SenatE // Magazin für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft 2013/1

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Transkript:

SenatE // Magazin für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft 2013/1 Geheimakte Banken: Über Kredite, Spekulation, Crowd Financing, Sicherheit und Kontrolle

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Europa ist in Bewegung! Die Welt erlebte Ende 2012 wieder einmal den aufwendigsten Wahlkampf unseres Planeten: Die USA haben gewählt und Barack Obama hat einen knappen Sieg davongetragen. Wer den Wahlkampf verfolgt hat, erlebte ein typisch US-amerikanisches Medienspektakel erster Güte: Rund 5,3 Milliarden US-Dollar flossen Schätzungen zufolge in diesen Wahlkampf, das ist das Bruttoinlandsprodukt eines Kleinstaates wie Liechtenstein oder Monaco. Europa muss seinen Platz im Global Village im Weltdorf bestimmen, denn die Rollen werden zweifellos neu vergeben, und wir stehen unter neuen wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Voraussetzungen. Nicht zuletzt dadurch sind Finanzierungen, Banken, Kredite, Spekulation und Sicherheit zum Thema geworden. Wenn man binnen Sekunden Gelder über ganze Kontinente verschieben kann, entstehen Ungewissheiten und Unsicherheiten, die wir noch nicht bewältigt haben und für die die Regeln fehlen. Um es sehr primitiv zu sagen: Wir sind nicht weit über Kreditgeber und Geldwechsler hinausgewachsen, nur wickelt sich das alles in einem rasenden Tempo ab und in einem globalen Ausmaß! Was ist daher notwendig? Zunächst einmal eine Klärung der institutionellen Verhältnisse: Meines Erachtens nach ist Europa gut unterwegs, die Rolle der Europäischen Zentralbank zu bestimmen und gewisse Regeln aufzubauen, wie weit auf nationaler und europäischer Ebene gegangen werden kann. Die Wahrheit ist nämlich, dass wir gerade in diesem Bereich voneinander abhängig sind. Das ist eine der Schwierigkeiten, denen der englische Ministerpräsident David Cameron begegnet, denn auf der einen Seite möchte er Europa gerne auf eine Freihandelszone reduzieren, weiß aber genau, dass die City of London total von der Geldwirtschaft Europas und erst recht international abhängig ist. Ich sehe daher im englischen Vorstoß einen wertvollen Klärungsprozess, der allerdings

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kaum in die Richtung führen kann, die sich Cameron heute vorstellt. Es gibt dabei nämlich noch einen entscheidenden Faktor: die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit im Bereich des Geldes. Der Euro hat einen ungeheuren Vorteil man kann ihn nicht beliebig abwerten und damit die jeweiligen Staatsbürger enteignen, um die Finanzprobleme der Regierungen zu lösen. Versuche, durch die Unterschiede in den Währungen etwas zu gewinnen, haben sich etwa bei den Krediten im Schweizer Franken, aber auch bei den Spekulationsgeschäften von Banken und in Österreich schließlich auch der Bundesländer als ein großer Fehler erwiesen. Es ist daher alles zu tun, dass die Entscheidungen rund um das Geld nicht eine Geheimwissenschaft sind, sondern eine möglichst große Transparenz herrscht. Das allerdings hat zur Voraussetzung, dass es auch ein entsprechendes Wissen und eine Erziehung dazu gibt, denn sonst sind wir alle Opfer eines Populismus oder irgendwelcher Modeerscheinungen. Alle Verantwortlichen sind gut beraten, dieser Sehnsucht nach Stabilität zu entsprechen, denn unsere Anpassungsfähigkeit unter ständig wechselnden Situationen hält sich natürlich in Grenzen. Das ist insbesondere entscheidend für die mittelständische Wirtschaft, die ja in Wahrheit nicht nur der Kern einer florierenden Entwicklung ist, sondern auch die Basis für eine gesunde Demokratie! Dr. Erhard Busek Präsident SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich e.v. Impressum Herausgeber: Dr. Erhard Busek, Dieter Härthe, Hans Harrer // SENAT DER WIRSCHAFT Österreich e.v. Rotenturmstraße 5 9, A-1010 Wien, Telefon +43 1 505 35 48, www.senat-oesterreich.at // Redaktion: Labinota Isufi, Jochen Ressel // Autoren dieser Ausgabe: Markus Pflitsch, Günter Benischek, Dr. Erhard Busek, Robert Egger, Achim Feige, Friedhelm Frischenschlager, Michael Grahammer, Carl Hofrichter, Labinota Isufi, Horst Krieger, Waltraud Martius, Harald Noack, Jochen Ressel, Satya Rischka, Wolfgang Schauer, Dirk Solte, Martin Theyer, Manfred Totzauer, Jakob von Uexküll, Thomas Uher, Elmar Weixlbaumer // Abbildungen: amadorgs Fotolia.com, 12 sinuswelle Fotolia.com, 15 Jochen Ressel, 16 high_resolution Fotolia.com, 20 Dirk Solte FAW, 22 Manfred Totzauer, 27 Manfred Theyer, 29 Harald Noack EUROPEAN COURT OF AUDITORS, 31 Elmar Weixlbaumer Fotostudio Wilke, Wien, 35 Achim Feige, 38 Markus Pflitsch Sonja Herpich, 42 Günter Benischek, 44 Michael Grahammer SFH Images Bregenz, 46 Carl Hofrichter SPARDA-BANK Villach/Innsbruck, 48 Wolfgang Schauer Foto Ascher, 50 Thomas Uher Erste Bank, 52 Robert Egger Robert Egger, 54, 55, 57 Waltraud Martius SYNCON/Waltraud Martius, 59 Lambert Gneisz, 63 68 Jahresausklang: Senat der Wirtschaft/J. Morris, Jahresauftakt: Senat der Wirtschaft/N. Ivanovic, Schladming: C. Emmanuel, 70 Mopic Fotolia.com, 72 Senat der Wirtschaft Österreich e.v., 75 Gerald Reiter, 77, 78 Friedhelm Frischenschlager MeinOE // Layout und Herstellung: Goldegg Verlag GmbH, Mommsengasse 4/2, A-1040 Wien, www.goldegg-verlag.com // Gedruckte Auflage: 10.000 Exemplare

