Gothaer Ratgeber Gesundheit. Diabetes vorbeugen und behandeln.



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Transkript:

Gothaer Ratgeber Gesundheit. Diabetes vorbeugen und behandeln.

Inhalt Vorwort......................................................................... 3 Was ist Diabetes mellitus?.......................................................... 4 Warum ist der Diabetes mellitus gefährlich?............................................ 7 Diagnose des Diabetes mellitus...................................................... 10 Therapie........................................................................ 12 Die Unterzuckerung (Hypoglykämie).................................................. 25 Folgeerkrankungen frühzeitig erkennen und vermeiden................................... 27 Unterwegs mit Diabetes............................................................ 31 Ausblick........................................................................ 33 Anhang......................................................................... 35 Vorsorgeuntersuchungen.......................................................... 35 Medikamente im Überblick.......................................................... 36 Lexikon des Diabetes............................................................... 38 Weiterführende Informationen........................................................ 40 Broteinheiten-Umrechnungstabelle................................................... 42 Impressum...................................................................... 43 2

Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, gute Nachricht für alle Menschen mit Typ-2-Diabetes: Bei kaum einer anderen Krankheit können Sie so viel selbst zur Behandlung und zum Wohlbefinden beitragen wie bei dieser Diagnose. Ein gesunder Lebensstil spielt hierbei eine besondere Rolle, und zwar sowohl für die Vorbeugung als auch für die Behandlung. Aufklärung, Schulung und Hilfe zur Selbsthilfe sind beim Typ-2-Diabetes ein wesentlicher Teil des Therapiekonzepts. Dies schließt u. a. auch die richtige Anwendung von Maßnahmen und Hilfsmitteln z. B. für die Blutzuckerselbst messung, Vorbeugung und Behandlung von Unterzuckerungen, die gesunde und angepasste Ernährung und die Fußpflege mit ein. Dazu finden Sie in dieser Broschüre wichtige Tipps, die Ihnen den Alltag erleichtern und auch für das Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt hilfreich sind. Nutzen Sie die Diagnose Typ-2-Diabetes auch als Chance, gesundheitsbewusster zu leben und mehr für Ihre Gesundheit zu tun. Sie werden sehen, dass es sich für Sie lohnt. Dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg! Ihr Prof. Dr. med. Werner Scherbaum Internist, Diabetologe, Endokrinologe und Rheumatologe, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Herausgeber von Fachzeitschriften, u. a. Der Diabetologe, sowie der Website www.frag-den-professor.de. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats von www.diabetes-deutschland.de. Berater von Fachgesellsch aften, Regierung und Krankenkassen. 3

Was ist Diabetes mellitus? Bei Diabetes mellitus handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen des Stoffwechsels, die mit einer Erhöhung des Blutzuckers einhergehen. Es ist eine Vielzahl von Diabetestypen bekannt. Über 90 Prozent der Diabetiker haben einen sogenannten Typ-2-Diabetes, der häufig mit Übergewicht, Bluthochdruck und anderen Risikofaktoren assoziiert ist und oftmals im höheren Lebensalter auftritt. Jeder zwanzigste Diabetiker leidet unter einem sogenannten Typ-1- Diabetes, der in der Regel im jüngeren Lebensalter auftritt und von vorneherein insulinpflichtig ist. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Diabetes - typen, z. B. den Gestationsdiabetes, der in der Schwangerschaft auftritt. Diabetes kann im Zusammenhang mit Arzneimitteltherapien, z. B. hochdosierter Kortisonbehandlung, und anderen, zum Teil sehr seltenen Grunderkrankungen oder auch als ererbte Diabetesform auftreten. Dieser Ratgeber richtet sich an Typ-2-Diabetiker und deren Angehörige. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird oftmals die männliche Form von Bezeichnungen verwendet. Selbstverständlich sind hiermit beide Geschlechter gemeint. Ursachen Ein Anstieg des Blutzuckerspiegels resultiert immer aus einem Ungleichgewicht zwischen Zufuhr von Glukose (Zucker) und deren Verbrauch. Hierbei spielt nicht nur die Nahrungsaufnahme eine Rolle, sondern auch eine vermehrte körpereigene Glukoseproduktion durch die Leber. Darüber hinaus ist auch die Glukoseaufnahme in die Zellen, insbesondere die Skelettmuskulatur, wesentlich. Die Produktion von Glukose und deren Aufnahme in die Zellen werden im Körper durch verschiedene Hormone geregelt. Insulin schleust Glukose in die Muskelund Fettzellen ein und senkt auf diesem Wege den Blutzuckerspiegel. Daneben sorgt es auch dafür, dass der Körper Energievorräte in Form von Fett und Stärke anlegen kann. Sein Gegenspieler, das Glukagon, kurbelt die körpereigene Glukoseproduktion an und hebt so den Blutzuckerspiegel. Vor einiger Zeit entdeckte man zudem einen Einfluss bestimmter Darmhormone (Inkretine), die den Blutzuckerspiegel unter bestimmten Bedingungen senken. Beim Typ-2-Diabetes ist die Funktion der insulinproduzierenden Zellen in den Inseln der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Dabei sind diese sogenannten β-zellen nicht mehr in der Lage, bei erhöhten Blutzuckerspiegeln zeitgerecht passende Mengen an Insulin auszuschütten. In den α-zellen wird der Insulingegenspieler Glukagon nach dem Essen nicht mehr genügend unterdrückt. 4

Bei den meisten Typ-2-Diabetikern, insbesondere Übergewichtigen, fällt ein vermindertes Ansprechen von Zellen auf Insulin auf die sogenannte Insulinresis - tenz. Dadurch verpufft die Wirkung des freigesetzten Insulins. Der Glukosespiegel im Blut kann so stark ansteigen, dass die sogenannte Nierenschwelle überschritten und der Zucker über die Niere mit dem Urin ausgeschieden wird. Wenn Zucker im Urin auftritt, nimmt er Wasser mit, sodass die Menge des Urins ansteigt. Schon im Altertum beobachtete man, dass zuckerkranke Patienten einen vermehrten Harnfluss hatten, wobei der Harn honigsüß (Honig = Mel) schmeckte. Die Bezeichnung Diabetes mellitus leitet sich hiervon ab und bedeutet so viel wie honigsüßer Durchfluss. Diabetiker mit hohen Blutzuckerspiegeln verlieren durch das vermehrte Wasserlassen (Polyurie) viel Flüssigkeit und leiden unter starkem Durst (Polydipsie). Reicht die Trinkmenge nicht mehr aus, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, kann der Mensch letztendlich austrocknen (Exsikkose). Wird diese Situation nicht behoben, lassen Energie und Fitness des Menschen deutlich nach. Weitere Anzeichen einer diabetischen Stoffwechselentgleisung sind Müdigkeit, Gewichtsverlust, Sehstörungen, Entzündungen der Haut, schlecht heilende Wunden und Infektionen. Bei einem ausgeprägten Insulinmangel oder bei extrem hohen Zuckerspiegeln droht Bewusstlosigkeit (Coma diabeticum). 5

