Fakultät Verkehrswissenschaften Friedrich List Professur für Verkehrssicherungstechnik Sicherheit an Bahnübergängen Dr.-Ing. Eric Schöne
Fakultät Verkehrswissenschaften Friedrich List Professur für Verkehrssicherungstechnik Sicherheit an Bahnübergängen 1 Motivation 2 Anforderungen 3 Rechtsgrundlagen 4 Technologien
Schnittpunkt unterschiedlicher Verkehrssysteme Bildquelle: Deutsche Bahn Straßenverkehr hohe Haftreibung geringe Massen kurze Bremswege keine Spurgebundenheit Ausweichen möglich Schienenverkehr geringe Haftreibung große Massen lange Bremswege Spurgebundenheit Ausweichen unmöglich Unterschiedliche Sicherheitsphilosophien treffen aufeinander! Juli 2014 3
Großer Abstimmungsbedarf zwischen den Beteiligten Juli 2014 4
Großer Abstimmungsbedarf zwischen den Beteiligten Beide Kreuzungspartner haben ihre Sicherheitsphilosophie erfüllt die Sicherheit ist dennoch nicht gewährleistet! Juli 2014 5
Große Anzahl Bahnübergänge Bahnübergangsbestand der DB Netz AG (Quelle: DB Netz AG, Bahnübergänge im Spiegel der Statistik 2010) Straßenbahnen: ca. 5.000 NE-Bahnen: ca. 15.000 Deutsche Bahn: ca. 20.000 Zahl bei DB rückläufig, insgesamt jedoch kaum verändert mit NE-Bahnen und Straßenbahnen ca. 40.000 BÜ in D (2009) Juli 2014 6
Überproportionale Unfallschwere aus Sicht des Straßenverkehrs 0,01% BÜ-Unfälle von ca. 2.400.000 registrierten Straßenverkehrsunfällen 1,2% BÜ-Tote von ca. 3.700 Getöteten bei Straßenverkehrsunfällen Bezugsjahr 2010, Datenquelle: DB Netz AG, Juli 2014 7
Unfallschwerpunkt aus Sicht der Eisenbahn Bahnbetriebsunfälle mit Personenschäden BÜ-Unfälle 31% andere Unfälle 69% N = 474, Bezugsjahr 2011, Datenquelle: Statistisches Bundesamt Juli 2014 8
Öffentliches Interesse und Medienwirksamkeit Familie stirbt auf Bahnübergang Juli 2014 9
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Erfüllung von Schutzfunktionen Schutzfunktion 1 Schutz des Straßenverkehrs vor dem Schienenverkehr Schutzfunktion 2 Schutz des Schienenverkehrs vor dem Straßenverkehr Aufgabe der Bahnübergangssicherung: Verhindern von Zusammenprallen (Zusammenprall = Kollision eines Schienenfahrzeugs mit einem Straßenverkehrsteilnehmer auf einem Bahnübergang) Juli 2014 11
Rangfolge der Kreuzungspartner Ableitung aus den Systemeigenschaften: Dem Straßenverkehr ist das Anhalten am ehesten möglich und zuzumuten. Regelfall am Bahnübergang: Schienenverkehr erhält Vorrang vor dem Straßenverkehr Bildquelle: Deutsche Bahn Juli 2014 12
Gefahrloses Anhalten oder Räumen 1. Ein Wegbenutzer muss das Annähern eines Schienenfahrzeugs so rechtzeitig wahrnehmen können, dass er gefahrlos vor dem Bahnübergang anhalten kann. Anhalteweg des Straßenfahrzeugs Sehpunkt auf der Straße Juli 2014 13
Gefahrloses Anhalten oder Räumen 2. Kann ein Wegbenutzer das Annähern eines Schienenfahrzeugs erst nach der Stelle wahrnehmen, an der er sich zum Anhalten hätte entschließen müssen, so muss er den Bahnübergang gefahrlos passieren können. Sicht-/Einschaltpunkt auf dem Gleis Annäherungsstrecke des Schienenfahrzeugs Juli 2014 14