Senate // themen und menschen im April 2013 Den Bankensektor vom Kopf auf die FüSSe stellen 8 Den Bankensektor vom Kopf auf die Füße stellen // Welche Finanzinstrumente braucht unsere Wirtschaft wirklich? // Jakob von Uexküll 12 Unternehmen in der Kreditklemme? // Über den Status quo traditioneller Finanzierungen // Jochen Ressel 17 Der wackelige Geldkreisel // Ein Vorschlag zur Eindämmung der Überschuldung unseres Kreditsystems // Dirk Solte 23 Paradigmenwechsel in der Bankenbranche // Das Ende einer Epoche // Manfred Totzauer 26 Macht braucht Kontrolle oder doch nicht? // Finanzexperte Martin Theyer zur europäischen Bankenaufsicht // Elmar Weixlbaumer 28 Die De-Regulierung als Antwort auf die Banken- und Finanzkrise in Deutschland // Das Ende einer Epoche // Harald Noack 31 Wenn das Geld knapp wird // Alternative Finanzierungsformen für Unternehmen und Gewerbetreibende //Elmar Weixlbaumer 35 Gestalten statt verwalten // Wie Banken sich neu erfinden müssen, um bei Kunden wieder begehrt zu sein // Achim Feige 38 Vom Bankier zum Banker und wieder zurück // Markus Pflitsch 41 Social Banking: gelebte soziale Verantwortung // Ein Best-Practice-Beispiel aus Österreichs Bankenlandschaft // Günter Benischek 44 Die Sicht der Banken: Michael Grahammer

46 Die Sicht der Banken: Carl Hofrichter 48 Die Sicht der Banken: Wolfgang Schauer 50 Die Sicht der Banken: Thomas Uher Nachhaltigkeit 52 Wirksam führen Das Husky-Prinzip // Die Shaolin-Tradition im praktischen Management // Robert Egger Business & Management 54 Die Qualitätsstandards im Franchising // Bevormundung oder Existenzsicherung // Waltraud Martius 58 Dialogfähigkeit als Hebel der Wertschöpfung // Wie die unternehmensinterne Dialogfähigkeit die Wertschöpfung steigert // Satya Rischka und Jochen Ressel Rückblick 61 Stoppt den Regulierungswahn! // Dr. Ametsreiter fordert konkrete Initiativen, um Europa wieder an die Spitze zu bringen. // Jochen Ressel 65 Ein Modell für eine Welt in Balance // Ökosoziale Marktwirtschaft als Zukunftskonzept ohne Alternative // Labinota Isufi 70 Wissen als Schlüsselressource der Zukunft // Das Impulsforum Bildung des SENAT DER WIRTSCHAFT // Horst Krieger 73 Wirtschaft in Bewegung // Fairer Wettbewerb statt Gladiatoren-Show // Labinota Isufi 75 Innovationgesinnung mit Mut // Über unternehmerische Zukunftsorientierung als langfristige Strategie // Jochen Ressel 77 Warum das Demokratie- Volksbegehren JETZT? // Ein Kommentar // Friedhelm Frischenschlager

Schwerpunktthema Den Bankensektor vom Kopf auf die FüSSe stellen Welche Finanzinstrumente braucht unsere Wirtschaft wirklich? 8

Schwerpunktthema Bankensektor Jakob von Uexküll Jakob von Uexküll ist Gründer des World Future Council und des Right Livelihood Award (des Alternativen Nobelpreises ) und ist in zahlreichen internationalen Gremien aktiv, z.b. als Mitglied der Globalen Kommission zur Finanzierung der UN. Darüber hinaus war er Mitgründer von The Other Economic Summit, Mitglied des Europäischen Parlaments und Aufsichtsrat von Greenpeace BRD. Er hält weltweit Vorträge zu den Themen Umwelt, Gerechtigkeit und Frieden und ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Ehrungen. J ochen Sanio, Deutschlands ehemals oberster Finanzaufseher, nutzte den Anlass seiner Pensionierung Ende 2011, um eindringlich darauf hinzuweisen, dass die Finanzprüfer seiner Behörde dem Einfallsreichtum der Banker bei der Kreation neuer Finanzprodukte ohnmächtig gegenüberstehen. Mit der Regulierung laufen sie wie beim Hase-und-Igel-Rennen immer noch hinterher. Das mag in Deutschland zu einem Teil der zu dünnen Personaldecke der deutschen Bankenaufsicht BaFin geschuldet sein, aber selbst mit mehr Aufsehern wäre es unwahrscheinlich, dass sie des Problems Herr werden könnten. Denn dies liegt im immer noch unglaublichen Tempo, mit dem die Banken permanent neue sogenannte Finanzmarktinnovationen erfinden, diese in das kaum durchschaubare globale Netz aus Schattenbanken und Steueroasen auslagern und sich so der Überwachung entziehen. So stieg in Deutschland allein die Zahl der angebotenen Zertifikate und Hebelpapiere von 140.000 Anfang 2007 auf über eine Million im Herbst 2012. Auch wenn nur in rund zehn Prozent der angebotenen Papiere je ein Handel stattfindet, ist dies immer noch eine Anzahl, die unmöglich zu kontrollieren ist. Die Intransparenz, die durch die Vielfalt der Finanzprodukte entsteht, ist dabei durchaus kein Zufall, sondern gewollt. Schließlich geht es darum, den verschärften Eigenkapitalvorschriften (Basel III) und den immer noch zaghaften Regulierungsversuchen zu entgehen. Dass der Versuch der USA, ihren Finanzmarkt in den Griff zu bekommen, mit dem Dodd-Frank Act so kompliziert ausgefallen ist, liegt daher auch daran, dass der Regulierungsgegenstand mittlerweile so komplex geworden ist. Das Grundproblem der bisherigen Regulierungsversuche liegt in dem Ansatz, auf Missstände erst zu reagieren, wenn die Schäden schon ein- 9