Risiken Das Risiko, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, ist insbesondere dann erhöht, wenn dieser in der Familie vorkommt. Faktoren, die im persönlichen Lebensstil liegen, insbesondere Übergewicht und Bewegungsmangel, spielen eine Rolle, aber auch das Rauchen. Mit zunehmendem Lebensalter ist das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, erhöht. Falsch ist die Vorstellung, dass der Konsum von Zucker und anderen Kohlenhydraten die Ursache des Diabetes sei und man bei der Zuckerkrankheit nur auf den Zuckerkonsum zu achten brauche. Häufigkeit Der Typ-2-Diabetes war in Notzeiten, z. B. während des Zweiten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren, sehr selten. In den Fünfzigerjahren lag die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes in der deutschen Bevölkerung bei 0,3 Prozent. Heute geht man hierzulande von 7 9Prozent Erkrankten aus, bedingt durch Nahrungsmittelüberfluss, damit verbundene Fehl- und Überernährung, zunehmende körperliche Inaktivität im beruflichen und privaten Bereich und nicht zuletzt eine älter werdende Bevölkerung. Weltweit nehmen die Verbreitung und auch das Neuauftreten von Typ-2-Diabetes zu. Da der Typ-2-Diabetes, zumindest bei Beginn der Erkrankung und in den ersten Jahren nach der Manifestation, keine subjektiven Beschwerden verursacht, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Metabolisches Syndrom Oftmals liegen beim Typ-2-Diabetes auch eine Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck vor. Die Kombination dieser auf das Gefäßsystem ungünstig wirkenden Faktoren nennt man metabolisches Syndrom. Mit gesunder Ernährung und kalorienarmer Kost sowie vermehrter körperlicher Aktivität kann man den Auslösern des Typ-2-Diabetes erfolgreich entgegenwirken oder das Auftreten des Diabetes zumindest um viele Jahre hinausschieben. 6

Warum ist der Diabetes mellitus gefährlich? Folgeerkrankungen Neben der Gefahr eines Komas bei extrem hohem Blutzuckerspiegel gibt es beim Diabetes das Risiko der sogenannten Folgeerkrankungen. Diese treten jedoch erst nach mehreren Jahren unzureichender Blutzuckereinstellung auf. Da gerade beim Typ-2-Diabetes oft viele Jahre bis zur Diagnosestellung vergehen, können erste Spätfolgen zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden sein. Neben erhöhten Blutzuckerspiegeln begünstigen weitere Faktoren wie Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und Rauchen das Auftreten von Folgeerkrankungen noch zusätzlich. Für Diabetiker lohnt es sich besonders, diese Risikofaktoren auszuschalten, weil ihre Kombination mit dem Diabetes vor allem die Gefahr für Herz- und Gefäßerkrankungen potenziert. Folgeerkrankungen sind auch der Grund dafür, dass Diabetiker eine geringere Lebenserwartung haben. Deshalb ist es enorm wichtig, die Folgekrankheiten und deren Vorbeugung immer im Blick zu haben. Denn wenn das Blutzuckerverhalten im Bereich eines Stoffwechselgesunden liegt und die Risikofaktoren (Bluthochdruck, erhöhtes Choles - terin, Rauchen etc.) ausgeschaltet sind bzw. richtig behandelt werden, treten Folgeerkrankungen nicht auf und man erreicht bei guter Lebensqualität ein normales Lebensalter. Große Blutgefäße, kleine Blutgefäße (Kapillaren) und Nerven haben wir überall in unserem Körper und praktisch alle Organe unseres Körpers können durch zu hohe Blutzuckerwerte geschädigt werden. Der Diabetes ist eine sogenannte systemische Erkrankung. Hohe Blutzuckerwerte schädigen drei Organsysteme: 1. Die großen arteriellen Blutgefäße (Makroangiopathie) 2. Die kleinen Blutgefäße (Mikroangiopathie) 3. Das Nervensystem (Neuropathie) 7

1 2 1 Diabetische Netzhautschädigung, hier eine sogenannte diabetische Makulopathie. 2 Gesunde Netzhaut. Schädigung der Erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die innere Gefäßauskleidung und verur - großen Blutgefäße. sachen eine Verkalkung (Arteriosklerose) der großen Blutgefäße (Makroangiopathie). Nahezu ein Drittel aller Diabetiker hat krankhafte Veränderungen der Herzkranzarterien (KHK) mit entsprechenden Beschwerden oder ist im höchsten Maße davon bedroht. Das Herzinfarktrisiko ist bei über 60-Jährigen ca. 4 6-mal so hoch wie bei Nichtdiabetikern. Ca. 9 Prozent erleiden einen Schlaganfall (Apoplex) durch Verschluss einer hirnversorgenden Arterie und jeder fünfte Diabetiker hat Durchblutungsstörungen in den Beinen (PAVK). Mehr als zwei Drittel der Todesfälle von Diabetikern sind auf Ereignisse des Herz-Kreislauf- Systems zurückzuführen. Erkrankung der kleinen Blutgefäße. Die Mikroangiopathie gefährdet vor allem die Augen und die Nieren. Die sogenannte diabetische Retinopathie führt durch Veränderungen an der Netzhaut zu Sehbeeinträchtigungen. Nach wie vor stellt sie die Hauptursache des Erblindens in Deutschland dar (weitere Informationen siehe Seite 27). Bei der diabetischen Nierenerkrankung (diabetische Nephropathie) wird die Filterfunktion der Nieren beeinträchtigt, sodass das kleine Bluteiweiß Albumin vermehrt durchgelassen wird und im Urin nachweisbar wird. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Nierenfunktion beeinträchtigt werden, der Kreatinin- und Harnstoffspiegel ansteigen und eine Dialyse oder Nierentransplantation nötig werden. Nähere Informationen zur diabetischen Nephropathie finden Sie auf Seite 28. Eine Minder durchblutung in den kleinsten Blutgefäßen (Kapillaren) kann zudem die Auswirkungen der oben geschilderten Makroangiopathie noch verschlimmern. 8

Erkrankung der Nerven. Die sogenannte diabetische Neuropathie ist eine sehr häufige Diabeteskomplikation und kann alle Teile des Nervensystems betreffen. Die periphere (Poly-) Neuropathie tritt vor allem in den Füßen und Beinen auf und äußert sich in Missempfindungen wie Ameisenkribbeln, pelzigem und taubem Gefühl, Brennen, aber auch als Verlust von Schmerz- und Temperaturempfinden. Weil kleine Verletzungen am Fuß durch Verlust der Sensibilität leicht unbemerkt bleiben können, besteht eine hohe Infektionsneigung mit Entzündung und Gefahr des Absterbens von Gewebe. Die autonome Neuropathie betrifft die inneren Organsysteme. Sie äußert sich im Herz-Kreislauf-System durch Regulationsstörungen des Herzschlags und des Blutdrucks, im Verdauungstrakt durch verzögerte Magenpassage, Durchfall und Verstopfung, in den Harn- und Geschlechtsorganen durch Blasenentleerungsstörungen und Potenzprobleme. Folgeschädigungen in der Übersicht: Gefäße Mikroangiopathie (Schädigung kleiner Gefäße): Retinopathie (Netzhautschäden) Nephropathie (Nierenschäden) Periphere Durchblutungsstörungen Neuropathie Periphere Polyneuropathie Autonome Neuropathie Nerven Makroangiopathie (Schädigung großer Gefäße): Herzinfarkt Apoplex Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) Diabetischer Fuß 9

