Statement der Kampagne Dritte Option zur anstehenden Gesetzesreform Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber mit der Entscheidung vom 17.10.2017 (AZ: 1 BvR 2019/16) den Auftrag gegeben bis zum 31.12.2018 eine verfassungsgemäße Gesetzeslage hinsichtlich der Personenstandskategorie Geschlecht herzustellen. Wir die Kampagne für eine Dritte Option beim Geschlechtseintrag haben das Verfahren von der ersten Idee bis zum Bundesverfassungsgericht begleitet. Wir hoffen, dass der Gesetzgeber den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ernst nimmt und zeitnah ein Gesetz verabschiedet, welches eine verfassungsgemäße Rechtslage herstellt und den Lebensrealitäten der Betroffenen gerecht wird. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die Betroffenen angemessen in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits einen groben Rahmen für die notwendigen Änderungen vorgegeben. Bestimmte Fragen wurden jedoch aus rechtlichen Gründen offen gelassen. Zudem besteht noch weiterer Reformbedarf, der unabhängig von dem genannten Beschluss entstanden ist, aber den gleichen Themenkomplex betrifft. Des Weiteren sollte es diesmal vermieden werden, eine rechtsunsichere und uneindeutige Situation wie 2013 herbei zu führen, als zwar der 22 Abs. 3 PStG per Bundestagsbeschluss eingeführt wurde, jedoch keinerlei Folgeregelungen bedacht und verabschiedet wurden. Daher wollen wir hier in knapper Form noch einmal die aus unserer Sicht wesentlichen Punkte für den anstehenden Gesetzgebungsprozess zusammenfassen: I. Gutachten Geschlechtervielfalt im Recht Es liegt mit dem Gutachten Geschlechtervielfalt im Recht (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/geschlechtervielfalt-im-recht/114072) bereits ein Gesetzesentwurf vor. Wir halten diesen Entwurf für uneingeschränkt empfehlenswert. Der Entwurf basiert auf einem umfassenden Gutachten, ist stimmig und vermeidet die genannten Fehler bei der Einführung des 22 Abs. 3 PStG. Insbesondere haben die Verfasser*innen eine Lösung gewählt, die den unterschiedlichsten Lebenssituationen und damit verbundenen Anliegen gerecht wird. Die Regelung, bei Geburt kein Geschlecht einzutragen, verhindert, dass Neugeborene mit einem Geschlechtseintrag registriert werden, der nicht zutrifft. Diese Regelung macht die fehlende Registereintragung zum Normalfall, statt wie derzeit mit dem 22 Abs. 3 PStG zum Ausnahmefall. Im günstigsten Falle nimmt die Neureglung damit in erheblicher Weise den Druck von Eltern, ihrem intergeschlechtlichen Kind ein Geschlecht zuzuweisen, sowie medizinisch überflüssigen
Operationen und anderen medizinischen Maßnahmen zuzustimmen. Auch aufwendige Verfahren wie nach dem derzeitigen Transsexuellengesetz (TSG) zur Änderung des Eintrags werden damit vermieden. Gleichzeitig würde die Regelung allen Menschen ermöglichen, eine Registrierung des Geschlechts vornehmen zu lassen, wenn es ihren Bedürfnissen entspricht. Hinsichtlich der Vornamensänderung würden wir allerdings eine Ergänzung des Entwurfs vorschlagen. Eine Änderung sollte nicht nur als Folge einer Änderung des Geschlechtseintrages möglich sein. Bereits jetzt nehmen viele transidente Personen die Möglichkeit des TSG in Anspruch, ausschließlich den Vornamen zu ändern. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch für zahlreiche Personen, die nicht von den Regelungen des derzeitigen TSG erfasst werden, ausreichen würde einen geschlechtlich neutral wahrgenommen Vornamen zu tragen ohne den Geschlechtseintrag zu ändern. II. Unabdingbare Kernelemente einer neuen Regelung Sollte der Gesetzgeber den vorliegenden Entwurf nicht umsetzen wollen oder Änderungen des Entwurfs als notwendig ansehen, müssen sich folgende Punkte in einem neuen Gesetz wiederfinden: 1. Keine Differenzierung anhand medizinischer Beurteilungen Bereits in mehreren Entscheidungen zum TSG und auch in der aktuellen Entscheidung zur Dritten Option hat das BVerfG festgestellt, dass es für den Personenstandseintrag nicht auf eine medizinische Beurteilung der Person ankommt. Entscheidend ist die Selbstzuordnung zum männlichen, weiblichen oder einem anderen Geschlecht. Entsprechend ist für die Regelung des Personenstandes auch keine Differenzierung zwischen transgeschlechtlichen Personen, intergeschlechtlichen Personen und weiteren Personen notwendig. 