SenatE // Schwerpunktthema getreten sind. Und selbst dann werden die problematischen Finanzprodukte in der Regel nicht verboten, sondern es wird lediglich versucht, sie mit stabilisierenden Maßnahmen ein wenig zu entschärfen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass es mit dieser Vorgehensweise gelingen wird, unser Finanzsystem dauerhaft zu stabilisieren. Wirklich zielführend wäre ein Ansatz, der zunächst einmal fragt, welche Art von Bankgeschäften und Finanzprodukten unsere Gesellschaft tatsächlich braucht. Denn es ist kein großes Geheimnis, dass der allergrößte Teil der neu geschaffenen Finanzprodukte nur den Gewinnmaximierungsstrategien der großen Player im Finanzsystem dient und mit den wirklichen Finanzierungsbedürfnissen der realen Wirtschaft nichts zu tun hat. Auch das gerne vorgebrachte Argument, die Finanzprodukte würden benötigt, um die Liquidität im Markt zu erhöhen, kann leicht als vorgeschoben erkannt werden, weil der größte Teil der so entstehenden Liquidität nur vom Bankensystem selber benötigt wird, um eben diese große Zahl an zusätzlichen Finanzgeschäften abwickeln zu können. Eine in der nahen Vergangenheit zumindest in Deutschland recht erfolgreiche Regulierungsmaßnahme war der in den BGB Paragraphen 762 und 764 geregelte sogenannte Wetteinwand. Dieser legte fest, dass spekulative Finanzgeschäfte als Spiel oder Wette zu gelten hatten und daher rechtlich nicht verbindlich waren. Sinn der Regelung war es, den Bürger vor den unkalkulierbaren Risiken einer Teilnahme an Finanzwetten zu schützen. Tatsächlich hatte diese, im Volksmund auch als Wettschulden sind Ehrenschulden bekannte juristische Regelung lange Zeit recht sicher die schlimmsten Auswüchse bei der Verbreitung von spekulativen Geschäften verhindert. Das Besondere war die einfache Wirkungsweise dieser juristischen Norm. Die simple Regel Wenn Spekulation, dann Wette und dann keine einklagbare Forderung sorgte genau für das Maß an Rechtsunsicherheit, das Banken von der Etablierung solcher Finanzwetten abschreckte. Der Druck der Finanzlobby war aber groß genug, um zu bewirken, dass diese Regelung mit dem ersten Finanzmarktförderungsgesetz 1990 erst aufgeweicht und schließlich 2002 mit dem vierten Finanzmarkförderungsgesetz ganz abgeschafft wurde. Die Wiedereinführung des Wetteinwandes allein wäre heute sicher keine hinreichende Maßnahme mehr, um den wuchernden Finanzsektor zu regulieren. Sie zeigt aber, dass es bei entsprechendem politischem Willen durchaus möglich ist, als schädlich erkannte Finanzinstrumente zu bändigen. Ein Instrument, das eine breite hemmende Wirkung gegen die permanente Erschaffung von Finanzinnovationen haben würde, wäre die Installation eines Finanz-TÜV. Hier müssten sich alle von Banken und anderen Unternehmen des Finanzsektors neu geschaffenen Produkte erst eines genauen Prüfungsverfahrens unterziehen, bevor sie zugelassen werden dürften. Dieses Prüfverfahren würde schon allein durch seinen zeitlichen und bürokratischen Aufwand die Banken dazu anhalten, nur noch Finanzprodukte mit einem erkennbaren Finanzierungszweck zu entwerfen. Ebenfalls wäre die Transparenz nun deutlich höher, denn Produkte, bei denen das Risiko nicht kalkulierbar und klar zugeordnet werden kann, würden bei dem neu zu etablierenden Finanz-TÜV durchfallen. Mit der so entstehenden Transparenz werden die Risiken wieder erfassbar und können in den Preisbildungsprozess, also die Höhe des Zinses oder der Rendite, einfließen. Das Prinzip, dass derjenige, der eine höhere Rendite erhält, auch ein höheres Risiko trägt und bei Verlust dafür einsteht, anstatt es auf den Steuerzahler abzuwälzen, wäre dann wieder voll in Kraft gesetzt. Die zum Funktionieren unseres ökonomischen Modells unerlässliche Koppelung von Risiko und Zinshöhe kann so wiederhergestellt werden und die (Zins-)Preise können ihre Rolle als Signale wieder einnehmen. Für die Kriterien, nach denen der Finanz-TÜV über die Zulässigkeit von Finanzprodukten entscheidet, bräuchte man eine Positivliste,, auf der alle Arten von Bankgeschäften und Bankprodukten gelistet wären, die als nützlich erkannt sind 10

Schwerpunktthema Bankensektor und deren Risiko transparent und kalkulierbar ist. Dabei können auch Geschäfte mit spekulativem Charakter sinnvoll sein, wenn sie z.b. zur Absicherung von Im- oder Exportgeschäften dienen, die von Wechselkursschwankungen betroffen sind. Alles, was nicht auf der Liste steht, z.b. Geschäftsbeziehungen mit Schattenbanken oder anderen Finanzunternehmen, die keiner Regulierung unterworfen sind, wäre dann ganz untersagt und mit ernst zu nehmenden Sanktionen belegt oder durch den Entzug der Rechtsverbindlichkeit in eine Grauzone gedrängt, wie dies beim sogenannten Wetteinwand der Fall war. Der Vorteil der Regulierung mittels einer Positivliste liegt in der faktischen Beweislastumkehr. Nicht mehr die Finanzaufsicht muss den Banken hinterherlaufen um zu beweisen, dass das Finanzprodukt x oder y zu riskant ist und reguliert gehört, sondern die Banken müssen in einem transparenten und Zeit in Anspruch nehmenden Prozess (Slow Banking) dem Publikum erklären und beweisen, dass ihr neues Produkt tatsächlich ein sinnvoller Beitrag zur Liquiditätsbereitstellung für die Realwirtschaft ist. Ebenso muss es eine öffentliche Diskussion über die Positivliste geben, bei der nicht nur die Banken gehört werden, sondern auch die (unabhängige) Wissenschaft und die Realwirtschaft, einschließlich der klein- und mittelständischen Unternehmen, deren Finanzierungbedürfnisse zuletzt oft übersehen wurden. Nur nach so einem Prozess kann klar werden, welche Bankenprodukte tatsächlich von unserer Wirtschaft und Gesellschaft gebraucht werden. Man sollte sich aber nichts vormachen, denn auch eine solche Positivliste wird am Ende nicht sehr kurz ausfallen, wenn sie die berechtigten Interessen aller beteiligten Gruppen berücksichtigt. Solange der Entscheidungsprozess dorthin aber transparent geschieht, wäre es ein gewaltiger Fortschritt im Vergleich zur jetzigen Situation. Kritiker könnten jetzt mit einigem Recht fragen: Wenn es dem Bankensektor bisher gelungen ist, Regulierungsversuche zu verhindern, wieso sollte dann ein so weitreichender Wechsel, wie ihn der Weg zu einer Positivliste und eines TÜV für neue Finanzprodukte darstellen würde, gegen die Macht der Großbankenlobby durchsetzbar sein? Aber ein großer Teil des Erfolgs der Banken bei der Blockade von Regulierungsvorhaben ist darin zu finden, dass das Thema Finanzmarktregulierung aufgrund seiner Komplexität nur von einer winzigen Gruppe der Zivilgesellschaft und der Medien verstanden wird. In der bisherigen Situation ist das Thema Finanzmarktregulierung in den Massenmedien kaum vermittelbar. Die Grundidee eines Finanz-TÜV, der dafür sorgt, das sich alle neuen Finanzprodukte einer genauen Prüfung auf Risikobewertung und Transparenz unterziehen müssen, und die Idee, dass mithilfe einer Positivliste nur die guten und sinnvollen Finanzinstrumente erlaubt sind, die die Realwirtschaft wirklich braucht und alle anderen bis zum Beweis, dass sie auch nützlich und sinnvoll sind, eben nicht, kann ohne größeres Spezialwissen verstanden werden. Vor allen Dingen würde aber eine solche Positivliste auch schon dann eine Wirkung entfalten, wenn sie noch nicht rechtsgültig ist. Wird sie von einer fachlich glaubwürdigen Gruppe aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Realwirtschaft vorgelegt, kann sie einen Standard für gutes Banking setzen und bringt so all die Banken in Erklärungsdruck, die sich mit ihren Finanzprodukten nicht an die Prinzipien der Liste halten. Solche Banken können dann leicht als unseriös erkannt und stigmatisiert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Bankgeschäft nach so einer Reform des Bankensektors langsamer und auch langweiliger wird. Der Stabilität des Finanzsystems wird dies jedoch guttun. 11