Diagnose des Diabetes mellitus. Die Diagnose eines Diabetes mellitus basiert auf charakteristischen Beschwerden und klinischen Symptomen sowie der Untersuchung des Blutzuckerspiegels und/oder des HbA1c-Werts. Laboruntersuchungen Der Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten ein bis drei Monate wider. Bei einem HbA1c-Wert ab 6,5 Prozent (48 mmol/mol) besteht ein Diabetes, liegt er unter 5,7 Prozent (39 mmol/mol), ist er mit hoher Sicherheit ausgeschlossen. In einigen Fällen, z. B. bei bestimmten Erkrankungen oder auch in der Schwangerschaft, eignet sich die Bestimmung des HbA1c-Wertes nicht. Dies wird Ihr Arzt bei der Diagnostik berücksichtigen. In diesem Fall sowie bei HbA1c-Werten von 5,7 bis unter 6,5 Prozent (39 48 mmol/mol) wird ein Nüchtern-Blutzuckerwert (Laborbestimmung) erhoben und/oder ein sogenannter Zuckerbelastungstest (oraler Glukose toleranztest = ogtt) durchgeführt. Beim Glukosetoleranztest wird nüchtern ein zuckerhaltiger Testtrunk eingenommen und das Blutzuckerverhalten vor Beginn und nach zwei Stunden mittels einer Blutentnahme überprüft. Ein venöser Nüchtern-Blutzuckerspiegel ab 7 mmol/l (126 mg/dl) und/oder ein Zweistundenwert im ogtt ab 11,1 mmol/l (200 mg/dl) zeigen einen Diabetes an. Bei Nüchtern-Blutzuckerwerten bzw. Zweistundenwerten im ogtt unter 5,6 mmol/l (100 mg/dl), liegt kein Diabetes vor. Eine Untersuchung des Urinzuckers ist nicht ausreichend, da hier erst bei höheren Blutzuckerwerten Auffälligkeiten erkannt werden. Ein manifester Diabetes liegt vor: Bei Nüchtern-Blutglukosewerten (venös) von mindestens 126 mg/dl (7,0 mmol/l) Wenn ein Zweistundenwert des Zuckertests von mindestens 200 mg/dl (11,1 mmol/l) vorliegt Wenn ein Gelegenheits-Blutzuckerwert von mindestens 200 mg/dl (11,1 mmol/l) erhoben wird oder Wenn der HbA 1c -Wert bei 6,5 Prozent oder darüber liegt Nachdem die Diagnose Diabetes gestellt ist, erfolgen weitere Laboruntersuchungen (Bestimmung der Nierenwerte, Blutfette [Cholesterin, Triglyzeride]) sowie Untersuchungen zur Feststellung eventueller Folgeschäden an Blutge - fäßen, Herz, Nieren, Augen und Nerven. 10

Gestörte Glukosetoleranz. Bei einigen Menschen liegen die Ergebnisse der Blutzuckermessungen zwar nicht im diabetischen Bereich, sind aber dennoch nicht normal und bergen das Risiko der Entwicklung eines Diabetes mellitus bzw. von Erkrankungen der großen Gefäße. Hierzu zählen die sogenannte gestörte Glukosetoleranz (Zweistundenblutzuckerwert im Rahmen des Glukosebelastungswertes (140 199 mg/dl [7,8 11,0 mmol/l]) und die sogenannte abnorme Nüchternglukose (100 125 mg/dl [5,6 6,9 mmol/l]). In beiden Fällen kann eine Umstellung des Lebensstils das Risiko senken. Nach einem Jahr empfiehlt sich eine Verlaufskontrolle des HbA1c. 11

Therapie Mit der Diagnose beginnt die Behandlung mit dem Ziel, den Blutzuckerspiegel zu senken und in den Zielbereich zu bringen. Es gilt, akute Beschwerden und chronische Komplikationen zu vermeiden, dabei aber auch eine gute Lebensqualität zu erhalten. Hierbei kommt es auf den persönlichen Lebensstil und die Qualität der Zuckerstoffwechseleinstellung an. Zusätzlich spielen das Körpergewicht, die Blutfette, der Blutdruck, aber auch das Rauchen eine wesentliche Rolle. Behandlungsstrategie Gemeinsam mit Ihrem Arzt entwickeln Sie eine Behandlungsstrategie und ver ein baren unter anderem ein HbA1c-Therapieziel (Näheres hierzu finden Sie auf Seite 22). Das Alter des Betroffenen, Begleiterkrankungen sowie die Art der einzu setzenden Therapie sind hierbei wesentliche Aspekte, wobei der Nutzen sorgfältig gegen den Schaden, z. B. das Risiko für Unterzuckerung, abgewogen wird. Letztendlich entscheiden Sie selbst, welches Therapieziel Sie bei optimaler Lebensqualität anstreben können. Grundpfeiler der Behandlung sind eine gesunde Ernährung, die Steigerung der körperlichen Aktivität sowie falls erforderlich eine Raucher-Entwöhnung. Eine gute Einstellung der Blutzuckerwerte kann nur erreicht werden, wenn der Diabetiker selbst die Therapie und deren Überwachung übernimmt. Eine spezielle Diabetesschulung für den Betroffenen, teilweise aber auch einen Angehörigen ist eine unverzichtbare Basis, um die Behandlung eigenverantwortlich mitzuge - stalten. Medikamente allein werden in der Therapie des Diabetes nie aus - reichen. Diabetes ist eine lebenslange Herausforderung, der man sich immer wieder stellen muss. Wer die Verantwortung für sich selbst und seine Gesundheit übernimmt, kann auch lernen, mit dem Diabetes zu leben, und ein aktives und unbeschwertes Leben genießen. Diabetikerschulung Das moderne Konzept der Diabetikerschulung zielt darauf ab, den Einzelnen in die Lage zu versetzen, den Umgang mit seinem Diabetes aktiv zu gestalten. Diabetikerschulungen vermitteln, was gesunde, diabetesgerechte Ernährung ist. Teilnehmer lernen, wie die persönlichen Zielwerte (HbA1c, Blutzucker, Blutdruck, Blutfette etc.) aussehen und wie sie Folgeerkrankungen, aber auch bedrohliche Akutsituationen (z. B. Unterzuckerungen) vermeiden können. Bei der Schulung wird auch vermittelt, wie und wann man Blutzucker und Blutdruck richtig misst, worauf es bei der Untersuchung der Füße ankommt und wie die Befunde zu deuten sind, d. h., was man gegebenenfalls tun muss. 12

Die Schulung gehört als wichtigste Maßnahme an den Anfang der Behandlung. Sie hilft dem Diabetiker, die Diagnose Diabetes zu verarbeiten und die Erkrankung zu verstehen. Der Diabetiker soll dabei lernen, Verantwortung für sein Leben mit Diabetes zu übernehmen und aktiv zur Behandlung und Vorbeugung der Krankheit beizutragen. Selbstkontrolle Ein wichtiger Aspekt der Basistherapie ist die Selbstkontrolle. Dazu gehört, dass der Diabetiker seine Lebensweise und seinen Stoffwechsel beobachtet und auf erste Anzeichen von Komplikationen achtet. Solche Anzeichen können z. B. Hautveränderungen, Missempfindungen oder Störungen des Gewichtsverlaufs sein. Die Messung der Glukose im Blut ist für die Selbstkontrolle des Stoffwechsels wesentlich besser geeignet als die Bestimmung im Urin. Unverzichtbar ist die Kontrolle des Blutzuckers, wenn der Verdacht auf Unterzucker besteht, eine normale Stoffwechseleinstellung angestrebt oder mit Insulin behandelt wird. Hilfreich für die Dokumentation des Stoffwechsels sind Diabetikertagebücher und der Gesundheits-Pass Diabetes der Deutschen Diabetes Gesellschaft sowie der Deutschen Diabetes-Hilfe. Der Gesundheits-Pass Diabetes (im Folgenden auch Diabetes pass genannt) berücksichtigt auch die zusätzlich erforderlichen Kontrolluntersuchungen, u. a. des Urins auf Albuminausscheidung, der Nierenfunktion und der Augen, die für eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von Folgeerkrankungen wichtig sind (Bezugs adresse siehe Seite 40). Gesunde Lebensweise das bedeutet für Sie als Diabetiker gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, Verzicht aufs Rauchen und Einhaltung sorgfältiger Körperhygiene. Die Haut sollte täglich auf Entzündungen, kleine Wunden und Pilzbefall untersucht werden, der sich am häufigsten in Hautfalten und an den Fuß- und Fingernägeln findet. 13

