FAKULTÄT BAUINGENIEURWESEN INSTITUT FÜR BAUSTOFFE PROF. DR.-ING. V. MECHTCHERINE BAUEN IM BESTAND Übung Treibende Reaktionen Bearbeiter: Dipl.-Ing. Simone Hempel
Treibender Angriff durch Sulfate Ettringitbildung Wenn in Wasser gelöste Sulfate mit den Aluminatphasen reagieren kommt es zu voluminösen Kristallbildungen in Form von Ettringit. 3 CaO Al 2 O 3 + 3(CaSO 4 2 H 2 O) + 26 H 2 O 3 CaO Al 2 O 3 3 CaSO 4 32 H 2 O Im noch plastischen Beton ( primäre Etttringitbildung zur Abbinderegulierung) ist die Ettringitbildung unbedenklich, da das Gefüge noch weich ist und damit genügend Expansionsräume bietet. Im erhärteten Zementstein sind in der Regel nicht genügend Ausweichräume vorhanden, so dass die Ettringitbildung zu Treibrissen und zur Bauteilschädigung führt. Schadensbild netzartige Risse, die sich im Verlaufe der Zeit erweitern (map-cracking), verbunden mit teils erheblichen Dehnungen in der Folge Abnahme vor allem der Biegezugfestigkeit, des E-Moduls, Zunahme der Durchlässigkeit Beispiele Quelle: Diss. Bollmann, Weimar Quelle; Stark, Wicht, Weimar Quelle: IDK Dresden
Bildungsmechanismen ohne äußere Sulfatquellen schädigende Ettringitbildung infolge unsachgemäßer Wärmebehandlung Ettringit ist bei Temperaturen > 60 C thermodynamisch instabil, d.h. es wird mehr Monosulfat gebildet. Daneben sind SO 4 2 Ionen in der Porenlösung gelöst oder adsorptiv an CSH-Phasen gebunden. Unter ungünstigen Randbedingungen (Rißbildung, Porosität, wechselnde Feuchte) kann es während der Nutzung bei normalen Umgebungstemperaturen aus diesen mobilen Sulfaten in Reaktion mit den Aluminaten wieder zur Bildung des in diesem Temperaturbereich stabilen Ettringits kommen sekundäre oder verspätete Ettringitbildung. Mit bis zu 8facher Volumenvergrößerung verbunden Betonschädigung schädigende Ettringitbildung in nicht wärmebehandelten Betonen durch sommerliche Witterungsverhältnisse beim Betonieren hohe Zement- und Zuschlagtemperaturen hohe Hydratationswärmeentwicklung Bildungsmechanismen durch äußere Sulfatquellen Eindringen von in Wasser gelösten Sulfaten in Form von sulfathaltigen Wässern, Böden Kontakt von hydraulischen Bindemitteln und sulfathaltigen Bindemitteln bei hohen Sulfationenkonzentrationen (Abwasseranlagen) Ettringitbildung aus dem zuvor entstandenen Gips Gefährdete Bauteile wärmebehandelte Bauteile (verzögerung der primären Ettringitbildung) Betone mit hoher Dichte und geringer Porosität hohe Festigkeit Außenbauteile mit veränderlicher Umgebungsfeuchte - Beton mit Pyritzuschlag (Fe 2 S), durch Oxidation Bildung von SO x fehlerhaft saniertes Mauerwerk (Gips Zement) Vorbeugende Maßnahmen Vermeidung von Gefügestörungen (Rissen) durch konstruktive und technologische Fehler Verwendung von Zementen mit niedrigem C 3 A-Gehalt HS-Zemente Verwendung puzzolanischer und latent hydraulischer Zusatzstoffe Schonende Wärmebehandlung ( Richtlinie zur Wärmebehandlung von Beton, Deutscher Ausschuß für Stahlbeton) schützende Beschichtungen
Nachweisverfahren bei Verdacht auf Sulfattreiben nasschemisch Untersuchung der Proben zunächst auf das Vorhandensein löslicher Sulfate Sulfat gesamt Sulfat wasserlöslich = Sulfate säurelöslich = Sulfat gebunden Indiz für Vorhandensein von Ettringit oder Gips mikroskopisch Nachweis der verschiedenartigen Kristallformationen in Rissen, an den Grenzflächen zu Zuschlägen und in Poren an Dünnschliffen im Polarisationsmikroskop oder an Bruchflächen oder Anschliffen im Rasterelektronenmikroskop (REM) konventionell oder unter Umgebungsatmosphäre im ESEM Dünnschliff: Ettringit in Poren Quelle: Diss. Bollmann, Weimar unterschiedliche Kristallformationen, ESEM-Aufnahmen, Hempel,TU Dresden, IfB