SenatE // Schwerpunktthema Jochen Ressel E 12 ine funktionierende Systematik zur Kreditfinanzierung ist eine der unabdingbaren Elemente für Investitions- und Gründungsprozesse unseres Wirtschaftssystems und nicht zuletzt auch des allgemein gelehrten und akzeptierten Wirtschaftsverständnisses. Die Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie zuerst dienen, dann verdienen, dann sparen und schließlich investieren, die im Grunde genommen Basis jeglichen langfristig konzipierten Gemeinwohls sind, werden in der Praxis immer weniger gelebt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es meist schon erheblicher Mittel bedarf, um mit diesem Prozess beginnen zu können: Um dienen zu dürfen, braucht man bereits mitunter erhebliches Kapital. Gleiches gilt für laufende Investitionen in etablierten Unternehmen, die zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unabdingbar sind. Verschärft wird die Situation durch den EPU-Wahnsinn: Das Angestelltenprinzip ist durch die entstehenden Aufwände für Unternehmen oftmals nicht mehr tragbar. Outsourcing ist der dafür geschaffene Begriff mit tollem Klang. Dahinter verbergen sich Tausende unfreiwillig ins Unternehmertum gedrängte Personen, die nun als Einzelpersonenunternehmen ins Rennen gehen müssen und sich mit Unternehmensgründungen und Initialinvestitionen konfrontiert sehen, die es zu finanzieren gilt. Dem gegenüber stehen Institutionen, die diese Finanzierungen bislang bereitgestellt haben. Aufgrund der in den letzten Jahren schlagend gewordenen überhöhten Risiken, die man durch breit angelegte Spekulationen und Investitionen eingegangen ist, wurden die Risikorichtlinien für Banken und Kreditinstitute verschärft. Diese Richtlinien haben als Basel III bereits Berühmtheit und beeinflussen auch die Kreditvergabemöglichkeit an Unternehmen wesentlich. Daraus ergibt sich, dass der Finanzsektor die Kreditvergabe aufgrund von veränderten Risikotoleranzen einschränkt bzw. einschränken muss. Das Ergebnis ist die sogenannte Kreditklemme. Die Konsequenzen einer Kreditklemme wirken sich auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus: Fehlt Unternehmen und Haushalten das

Schwerpunktthema Bankensektor Unternehmen in der Kreditklemme? Über den Status quo traditioneller Finanzierungen Geld zu Konsum und Investition, schrumpft die Wirtschaft. In der Folge gehen Arbeitsplätze verloren und die Defizite der öffentlichen Haushalte steigen wegen großer Steuerausfälle massiv an. Erfahrungsgemäß versuchen Staaten und Notenbanken schon bei geringen Anzeichen einer drohenden Kreditklemme, dieser mit geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken. Allerdings fehlt in diesen Bereichen mittlerweile jeder Spielraum. Durch die expansive Geldpolitik (Fiat-Money) und die Übernahme von Verbindlichkeiten und Haftungen in den Staatshaushalt (d.h. massiv gestiegene Staatsverschuldungen) stehen diese Regulationsmechanismen aktuell nicht mehr zur Verfügung. Die Sichtweise der Banken Banken bezweifeln in ihren offiziellen Stellungnahmen, die Kreditklemme würde bereits spürbar sein. Sie beklagen viel eher, dass Basel III auch eine Beschränkung der Banken-Manager-Boni mit sich bringt. Das ist ein vernichtender Schlag für London. Keinem Finanzzentrum außerhalb Europas werden ähnliche Grenzen gesetzt, klagte kürzlich der Chef einer europäischen Großbank, der namentlich nicht genannt werden wollte. Um klarzumachen, über welches Volumen wir reden: Nach einem Höchststand von 11,5 Milliarden Pfund vor Ausbruch der Krise sind die Bonus-Zahlungen in London auf 4,4 Milliarden Pfund im vergangenen Jahr gesunken, wie das Centre for Economics and Business Research ermittelte (derstandard.at, 5. März 2013). Auch in der gebeutelten britischen Ökonomie stehen diese gewaltigen Bankmittel nicht für Unternehmensfinanzierungen bereit. Die immer weiter verschärften Regularien stellen allerdings auch kleinere Banken vor immer größere Herausforderungen. Michael Martinek, Vorstandsvorsitzender bei Schelhammer & Schattera, stellt fest: Das, was jetzt passiert, ist zu viel. Dauernd kommen neue Vorschriften so viel kann man gar nicht lesen. Als Beispiel nennt er die jüngste Auflage der Aufsicht, die für alle führenden Bank-Mitarbeiter und Aufsichtsräte 13

