Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Standpunkt EZB-Anleihekäufe bleiben ein problematischer Notbehelf der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 18. Oktober 2012 Chefvolkswirt Uwe Dürkop - LBB Chefvolkswirt Folker Hellmeyer - Bremer LB Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater - DekaBank Chefvolkswirt Dr. Peter Merk - LBBW Chefvolkswirt Dr. Cyrus de la Rubia - HSH Nordbank Chefvolkswirt Dr. Jürgen Pfister - BayernLB Chefvolkswirt Dr. Patrick Steinpaß - DSGV Chefvolkswirtin Dr. Gertrud Traud - Helaba Chefvolkswirt Torsten Windels - NordLB Koordination: Dr. Reinhold Rickes - DSGV
Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Die Chefvolkswirte sehen Anleihekäufe als problematischen Notbehelf: Die Bereitschaft der Europäischen Zentralbank zu Anleihekäufen (Outright Monetary Transactions, OMT), wird die Euro-Schuldenkrise nicht beenden. Die erste freundliche Marktreaktion ist keine Erfolgsgarantie. Anleihekäufe bleiben ein problematischer Notbehelf. Um einen nachhaltigen Stimmungswandel zu bewirken, sollten auch andere Vorschläge aufgegriffen werden. So könnte ein Altschuldentilgungsfonds sowohl ein Instrument zur Abschirmung finanzschwächerer Euro-Mitgliedstaaten, vor allem aber ein Hebel zur dringend gebotenen Rückführung der Staatsschulden sein. OMT dürfen nicht der Schuldenfinanzierung durch die Geldpolitik dienen. Dies würde zu beschleunigter Inflation führen. Die EZB knüpft Anleihekäufe an den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Damit sind sie in Deutschland mittelbar einer demokratischen Kontrolle von Bundestag und Bundesrat unterworfen. Alleine schon die EZB-Ankündigung hat dazu beigetragen, die Finanzierungskosten zu senken. Entgegen der Absicht der EZB kann dies dazu führen, dass die Haushaltskonsolidierung nicht beschleunigt sondern verzögert wird. Hier bedarf es besonderer Wachsamkeit. Mögliche Anleihekäufe durch die EZB sind kein Selbstläufer. Sofern ein Stützungskandidat die Voraussetzungen für EZB-Eingriffe nicht bei Zeiten schafft, kann mit dem Marktzugang die Voraussetzung für Anleihekäufe entfallen. Grundsätzlich gehören Anleihekäufe zwar auch ohne Rückkaufsvereinbarung (outright) in den Instrumentenkasten der Geldpolitik. Der unlimitierte Ankauf von Staatsanleihen könnte sich aber als problematisch erweisen. Zudem sollen sich OMT ausgerechnet auf Anleihen richten, deren marktmäßige Bewertung ein besonders kritisches Urteil über die Finanzpolitik ihrer Emittenten zum Ausdruck bringt. Insoweit ist die Grenzziehung zur Staatsfinanzierung hier schwieriger als bei einer herkömmlichen quantitativen Lockerung. Die Ankündigung von OMT soll der Verzerrung von Kreditbedingungen im Euro- Raum entgegenwirken. Die EZB muss hier genauer darlegen, woran sie solche Störungen festmacht. Angesichts der schwierigen Grenzziehung zur Staatsfinanzierung sind vage Hinweise auf Störungen des Transmissionsmechanismus nicht ausreichend. Die Einebnung von Renditedifferenzen bei Staatsanleihen kann keinen hinreichend verlässlichen Kompass für den geldpolitischen Kurs geben. Die Knüpfung an finanzpolitische Vorgaben ist im Grundsatz zu begrüßen, mit Blick auf die anders gelagerte Zielsetzung der OMT möglicherweise aber nicht stringent durchzuhalten.