Kombination der Untersuchung im REM/ESEM mit der EDX (energiedispersive Röntgenanalyse) Identifikation der in den mikroskopisch vorgefundenen Kristallformationen vorhandenen Elemente Nachweis von Aluminium, Schwefel und Calcium EDX-Spektrum von Ettringit röntgenographisch mittels XRD (Röntgendiffraktometrie) an Pulverproben Auffinden der Interferenzen mit den stärksten Intensitäten thermografisch mittels DTA/DSC/TG (Differential Thermoanalyse, Differential Scanning Calorimetrie, Thermogravimetrie) an Pulverproben unter einem definierten Aufheizregime Bestimmung der charakteristischen endothermen Reaktion bzw. des Masseverlustes bei der Entwässerungsreaktion des Ettringits
DSC-Plot geschädigte Betonprobe Probleme der Nachweisführung Da der Ettringitgehalt oftmals an oder unter der Nachweisgrenze liegt ist der Nachweis mit den genannten Verfahren problematisch und bedarf sehr sorgfältiger Probenvorbereitung. Die Aufbereitung (Zerkleinerung und Mahlung der Proben von Hand im Achat mörser) erfordert große Sorfalt. Der Eintrag von Wärme während des Aufmahlens muß verhindert werden Verwendung von Isopropanol als Kühlmittel und schonende Trocknung (40 C) Beim Aufmahlen muß soviel Zuschlag wie möglich separiert werden um eine Anreicherung von Ettringit in der Analysenprobe zu erreichen. Da sich Ettringit bevorzugt an den Grenzflächen zu den Zuschlägen bildet, ist nicht auszuschließen, dass an den separierten Zuschlägen noch Ettringit haftet, der damit auch entfernt wird. Der in der aufbereiteten Probe noch verbleibende Feinstzuschlag kann das A nalysenergebnis verfälschen. Die Kristallinität der Ettringitbildungen ist häufig gering Problem beim Nach weis mittels XRD. Häufig ist die Kombination mehrerer der genannten Nachweisverfahren notwendig, um zu einem sicheren Ergebnis zu kommen.
Gipsbildung Wirken auf erhärteten Beton oder Mörtel sulfationenhaltige Lösungen ein und regieren diese mit den Calciumionen des Zementsteins kann es zur Gipsbildung kommen. Schadensbild weiße, teilweise krustige Ausblühungen Auswaschung des Zementsteins Beispiele Schädigung durch Gipstreiben Quelle: TU Dresden, IfB Sulfatquellen Sulfationen aus dem Boden, Düngemittelkontamination Schwefeldioxid aus der Luft, Industrieatmosphäre, saurer Regen Schwefelhaltige Zuschläge
Bildungsreaktionen 1. Entstehung der Schwefelsäure SiO 2 mit Regen aus der Atmosphäre ausgewaschen reagiert folgendermaßen: Luft-O 2 SO 2 + H 2 O H 2 SO 3 H 2 SO 4 (Schwefelsäure) H 2 S Schwefelwasserstoff (Sulfid) oxidiert mit Luftsauerstoff zu Sulfiten (SO 3 2- ) und Sulfaten (SO 4 2- ) Luft-O 2 H 2 S H 2 SO 4 In Abwasseranlagen findet die Oxidation der Sulfide i. allg. durch säurebildende Bakterien (Thiobazillen) statt. 2. Gipsbildung Zersetzung von Carbonat unter Gipsbildung CaCO 3 + H 2 SO 4 + H 2 O CaSO 4 * 2H 2 O + CO 2 Neutralisation von Portlandit unter Gipsbildung Ca(OH) 2 * H 2 SO 4 CaSO 4 * 2H 2 O Zersetzung der CSH-Phasen unter Gipsbildung 3CaO* 2 SiO 2 *3H 2 O + H 2 SO 4 3(CaSO 4 *2H 2 O) + 2SiO 2 alle Gipsbildungsreaktionen sind mit treiberscheiningen verbunden in Anwesenheit von Aluminaten kann der gebildete Gips weiter zu Ettringit reagieren Gefährdete Konstruktionen Biogasanlagen Kanalisation, Kläranlagen Vorbeugende Maßnahmen Beton mit niedriger Porosität Gefügestörungen vermeiden bei hoher Sulfatbelastung Schutzanstriche