2. Keine Gutachten für die Eintragung, Löschung oder Änderung eines Geschlechtseintrags Aus dem oben Gesagten ergibt sich bereits, dass es nicht auf eine ärztliche Begutachtung der körperlichen Verfasstheit ankommen kann. Allerdings sind auch psychologische oder psychiatrische Gutachten nicht sachgemäß. Gutachten verursachen für die Betroffenen zeitlichen, emotionalen und finanziellen Aufwand (und ggf. auch einen finanziellen Aufwand des Staates). Diesen Nachteilen steht kein positiver Nutzen entgegen. Zahlreiche Staaten haben in den letzten Jahren eine Änderung des Geschlechtseintrages für transgeschlechtliche Personen ohne ein Begutachtungsverfahren ermöglicht. Es ist nicht ersichtlich, dass dies zu negativen Folgen geführt hätte. Die Zeitschrift für Sexualforschung (Z Sex-Forsch) titelte zu den im TSG vorgeschriebenen
Gutachten bereits 2013 Viel Aufwand und wenig Effekt (Z Sex-Forsch 2013, 175). Mehrere langjährige Gutachter*innen haben festgestellt, dass die Gutachten zu 99% im Ergebnis der Selbstverortung der Betroffenen entsprechen die Erklärung der Antragsteller*innen also ausreichen würde (vgl. dazu Meyenburg/Renter-Schmidt/Schmidt, in Z Sex-Forsch 2015, 107 ff. mwn und Meyenburg, in Z Sex-Forsch 2016, 57). Angesichts dieser Erfahrungen ist es sachlich nicht zu begründen, neue Gutachtenpflichten einzuführen. Vielmehr wäre es sachgemäß die Eintragung, Löschung oder Änderung eines Geschlechtseintrags für alle Personen in einer Norm zu regeln und das TSG und dessen Begutachtungsverfahren abzuschaffen. 3. Vielfalt beachten a) Die notwendige Neuregelung des Personenstandsgesetzes sollte als Chance genutzt werden, die rechtliche Verfasstheit der Kategorie Geschlecht für alle Personen zu regeln. Die bisherige Differenzierung für Änderungen der Eintragung im Geburtsregister nach dem PStG und dem TSG haben vielfach zu Unklarheiten über die zuständige Antragstelle geführt. Sowohl das Personenstandsrecht als auch andere Gesetze, die (bisher) einen geschlechtlichen Bezug haben, müssen der Existenz aller Personen gerecht werden. Dazu gehören sowohl Männer und Frauen (auch solche mit intergeschlechtlichem und/oder transgeschlechtlichem Hintergrund) als auch Personen mit einer nicht-binären Verortung. b) Die im Kontext der Bundesverfassungsgerichtsentsc heidung vielfach genannte Formulierung drittes Geschlecht ist nicht zutreffend. Davon auszugehen, es gäbe nur Mann und Frau ist falsch. Ebenso unzulänglich ist es jedoch nun davon auszugehen, es gäbe genau drei Geschlechter. Daher sollte ein dritter Eintrag möglichst offen gestaltet sein und nicht suggerieren, dass damit das dritte Geschlecht erfasst wird. c) Dies muss sich auch in der Benennung der neu zu schaffenden positiven Eintragsmöglichkeit wiederfinden. Der positive Eintrag muss derart beschaffen sein, dass sich möglichst alle Personen, die nicht (ausschließlich) dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehören, darin wiederfinden können. Wünschenswert wäre die Möglichkeit, dass Betroffene selber mitteilen können, welche positive Benennung für sie die zutreffende ist. Dies wäre ein wichtiges Signal für die Anerkennung der individuellen geschlechtlichen Identität, die sich in der positiven Benennung ausdrücken soll. Ein Beispiel für eine solche Regelung befindet sich im schon genannten Gesetzesentwurf im Rahmen des Gutachtens Geschlechtervielfalt im Recht. Auch der Antrag von Vanja, der der Bundesverfassungsgerichtsentsc heidung zu Grunde liegt, drückt durch die Formulierung inter/divers eine solche Möglichkeit aus inter als spezifische Bezeichnung und divers als allgemeiner Begriff.