Seite 2 EZB-Anleihekäufe bleiben ein Notbehelf 1. Freundliche Marktreaktion nicht als Erfolgsgarantie missdeuten Die Europäische Zentralbank traf im September wichtige Festlegungen für Anleihekäufe. EZB-Präsident Draghi hatte entsprechende Maßnahmen bereits Ende Juli in Aussicht gestellt. An den Marktbewegungen für europäische Staatsanleihen lässt sich ablesen, dass dies auch im Zusammenhang mit der Ankündigung alles für den Euro zu tun zweifellos eine wichtige Weichenstellung zur Kriseneindämmung war, die in den letzten Wochen und Monaten vorgenommen wurde. Zudem ist über den Sommer auch deutlich geworden, dass die Reformen in der Peripherie des Euroraums erste zarte realwirtschaftliche Erfolge (Lohnstückkosten, Leistungsbilanzen) zeigen. Erfahrungen mit früheren Maßnahmen mahnen aber auch, eine erste freundliche Marktreaktion nicht als Erfolgsgarantie zu missdeuten. Die jetzt avisierten Outright Monetary Transactions (OMT) treten an die Stelle des früheren Securities Markets Programme (SMP). Mit ihren Beschlüssen haben die Währungshüter jedoch Erwartungen geweckt, deren Erfüllung über die nächste Zeit noch manche Schwierigkeit hervorrufen könnte. Mit Blick auf die Sicherung einer nachhaltigen Unabhängigkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken bleibt bei diesem Instrument höchste Wachsamkeit geboten und die Frage nach dem Exit sollte bald geklärt werden. 2. OMT sind ein riskanter Versuch, den Regierungen mehr Initiativpflichten aufzuerlegen Mitunter wird der Europäischen Zentralbank vorgeworfen, sie habe sich mit der Kopplung an den Europäischen Stabilitätsmechanismus in die Abhängigkeit von Regierungsentscheiden der Mitgliedsländer begeben. Diese Kritik kann in soweit zu relativiert werden, als lediglich die Möglichkeit, aber nicht die Verpflichtung zu Anleihekäufen in Aussicht gestellt wurde und die Währungshüter vielmehr ihrerseits Voraussetzungen für solche Stützungsmaßnahmen aufgestellt haben, die von den Finanzpolitikern zu erfüllen sind. Diese Konditionalität der Anleihekäufe ist also ein Vehikel, mit dem die EZB die Finanzpolitik zu ihrem Beitrag zur Festigung der Währungsunion anzuhalten gedenkt. Das EZB-Konzept sieht vor, dass ein Land eine Übereinkunft mit der EFSF bzw. dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vorweisen muss, bevor dessen Anleihen durch das Eurosystem erworben werden können. Trotz dieser Konditionierung ließ allein schon die Ankündigung möglicher Notenbank-Eingriffe die Refinanzierungssorgen einzelner Regierungen kleiner werden. Bei den finanziell potenteren Mitgliedstaaten lindert dies zugleich den Druck, innenpolitisch um Zustimmung für neue Hilfsprogramme zu werben. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass die Zuflucht unter den ESM-
Seite 3 Schirm möglichst lange hinausgezögert wird. Folglich hätte die Zentralbank nicht beschleunigend, sondern verzögernd auf die Umsetzung einer stringenten finanzpolitischen Agenda gewirkt. Hier zeigt sich einmal mehr das Dilemma, welches allen bisherigen EZB-Stützungsversuchen anhaftet: Die Notenbankhilfe drückt einerseits die Finanzlasten für die betroffenen Staaten und erhöht so die Erfolgschance der Haushaltskonsolidierung. Doch zugleich mindert sie den Anreiz, diese auch tatsächlich voranzutreiben (moral hazard). Exemplarisch hat sich dies nach den Dreijahresoperationen (LTRO) vom letzen Winter gezeigt. Denn die nachfolgenden Monate sind wohl als die Phase anzusehen, in der die europäischen Finanzpolitiker kaum Erfolge bei der Kriseneindämmung vorweisen konnten und sich zeitweise gar handlungsunfähig präsentierten. 3. Anleihekäufe sind kein Selbstläufer Die Umsetzung des Ankaufversprechens ist kein Selbstläufer. EZB-Präsident Draghi hat klargestellt, dass OMT nicht auf die Begleitung der jetzt schon bestehenden Anpassungsprogramme für Griechenland, Portugal und Irland ausgerichtet sind. Zur Begründung wird auf den fehlenden vollen Zugang dieser Länder zum Kapitalmarkt verwiesen. Dieser wird als Grundvoraussetzung für Anleihekäufe angesehen, da andernfalls die ohnehin schwierige Grenzziehung zur Finanzierung von Staatsdefiziten unmöglich wäre. Dieses Diktum ist ein Warnsignal für künftige Programmkandidaten, eine ESM-Vereinbarung rechtzeitig anzustreben. Dabei muss einkalkuliert werden, dass jede Mittelbewilligung vom Gouverneursrat im ESM einvernehmlich zu beschließen ist und bei solchen Entscheiden die demokratische Kontrolle und die Mitwirkungsrechte z.b. des Deutschen Bundestages und Bundesrates zu berücksichtigen sind: Denn Freigabe von ESM-Mitteln kann es nur mit Zustimmung des Deutschen Bundestages und Bundesrates geben. Die Zusage von Beistand durch den ESM ist kein Automatismus. Das lange Tauziehen um einen etwaigen Antrag Spaniens zeigt die Risiken auf. Paart sich das Zuwarten mit Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor und Enttäuschungen über den weiteren wirtschaftlichen Verlauf, könnte schnell eine Gemengelage entstehen, in der die Platzierung neuer Anleihen unmöglich würde. Damit könnte auch die EZB keine Käufe vornehmen, ihr Versprechen wäre dann ebenfalls nicht mehr glaubhaft. 4. Anleihekäufe gehören zwar zum Instrumentenkasten, aber OMT sind keine typische quantitative Lockerung In der Debatte um die OMT steht deren Einordnung als geld- oder finanzpolitische Maßnahme im Vordergrund. Per se können Anleihekäufe keinem der beiden Politikfelder zugeordnet werden.