Anforderungen an die Gestaltung von Bahnübergängen aus Straßensicht Erkennbarkeit Übersichtlichkeit Begreifbarkeit Befahrbarkeit und Begehbarkeit Räumbarkeit Barrierefreiheit Juli 2014 15
Erkennbarkeit Negativbeispiel Juli 2014 16
Übersichtlichkeit Negativbeispiel Juli 2014 17
Begreifbarkeit Negativbeispiel Juli 2014 18
Befahrbarkeit Negativbeispiel Juli 2014 19
Begehbarkeit Negativbeispiel Juli 2014 20
Räumbarkeit Negativbeispiel Juli 2014 21
Barrierefreiheit Negativbeispiel Juli 2014 22
Fakultät Verkehrswissenschaften Friedrich List Professur für Verkehrssicherungstechnik Sicherheit an Bahnübergängen 1 Motivation 2 Anforderungen 3 Rechtsgrundlagen 4 Technologien
Wichtige Rechtsnormen zum Bahnübergang (Auswahl) Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG) Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) Bau- und Betriebsordnungen für Anschlussbahnen (z. B. BOA) Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) DB-Ril 815: Bahnübergänge planen und instand halten DB-Ril 819.12: LST-Anlagen planen, Teil Bahnübergänge BÜV-NE: BÜ-Vorschrift für nichtbundeseigene Eisenbahnen VDV-Schrift 341: Technische Sicherung der Bahnübergänge bei Straßenbahnen Straßenrichtlinien/-empfehlungen (u. a. FGSV-Schriften) Juli 2014 24
Was sind Bahnübergänge? Eisenbahn (EBO/BOA) höhengleiche Kreuzungen von Eisenbahnen mit Straßen, Wegen, Plätzen Beachte anstehende BOStrab-Änderung! Straßenbahn (BOStrab) durch Andreaskreuz gekennzeichnete höhengleiche Kreuzungen von Straßenbahnen auf unabhängigem oder besonderem Bahnkörper mit Straßen, Wegen, Plätzen Juli 2014 25
Was sind keine Bahnübergänge? Eisenbahn (EBO) höhengleiche Übergänge für Reisende und Übergänge für den innerdienstlichen Verkehr Straßenbahn (BOStrab) höhengleiche Kreuzungen ohne Andreaskreuz (in Praxis jedoch oft abweichend gehandhabt) Juli 2014 26
Eisenbahnkreuzungsgesetz 2: keine neuen Bahnübergänge Neue Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen, die [ ] geeignet und dazu bestimmt sind, einen allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr aufzunehmen, sind als Überführungen herzustellen. In Einzelfällen, insbesondere bei schwachem Verkehr, kann die Anordnungsbehörde Ausnahmen zulassen. Juli 2014 27
Eisenbahnkreuzungsgesetz 14: Zuständigkeiten am Bahnübergang Bahnunternehmer: Kreuzungsstück Andreaskreuze Sicherungstechnik Straßenbaulastträger: übrige Verkehrszeichen und -einrichtungen ggf. Sichtflächen Kreuzungsstück = dem Straßen- und Schienenverkehr dienende Fläche, begrenzt durch Abstand 2,25 m (Eisenbahn) bzw. 1,00 m (Straßenbahn) von der äußeren Schiene Juli 2014 28
Fakultät Verkehrswissenschaften Friedrich List Professur für Verkehrssicherungstechnik Sicherheit an Bahnübergängen 1 Motivation 2 Anforderungen 3 Rechtsgrundlagen 4 Technologien