Ernährung Eine gesunde Ernährung trägt dazu bei, Risiken für chronische Folgeerkrankungen zu reduzieren, sie hilft, den Fettstoffwechsel zu regulieren und den Blutdruck zu senken. Das Körpergewicht kann reduziert, eine Gewichtszunahme vermieden werden. Diabetesgerechte Ernährung ist gesund und ausgewogen. Sie unterscheidet sich weitgehend nicht von Empfehlungen für Stoffwechselgesunde. Spezielle Nahrungsmittel für Diabetiker sind überflüssig und teuer. Seit Oktober 2012 kommen keine Diabeteslebensmittel mehr in die Ladenregale, es können nur noch Restbestände bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden. 14

Im Gothaer Ratgeber Ernährung und Bewegung wird das Thema Ernährung ausführlich dargestellt, im vorliegenden Ratgeber werden nur einige Eckpunkte aufgegriffen. Ratgeber zu Ernährung und Bewegung, aber auch Bluthochdruck und koronarer Herzerkrankung finden Sie unter www.gothaer.de/broschueren zum Download. Mitglieder der Gothaer Krankenversicherung können sie als Druckstück anfordern (siehe Impressum). Hauptfehler in der Ernährung sind die erhöhte Kalorienzufuhr und die ve r minderte Zufuhr von Ballaststoffen. Als Richtwert gilt: Die Energiezufuhr sollte nur so hoch sein, dass sich ein normales Körpergewicht einstellt. Das Körpergewicht wird mit dem Body-Mass-Index (BMI) bewertet: Der BMI errechnet sich nach folgender Formel: Interpretation des BMI: BMI = Körpergewicht (kg) Körpergröße (m) x Körpergröße (m) Untergewicht < 18 kg/m 2 Normalgewicht (Frauen) 19 24 kg/m 2 Normalgewicht (Männer) 20 25 kg/m 2 Übergewicht 25 30 kg/m 2 Adipositas 30 kg/m 2 15

Neben dem Body-Mass-Index (BMI) spielt der Taillenumfang eine entscheidende Rolle, da das Fett in der Bauchhöhle ganz wesentlich für das metabolische Syndrom und damit für das sogenannte metabolische Risiko verantwortlich ist. Er wird am entspannt stehenden Menschen in der Mitte zwischen Becken - schaufel und Unterrand der Rippen gemessen. Die Beurteilung des Taillenumfangs: Risiko Taillenumfang (cm) Frauen Männer Mäßig erhöht Deutlich erhöht > 80 > 94 > 88 > 102 Die Hälfte des täglichen Energiebedarfs sollte über die Aufnahme von Kohlenhydraten erfolgen. Am besten eignen sich komplexe Kohlenhydrate (also Vollkornprodukte oder Gemüse). Maximal ein Drittel der Energiezufuhr sollte über Fette stattfinden. Dabei ist besonders zu beachten, dass Fette mehr als das Doppelte an Kalorien als Kohlenhydrate enthalten. Sehr anschaulich ist dies in der sogenannten Ernährungspyramide dargestellt. Die optimale Nahrungszusammensetzung (Ernährungspyramide) : Öle, Fette, Zucker, Süßes Öl sparsam Milch, Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Eier, Hülsenfrüchte mäßig, auf Fettgehalt achten Getreideprodukte, Kartoffeln nach Appetit, zu jeder Mahlzeit Früchte, Gemüse reichlich, nach Herzenslust Wasser, Getränke bei jeder Gelegenheit 16

Besondere Vorsicht ist bei den gesättigten Fettsäuren geboten, die vor allem in tierischen Nahrungsmitteln wie Wurst, Fleisch und Vollmilchprodukten enthalten sind. Sie wirken sich negativ auf den Fettstoffwechsel, vor allem auf den Cholesterinspiegel, aus. Eine Reduzierung der Fettzufuhr auf rund 60 Gramm täglich ist der einfachste Weg, um das Gewicht zu reduzieren und damit den Choles terinspiegel, den Blutdruck sowie erhöhte Blutzuckerwerte zu senken. Diese Menge reicht aus, um dem Körper alle lebenswichtigen Fettsäuren und Begleitstoffe zuzuführen. Eine Einschränkung der Fettzufuhr gelingt aber nur, wenn fettreiche Nahrungsmittel wie Wurst, Käse und Gebäck nur in kleinen Mengen oder ausnahmsweise verzehrt werden. Als Streichfett und für die Zubereitung von Speisen sollten sparsam pflanzliche Fette und Öle bevorzugt werden. Versteckte Fette führen besonders häufig zu einer Fehleinschätzung von Nahrungsmitteln. In vielen Produkten, die wir gerne und täglich verzehren, ist mehr Fett enthalten, als wir glauben. So enthalten 100 g Käse (Gouda): ca. 30 g Fett Wurst (Bratwurst): ca. 24 g Fett Pommes frites: ca. 13 g Fett Kartoffelchips: ca. 34 g Fett Sahne (6 EL): ca. 33 g Fett 17

Alkohol und Kochsalz sollten nur in begrenztem Maß im Speiseplan des Diabetikers vorkommen. Kohlenhydrate in Form von Stärke, wie Getreideerzeugnisse, Kartoffeln und Gemüse, sind in praktisch unbegrenzter Menge erlaubt. Spezielle Ernährungsempfehlungen, z. B. bei hohen Blutdruck- oder Blutfettwerten, helfen Ihnen dabei, Ihren individuellen Ernährungsplan zu schneidern. Übergewichtige können ihre Stoffwechselsituation mit einer Gewichtsreduktion bessern. Gesunde und ausgewogene Ernährung: Essen Sie abwechslungsreich und ballaststoffreich (viel Gemüse, Vollkorngetreideprodukte) Trinken Sie viel Wasser, mindestens 1,5 Liter pro Tag Vermeiden Sie große Portionen und häufigen Verzehr fettiger Nahrungsmittel Bevorzugen Sie pflanzliche Fette, z. B. Öle, anstelle von tierischen Fetten Essen Sie regelmäßig Fisch Lassen Sie sich beraten, welche Nahrungsmittel den Zuckerspiegel stark ansteigen lassen Gehen Sie nicht hungrig einkaufen Kaufen Sie Süßes oder Salziges für Zwischendurch in kleinen Packungen. Wenn Sie Lust auf Schokolade haben, greifen Sie zu einer dunklen Sorte mit hohem Kakaoanteil Die Berechnung von Broteinheiten (BE) ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nur dann sinnvoll, wenn eine sogenannte intensivierte Insulintherapie durchgeführt wird. Die Broteinheiten einzelner Lebensmittel entnehmen Sie der entsprechenden Tabelle auf Seite 42 im Anhang. Energiebedarf und -verbrauch. Nicht nur die Nahrungszusammensetzung, auch Nahrungsmenge und Kaloriengehalt bestimmen die Auswirkungen unserer täglichen Nahrungszufuhr in Form von Gewichtszuwachs oder -abnahme. Der Energiebedarf setzt sich zusammen aus der Energie für den sogenannten Grundumsatz das sind Kalorien, die der Stoffwechsel für einen normalen Betrieb braucht (eine Art Standgas ) und den Kalorien, die für jede weitere Aktivität benötigt werden. Grob vereinfacht dargestellt, kann man sich nach folgenden Tageswerten für den Kalorienverbrauch für eine 70 Kilogramm schwere Person richten: Energiebedarf und -verbrauch in Kilokalorien: Vollkommene Ruhe (Grundumsatz): 1.500 Leichte körperliche Arbeit (Regelfall, z. B. im Büro): 2.500 Mittelschwere körperliche Arbeit (z. B. in der Industrie): 3.500 Schwere körperliche Arbeit (z. B. im Steinbruch): 4.500 18

