ST. FLORIAN MÜNCHEN-MESSESTADT RIEM PFARRKIRCHE ST. FLORIAN 2005 1
PFARRKIRCHE ST. FLORIAN MÜNCHEN-MESSESTADT RIEM KIRCHENZENTRUM Inmitten des neuen Münchner Stadtteils Messestadt-Riem erhebt sich südöstlich des Platzes der Menschenrechte das ökumenische Kirchenzentrum der katholischen St.-Florians-Gemeinde und der evangelisch-lutherischen Sophiengemeinde. Der einem Campanile gleich freistehende, schlanke Kirchturm nimmt eine pointierte Stellung innerhalb des Stadtgefüges ein und leitet den Besucher vom Stadtplatz zum Kirchenzentrum. Das fast klösterlich anmutende, blockhafte Erscheinungsbild des Kirchenzentrums, das durch das einheitlich weiß geschlämmte Mauerwerk unterstrichen wird, bildet einen deutlichen Gegensatz zur umliegenden profanen Bebauung und verleiht dem Gebäude sakrale Qualität. Das nach außen gesamtheitliche Kirchenzentrum teilt sich in zwei Binnenblöcke, die der katholischen und der evangelisch-lutherischen Gemeinde zugewiesen sind. Der katholische Bereich gliedert sich in Kirche, Pfarrhaus, Pfarrheim und Kindergarten. Die unterschiedliche Nutzung der Gebäudeteile spiegelt sich in der vielfältigen formalen und räumlichen Qualität der Höfe und Innenräume wider. 2
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Die Kirche St. Florian besteht aus Hauptraum, Werktagskirche und Taufkapelle, deren Raumteile fließend ineinander übergehen und durch unterschiedliche Raumhöhen abgesetzt sind. Der rechteckigen Grundfläche ist ein lateinisches Kreuz einbeschrieben, dessen Enden mit farbkräftigen Glasflächen besetzt sind. Vom großen Innenhof des katholischen Bereichs aus öffnen sich in den klar proportionierten Kirchenraum 14 Glastüren, die zugleich den Kreuzweg aufnehmen sollen. Im Schnittpunkt des Grundrißkreuzes befindet sich die annähernd quadratische und leicht erhöhte Altarinsel, die durch eine Oberlichtöffnung im Dachtragwerk als Ort der Liturgiefeier akzentuiert ist. Vier Bankblöcke, die der Altarinsel von drei Seiten zugeordnet sind, unterstreichen den Charakter der sich um den Altar versammelnden Communio. Die in Verlängerung des linken Querarms ansetzende Taufkapelle wirkt durch ein vorgelagertes Wasserbassin in den Außenraum fort und unterstreicht die Bedeutung der Taufe als Eingangssakrament. Innerhalb der von Proportion und Regelmaß erfüllten Architektur bilden die farb- und wirkmächtigen Glasflächen in ihrer künstlerischen Freiheit und Dynamik einen bewussten Kontrapunkt. 5
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PFARRKIRCHE ST. FLORIAN MÜNCHEN-MESSESTADT RIEM GLASKUNST Wesentliches Gestaltungselement des Kirchenraums sind die von der Berliner Künstlerin Hella Santarossa in leuchtenden Farben konzipierten Fenster an den vier Seiten des Raumes (zur Einweihung nur altarseitiges Fenster vollendet). Das altarseitige Auferstehungsfenster besteht aus 35 querrechteckigen Scheiben (134 x 250 cm), die sich zu einem monumentalen 7 x 17 m großen Glasgemälde verbinden. Die 10 mm starken Scheiben sind von 400 Acrylglasstäben durchdrungen, die im Wechsel des Tageslichts variierende Lichtpunkte setzen. Darüber hinaus verleihen die in unterschiedlichem Winkel vorstehenden Stäbe der Glaswand skulpturale Präsenz und Tiefenwirkung. Dieser Intention folgt auch der maltechnische Aufbau. Während auf die Vorderseite in traditioneller Weise transluzente, keramische Schmelzfarben aufgebracht sind, ist die Rückseite zusätzlich mit opakeren Kaltfarben bemalt. Die kraftvolle Malerei ist dem aus dem amerikanischen Expressionismus rührenden action painting verpflichtet und das Ergebnis eines dynamischen Werkprozesses. Eine gelblich leuchtende Fläche, die durch ein eingeätztes Kreuz als geistige Mitte ausgezeichnet ist, zieht den Blick des Betrachters auf sich. Bewegte Farblinien, die sich in einzelnen Farbpunkten auflösen, durchweben die gewaltige Glasfläche und bilden ein spannungsreiches, netzartig verdichtetes Bildkontinuum, das in seiner rein abstrakten Konzeption inhaltliche Vielfalt birgt. 8