SenatE // Schwerpunktthema neue Fit & Proper-Tests eine Art Eignungstest vorsieht, mit für kleinere Banken unmöglich einhaltbaren Reaktionszeiten. Der Bank-Chef befürchtet, dass viele Kleinbanken aus diesem Grund vom Markt verschwinden werden. Am Ende bleiben nur noch ein paar große, systemrelevante Banken übrig. Wenn die umfallen, haben wir nicht nur eine Banken-, sondern auch eine Staatskrise, warnt er. Die Realität der Kreditvergabe Ungeachtet der Tatsache, dass Banken die Existenz einer Kreditklemme gerne wegdiskutieren, empfinden UnternehmerInnen sehr wohl eine Veränderung des Finanzierungsverhaltens bei den Banken. Entspricht diese Empfindung der Realität? Als Reaktion auf Marktbedingungen und Regulierungen beginnen Banken damit, sich hinter die nationalen Grenzen zurückzuziehen. Dies fragmentiert das Finanzsystem der Eurozone, schreibt Andy Baldwin, Leiter der Ernst & Young-Finanzdienstleistungen für Europa, den Nahen Osten, Indien und Afrika, in einer Bloomberg-Analyse aus dem Herbst 2012. Franz Hartl, Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, bemerkte im Hinblick auf die Hotellerie: Neue regulatorische Vorschriften (Basel III) und die derzeitige Staatsschuldenkrise lassen Beeinträchtigungen erwarten, die den Zugang zu Bankkrediten erschweren und deren Kosten verteuern werden. Dies gilt umso mehr, als die Tourismuswirtschaft aufgrund der langen Amortisationszeiten Kredite mit langen Laufzeiten benötigt, die der Verteuerung besonders ausgesetzt sind. Im vierteljährlichen Bericht zur Kreditvergabe der EZB, dem Bank Lending Survey, zeigte sich auch, dass die gewaltige Geldschwemme der EZB über die 3-Jahres-Tender nicht dazu beigetragen habt, dass Banken vermehrt Kredite an die Privatwirtschaft weitergeben. Nur zwei Prozent der befragten Banken lockerten ihre Regeln, die meisten haben sie jedoch verschärft. Ursache dafür sind laut dem EZB-Bericht auch die strengeren Kapitalanforderungen für die Geldinstitute. Die angezogenen Anforderungen zur Erlangung eines Kredits und die sich zuspitzende Schuldenkrise haben in umgekehrter Richtung dazu geführt, dass die Nachfrage nach Krediten weiter rückläufig ist. Die Banken erwarten einen anhaltenden Rückgang der Netto-Nachfrage nach Krediten von Unternehmen und privaten Haushalten, heißt es in dem Bericht. Davor warnt auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Beim letzten Gipfel in Tokio im Herbst 2012 stellte der IWF fest, dass die Großbanken im Euroraum im schlimmsten Fall ihre Bilanzen insgesamt um 2,8 bis 4,5 Billionen Dollar stützen müssen. Die Kreditvergabe könnte dadurch bis Ende 2013 um 18 Prozent sinken und dort massive Einbrüche der Konjunktur auslösen. Diese Rahmenbedingungen zwingen immer mehr Unternehmer, nach Alternativen für den klassischen Bankkredit zu suchen. Heini Staudinger ist mit seinem Ansatz alternativer Unternehmensfinanzierung bereits über die Landesgrenzen hinweg berühmt geworden und hat kürzlich einen Vorschlag für ein BürgerInnen-Direktdarlehens-Gesetz präsentiert. Im Sinne der Freiheit soll ein Bürger selbst entscheiden dürfen, wem er sein Geld überantwortet, solange er das Risiko des Totalverlusts auch selbst trägt. Wenn sich ein Unternehmen Geld von Privatpersonen leiht und dieses Geld in den Betrieb fließt, aber nicht weiterverliehen wird, soll keine Bankkonzession dafür notwendig sein. Andernfalls wäre die Freiheit des Eigentums verletzt, so Staudinger. Zu dieser Freiheit gehöre aber auch die Möglichkeit der Geldgeber, im Falle der eigenen wirtschaftlichen Notlage die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen ( Die Presse, 6. März 2013). In Diskussion steht dabei auch die Forderung der Anhebung der Grenze, ab der ein über Direktdarlehen finanzierter Unternehmer einen Kapitalmarktprospekt herausgeben muss. In Österreich ist das derzeit ab einer Summe von 100.000 Euro verpflichtend. Dabei handelt es sich allerdings nicht lediglich um einen schnell gedruckten und billig produzierten Prospekt. Die Veröffentli- 14

Schwerpunktthema Bankensektor chung kostet im Schnitt 25.000 Euro. Aufgrund der EU-Gesetzgebung wäre eine Ausweitung dieser Veröffentlichungspflicht ab einem Volumen von Euro 5 Mio. möglich (derstandard.at, 5. März 2013). Eine hitzige Diskussion ist seither im Gange: Wie schützt man Anleger vor Betrügern? Ist diese Schutzaufgabe eine des Staates? Oder fällt das in den Bereich der Individualverantwortung? Für Diskussionsstoff ist auf alle Fälle gesorgt. Der Reporting-Wahn Integrierter Bestandteil der Kreditklemmen-Problematik sind teils dramatische Anforderungen an das Berichtswesen. Der Kapitalmarkt verpflichtet Unternehmer zu immer detaillierteren Rechenschaftsberichten in immer kürzeren Zyklen, wie das Industriemagazin kürzlich berichtete ( Industriemagazin, 2/2013). Darin kommen Spitzenmanager zu Wort, die die Auswirkungen auf den unternehmerischen Leistungsprozess wie folgt beschreiben: Das permanente Reporting führt zu einem Abwürgen der Dynamik. Wir haben immer mehr Bürokratie und immer weniger Unternehmertum, stellt Norbert Zimmermann, Aufsichtsratsvorsitzender der Berndorf AG, fest. Der Präsident der steirischen Industriellenvereinigung, Jochen Pildner-Steinburg, hält zu den ausufernden Reportings fest: Oft wird jeder Schritt dokumentiert, um sich abzusichern. Das ist eine Frage der Haltung. Wer unfähig ist, Verantwortung zu übernehmen, schreibt Berichte. Damit ist das Berichtswesen auch Ausdruck der heute gängigen Misstrauenskultur, die wachstumshemmend und sogar wachstumserstickend wirken kann. Hans Harrer, Vorstand im SENAT DER WIRT- SCHAFT, wird bei dem Thema Kreditklemme und Reporting emotional: Es geht nicht an, dass Unternehmen mit teilweise sehr überschaubarem Finanzierungsbedarf keinerlei Chance haben, sich mit vertretbaren Aufwänden und Reporting-Anforderungen auf dem Markt mit Kapital zu versorgen. Die Generation der Excel-Manager hat uns in die aktuelle Finanz- Jochen Ressel ist im SENAT DER WIRTSCHAFT als Mitglied der Chefredaktion des SENATE-Magazins und im Bereich Projektmanagement & Koordination tätig. Im Rahmen des Business-klub-Jochen Ressel konzeptioniert, organisiert und moderiert er über 50 Businesstalks, Konferenzen und Kongresse pro Jahr. und Wirtschaftskrise geführt, in einer Kultur, die auf Zahlenreihen mehr Vertrauen setzt als in den Menschen, der noch immer das Zentrum der Wirtschaft ist und immer bleiben wird und daher in höchstem Maße zu achten ist. Er postuliert eine Grundanforderung, die in den Werten des SENAT DER WIRTSCHAFT ebenfalls Ausdruck findet: Es geht um Freiheit und Eigenverantwortung. Es ist unmöglich, alles zu regeln und zu kontrollieren. Praktisch wird das auch nicht getan es ist bereits jetzt trotz aller Regularien Illusion, wenn nicht die Menschen von sich aus ein Verantwortungsbewusstsein entwickeln, was den ethischen Zugang zu Finanzierungskonzepten betrifft. Daher stellen wir in dieser Ausgabe des SENATE-Magazins den Status quo, aber auch die generelle Veränderung der Finanzbranche dar, die im Hinblick auf eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft unabdingbar ist. 15