Einen ähnlich höheren Energieverbrauch wie etwa bei mittelschwerer körperlicher Arbeit hat man auch, wenn man Sport treibt, allerdings nur für einen Teil des Tages und nicht wie hier gerechnet für acht Stunden. Bei zehn Minuten Betätigungsdauer verbrauchen Sie circa 30 kcal bei langsamem Gehen, Hausarbeit oder Kegeln Bis zu 80 kcal beim Tennisspielen, Bergsteigen, Radfahren (20 km/stunde) oder Tanzen Über 100 kcal bei einem Lauftempo von 9 km/stunde oder Brustschwimmen (50 m/minute) Bewegung Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben, ist es für die Prognose des Diabetes wichtig, Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen zu beseitigen. Wesentliche Aspekte sind, das Körpergewicht zu normalisieren und körperlich aktiv zu sein. Grundsätzlich ist regelmäßiger Sport sinnvoll. Bei der Einschätzung, welche Sportart mit welcher Intensität betrieben werden kann, sind einige Aspekte zu bedenken: Bei bestimmten Medikamenten in Kombination mit körperlicher Aktivität ist das Risiko einer Unterzuckerung stark erhöht. Bei einigen Folgeerkrankungen z. B. des Auges müssen Blutdruckanstiege verhindert werden oder ist Sport nach bestimmten Eingriffen zumindest vorübergehend nicht empfehlenswert. Dies gilt beispielsweise auch bei Blutdruckwerten über 200 mmhg unter Belastung, hier muss zunächst eine Blutdruckeinstellung erfolgen. Insbesondere bei Behandlung mit Insulin oder Sulfonylharnstoff- Tabletten wird ggf. eine Anpassung der Dosierung während des Sports nötig. Bevor mit regelmäßigem Sport begonnen wird, sollte daher eine sportmedizinische sowie augenärztliche Untersuchung erfolgen. In der Regel wird in diesem Zusammenhang auch ein EKG, ggf. ein Belastungs-EKG, durchgeführt. Sie erhalten Rat, welche Sportart für Sie geeignet ist, und auch Hinweise, was in diesem Zusammenhang zu beachten ist. Beispielsweise ist insbesondere bei einer diabetischen Neuropathie besonders viel Wert auf geeignete Strümpfe und Schuhwerk zu legen. Vor und nach dem Sport sollten die Füße inspiziert werden. Klassische Ausdauersportarten (wie Nordic Walking, Joggen, Radfahren oder Schwimmen) sind empfehlenswert insbesondere in Kombination mit wohldosiertem Krafttraining. Im Rheinland gibt es übrigens speziell zertifizierte Fitnessstudios (Gütesiegel Fitnesstraining für Diabetiker von TÜV Rheinland und Prae-Fit). Speziell qualifizierte Mitarbeiter, eine Kooperation des Studios mit einem Arzt und eine Notfallkette für den Fall der Fälle sind Voraussetzungen 19

für eine optimale Betreuung von Diabetikern. Diese Leistung fällt in der Regel nicht unter den Krankenversicherungsschutz. Ein erster Schritt für Sportmuffel ist mehr körperliche Bewegung im Alltag. Treppensteigen, Gartenarbeit, Spaziergänge oder auch Erledigungen zu Fuß leis - ten hier einen einfachen Beitrag zu mehr Bewegung. 20

Medikamentöse Behandlung. Wenn die Basistherapie mit gesunder Ernährung und Gewichtsabnahme bei Typ-2-Diabetikern über drei bis sechs Monate nicht ausreicht, beginnt man mit einer medikamentösen Behandlung. Ziel jeder Behandlung ist eine verbesserte Kontrolle des Blutzuckerspiegels mit möglichst wenigen Nebenwirkungen. Therapiestufen Die medikamentöse Behandlung des Typ-2-Diabetes beginnt in der Regel mit Tabletten. Erste Wahl ist hierbei der Wirkstoff Metformin. Es stehen jedoch auch weitere Medikamente zur Verfügung, zum Beispiel für den Fall, dass entsprechende Tabletten kontraindiziert sind bzw. nicht vertragen werden. Manchmal ist aufgrund hoher Blutzuckerwerte auch direkt eine Kombination mehrerer Präparate, ggf. auch eine Insulinbehandlung, angezeigt. In seltenen Fällen wird die Therapie stationär begonnen, damit sich keine kritischen Situationen ent - wickeln können. Ist das HbA1c-Ziel nach einem Viertel- bis halben Jahr nicht erreicht, wird ein zweites Medikament hinzugefügt. Es stehen mehrere Wirkstoffe mit unterschiedlichem Einfluss auf die Blutzuckersenkung, das Körpergewicht oder auch das Unterzuckerungsrisiko zur Verfügung. Alternativ kann auch eine Therapie nur mit Insulin erfolgen. Reicht diese Medikation nach drei bis sechs Monaten weiterhin nicht aus, um das individuelle HbA1c-Ziel zu erreichen, beginnt eine Behandlung mit Insulin bzw. wird diese intensiviert. Zum Teil erfolgt eine Kombination mit anderen Medikamenten. 21

Da die medikamentöse Behandlung von individuellen Faktoren beim Diabetiker, aber auch von unterschiedlichen Empfehlungen der Fachgesellschaften abhängt, gehen wir in dieser Broschüre nicht näher auf die Verwendung der einzelnen Präparate auf den verschiedenen Therapiestufen ein. Einen Überblick über die unterschiedliche Wirkungsweise sowie einige Besonderheiten der Medikamente geben wir in einer Übersicht auf Seite 36 wieder. Eine komplette Produktinformation mit Darstellung sämtlicher Neben- und Wechselwirkungen findet sich hier aus Platzgründen nicht. Blutzuckerkontrollen Wird der Typ-2-Diabetes mit Tabletten behandelt, so ist meist die Messung weniger Werte pro Woche ausreichend. Besonders wichtig ist in der Regel der Wert vor dem Frühstück. Bei auffälligen Änderungen des Befindens, aber auch bei Sport und akuten Erkrankungen sind stets zusätzliche Kontrollen angebracht. Ist der Blutglukosespiegel sehr hoch (über 250 mg/dl [13,9 mmol/l]), so sollte der Wert erneut kontrolliert werden. Liegt der HbA1c-Wert bei dieser Therapie mehr als 20 Prozent über dem Zielwert (z. B. HbA1c > 7,5 Prozent [58 mmol/mol]), ist nahezu immer die Kombination verschiedener Medikamente erforderlich. Diese ist vor allem dann notwendig, wenn sich trotz konsequenter Ernährung und richtiger Behandlung mit Tabletten die Blutzuckerwerte verschlechtern. Orientierungsgrößen für Therapieziele: Parameter Nüchtern-Blutzucker Therapieziel (Orientierungsgrößen) 100 125 mg/dl (5,6 6,9 mmol/l) Postprandialer Blutzucker (ca. 1-2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme) 140 199 mg/dl (7,8 11,0 mmol/l) HbA 1c 6,5 7,5 % (48 58 mmol/l) in Abhängigkeit von individuellen Aspekten Lipide LDL-Cholesterin-Senkung auf < 100 mg/dl (2,6 mmol/l) Ggf. feste Statin-Dosis Gewichtsabnahme bei Übergewicht Bei BMI 27 35 kg/m²: 5 % Gewichtsreduktion Bei BMI > 35 kg/m²: > 10 % Gewichtsreduktion Blutdruck Systolischer Blutdruck: < 140 mmhg Diastolischer Blutdruck: 80 mmhg Modifiziert nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes, 2013 22

