebenenfalls herabgesetzt. Dasselbe kann auch bei einer neuen Rente der IV geschehen, wenn diese den gleichen Versicherungsfall wie die UV- Rente betrifft. Dasselbe gilt sinngemäss für die Militärversicherung. 3

2.5 Auswirkung auf die Ergänzungsleistungen Resultiert bei der IV neu ein Rentenanspruch, besteht auch neu ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL), soweit die EL-spezifischen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei könnte auch ein Anspruch auf eine so genannte rentenlose EL entstehen, nämlich dann, wenn jemand zwar die versicherungsmässigen Voraussetzungen für eine Rente der IV nicht erfüllt, nun aber neu einen IV-Grad von 40% erreichen würde. Die Überprüfung dieser Fälle sollte über die kantonal zuständige Stelle für EL eingeleitet werden. Resultiert ein höherer Rentenanspruch gegenüber der IV, können die bedarfsorientierten EL tiefer ausfallen. 3 Klärung bzw. Präzisierung des Aufgabenbereichs (Art. 27 Abs. 1 IVV ab 1.1.18) Neben der Änderung in der Berechnung ergibt sich auch eine Präzisierung bzw. Klärung in Bezug auf den Aufgabenbereich. Damit ein vor Invaliditätseintritt ausgeübter Aufgabenbereich für die IV relevant ist, wird mit Verweis auf Art. 7 Abs. 2 IVG neu festgehalten, dass Tätigkeiten in Frage kommen, die einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt werden können. Es ist danach zu fragen, ob die entsprechende Tätigkeit typischerweise von Dritten (Personen oder Firmen) gegen Bezahlung übernommen werden kann, was wie bisher bei üblichen Haushalttätigkeiten oder bei der Pflege von Angehörigen der Fall wäre. 4 Empfehlungen für die Sozialhilfe Bei aktuellen und neuen Sozialhilfebeziehenden sind der Sozialhilfe folgende Vorgehensweisen in Zusammenarbeit mit den betroffenen Personen zu empfehlen. Hinweise: Die Empfehlungen beziehen sich ausschliesslich auf Fälle, bei denen der IV-Grad auf Basis der gemischten Methode bemessen wurde. Die Empfehlungen können nicht alle Eventualitäten abdecken. Es wird den Sozialdiensten empfohlen, fachkundige Unterstützung beizuziehen. 4.1 Unmittelbare Schritte empfiehlt es sich bei folgenden Fällen einzuleiten: Negative Rentenentscheide der IV: Grundsätzlich kann ohne weitere Prüfung des Falls eine Neuanmeldung bei der IV eingeleitet werden. Da die IV sich bei der Anspruchsprüfung in der Regel nicht nur auf das Valideneinkommen beschränken, sondern gesamthaft prüfen wird, ob sich erhebliche Änderungen ergeben haben, sollte die Sozialhilfe im konkreten Fall vorgängig relevante Aspekte der Invaliditätsbemessung klären. Insbesondere sollte abgeklärt werden, ob sich seit dem negativen Rentenentscheid die Arbeitsfähigkeit, worauf sich das Invalideneinkommen stützt, der Status «Teilerwerbstätige» und/oder die Aufteilung Haushalt/Erwerb verändert haben. Sonderfall rentenlose EL: Es handelt sich um Einzelfälle, wo die rentenlose EL zum Tragen kommt und darüber hinaus auf Basis der gemischten Methode abgelehnt wurde. Aber auch bei diesen kann eine neue Anmeldung bei der EL einen Anspruch ergeben. Grundsätzlich kann auch hier ohne weiteres eine erneute Anmeldung eingeleitet werden. Es empfiehlt sich aber, vorgängig zu prüfen, ob die EL-spezifischen Voraussetzun- 4

gen überhaupt erfüllt sind (z.b. Karenzfrist). Weiter erscheint empfehlenswert, die gleichen Aspekte wie vorstehend bei der IV näher zu abzuklären. 4.2 Weitere Schritte, die sich im Verlauf der Neuprüfung durch die IV ergeben: Die Prüfung der IV ergibt keine rentenrelevante Veränderung: Es ist zu prüfen, ob der IV-Grad im erwerblichen Bereich nun aber einen Anspruch gegenüber der beruflichen Vorsorge ergeben könnte. Aus Sicht des Überobligatoriums ist zu empfehlen, bei jeder Veränderung des IV-Grades im erwerblichen Bereich den IV-Entscheid der zuständigen Vorsorgeeinrichtung zu unterbreiten. Enthält der IV-Entscheid keine Neuberechnung, ist bei der IV diese nachzufordern. Hinweis: Bei Fällen, wo bereits eine Vorsorgeeinrichtung eine Invalidenrente ausrichtet, ist in der Regel diese zuständig. Ist keine Vorsorgeeinrichtung involviert, ist die zuständige zunächst festzustellen. Die Prüfung der IV ergibt neu eine Rente oder eine Rentenerhöhung: Es empfehlen sich folgende Vorgehensweisen: In Bezug auf die berufliche Vorsorge: - Es ist zu prüfen, ob eine berufliche Vorsorgeeinrichtung für die Ausrichtung einer Invalidenente der beruflichen Vorsorge zuständig ist. Richtet bereits eine Vorsorgeeinrichtung eine Invalidenrente aus, ist in der Regel diese zuständig. Ist noch keine vorhanden, ist die Zuständigkeit abzuklären. - Es ist zu prüfen, ob die IV den Vorbescheid der betreffenden Vorsorgeeinrichtung eröffnet hat. Falls nicht, sollte dies nachgeholt werden. - Der zuständigen Vorsorgeeinrichtung ist ein Antrag auf Ausrichtung bzw. Erhöhung der Rente zukommen zu lassen. Hinweis: Massgebend ist der IV-Grad im erwerblichen Bereich. In Bezug auf die UV und MV: - Bezieht eine Sozialhilfebezügerin eine Rente bzw. Komplementärrente der UV, ist der UV der Revisionsentscheid der IV zu unterbreiten, soweit bei der IV neu eine Rente oder eine höhere Rente resultiert. Dasselbe Vorgehen gilt sinngemäss für die MV. In Bezug auf die EL: - Resultiert neu ein Rentenanspruch bei der IV, ist innert Frist ein Antrag auf EL zu stellen. Resultiert ein höherer Rentenanspruch bei der IV, ist den EL der Entscheid zu unterbreiten. Kommission Rechtsfragen der SKOS Bern, 9. Januar 2018 5