Seite 4 Artikel 18 der ESZB-Satzung und Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stecken den Rahmen ab, in dem die EZB bzw. die im Eurosystem verbundenen nationalen Notenbanken öffentliche Schuldtitel erwerben können. Einerseits ist ihnen der direkte Ankauf beim Emittenten genauso untersagt wie jede andere Form von Staatsfinanzierung. Andererseits ist jedoch der mittelbare Erwerb von Forderungen und börsengängigen Wertpapieren ebenso elementarer Bestandteil des Instrumentenkastens der Geldpolitik wie deren vorübergehende Entgegennahme im Rahmen von Rückkaufvereinbarungen. Allerdings bleibt es wichtig, klare Exitstrategien auch im Falle von Wertpapierkäufen zu verdeutlichen. Gegenwärtig gibt es außerhalb des Euro-Raumes zahlreiche Beispiele für eine Geldpolitik, die mittels Wertpapierkäufen operiert. Eine derartige Strategie wird sowohl in den USA, in Großbritannien und in Japan praktiziert und zumeist mit dem Terminus der quantitativen Lockerung belegt. Diese unkonventionelle Form der Geldpolitik kann erforderlich werden, wenn konventionelle Lockerungsschritte nicht die gewünschte gesamtwirtschaftliche Wirkung erzielen. Der prinzipielle Ausschluss von Anleihekäufen wäre also eine ungerechtfertigte Beschneidung der geldpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Allerdings unterscheiden sich die jetzt avisierten Interventionen der EZB von dem Vorgehen anderer Notenbanken, indem sie sich explizit auf Wertpapiere von Emittenten beziehen sollen, deren marktmäßige Bewertung wenn nicht ausschließlich, so doch zumindest in Teilen ein kritischeres Urteil über deren Finanzpolitik zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne ist der EZB-Ansatz folglich diskriminierend und damit auch schwerer von der Hilfestellung zur Staatsfinanzierung abzugrenzen. 5. Verbotene Staatsfinanzierung? Auf fehlgerichtete Rechtfertigungsversuche für diskriminierende Anleihekäufe sollte verzichtet werden: Beispielsweise wird das Renditegefälle mitunter gedanklich in zwei Bestandteile gegliedert, wobei der erste unterschiedliche Fiskaldaten und der zweite das Risiko eines Austritts aus der Währungsunion sowie der Einführung und anschließenden Abwertung eigenständiger Währungen reflektieren soll. Der EZB wird dann die Aufgabe zugewiesen, diesen zweiten Spread-Bestandteil verschwinden zu lassen. Diese Herangehensweise kann und darf aber keine Begründung für Anleihekäufe der EZB sein. Mit dem Ausschluss des Konvertibilitätsrisikos würde die Notenbank implizit auch Garantien gegen Ausfälle staatlicher Schuldner bereitstellen. Wenn die Notenbank das Renditegefälle unter Verweis auf das Konvertibilitätsrisiko begrenzt, könnte es innerhalb der Währungsunion kaum mehr zu Umschuldungen kommen wie noch im Falle Griechenlands geschehen. So lange die Märkte diese Verpflichtung als glaubwürdig bewerten, würde das Renditegefälle nahezu vollständig ein-
