Auf den ersten Blick ist Shimanos neue 105-Gruppe kaum von den teureren Gruppen Dura-Ace und Ultegra zu unterscheiden. Ob das Teile- Ensemble auch technisch nach Höherem strebt, verrät der Test PERFEKTE ILLUSION 14 TOUR 11/2005
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Bremsen auf Dura-Ace-Niveau: Die neuen 105-Stopper packen hart zu und sind gut dosierbar. Endlich sind auch die Beläge zur Felge ausrichtbar Außen neu, innen bewährt: Erkennbar sind die neuen 105-Naben am dickeren Körper. Am bekannten Lagerungsprinzip hat sich nichts geändert TEXT: MANUEL JEKEL FOTOS: DANIEL SIMON Schnittbild: Die Patrone des 105-Tretlagers (rechts) hat eine etwas einfachere Labyrinthdichtung als das Dura-Ace-Lager (links) Reibungsarm: Zwischen den Bremsarmen sitzt ein Kugellager Seit vor mehr als 20 Jahren die erste 105-Gruppe vorgestellt wurde, stehen die drei Ziffern für moderne, zuverlässige Rennradtechnik zum günstigen Preis. Für Show-Auftritte eignete sich die Nummer drei in der Gruppenhierarchie von Shimano dagegen bislang wenig. Zu groß war der technische und vor allem optische Abstand gegenüber den teureren Gruppen Dura-Ace und Ultegra. Dieses Mauerblümchen-Image könnte die neue, mittlerweile sechste 105-Generation ablegen. Die TOUR-Redakteure jedenfalls rieben sich verwundert die Augen, als die erste komplette Gruppe in der Redaktion eintraf. Wo, bitte, soll in Zukunft noch Platz für die Ultegra-Gruppe sein, wenn schon die 105 so edel glänzt? Der hochwertige Eindruck ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auch technisch ist die neue 105 top-aktuell: Zehn Ritzel für 20 beziehungsweise 30 Gänge, hohl geschmiedete Kurbeln mit integrierter Tretlagerachse, exzellente Bremsbe läge, ergonomisch perfekte Brems-Schalthebel die Gruppe verfügt jetzt über alle wesentlichen Features der teureren Shimano-Gruppen. Am deutlichsten spürbar ist die Entwicklung bei den Bremsen. Keine Spur mehr vom etwas schwammigen Bremsgefühl der alten 105-Zangen. Dank steiferer Konstruktion und neuer Beläge überzeugen die Stopper mit erstklassiger Dosierbarkeit und knackigem Druckpunkt. Ein Unterschied zur Dura-Ace ist nicht spürbar, selbst bei Nässe ist die Wirkung vergleichsweise gut. Auch das Schaltverhalten wurde weiter perfektioniert. Dank neuer, mit Silikonfett ausgepritzter Züge sind die Bedienkräfte beim Schwenk der Hebel auf ein bemerkenswert niedrig. Die gleichen Züge sind übrigens auch bei der Dura-Ace im Einsatz dort allerdings mit gedichteten Endkappen, auf die bei der 105 verzichtet wurde. Im letzten Schaltzug-Test (TOUR 12/03) waren vor allem diese Dichtungen für die reibungslose Funktion der Dura-Ace-Schaltung selbst unter widrigen Bedingungen verantwortlich. Daher unser Tipp: Wer die neue 105 selbst montiert, sollte gleich die einzeln erhältlichen gedichteten Zugendkappen (Shimano-Teile- Nr. Y-6Z2 98010) nachrüsten. Blickfang der Gruppe ist wie bei Dura-Ace und Ultegra das markante Tretlager mit hohl geschmiedeten Kurbeln, integrierter Alu-Welle und außen liegenden Lagerpatronen. Die Oberflächenpolitur der Kurbeln unterscheidet sich kaum von den teureren Gruppen. Lediglich die Kettenblätter wirken weniger hochwertig. Wegen einfacherer Materialqualität dürften sie zudem schneller verschleißen. Erstklassiges Schaltverhalten bieten sie trotzdem. 16 TOUR 11/2005
Einfachere Leitrollen und Dichtungen unterscheiden das 105-Schaltwerk von den teureren Wechslern Handschmeichler: Die Griffkörper zeichnen sich durch hervorragende Ergonomie aus Alles anders: Das neue Tretlager mit hohlen Kurbeln, integrierter Achse und außen liegenden Lagern Komplett überarbeitet wurden die Brems-Schalthebel. Die hoch bauenden, schlanken Griffkörper kennt man von Dura-Ace und Ultegra. Sie liegen perfekt in den Händen, Schalten und sogar Bremsen aus Bremsgriffhaltung ist kein Problem. Die Gänge rasten definierter ein als bisher, die Schaltpräzision ließ auch nach mehreren hundert Testkilometern nicht erkennbar nach. Eher kosmetischer Natur sind die Änderungen an den Naben der neuen Gruppe. Gewicht und Aufbau blieben praktisch unverändert, die Nabenkörper sind nur deutlich dicker als bisher. Einstellbare, gut