Nachweisverfahren nasschemisch analog Ettringit-Untersuchung, Bestiommung der gebundenen Sulfate mikroskopisch Nachweis der Gipskristalle lichtmikroskopisch an Dünnschliffen oder im REM/ESEM kombiniert mit EDX Nachweis der Elemente Schwefel und Calcium Gipskristalle und EDX-Spektrum von Gips Quelle: TU Dresden, IfB röntgenographisch mittels XRD (Röntgendiffraktometrie) an Pulverproben Auffinden der Interferenzen mit den stärksten Intensitäten analog Ettringit
thermografisch mittels DTA/DSC/TG (Differential Thermoanalyse, Differential Scanning Calorimetrie, Thermogravimetrie) an Pulverproben unter einem definierten Aufheizregime Bestimmung des charakteristischen endothermen Reaktionspeaks (Doppelpeak, 2-stufige Entwässerung des Gipses) Thermische Analyse einer gipshaltigen Betonprobe
Alkali-Kieselsäure-Reaktion Schadensmechanismus Alkali-Kieselsäurereaktion (AKR) ist die chemische Reaktion zwischen unterschiedlichen Formen amorpher Kieselsäure (SiO 2 ) aus den Betonzuschlägen und den Alkalihydroxiden (NaOH und KOH) der Porenlösung des erhärteten Betons bzw. von außen eindringenden Alkalien. Dabei entsteht Alkali-Kieselsäure-Gel, welches infolge Wasseraufnahme quillt (Volumenvergrößerung) und zu Treiberscheinungen und zu Betonschäden führt. Schädigende Wirkung wird verursacht durch Quelldrücke bis zu 20 N/mm² (Zugfestigkeit des Betons 2-5 N/mm²!) osmotischen Druck des quellenden Gels Kieselsäurehaltiger Zuschlag + Alkalihydroxid Alkali-Kieselsäure-Gel Amorphes oder teilkristallines SiO 2, z.b. Opal oder Flint In der Porenlösung, überwiegend aus dem Zement stammend Dehnung voluminös, treibend Alkalien Opal + Wasser + Alkalien Alkalisilkat-Gel Opal Risse Schematische Darstellung des Treibvorganges bei AKR Schadensbild netzartige Risse Abnahme der Festigkeit, Steigfigkeit Zunahme Durchlässigkeit Verringerung der Nutzungsdauer Bauteilversagen oberflächige, trichterförmige Ausplatzungen, sog. "POP OUTS" Ausscheidung von anfänglich klaren, dickflüssigen, später trüb und relativ fest werdenden Geltropfen, sichtbar in Rissen und Poren Eine AKR findet nur in Gegenwart von Feuchtigkeit statt, 40 C und mind. 90% Luftfeuchte pessimale Bedingung Wechselnde Durchfeuchtung ist gefährlicher als ständige Durchfeuchtung der Bauwerke. Beispiele:
AKR-Gelausscheidungen auf Betonoberfläche Quelle: TU Dresden, IfB Quelle:www.betontreiben.de Reaktionspartner Alkalien der Porenlösung KOH und NaOH, eingebracht durch Zement von außen eingetragene (Taumittel auf Straßen/Autobahnen, Meerwasser) alkalihaltige Zuschläge alle amorphen, kryptokristallinen und gittergestörten SiO 2 -Minerale, wie: Opal, Chalcedon, Cristobalit und stark beanspruchte sog. "gestresste" Quarze Die wichtigsten alkaliempfindlichen Zuschläge sind: Opalsandsteine (Opal, Cristobalit) Kieselkreide, Kieselkalke (Chalcedon, kryptokristalliner Quarz) Flint (Chalcedon, kryptokristalliner Quarz) Kieselschiefer (Chalcedon, kryptokristalliner Quarz) Grauwacken (Chalcedon, kryptokristalliner und gestresster Quarz) mylonitische Granite (stark bruchtektonisch beansprucht, kryptokriostalliner Quarz) Porphyre (kryptokristalliner Quarz) Gefährdete Bauteile