SenatE // Schwerpunktthema 16

Schwerpunktthema Bankensektor Dirk Solte Der wackelige Geldkreisel Ein Vorschlag zur Eindämmung der Überschuldung unseres Kreditsystems So viel vorweg: Die Möglichkeit zur Gewährung von Krediten in einer Volkswirtschaft ist zunächst einmal positiv. Die Erfindung eines Kredits kann sogar als gesellschaftliche Innovation für das ökonomische Miteinander gesehen werden, die eine wichtige Grundbedingung für die Erhöhung von Wohlstand war. Dadurch waren Investitionen zum Auf- und Ausbau der Wertschöpfungsfähigkeit möglich, die es vorher nicht gab. Denn wenn man erst alles, was man beispielsweise für den Aufbau einer Firma oder ein eigenes Haus benötigen würde, gespart haben muss, bevor man den Bau in Angriff nimmt, kann es sein, dass man sein Leben lang spart und es nie zu einer Realisierung kommt. Der intelligente, pfiffige Jungunternehmer mit ei- Von den Ereignissen rund um die New Economy in den Jahren 2000/2001 motiviert, hat sich Dirk Solte ganz dem Weltfinanzsystem, dessen Rolle, Akteure und Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung gewidmet. Er ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Veröffentlichungen sowie ein gefragter Referent. In dem 2007 erschienenen Buch Weltfinanzsystem am Limit Einblicke in den Heiligen Gral der Globalisierung hat er vor der Krise gewarnt. In seinem zweiten Buch Weltfinanzsystem in Balance. Die Krise als Chance für eine nachhaltige Zukunft beschreibt er einen detaillierten Lösungsansatz. Im UN-Weltdekadeprojekt Mut zur Nachhaltigkeit ist das allgemein verständliche Buch Das Kartenhaus Weltfinanzsystem. Rückblick Analyse Ausblick (mit Wolfgang Eichhorn) erschienen. Sein Didaktisches Modul Geld und Weltfinanzsystem erklärt die Wirkungsmechanismen in spielerischer Form. 17

SenatE // Schwerpunktthema ner tollen Idee käme so eventuell nie zum Zug, seine Idee auch zu realisieren. Erst durch die Kreditgewährung ist dies anders. Der Jungunternehmer verspricht, sein ganzes Können und seine Leistungsfähigkeit einzusetzen, um seine tolle Idee zu realisieren. Dafür gewährt man ihm Kredit für alle nötigen Investitionen. Er darf auf Pump seine Idee umsetzen. Dafür stellt er einen Schuldschein aus, er schöpft Schwellgeld aus dem Nichts. Der ihm gewährte Kredit ist frisches Geld, das wir zur Abgrenzung vom Geld der Zentralbanken als Schwellgeld bezeichnen. Jedes Geld ist Kredit, jeder Kredit ist Geld. Und jeder Kredit ist letztlich ein Wertschöpfungsversprechen des Schuldners, das vom Gläubiger akzeptiert wird. Diese Akzeptanz ermöglicht es dem Jungunternehmer, erst in die Grundlagen zu investieren und danach Wertschöpfung zu leisten, und damit kann er den Kredit tilgen. Gute Kredite ermöglichen den Ausbau der Wertschöpfungsfähigkeit. Der Kredit dient lediglich dazu, den Zeitraum zu überbrücken, bis die angestrebte und versprochene Wertschöpfungsfähigkeit erreicht ist und dann Werte geschöpft werden (Waren und Dienstleistungen). Die Fähigkeit und das Vertrauen der sogenannten Wirtschaftssubjekte, Menschen und Unternehmen, zur Kreditgewährung sind wesentlicher Grundstein und eine Grundvoraussetzung dafür, dass Gesellschaften, so wie in der Vergangenheit, prosperieren können. Und diese Kreditfähigkeit der Volkswirtschaft ist aktuell in höchster Gefahr und steht kurz vor einem möglichen Zusammenbruch. Wie konnte es dazu kommen? Ein Problem heute ist: Immer weniger Investitionen, dafür aber mehr und mehr Konsum wurde und wird kreditfinanziert; das heißt, auf Kredit wird nicht der Ausbau der Wertschöpfungsfähigkeit vorgenommen, sondern es erfolgt ein Konsum auf Pump. Seit über 40 Jahren wächst die Wertschöpfungsfähigkeit weltweit langsamer als die Verschuldung. Man könnte das zentrale Problem der Krise im Weltfinanzsystem plakativ so formulieren: Die Welt ist schlichtweg überschuldet! Indikatoren für eine Überschuldungssituation sind insbesondere drei Relationen: a) Liquidität des Systems (Zentralbankengeld : Schwellgeld); derzeit ca. 1 : 53,5; b) äußere Solvabilität des Systems (BIP : Schwellgeld); derzeit 1 : 4 (ohne Schattenbanking; das Problem derzeit ist, dass seit über 40 Jahren das Schwellgeld schneller wächst als das BIP!); c) innere Solvabilität (Eigenkapital : Schwellgeld). Dies kann insbesondere auch wegen der international üblichen Fair-Value-Bewertung nicht sicher abgeschätzt werden. Negatives Eigenkapital ist als Worst Case nicht unwahrscheinlich und verursacht Probleme bei den Optierungsmöglichkeiten im Accounting und der Kaufkraft. Warum müssen oder sollen vor diesem Hintergrund insolvente, also zahlungsunfähige oder überschuldete systemrelevante Institutionen oder Staaten gerettet werden? Sind sie nicht selbst schuld, wenn sie sich in diese Situation hineinmanövriert haben, indem sie über ihre Verhältnisse gelebt haben? Das ist keine leicht zu beantwortende Frage, denn dafür muss man auch bedenken, welche Gläubiger im Falle einer Insolvenz des Schuldners Verluste erleiden werden und ob diese denn alle selber daran schuld sind, der systemrelevanten Institution oder dem Staat Kredite gewährt zu haben. Eine wichtige Frage dabei ist letztendlich auch, ob genug haftendes Vermögen mit Wert in dem System steckt, damit unschuldige Gläubiger nicht die Verlierer sind. Vorrangige Kredite werden mit diesen haftenden Werten bedient, und alle anderen gewährten Kredite, die über dieses haftende Vermögen hinausgehen, können nicht eingelöst werden. Wir stellen an dieser Stelle zwei weitere Fragen: Sind Schuldscheine, also gewährte Kredite, Vermögen mit Wert? Sind sich diejenigen, die Kredite gewähren oder gewährt haben, sich dessen bewusst? Ist sich eigentlich jeder bewusst, der einem Staat oder einer Bank unmittelbar oder mittelbar einen Kredit gewährt, dass er dies tut? Ist ein Bankkunde sich bewusst, dass ein Guthaben auf seinem Konto bedeutet, dass er seiner Bank einen Kredit gewährt? Ist es dem Besitzer einer Lebensversicherungspolice, der monatliche oder 18