Sollte sich der Gesetzgeber gegen ein solches Modell des selbstbestimmten Begriffs entscheiden, muss sichergestellt sein, dass ein einheitlicher Begriff möglichst offen ist, damit mit den dann vorhandenen Optionen alle Personen erfasst werden. Zugleich muss eine Formulierung gefunden werden, die nicht diskriminierend ist also nicht eine Abweichung von der Norm definiert, wie es beispielsweise der Begriff anderes in der Wahrnehmung der Mehrheit der Betroffenen ausdrückt. 4. Weitere Neuregelungen im Kontext einer dritten Option Nach 1 Abs. 1 Satz 1 PStG ist der Personenstand, die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens. Entsprechend muss sich die Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister in der familienrechtlichen Stellung und im Namensrecht wiederfinden. a) Dem Anspruch auf einen der geschlechtlichen Selbstverortung entsprechenden Eintrag des Geschlechts muss ein Anspruch auf eine Änderung des Vornamens entsprechen, beispielsweise durch einen nicht binärgeschlechtlich wahrgenommenen Vornamen oder auch die Hinzufügung eines gegengeschlechtlichen Vornamens zum bisherigen Vornamen. b) Auch die Elternschaft darf nicht wie bisher ausschließlich binärgeschlechtlich geregelt sein. Bereits jetzt erfassen die aktuellen Regelungen des BGB zur Elternschaft nicht mehr die personenstandsrechtliche Realität. Die ausschließliche Bezeichnung von gebärenden Personen als Mutter und des Co-Elternteils als Vater schafft zum einen eine erhebliche Rechtsunsicherheit der Elternschaft von Personen, die nach 22 Abs. 3 PStG weder männlich noch weiblich sind. Des Weiteren führt die Rechtslage dazu, dass Personen, deren Personenstand nach 8 TSG geändert wurde, nicht entsprechend dem Personenstand ihres Geburtsregisters in das Geburtsregister des Kindes eingetragen werden, sondern Männer als Mütter eingetragen werden und Frauen als Väter. Damit widersprechen sich zum einen die verschiedenen Personenstandsregister und zum anderen sind die betreffenden Familien erheblichen Diskriminierungen, Rechtsunsicherheiten und rechtlichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Zu diesen bereits bestehenden Konstellationen wird in Zukunft die Elternschaft von Personen mit einer dritten Option hinzukommen. Eine einheitliche und widerspruchsfreie Rechtslage ohne Ausnahmeregelungen ließe sich unkompliziert durch eine geschlechtsneutrale Benennung der Eltern im BGB, im PStG und den entsprechenden Personenstandsregistern herbeiführen. c) Selbstverständlich müssen auch andere Gesetze, die auf das Geschlecht abstellen entsprechend reformiert werden, um die Einbeziehung aller Personen zu ermöglichen. Zwar hat das BVerfG in aller Deutlichkeit klargestellt, dass der Begriff Geschlecht in Art. 3 Abs. 3 GG alle Geschlechter erfasst, dennoch erscheint es zur praktischen Umsetzung relevant dies im Antidiskriminierungsrecht zu verankern und zusätzlich aktiv Diskriminierungen aufgrund einer Inter- oder
Transgeschlechtlichkeit durch staatliche oder andere Stellen zu beseitigen. Dies muss unabhängig von der Eintragung im Personenstandsregister erfolgen, da auch Männer und Frauen von Diskriminierungen aufgrund Inter- oder Transgeschlechtlichkeit betroffen sind. III. Der Gesetzgeber sollte es vermeiden erneut ein verfassungswidriges Gesetz zu schaffen. Das TSG hat lediglich zwölf Paragraphen, dennoch wurden in sechs Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Regelungen des TSG als verfassungswidrig beurteilt. Ein Gesetz, dessen Regelungen über Jahre hinweg in mehreren Verfahren einer stetigen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht bedürften, sollte den Betroffenen nicht (noch einmal) zugemutet werden. Alle die genannten Aspekte sind unseres Erachtens elementar, um eine verfassungsgemäße, die Grundrechte der Betroffenen schützenden Rechtslage herbei zu führen. Nur eine umfassende Neuregelung, die die genannten Mindestanforderungen beachtet, kann Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herbeiführen. Sollte eine Minimallösung gewählt werden, die nicht allen Betroffenen eine dritte Option ermöglicht, hohe Hürden für eine entsprechende Eintragung aufstellt oder neue Diskriminierungen herbeiführt, sind weitere Gerichtsverfahren und in Folge weitere Gesetzesänderungen die Folge. Dies würde eine unnötige Belastung für die Betroffenen herbeiführen und wie schon bisher dazu führen, dass die Regelungen verschiedener Gesetze miteinander kollidieren, Rechtsfolgen ungeregelt sind und sich die Lebensrealitäten von einzelnen Personen und Familien nicht in der Rechtslage wiederfinden. Auch in den Lebensbereichen, die nicht das Personenstandsrecht betreffen, sollten selbstverständlich die Grundrechte aller Menschen gewahrt werden. So muss angesichts der immer noch bestehenden Praxis Minderjährige ohne deren Einwilligung medizinisch unnötigen Operationen und/oder Hormonbehandlungen zu unterziehen, dringend ein entsprechendes Verbot normiert werden und zugleich eine von den behandelnden Ärzt*innen unabhängige Beratung der betroffenen Eltern und Kindern sichergestellt werden. Ebenfalls muss eine einwilligungsbasierte medizinische Betreuung und Versorgung aller intergeschlechtlichen und transgeschlechtlichen Personen unabhängig von ihrem Personenstand sichergestellt sein. Auch das Aufsuchen öffentlicher Toiletten und die Teilnahme an Sportangeboten müssen unabhängig vom Geschlecht möglich sein. Kampagne Dritte Option, 12. Januar 2018