Insulin Wenn mit einer Änderung des Lebensstils mit Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung sowie einer Behandlung mit oralen Antidiabetika (Tabletten) das individuelle Therapieziel nicht erreicht werden kann, beginnt in der Regel eine Behandlung mit Insulin. Dies kann auch bei einer (ggf. vorübergehenden) Entgleisung des Stoffwechsels zu einem früheren Zeitpunkt erforderlich werden. Arzt und Diabetiker besprechen, welche Art der Insulintherapie geeignet ist. Ggf. wird Insulin auch mit anderen Antidiabetika kombiniert. Heute ist die Behandlung mit Insulin relativ einfach durchzuführen, sodass die meisten Diabetiker sie erlernen können. Das ist nicht nur den sehr guten Insulinpräparaten, die heute fast ausschließlich als Humaninsulin oder Insulin - Analoga hergestellt werden, zu verdanken, sondern auch der relativ einfachen Handhabung der Injektion unter die Haut (subkutan): Einwegspritzen, sehr feine Injektionsnadeln und vor allem die Insulinpens haben die Dosierung und Injektion bedeutend erleichtert. Man unterscheidet verschiedene Formen der Insulinbehandlung: Bei der basal unterstützten oralen Therapie (= BOT) nimmt der Diabetiker blutzuckersenkende Tabletten ein und injiziert vor dem Zubettgehen ein Basalinsulin. Dies kann in bestimmten Fällen noch mit einem Inkretin-Analogon (siehe Seite 24) kombiniert werden Bei der konventionellen Insulintherapie wird in der Regel vor dem Frühstück und vor dem Abendessen ein Mischinsulin injiziert. Geeignet ist sie insbesondere für Diabetiker mit regelmäßiger Einnahme der Mahlzeiten ohne stark wechselnde körperliche Aktivität 23

Bei der supplementären Insulintherapie (SIT) wird ggf. in Kombination mit Metformin vor den Hauptmahlzeiten ein kurzwirksames Insulin verabreicht Bei der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT, Basis-Bolus-Prinzip) werden zwei unterschiedliche Insuline gesondert gespritzt. Der Basalspiegel wird von einem lang wirkenden Verzögerungsinsulin abgedeckt. Zusätzlich wird vor den Hauptmahlzeiten jeweils ein kurzwirksames Insulin gespritzt. Diese Art der Therapie ist nur in wenigen Fällen von Typ-2-Diabetes angezeigt, wenn ein absoluter Insulinmangel eingetreten ist. Die ICT ermöglicht dann eine flexible Anpassung an unregelmäßige Nahrungsaufnahme und Bewegung. Unter allen Formen der Insulintherapie hat sie das höchste Hypo - glykämie-risiko Eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Insuline finden Sie auf Seite 37. In klinischen Studien hat sich gezeigt, dass Medikamente, die die Wirkung des körpereigenen Darmhormons GLP-1 nachahmen, sogenannte Inkretin-Mimetika (GLP1-Analoga), eine blutzucker- und HbA1c-senkende Wirkung haben. Kontrollen Bei konventioneller Insulintherapie sollten an mindestens zwei Tagen in der Woche die Blutzuckerwerte vor dem Frühstück, vor dem Mittagessen und vor dem Abendessen gemessen werden. Welche Tageswerte besonders aufschlussreich sind weil sie häufig zu hoch oder zu niedrig sind, findet man anhand eines Blutzuckertagesprofils heraus. Bei der intensivierten Insulintherapie muss der Blutzucker vor jeder Injektion von kurzwirksamem Insulin (in der Regel vor den Hauptmahlzeiten) gemessen werden. 24

Die Unterzuckerung (Hypoglykämie). Die Unterzuckerung ist im Alltag des Betroffenen die unangenehmste und gefährlichste Auswirkung einer Behandlung insbesondere mit Insulin und Sulfonylharnstoff-Tabletten. Jede Form der Hypoglykämie gefährdet den Diabetiker, gegebenenfalls auch sein Umfeld, insbesondere dann, wenn er Auto fährt oder Maschinen bedient. Für viele Diabetiker ist der Umgang mit Unterzuckerungen schwierig: Weil sie hohe Blutzuckerwerte vermeiden wollen, gehen sie ein höheres Unterzuckerungsrisiko ein. Dieses tritt ein, wenn der Insulinspiegel im Blut höher liegt als gewünscht und somit der Blutzuckerspiegel unter ca. 50 mg/dl (2,8 mmol/l) abfällt. Hierzu kann es z. B. dann kommen, wenn man bei unveränderter Medikamentendosis weniger Kohlenhydrate als geplant zu sich nimmt, wenn sich der Magen zu langsam entleert oder wenn man Sport getrieben hat, ohne den Mehrverbrauch von Zucker durch Nahrungsaufnahme zu kompensieren. Auch Alkohol kann Hypoglykämien auslösen. Symptome Ohne die geringste Vorwarnung sind schwere Hypoglykämien selten. Viel häufiger kommt es vor, dass Symptome wie Schweißausbruch und Herzklopfen als Folge körperlicher Anstrengung sowie Kopfschmerzen und Müdigkeit verkannt werden. Die Unterzuckerungssymptome verändern sich im Laufe eines Lebens. Erkannte man beispielsweise kurz nach der Diagnosestellung seines Diabetes die Unterzuckerung am Schwitzen, kann es sein, dass dieses nach einigen Jahren völlig ausbleibt und sich niedrige Blutzuckerwerte mit Unkonzentriertheit ankündigen. Daher ist es wichtig, immer wieder in sich hineinzuhören und seine persönlichen, aktuellen Hypoglykämie-Symptome zu entdecken. Schwere Unterzuckerungen äußern sich durch Bewusstseinseinschränkungen bis hin zur Bewusstlosigkeit, eventuell auch durch Krampfanfälle oder sie können wie ein Schlaganfall erscheinen. 25

Hilfe bei Unterzuckerung. Bei einer schweren Unterzuckerung bedarf der Patient fremder Hilfe. Bei rechtzeitiger Einleitung von Gegenmaßnahmen verschwinden die Beschwerden folgenlos. Solange nur eine leichte Hypoglykämie ohne Schluckstörungen, Krämpfe und Bewusstlosigkeit aufgetreten ist, empfehlen sich 20 bis 40 Gramm Zucker in gelöster Form (z. B. Traubenzucker in einem Glas Flüssigkeit, Fruchtsäfte, Limonaden, Colagetränke, aber keine Light -Produkte). Nehmen Sie anschließend noch 20 bis 40 Gramm Kohlenhydrate in fester Form (z. B. Brot, Obst, Kekse) zu sich. Diabetiker, die Insulin spritzen oder Sulfonylharnstoff-Tabletten einnehmen, sollten für diese Fälle immer sogenannte Not-Kohlenhydrate, z. B. in Form von Traubenzuckertabletten, bei sich tragen. Wenn jedoch bereits Schluckbeschwerden bestehen, sollte sofort der Notarzt gerufen werden, der Glukose in die Vene spritzen wird, da eine sichere orale Einnahme (über den Mund) nicht mehr gewährleistet ist. Insulinbehandelte Diabetiker, insbesondere solche mit einer intensivierten Insulintherapie und solche, bei denen schon schwere Unterzuckerungen aufgetreten sind, sollten immer eine Glukagonspritze mit sich führen. Ein Angehöriger oder Begleiter sollte diese bei einer eventuellen Bewusstlosigkeit des Patienten in den Muskel spritzen, um damit den Blutzucker kurzfristig anzuheben. Wichtig für Angehörige: Flößen Sie einem bewusstlosen Diabetiker nie zuckerhaltige Nahrungsmittel in fester oder flüssiger Form ein. Dies kann zum Ersticken führen! 26