Schwerpunktthema Bankensektor jährliche Beiträge zahlt, bewusst, dass er der Lebensversicherung letztlich einen Kredit gewährt? Ist sich ein Sparer mit einem Tagesgeldkonto bewusst, dass er einem Geldmarktfonds einen ungesicherten Kredit gewährt? Sind all diese Menschen selber schuld, wenn sie in dieser Form für ihre Zukunft vorsorgen? Schließlich gibt es doch auch politisch gewollte Lenkungswirkungen, beispielsweise wenn vermögenswirksame Leistungen steuerlich bevorzugt werden. Im Buch Das Kartenhaus Weltfinanzsystem. Rückblick Analyse Ausblick habe ich zusammen mit Wolfgang Eichhorn ausgeführt, welche systemischen Zwänge nach dem Platzen des New Economy Bubble um die Jahrtausendwende zu einer gigantischen Ausweitung der weltweiten Kreditvergabe geführt haben. In nur sieben Jahren hatte sich die weltweite Verschuldung um weitere 100.000 Milliarden Dollar verdoppelt. Das war nur deshalb möglich, weil die geltenden gesetzlichen Regelungen nur einen Bruchteil an haftendem Eigenkapital fordern, in Relation zu dem Gesamtvolumen an gewährten Krediten, also für Finanzprodukte, die ihrerseits von Sparern als Vermögenswerte gehalten werden. Durch die Nutzung der schlimmsten Massenvernichtungswaffe im Weltfinanzsystem, dem internationalen Buchhaltungsstandard des Fair Value, in Verbindung mit dem Konzept des Value at Risk, wurde immer mehr und mehr Haftung aus dem System herausgezogen, sodass sich sogar die Frage stellt, ob überhaupt noch wirklich haftendes Vermögen im System steckt. Noch nicht einmal allen Schulden als Verbindlichkeiten stehen zumindest Kredite als Forderungen gegenüber, viele Kredite sind gänzlich unbesichert. Um den möglicherweise drohenden Kollaps des Systems ohne Rettungsmaßnahmen etwas greifbar zu machen, stellen wir uns einmal vor, dass weltweit eine Ahnung aufkeimt, dass im wackeligen Geldkreisel keine wirkliche Haftung mehr ist, und das bei dem derzeitig riesigen Volumen an Krediten. Wem würde man dann noch weitere Kredite gewähren wollen oder auslaufende Kredite verlängern? Vielleicht nur noch demjenigen, der genug hat? Nur, warum würde ausgerechnet jemand einen Kredit benötigen, der genug hat? Wer genug hat, will doch eher einen Kredit gewähren, um so noch eine Rendite zu erzielen. Aber dazu ist er nur bereit, wenn eine Aussicht darauf besteht, dass der gewährte Kredit auch tatsächlich erfüllt wird. Mit schwindender Sicherheit und mit schwindendem Vertrauen bricht die Bereitschaft zur Kreditvergabe zusammen, die dann resultierenden Abläufe nenne ich den Reise-nach-Jerusalem-Effekt. Auslaufende Kredite werden nicht mehr verlängert. Was macht dann eine Familie, die ihr Haus teilweise kreditfinanziert hat, wenn niemand mehr bereit ist, ihr einen Anschlusskreditvertrag zu gewähren oder wenn, dann nur zu sehr viel höheren Zinsen? Sie muss ihr Haus verkaufen, egal, welchen Preis sie dann erzielen kann. Und so ist auch die Situation bei Unternehmen zu sehen. Viele unternehmerische Aktivitäten sind kreditfinanziert. Ein Unternehmen, das am Ende einer vereinbarten Kreditlaufzeit keinen Folgekredit bekommen kann, muss Vermögenswerte veräußern. Egal, welcher Preis dann erzielt werden kann. So etwas bezeichnet man als Fire Sales. Viele solcher Fire Sales sind bereits in den letzten Jahren zu beobachten gewesen. Mehr und mehr wichtige europäische Unternehmen sind jetzt im Besitz großer institutioneller Investoren, maßgeblich aus dem angelsächsischen Raum. Aktuell trifft es die öffentlichen Hände, die Staaten. Griechenland gewährt niemand mehr Kredite, die Zinsen steigen für Länder wie Spanien und Italien. In der Folge werden diese Länder derzeit gezwungen, ihre Ausgaben drastisch zu reduzieren, wodurch die Grundlagen für Wertschöpfungsfähigkeit, das Gemeinwesen, schwindet. Endet dies im Ausverkauf von Europa? Dies ist eine Todesspirale nach unten, denn ohne Wertschöpfungsfähigkeit können Kredite nicht bedient werden. Es ist daher wichtig, die Kreditfähigkeit des Systems aufrechtzuerhalten, um ein derartiges Kollabieren der Wertschöpfungsfähigkeit zu vermeiden; genau darum geht es. Sonst würden in der Folge sämtliche Vermögen, die aus gewährten Krediten bestehen, wertlos. Gera- 19

SenatE // Schwerpunktthema de auch die riesigen Volumen an Finanzvermögenswerten, die in Renten- und Pensionskassen, beispielsweise auch der betrieblichen Altersversorgung zurückgelegt wurden. All das sind gewährte Kredite über Sparbeiträge. Ein Weiteres ist zu beachten: Die Sparleistung der ganzen Welt reicht schon lange nicht mehr aus, um alle Kredite zu gewähren. Man kann dies als Indiz dafür interpretieren, dass der Konsum in den wohlhabenden Staaten zu hoch ist. Heute heißt Kreditgewährung nicht, sich Geld zu leihen, das jemand anderes gespart hat. Stattdessen werden 20