Zwei grundlegende Lösungen zur Sicherung von Bahnübergängen Nichttechnische Sicherung Der Wegbenutzer muss durch Sehen und Hören in Richtung der Strecke selbst prüfen, ob sich Schienenfahrzeuge nähern. Es gibt hierfür keine technischen Einrichtungen. Technische Sicherung Der Wegbenutzer wird durch technische Einrichtungen am Bahnübergang gewarnt, wenn sich Schienenfahrzeuge nähern. Juli 2014 30
Einsatzkriterien für die Sicherungsarten nach EBO 11 Schienenverkehr Einstufung als Haupt- oder Nebenbahn Ein- oder Mehrgleisigkeit der Strecke Geschwindigkeit am Bahnübergang (Obergrenze: 160 km/h) Straßenverkehr Einstufung als Feld-, Wald-, Fuß-, Radweg, Straße mit oder ohne öffentlichen Verkehr Verkehrsstärke auf der Straße (Anzahl Kraftfahrzeuge/Tag) schwacher Verkehr: bis 100 Kfz/Tag mäßiger Verkehr: über 100 Kfz/Tag bis 2500 Kfz/Tag starker Verkehr: über 2500 Kfz/Tag Juli 2014 31
Einsatzkriterien für die Sicherungsarten nach EBO 11 Straße Schiene Nebenbahn Hauptbahn mehrgleisig eingleisig Starker Verkehr technische Sicherung Mäßiger Verkehr technische Sicherung Ü + P * Schwacher Verkehr technische Sicherung Ü Ü * Fuß- und Radwege Ü + U oder P + U Ü oder P Ü Übersicht über die Bahnstrecke P hörbare Signale der Schienenfahrzeuge (Pfeifen) U Umlaufsperren (vereinfachte Darstellung) * bei fehlender Sicht auch zulässig: hörbare Signale der Schienenfahrzeuge in Verbindung mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung Juli 2014 32
Übersicht über die Bahnstrecke Juli 2014 33
Übersicht über die Bahnstrecke: Ermittlung der erforderlichen Sicht Grundbedingung: Annäherungszeit des Schienenfahrzeugs > Räumzeit des Straßenfahrzeugs Juli 2014 34
Übersicht über die Bahnstrecke: Probleme mit Sichtflächen Juli 2014 35
Übersicht über die Bahnstrecke: Probleme mit Sichtflächen Juli 2014 36
Sicherung durch Posten bei einfachen Verhältnissen Juli 2014 37
Unterscheidungsmerkmale bei technischer Bahnübergangssicherung Art der Einschaltung Art der Überwachung Art der Gefahrraumfreimeldung Art der Sicherung Juli 2014 38
Überblick: Lichtzeichen, Blinklichter, Halbschranken alte Anlagen (DR) alte Anlagen (DB) neue Anlagen Juli 2014 39
Lichtzeichen Juli 2014 40
Lichtzeichen mit Halbschranken Juli 2014 41
Lichtzeichen mit Schranken Juli 2014 42
Einschaltarten für technische Bahnübergangssicherung fahrzeugbewirkt fahrstraßenbewirkt bedienerbewirkt Juli 2014 43
Überwachungsarten für technische Bahnübergangssicherung (Auswahl) Überwachungssignale Hauptsignaldeckung Juli 2014 44
Visuelle Gefahrenraumfreimeldung durch Bediener Bildquelle: Deutsche Bahn Direkte Freiprüfung Blick von der Bedienstelle auf den Bahnübergang erfordert Bedienstelle in der Nähe des Bahnübergangs Indirekte Freiprüfung Fernbeobachtung über Kameras und Monitore ermöglicht Zentralisierung Juli 2014 45
Technische Gefahrenraumfreimeldung mit Radar Radarsensor scannt zu überwachenden Bereich erfasste Echos werden mit Referenzdaten verglichen Ausgangssignal BÜ frei oder BÜ belegt Referenz-Reflektoren zur Eigenüberwachung Juli 2014 46
Ende Ein Zug konnte nicht mehr ausweichen und rammte den Pkw. (Salzburger Nachrichten, 29.01.09) Juli 2014 47