Seite 5 geebnet und damit eine Ausgangslage geschaffen, die auch der jetzigen Krise vorausgegangen war und nicht zuletzt eine Ursache der Krise war. Seitens der Europäischen Zentralbank wird die Einrichtung des OMT deshalb auch mit der systematischen Verzerrung von Kreditbedingungen und der Desintegration und Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte begründet. Auch die Desintegration oder Fragmentierung beruht jedoch zu wesentlichen Teilen auf unterschiedlichen Risikostrukturen von Investments steht. Risiken werden im Vergleich zur Anfangsphase der Europäischen Währungsunion von Land zu Land unterschiedlich allerdings auch zeitweise übertrieben - bewertet. Quantitative Referenzkriterien für das Vorliegen solcher Übertreibungen wurden zu recht nicht vorgelegt. Mario Draghi beschränkte sich in seinen Ausführungen hierzu auf anekdotische Evidenzen. Die Glättung von Renditedifferenzen bei Staatsanleihen kann jedenfalls kein Ziel an sich sein. Sie dient der EZB deshalb auch lediglich als Ansatzpunkt, um Störungen im geldpolitischen Transmissionsmechanismus beheben zu können. Problematisch ist allerdings erstens, dass keinerlei qualitative Leitplanken formuliert wurden, ab denen der Beginn oder das Ende von Anleihekäufen als opportun erachtet werden wird. Somit fehlt ein hinreichend verlässlicher Kompass für den künftigen geldpolitischen Kurs. Zweitens ist zu beklagen, dass die oben beschriebene Konditionalität im Grundsatz zwar begrüßenswert ist, sich mit Blick auf die anders gelagerte Zielsetzung der OMT möglicherweise aber nicht stringent durchhalten lässt. 6. OMT im besten Fall ein Baustein zur Kriseneindämmung Die Ankündigung der Anleihekäufe und die Aussage alles für den Euro zu tun haben zwar zur Beruhigung der Märkte beigetragen. Die Bereitschaft der EZB zu Outright Monetary Transactions verschafft erneut Luft, wird die Euro-Schuldenkrise aber ganz sicher nicht lösen. Entscheidend für eine dauerhafte Überwindung der Krise ist, dass ein nachhaltiger Abbau der Staatsschulden (beispielsweise in Form eines Altschuldentilgungsfonds) und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gelingt. Hier sind durchaus erste Fortschritte zu verzeichnen. Überdies bleibt die kritische Frage: OMT = unzulässige Staatsfinanzierung? auf dem Tisch. Denn auch im Zuge des noch beim Bundesverfassungsgericht anhängigen ESM-Hauptsacheverfahrens wird diese Frage zu beleuchten sein. Zwar steht hier keine direkte Bewertung der EZB-Entscheide an, wohl aber eine Einschätzung zu der seitens der Bundesregierung maximal zu tolerierenden Haftungsobergrenze.
Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Zusammenfassung Memorandum und bisherige Standpunkte der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 10. September 2012 Standpunkt Stabile Finanzpolitik für Europa 28. August 2012 Standpunkt Finanztransaktionssteuer: Eine kritische Würdigung 25. Juni 2012 Standpunkt Nach der Wahl: Die Probleme außerhalb Griechenlands angehen 21. Mai 2012 Standpunkt Europäische Währungsunion: Reformkurs beibehalten - Flexibilität erweitern 23. April 2012 Standpunkt Der Europäische Stabilitätsmechanismus ersetzt den Rettungsschirm, ist aber allein keine Lösung 19. März 2012 Standpunkt Nach dem Haircut: Keine Atempause in der Staatsschuldenkrise 24. Februar 2012 Standpunkt Griechenland: Nicht flüchten, sondern standhalten 13. Januar 2012 Standpunkt Geldpolitik muss glaubwürdig bleiben 29. November 2011 Standpunkt Staatsschuldenkrise: Zeit zum Handeln! 03. November 2011 Standpunkt Nach dem Euro-Gipfel: Umfangreiche Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte 25. Oktober 2011 Standpunkt Schuldenschnitt und EFSF - effizient ausgestalten 24. September 2011 Memorandum zu aktuellen Fragen Europa und Euro Veröffentlicht am 24.09.2011, Washington D.C., anlässlich der IWF/Weltbanktagung 2011