Folgeerkrankungen frühzeitig erkennen und vermeiden. Der Zusammenhang einer unzureichenden Blutzuckereinstellung sowie anderer Risiken mit der Entstehung von Folgeerkrankungen wurde in den vorangehenden Kapiteln beschrieben. An dieser Stelle möchten wir auf drei schwerwiegende Folgeerkrankungen näher eingehen und Ihnen insbesondere wesentliche Maßnahmen zur Früherkennung ans Herz legen. Die diabetische Retinopathie. Durch hohe Blutzuckerkonzentrationen verändern sich die winzigen Blutgefäße der Netzhaut (Retina). Man unterscheidet hinsichtlich des Verlaufs die nicht proliferative von der proliferativen Retinopathie. Das Frühstadium der diabetischen Retinopathie ist zunächst mit keinerlei Beeinträchtigungen verbunden. Patienten bemerken eine Sehminderung wie verschwommenes oder verzerrtes Sehen, blinde Flecken oder einen totalen Sehverlust in der Regel erst, wenn der Diabetes die Sehzellen in der Netzhautmitte (Makula) geschädigt hat. Um das Sehvermögen möglichst uneingeschränkt zu erhalten, ist es dann allerdings häufig zu spät. Bei der nicht proliferativen Retinopathie fallen bei der augenärztlichen Untersuchung kleine Gefäßaussackungen an der Netzhaut auf, Blut, das aus den geschädigten Gefäßwänden ausgetreten ist, oder auch Fettablagerungen (harte Exsudate). Im Verlauf wird die Netzhaut immer schlechter mit Sauerstoff versorgt. 27

Reparatur -Mechanismen des Körpers führen zum Aussprossen von Gefäßen (Proliferation) in den Glaskörper des Auges, es kommt zu Blutungen, Vernarbungen oder durch Zug an der Netzhaut zu einer Netzhautablösung. Eine Laserbehandlung der Netzhaut kann ein Fortschreiten der Gefäßveränderungen verhindern. Je früher die Veränderungen erkannt und behandelt werden, umso besser sind die Ergebnisse. Eine weitere Behandlungsoption bei Netzhautveränderungen an der Stelle des schärfsten Sehens (Makulopathie) bzw. bei einer Schwellung in der Netzhautmitte (Makulaödem) ist das wiederholte Einspritzen von Medikamenten, z. B. Kortison oder Antikörpern, ins Auge. Bei schwerwiegenderen Verläufen mit Einblutungen in den Glaskörper und diabetesbedingten Netzhautablösungen kann mittels Netzhaut-Glaskörper-Chirurgie (Vitrektomie) oftmals noch das Sehvermögen gerettet werden. Eine adäquate Blutzucker- und Blutdruckeinstellung ist die beste Garantie, um das Entstehen einer diabetischen Retinopathie bzw. deren Fortschreiten zu verhindern! Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung einer diabetischen Retinopathie schützt Ihr Sehvermögen: Suchen Sie unmittelbar nach Feststellung eines Diabetes einen Augenarzt auf Gehen Sie, auch ohne dass bei Ihnen eine diabetes bedingte Augenschädigung vorliegt, einmal jährlich zur augenärztlichen Kontroll untersuchung (mit Weit stellung der Pupille) Liegt eine diabetische Retinopathie vor, sind in Ab hängigkeit vom Stadium augenärztliche Unter suchungen in kürzeren Abständen erforderlich Suchen Sie sofort einen Augenarzt auf, wenn sich Ihre Sehfähigkeit akut verschlechtert, Sie verschwommen sehen, Probleme beim Lesen haben, Farben nicht richtig erkennen können oder Rußregen sehen (Anzeichen von Gefäßblutungen in den Glaskörper) Die diabetische Nephropathie. Etwa ein Drittel aller Diabetiker entwickelt im Verlauf der Erkrankung eine sogenannte diabetische Nephropathie. Im Frühstadium ist sie durch eine sehr gute Blutzuckereinstellung und Blutdruckkontrolle umkehrbar. Ab einer gewissen Höhe der Albuminausscheidung entwickelt sich aber eine irreversible Schädigung der Niere mit der Gefahr eines langsam fortschreitenden Funktionsverlus tes. Symptome einer fortgeschrittenen Nierenschädigung, wie beispielsweise Juckreiz, Leistungsschwäche, Kopfschmerzen oder Wassereinlagerungen in den Beinen (Ödeme), treten erst nach einigen Jahren auf. Stellen die Nieren ihre Funktion ein, wird dies lebensbedrohlich. In diesem Fall kann eine Dialyse (Blutwäsche) ihre Arbeit übernehmen, ggf. erfolgt eine Nierentransplantation. 28

Zur Früherkennung sollte Ihr Urin regelmäßig auf Albumin untersucht werden, das im Verlauf verstärkt vom Körper ausgeschieden wird. Zur Dokumentation der Untersuchung auf Eiweiß im Urin (Mikro-/Makroalbuminurie) können Sie Ihren Diabetikerpass benutzen. Zudem werden Blutlaborwerte, die etwas über die Filterfunktion der Nieren aussagen, und Untersuchungen zu verschiedenen Risikofaktoren durchgeführt. Sie können einiges tun, um Ihre Nieren zu schützen! Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und Bewegung sowie ein Verzicht auf Nikotin sind wesentlich. Achten Sie auf eine gute Einstellung Ihres Diabetes und Ihres Blutdruckes. Lassen Sie sich bei Diagnosestellung und anschließend jährlich untersuchen. Wird die Nephropathie rechtzeitig erkannt und der Diabetes daraufhin optimal eingestellt, lässt sich das Fortschreiten der Nierenerkrankung verhindern oder zumindest verlangsamen. Wichtig bei eingeschränkter Nierenfunktion: Zahlreiche Medikamente, die zum Teil auch rezeptfrei erhältlich sind, können die Niere schädigen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion müssen bestimmte Medikamente in Ihrer Dosis reduziert oder sogar abgesetzt und umgestellt werden Weisen Sie vor einer Untersuchung mit Röntgen-Kontrastmitteln auf Ihre Nierenerkrankung hin 29