Schwerpunktthema Bankensektor im Kartenhaus Weltfinanzsystem die meisten neuen Kredite über andere neue Kredite, über frisches Geld gewährt. Das ist gewissermaßen eine legalisierte Form der verbotenen Wechseltreiberei. Die sogenannten systemrelevanten Institutionen stellen sicher, dass eine solche, weit über der weltweiten Sparquote liegende Kreditneuverschuldung überhaupt möglich ist. Natürlich ist dies in sich keinesfalls auf Dauer tragfähig, wie ich bereits im 2007 veröffentlichten Buch Weltfinanzsystem am Limit Einblicke in den Heiligen Gral der Globalisierung aufgezeigt habe. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht einfach. Er erfordert im Kern eine Erhöhung der Investitionen in eine nachhaltige, umweltverträgliche Produktionskultur, denn mit der aktuellen Produktionskultur verbrauchen wir derzeit die Naturleistung von 1,5 Planeten. Damit verbunden sind die notwendige Reduktion der im weltweiten Maßstab in der Spitze angesiedelten Konsummuster und natürlich die Vermeidung eines unsinnigen oder exzessiven Verbrauchs zugunsten von Investitionen in die Zukunft. Für diesen Prozess benötigt man Zeit und eine Stabilität im Finanzsystem. Und man braucht Mittel für diese Maßnahmen, ohne sich neu zu verschulden. Die Gretchenfrage, vor der wir heute alle stehen, lautet daher: Wer haftet, wer finanziert und mit welchem Beitrag? Ein Vorschlag, den schon der Internationale Währungsfonds vor zirka zwei Jahren den G-20 gegenüber unterbreitet hat, lautet: Wir brauchen eine faire Abgabe im Finanzmarkt. Diesen Vorschlag würde eine Lenkungsabgabe auf alle Finanzprodukte, auf alle verbrieften Kredite, aufgreifen. Eine Finanzproduktsteuer könnte so ausgestaltet sein, dass sie Fairness in den Märkten unterstützt und dabei die Verteuerung von Krediten in Breite verhindert. Eine auf die Erreichung umweltverträglicher und sozial nachhaltiger Wertschöpfung zielende Kreditaufnahme soll dabei natürlich nicht verhindert, sondern im Gegenteil unterstützt werden, aber spekulative Aktivitäten, gerade des Finanzsektors, sollen gedämpft werden. Kernaspekte der fairen Stabilitätsabgabe wären: Finanzprodukte und Schuldinstrumente als Steuerbemessungsgrundlage zu sehen. (Dies ist ähnlich zur Bankenabgabe und dem IMF-Vorschlag einer FSC (financial stability contribution.) Der Steuersatz ist abhängig von der ökonomischen Leistungsfähigkeit; höhere Leistungsfähigkeit bedeutet höherer Steuersatz. Dies erhöht die Fairness im System. National könnte dies sogar ein alternativer Ansatz für die Gewerbesteuer sein. Eine auf dieser Basis aufsetzende Gewerbesteuer hätte keine hohe Volatilität. Die vorgeschlagene Finanzproduktsteuer darf nicht mit der heute diskutierten Transaktionssteuer verwechselt werden, kann diese aber sinnvoll ergänzen! Eine Transaktionssteuer ist eher vergleichbar mit der Grunderwerbsteuer. Ein Haus, das einmal gebaut wurde, unterliegt dann der Grunderwerbsteuer, wenn es weiter veräußert wird. Bei der erstmaligen Erstellung des Hauses ist keine Grunderwerbsteuer fällig. Hier greift stattdessen die Mehrwertsteuer. Sie wird nur bei der Erstellung fällig. So wäre es auch bei der Finanzproduktsteuer. Diese Abgabe wird bei der Erstemission von Schwellgeld fällig. Sie müsste von dem gezahlt werden, der das Schwellgeld das neue Finanzprodukt erzeugt. Das ist derjenige, der den Kredit aufnimmt und damit das System mit seinem Risiko belastet. Die über solch eine faire Stabilitätsabgabe eingenommenen Mittel sollten verwendet werden für mehr Haftungskapital im System, Entschuldungsbeiträge für die öffentliche Hand, und ganz besonders für Investitionen in die Grundlagen für nachhaltige, eine Ökosoziale Marktwirtschaft. Der letzte Punkt ist zentral, denn es gibt keine andere Möglichkeit einer gemeinwohlorientierten sanften Entschuldung über eine Erhöhung der Wertschöpfungsfähigkeit, ohne die Natur zu zerstören. 21

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Schwerpunktthema Bankensektor Manfred Totzauer Paradigmenwechsel in der Bankenbranche Das Ende einer Epoche Wo steht die globale Welt heute? Führende Ökonomen weltweit sind sich einig, dass sich die westliche Welt in einer Systemkrise befindet. Nicht nur das Banken- und Finanzsystem ist krank, sondern auch unser Wirtschaftssystem funktioniert nicht mehr zufriedenstellend. Wir befinden uns in einer der größten Transformationen der Geschichte, wie man den fundamentalen Wandel nennen kann, der momentan in Wirtschaft und Gesellschaft vor sich geht. Wir haben es also weit über die ökonomischen und ökologischen Dimensionen hinaus mit einer Krise des bisherigen Funktionierens der Gesellschaft und der sich immer deutlicher zeigenden Unlenkbarkeit und Unregierbarkeit ihrer Institutionen zu tun. Der Störfall, die Krise, wird zur Normalität. Für die Geldkonzerne gehen 20 Jahre Macht und Herrlichkeit zu Ende. Ihnen droht die Zerschlagung, der ganzen Branche die Schrumpfung. Was bleibt am Ende vom alten Finanzgewerbe übrig? Was sind die Alternativen? Wo steht das alte, herkömmliche Banksystem im Jahr 2012/13? Folgende Fakten kennzeichnen den Status quo des herkömmlichen Bankensystems heute: Das Bankensystem befindet sich noch immer in der schwersten Vertrauenskrise in der Nachkriegszeit. Europäische Banken: Ende 2011 existieren 1,05 Billionen faule Kredite. Im Vergleich zu 2008 ( 500 Mrd.) bedeutet dies einen Anstieg von 110% (PwC). Zu den faulen Krediten kommen europaweit laut PwC noch 1,5 Billionen an Kreditportfolios, welche abgebaut werden sollen. 23

SenatE // Schwerpunktthema Die EU-Kommission musste zwischen Oktober 2008 und Oktober 2011 insgesamt 4,5 Bio. Euro staatliche Beihilfen für kranke Institute genehmigen, das sind rund 35% der EU-Wirtschaftsleistung. Die Schattenbanken sind kein Phantombegriff, sondern Wirklichkeit 46 Billionen Euro werden dort verwaltet Es existieren derzeit 222 US$-Trillionen (EU Billionen) ausstehende Derivate. Die Finanzwirtschaft ist heute um ein Vielfaches größer als die Realwirtschaft. Dieses Verhältnis ist ein wesentlicher Grund der Krise und wird nicht haltbar sein. DAX-Konzern-Chefs fordern die Bankenzerschlagung (Wolfgang Reitzle, CEO der Linde AG: Mit der Libor-Affäre ist vielleicht der letzte Rest Vertrauen verloren gegangen. Was soll man denn noch glauben, wenn der wahrscheinlich wichtigste Zins der Welt manipuliert wurde? Die Finanzwirtschaft habe sich weitgehend von der Realwirtschaft abgekoppelt und ihre eigene Parallelwelt geschaffen, in der virtuelle Werte entstanden sind.) Laut Prognose des Beraters Jones Lang LaSalle wird bis 2020 die Hälfte aller Bankfilialen in den Industrieländern überflüssig sein. Neue Antworten insbesondere vor dem Hintergrund nachhaltigen und ökosozialen Wirtschaftens sind notwendig, um die Systemkrise zu lösen. Ein neues, ökosozial nachhaltigen Kriterien entsprechendes Bankensystem hat dabei eine Schlüsselrolle für die Entwicklung eines nachhaltig funktionierenden Finanz- und Wirtschaftssystems zu übernehmen. Das Geschäftsmodell der nachhaltigen Banken in der Finanzbranche gilt inzwischen als wegweisend, da es plausible Antworten auf die anhaltende Banken-Vertrauenskrise, den allgemeinen gesellschaftlichen Wertewandel hin zur Nachhaltigkeit und Transparenz sowie langfristige Wachstumschancen bietet. Die ökosozial nachhaltige Bank richtet ihr Augenmerk generell auf die Realwirtschaft. Die Spekulation auf eigene Rechnung ist nicht erlaubt. Das hat positive Konsequenzen, denn Fakt ist: Nachhaltige Banken 24 Sie können uns fragen! Oder die, die eh` nichts wissen. MASCO Consult GmbH Innsbrucker Bundesstraße 40/2, A 5020 Salzburg T +43 662 82 56 88 F +43 662 82 56 88-21 office@mascoconsult.com www.mascoconsult.com