gedichtete Konuslager mit aufwändig polierten Laufflächen prädestinieren die 105-Naben wie bisher für den Aufbau günstiger, langlebiger Allround-Laufräder. Ausgeliefert wird die neue 105 als Zwei- und Dreifach- Version seit Anfang Oktober. Kompaktkurbeln gibt es für die Gruppe nicht, allerdings hat Shimano inzwischen eine Kompaktkurbel ohne Gruppenzuordnung im Programm, die mit der 105 kompatibel ist. Fazit: Für knapp die Hälfte des Preises einer Dura-Ace bietet die neue 105 alle Funktionsmerkmale einer modernen Rennradgruppe. Der größte Unterschied 400 Gramm zusätzliches Gewicht dürfte für Hobbyfahrer in der Praxis eine eher geringe Rolle spielen. Entscheidender sind aufwändigere Dichtungen und engere Fertigungstoleranzen bei einigen Bauteilen der Top-Gruppe, die die Lebensdauer verlängern. Ob sich dadurch allerdings die große Preisdifferenz amortisiert, ist zweifelhaft. GRUPPENGEWICHTE IM VERGLEICH Brems-Schalthebel Bremskörper Schaltwerk Umwerfer (für Sockel) Kurbelgarnitur Innenlager Vorderradnabe Schnellspanner Hinterradnabe Schnellspanner Ritzel (12 25 Zähne) Kette (116 Glieder) Gesamt (ohne Züge) Preis 105 2x10 (neu) 493 Gramm 356 Gramm 221 Gramm 88 Gramm 7 (52/39 Zähne; 175 mm) Kettenblatthärte (Vickers): 161 HV 97 Gramm 149 Gramm 348 Gramm 249 Gramm; Ritzelhärte (Vickers): 526 HV 277 Gramm 3.161 Gramm ca. 700 Euro 105 2x9 (alt) 519 Gramm 353 Gramm 227 Gramm 81 Gramm 681 Gramm (53/39 Zähne; 172,5 mm) Kettenblatthärte (Vickers): 153 HV 251 Gramm 147 Gramm 349 Gramm 250 Gramm; Ritzelhärte (Vickers): 500 HV 304 Gramm 3.286 Gramm ca. 700 Euro Ultegra 2x10 493 Gramm 327 Gramm 209 Gramm 89 Gramm 735 Gramm (53/39 Zähne; 170 mm) Kettenblatthärte (Vickers): 160 HV 98 Gramm 140 Gramm 347 Gramm 249 Gramm; Ritzelhärte (Vickers): 485 HV 280 Gramm 3.091 Gramm ca. 900 Euro Dura-Ace 2x10 422 Gramm 313 Gramm 181 Gramm 73 Gramm 654 Gramm (53/39 Zähne; 172,5 mm); Kettenblatthärte (Vickers): 178 HV 97 Gramm 130 Gramm 263 Gramm 177 Gramm; Ritzelhärte (Vickers): 490 HV (Stahl)/437 HV (Titan) 278 Gramm 2.712 Gramm ca. 1.500 Euro TOUR 11/2005 17
Kette rechts: Die neue 105 verbindet feinste Rennrad-Technik mit attraktivem Design zum günstigen Preis SHIMANO 105 NEU DIE TECHNIK IM DETAIL Brems-Schalthebel: Linker Hebel Zwei- und Dreifach-kompatibel; Griffkörper mit ergonomisch optimierter Formgebung; kürzerer Hebelweg bis zum Schaltvorgang als bisher; die Schalthebel beschreiben beim Schwenk einen Bogen nach innen Bremskörper: Doppelgelenk-Bremsen mit gedichteten Axialkugellagern vorne und hinten; Cartridge-Bremsbeläge (Typenbezeichnung R55C2 wie bei Dura-Ace und Ultegra) im Winkel zur Felge ausrichtbar Schaltwerk: Neun- und Zehnfach-kompatibel; Schaltwerksrollen mit Gleitlagern (Kugellager bei Dura-Ace und Ultegra); auch mit langem Käfig für Dreifach-Kurbeln lieferbar; Kapazität: 29 Zähne; Maximale Differenz vorne: 16 Zähne (Dreifach-Version: 39/27 Zähne) Umwerfer: Zwei- und Dreifach-Versionen mit verschiedenen Schellendurchmessern oder für Anlötsockel; Leitblech aus Stahl; für Kettenblattkombination 50/34 Zähne geeignet Kurbelgarnitur : Hohl geschmiedete Kurbeln für integrierte Innenlager; rechte Kurbel und Aluminium-Achse als Einheit; lieferbar mit den Kettenblattkombinationen 52/39, 50/39 und 50/39/30 Zähne, jeweils in den Längen 165, 170, 172,5 und 175 Millimeter Innenlager: Zweifach gedichtete Lagereinheiten; kompatibel mit Dura-Ace- und Ultegra-Kurbeln Vorderradnabe: Konuslager mit Labyrinth- und Schleifdichtungen, Konen geschliffen und poliert; Stahlachsen; zusätzliche O-Ringe dichten die Lager nach innen ab; lieferbar mit 24-, 28-, 32- und 36- Loch; Freigabe für Radialeinspeichung Hinterradnabe: Acht-, Neun- und Zehnfach-kompatibel; Konuslager mit Labyrinth- und Schleifdichtungen, Konen geschliffen und poliert; Stahlachsen; zusätzliche O-Ringe dichten die Lager nach innen ab, lieferbar mit 24-, 28-, 32- und 36-Loch Ritzel: Ritzel aus vernickeltem Stahl; obere drei Ritzel auf Alu-Träger, sonst einzelne Steckritzel. Lieferbar mit 11-23, 12-25 und 12-27 Zähnen Kette (116 Glieder): Zehnfach-kompatibel mit speziellem Verschluss-Stift; kompatibel mit Dura-Ace- und Ultegra-Antrieben 18 TOUR 11/2005