Der diabetische Fuß. Ein Ineinandergreifen von Durchblutungsstörungen und Nervenschädigung, gepaart mit Infektanfälligkeit, Wundheilungsstörungen und nicht selten ungeeignetem Schuhwerk, lenkt das Augenmerk insbesondere auch auf den Fuß des Diabetikers. Bis zu jeder zehnte Diabetiker leidet an einem Geschwür (Ulkus) am Fuß. Schwere Komplikationen können eine Amputation notwendig machen. Kümmern Sie sich daher gut um Ihre Füße. Beachten Sie, vor allem bei Durchblutungsstörungen und herabgesetzter Empfindsamkeit Ihrer Füße, nachfolgende Pflegehinweise und Tipps: Untersuchen Sie täglich Ihre Füße! Wenn Sie Ihre Fußsohlen nicht sehen können, kann ein Spiegel hilfreich sein. Reicht Ihre Sehkraft nicht aus, bitten Sie jemanden um Hilfe. Wenn Sie Veränderungen, zum Beispiel eine Pilzinfektion in den Zehen zwischenräumen oder Verletzungen, feststellen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Hühneraugen oder Warzen sollten keinesfalls mit ätzenden Hühneraugenpflastern oder Tinkturen behandelt werden, da sie die Haut stark schädigen können Reinigen Sie täglich Ihre Füße mit lauwarmem Wasser Trocknen Sie nach dem Waschen oder Duschen vorsichtig Ihre Füße, insbesondere auch zwischen den Zehen. Massieren Sie eine Feuchtigkeitscreme ein. Das hält die Haut geschmeidig und verhindert Risse Fußnägel sollten Sie immer nur mit einer Nagelfeile kürzen. Benutzen Sie keinesfalls eine Schere, Messer, Rasierklingen oder Hornhauthobel. Bei stark eingeschränkter Empfindsamkeit kann es sein, dass Ihnen eine Verletzung gar nicht auffällt. Hornhaut sollte, sofern nötig, mit einem Bimsstein entfernt werden. Eingewachsene Nägel gehören in ärztliche Behandlung Lassen Sie einmal pro Jahr Ihre Füße (und auch die Schuhe) untersuchen, auch, wenn Sie keine Beschwerden haben. In manchen Fällen ist dies auch mehrmals pro Jahr notwendig Erkundigen Sie sich, welche Schuhe für Sie geeignet sind 30

Unterwegs mit Diabetes. Autofahren Mobilität ist für unser Leben von wesentlicher Bedeutung. Manche Diabetiker und/oder ihre Angehörigen fragen sich, ob der Diabetiker sich oder sein Umfeld mit dem Autofahren gefährdet. Zunächst einmal sei festgestellt, dass Diabetiker in Unfallstatistiken nicht öfter als Nichtdiabetiker als Unfallverursacher auffallen. Im Allgemeinen ist ein gut eingestellter und kontrollierter Diabetes keine Gefahr im Straßenverkehr. Jedoch kann die Fahrtüchtigkeit durch eine unzu - reichende Behandlung, Nebenwirkung von Medikamenten, aber auch Komplikationen der Erkrankung eingeschränkt sein. Hier ist insbesondere die Hypoglykämie zu erwähnen, die bereits in der leichten Form mit eingeschränkter Konzentration zu Unfällen führen kann. Für die Fahreignung ist eine stabile Stoffwechseleinstellung Voraussetzung. Treten zwei schwere Hypoglykämien im Wachzustand innerhalb eines Jahres auf, ist die Fahreignung in der Regel ausgeschlossen. Zweifel an der Fahreignung können mittels einer ärztlichen Begutachtung ausgeräumt werden. Berufskraftfahrer müssen grundsätzlich eine stabile Stoffwechselführung über drei Monate nachweisen. Im Verlauf sind in Abhängigkeit von der Art der Therapie regelmäßige ärztliche Kontrollen sowie fachärztliche Nachbegutachtungen erforderlich. Achten Sie darauf, auf Autofahrten Ihre Mahlzeiten und Medikamente wie gewohnt einzunehmen. Insbesondere insulinpflichtige Diabetiker sollten vor Fahrtantritt ihren Blutzucker testen. Unterzuckerungen sind unbedingt zu vermeiden. Achten Sie auf entsprechende Anzeichen und halten Sie für den Fall der Fälle Traubenzucker und kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel griffbereit. Planen Sie bei längeren Fahrten regelmäßige Pausen ein und trinken Sie ausreichend. Alkohol birgt ein hohes Risiko für Unterzuckerungen. Vor und auf der Reise sollte er daher gemieden werden. Auch Alkoholgenuss am Vorabend kann eine Unterzuckerung zur Folge haben. Vergessen Sie nicht, Ihren Diabetikerausweis, bei Auslandsreisen einen internationalen Diabetespass, mitzuführen. 31

Fernreisen Reisen, gerade in entfernte Länder, stellen eine Herausforderung für Diabetiker dar. Ein anderer Lebensrhythmus mit mehr Bewegung oder auch weniger, klimatische Veränderungen, die Zeitumstellung, aber auch fremde Nahrungsmittel können den ansonsten gut eingestellten Zuckerspiegel ins Ungleichgewicht bringen. Eine Fernreise sollte daher sorgfältig vorbereitet werden. Aus Platzgründen gehen wir an dieser Stelle nur auf Fernreisen insbesondere mit dem Flugzeug ein. Für weitere Informationen gibt es z. B. vom Deutschen Diabetiker Bund ein ausführliches Merkblatt (siehe Internetlinks auf Seite 40). Tipps für Fernreisen: Sprechen Sie im Vorfeld der Reise mit Ihrem Arzt. Lassen Sie sich zu einer eventuell notwendigen Dosisanpassung Ihrer Medikamente beraten. Besprechen Sie das Vorgehen bei Überquerung von Zeitzonen (hier kann ein Spritz-Ess-Plan hilfreich sein) Denken Sie an eventuell notwendige Impfungen und führen Sie Ihren Impfpass mit Nehmen Sie ausreichend Medikamente, Lanzetten, Blutzucker- und bei Bedarf Keton-Teststreifen mit. Denken Sie daran, dass gerade bei einer Insulintherapie deutlich mehr Tests und Insulininjektionen notwendig werden können als zu Hause. Wenn Sie Insulin normalerweise mit einem Pen oder einer Pumpe verabreichen, sollten Sie für den Fall der Fälle U-100-Spritzen mit Nadeln mitführen. Bei Insulinpflicht sollten auch Glukagonspritzen für den Fall einer schweren Unterzuckerung nicht fehlen Medikamente und Messgeräte gehören ins Handgepäck. Je nach Fluggesellschaft muss das Diabeteszubehör beim Bordpersonal abgegeben werden Denken Sie an Ersatzbatterien für Ihr Messgerät. Falls es ausfallen sollte, können visuell ablesbare Teststreifen hilfreich sein Je nach Reiseziel kann es sinnvoll sein, eine Kühlbox für das Insulin mitzunehmen Sie benötigen ein ärztliches Attest über Ihren Diabetikerbedarf in der jeweiligen Landessprache. Achten Sie darauf, dass alle benötigten Gegenstände einzeln aufgeführt werden. Auf Flughäfen gelten hohe Sicherheitsstandards, die die Mitnahme spitzer Gegenstände und Flüssigkeiten betreffen. Spritzen, Lanzetten zur Blutzuckerkontrolle und Insulin sind, z. B. bei USA-Reisen, in der Originalverpackung mitzuführen. Erkundigen Sie sich vor In- und Auslandsflügen nach den aktuellen Bestimmungen. Auch sind bei Reisen in bestimmte Länder Zollbestimmungen relevant Sorgen Sie für Zwischenmahlzeiten und Traubenzucker für den Notfall. Nehmen Sie ausreichend Kohlenhydrate mit. Bitte beachten Sie auch hierbei die Einfuhrbestimmungen in bestimmten Ländern, z. B. den USA Erkundigen Sie sich über die Nahrungsmittel am Reiseort und nehmen Sie gegebenenfalls eine BE-Austauschtabelle mit Führen Sie Ihr Diabetestagebuch und einen internationalen Diabetespass (in verschiedenen Sprachen erhältlich) mit Trinken Sie reichlich, verzichten Sie auf Alkohol 32