Brücken, Brückenkappen Parkdecks Wasserbauwerke Küstenschutzanlagen Betonstraßen- und Flugplatzdecken Betonschwellen u. a. Außenbauteile Schadensanalyse/Nachweisverfahren Zur Beurteilung von Schadensursachen am Bauwerk wie folgt vorgehen: 1. ausführliche Schadensaufnahme Information über Ausgangsstoffe Information über Zusammensetzung des Betons Information über Herstellung, Konstruktion, zeitlichen Verlauf der Schädigung 2. Entnahme von Proben (Bohrkerne D=100 mm) aus geschädigtem und ungeschädigtem Bereich 3. Visuelle Beurteilung, (evtl. Uranyl-Acetat-Test) 4. Bestimmung von Druckfestigkeit, Betonzusammensetzung, Alkaligehalt 5. Nebelkammerlagerung zur Bestimmung des Restdehnungspotentials, der Entwicklung des dynamischen E-Moduls und der verbleibenden Restdruckfestigkeit 6. Mikroskopische Untersuchung von Anschliffen oder Dünnschliffen zur Sichtbarmachung der Gele und der reaktiven Zuschläge Reaktive Porphyrkörner in Probe Reaktionssäume nach Uranyl-Acetat-Test unter UV-Licht Dünnschliff,AKR-Gele, Quelle: Stark, Wicht, Weimar REM Aufnahme AKR-Gel, Quelle,TU Dresden,IfB Ergänzend zur REM Aufnahme Durchführung der EDX-Analyse
Nachweis der erhöhten Gehalte an Kalium und Natrium im Gel EDX-Spektrum von AKR-Gel Nur mit der Summe der Untersuchungen kann eine sichere Aussage über die Beteiligung einer AKR am Bauwerksschaden getroffen werden. Vorbeugende Maßnahmen Zement: Verwendung eines Zementes mit niedrigem wirksamen Alkaligehalt Na 2 O-Äquivalent 0,60 % NA-Zement Na 2 O-Äquivalent: Summe der Alkalien K 2 O und Na 2 O angegeben als Gesamtalkaligehalt in Masse-% wirksamer Alkaligehalt: Alkalianteil eines Zementes, der in wirksamer Form als Alkalihydroxid in der Porenlösung eines Zementsteins gelöst ist Begrenzung des Zementgehaltes Abpufferung der Alkalien durch puzzolanische Zusatzstoffe Gesteinskörnung: Anwendung der Alkalirichtlinie des DAfStb, Ausgabe Februar 2007 Im Falle alkaliempfindlicher Bestandteile in Gesteinskörnungen regelt die Richtlinie die Prüfung, Einstufung und Überwachung und die für den Beton gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen Teil 1: Allgemeines Teil 2: Gesteinskörnungen mit Opalsandstein und Flint Teil 3: gebrochene alkaliempfindliche Gesteinskörnungen
Nach erfolgter - petrographischer Untersuchung und - Natronlaugentest Einteilung der Gesteinskörnungen in die Alkaliempfindlichkeitsklassen E I-O bis E III-OF (Teil 2) und Nach erfolgtem - Mörtelschnelltest und - Nebelkammertest Einteilung der Gesteinskörnungen in die Alkaliempfindlichkeitsklassen E I-S und E III-S (Teil 3) Je nach Einteilung in die Alkaliempfindlichkeitsklassen sind die vorbeugenden Maßnahmen gemäß Alkalirichtlinie zu ergreifen. Beispiel: Tabelle 2-2a Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton für Betone mit einem Zementgehalt z 330 kg/m3 1 2 3 4 5 Alkaliempfind- Erforderliche Maßnahmen für die Feuchtigkeitsklasse lich- keitsklasse WO WF WA WS 1 E I-O keine keine keine Zement nach Teil 3, Tabelle 3-4 2 E II-O keine keine NA-Zement Austausch der Gesteinskörnung 3 E III-O keine NA-Zement Austausch der Gesteinskörnung Austausch der Gesteinskörnung