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LITURGISCHE AUSSTATTUNG Zentrale Bedeutung kommt den von Martin Rauch zusammen mit Florian Nagler durchgängig aus Stampflehm gefertigten liturgischen Orten zu. Altarinsel, Altar, Ambo und Vorstehersitz präsentieren sich in einheitlicher Materialität und verbinden sich zu einer beeindruckenden Großplastik, die über die formale Geschlossenheit hinaus die liturgische Zusammengehörigkeit und ge- genseitige Bedingung versinnbildlicht. Der durch den Werkprozeß bedingte, geschichtete Charakter der Oberflächen verleiht den klaren kubischen Formen ein lebendiges Erscheinungsbild und sinnliche Qualität. Altar und Ambo besitzen darüber hinaus einen Abschluss aus Naturstein (Mensa und Buchauflage), die die Präsenz Gottes in Eucharistie und Wort unterstreicht. Taufstein und Tabernakel sind analog gestaltet und lassen die plastische Mitte in die Nebenräume (Taufkapelle, Werktagskirche) ausgreifen. Zur Weihe des Altares wird ein Reliquienpartikel des hl. Florian in den Stipes des Altars eingesetzt, der dem berühmten Reliquienschatz von Salmannskirchen entnommen ist. 10
VAS A SAC RA Für die vielfältigen liturgischen Handlungen, die von der Eucharistiefeier über sakramentale Akte, Andachten bis zu Segnungen reichen, ist eine große Zahl liturgischer Geräte notwendig. Ihre Berührung mit dem Heiligen (Vasa sacra heilige Gefäße) verlangt nach edler und würdiger Gestaltung als angemessener Ausdruck und zur Veranschaulichung des Göttlichen. Entsprechend prägen edle Materialität und höchster künstlerischer Anspruch seit jeher Erscheinungsbild und Gestaltung. Das von Annette Zey fast durchgängig in Silber gearbeitete liturgische Gerät, das Kelch, Hostienschalen, Ciborium, Osterleuchter, Vortragekreuz u.v.a. umfasst, zeichnet sich sowohl durch klare künstlerische Haltung wie höchste Perfektion in der handwerklichen Ausführung aus. In der fein ausgewogenen Proportionalität und den präzis gesetzten Fugenschnitten spiegeln sich wesentliche Leitgedanken der Architektur wider. Formale Einheit und Kontinuität zwischen Hülle und Inhalt ist somit in doppelter Hinsicht gegeben. Die zylindrische Grundform, aus der alle liturgischen Geräte entwickelt werden, bildet darüber hinaus eine eigenständige Qualität, die den Vasa sacra zeitlose Würde und Erhabenheit verleiht. PARAME NTE Die von Ina Funke entworfenen Messgewänder sind ähnlich den Vasa sacra von der Formensprache der Kirchenarchitektur inspiriert. Äußere Kontinuität bei innerer Vielfalt kennzeichnet das Erscheinungsbild der fünf Kaseln. Die silbergraue bzw. weiße Oberseite und die kreuzförmige Schlitzung der Vorderseite schaffen eine formale Einheit, die durch die liturgischen Farben in der Kreuzfuge und im Gewandfutter ihre Variierung erfährt. 11
VERANTWORTLICHE PERSONEN/ KÖRPERSCHAFTEN UND FIRMEN PFARREI ST. FLORIAN MÜNCHEN-MESSESTADT RIEM Pfarrer Martin Guggenbiller Kurat Stephan Ostrowitzki ERZBISCHÖFLICHES BAUREFERAT OR Dipl.-Ing. George Resenberg Dipl.-Ing. Martin Gastberger Dipl.-Ing. Peter Kerle ERZBISCHÖFLICHES KUNSTREFERAT OR Dr. Norbert Jocher Dr. Alexander Heisig PLANUNG GLASKUNST LITURGISCHE AUSSTATTUNG VASA SACRA PARAMENTE Florian Nagler Architekten, München Hella Santarossa, Berlin Techn. Realisation: Franz Mayer sche Hofkunstanstalt GmbH, München Martin Rauch, Schlins/Österreich mit Florian Nagler, München Annette Zey, Nürnberg Ina Funke, München An der Realisierung haben darüber hinaus zahlreiche Fachplaner und Firmen gewichtigen Anteil, die aus Platzgründen hier nicht genannt werden können. ERZBISCHÖFLICHES ORDINARIAT MÜNCHEN BAUREFERAT UND KUNSTREFERAT 2005 HERAUSGEBER: GEORGE RESENBERG, BAUREFERENT; NORBERT JOCHER KUNSTREFERENT. REDAKTION U. TEXT: ALEXANDER HEISIG, PETER KERLE KONZEPT U.GESTALTUNG: ROSWITHA ALLMANN, GERALDINE RAITHEL MÜNCHEN. DRUCK: HOLZER DRUCK UND MEDIEN, WEILER IM ALLGÄU 12