title Ein Kreuzerl fürs Berufsheer 1/8
title Von Clemens Neuhold Auf dieser Seite mehr Kreuze gemacht? Dann sind Sie für ein neues Berufsheer. Wien. Eine Mutter, die ihrem Sohn sechs Monate Kaserne ersparen will; ein 17jähriger Bursch, der selbst ein Kreuzerl gegen den "Zwangsdienst" machen kann; ein ExRekrut, der zurückdenkt und dem nur Vollräusche einfallen; ein Militär, für den nur ein Berufsheer fit ist fürs 21. Jahrhundert: Bei der Volksbefragung am 20. Jänner werden sie sich leicht tun; andere ohne klare Motive nicht. Die Politik ist keine Hilfe. Denn die ÖVP hat ihre Position in zehn Jahren einmal komplett geändert, von pro Berufsheer auf pro Wehrpflicht, die SPÖ ging in die Gegenrichtung innerhalb von zwei Wochen. Dazu kommen ParteiAbweichler wie Gabi Burgstaller. Zum Anhalten zeigt die "Wiener Zeitung" die beiden Lager und ihre prominenten Fürsprecher. Lesen Sie beide Seiten durch, machen Sie dann Kreuze zu den Argumenten, und zählen Sie zusammen und vergleichen Sie. Dann sollte das Kreuz am nächsten Sonntag klar sein. 2/8
. en. Das Sozialjahr mit gerechter Entlohnung soll für beide Geschlechter eine attraktive Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung bringen, erklärten Frauenministerin Gabriele Heinischtitle O Schon 21 von 27 EULändern haben ein Berufsheer Die Wehrpflicht hat in Europa massiv abgerüstet, Schon 21 abwehr, CyberCrime, biologische Waffen oder Auslandseinsätze im Rahmen von Friedenstruppen. Um diese Aufgaben zu von 27 Ländern haben ein Berufsheer. Atleine seit 2010 haben Deutschland, Schweden und Polen auf ein ProfiHeer umgestellt. Die Gründe sind vielfältig. Zum einen hat sich das Be Heer sind. Und es braucht eine wachsende, militärische Koope bewältigen, braucht es gut ausgebildete Soldaten, die fix beim drohungsszenario seit Ende des Kalten Krieges geändert. Dazu ration innerhalb Europas von Profi zu Profi. Die Neutralität kommen die neuen militärischen Herausforderungen wie Terror steht dem nicht im Wege. O Die Bedrohungsszenarien haben sich geändert Im Kalten Krieg lag Österreich direkt an der kalten "Front" zwischen Ost und West. Doch mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs sind die militärischen Szenarien einer Invasion weggefallen. Dadurch fällt auch der Bedarf eines "Massenheers" weg, das sich im Ernstlall gegen den Feind wirft mit allen im Land tauglichen Männern. Am Rand von Europa, in Griechenland, Zypern, Finnland oder Estland gibt es diese Bedrohungsszenarien noch, sei es real oder "gefühlt". In Griechenland herrscht nach wie vor Angst vor der militärisch hoch gerüsteten Türkei (obwohl beide in der NATO sind) und in Finnland ist die Angst vor dem "russischen Bären" noch lange nicht versiegt. Doch Österreich liegt im Herzen Europas, deswegen ist eine Massenmobilisierung im Marchfeld nach großer Übereinstimmung der Militärstrategen kein reales Szenario mehr. O Wir brauchen Profis, keine Chauffeure Auch in Österreich hat die Wehrpflicht schleichend abgerüstet, das wollen viele nur nicht wahrhaben. Von zunächst neun Monaten sank die Dauer des Präsenzdienstes ohne große Proteste auf sechs Monate. Sechs Monate reichen aber nicht aus, um junge Männer für die neuen militärischen Herausforderungen zu rüsten. One Volksbefragung für eine neuerliche Anhebung auf neun oder gar 12 Monate würde wohl floppen. Dazu kommt: Nach vier Monaten Ausbildung sind die Soldaten nur zwei Monate wirklich "im Job". Und dieser Job ist in sechs von zehn Fällen nicht einer mit der Waffe in der Hand, sondern mit dem Kochlöffel oder dem Lenkrad der GeneratsKarosse. Im Fachjargon hetftt das: Systemerhalter. Rückblickend empfinden nicht wenige "Systemerhalter" ihre Zeit beim Heer als "geraubt" und sinnlos. i O Sani statt Soldat: Der Wehrpflicht geht der Nachwuchs aus Seit es den Zivildienst als Alternative zum Heer gibt, ziehen immer schieden Tendenz, stark steigend. Weitere 10.000 waren untauglich. Bleiben rund 21.000 Mann für das Bundesheer. Zu die mehr junge Männer den Rettungswagen dem Panzer vor. Der dauert zwar drei Monate länger, wird aber von vielen als sinnvoller erachtet. Alleine im Vorjahr haben sich von knapp 45.000 Wegen geburtenschwacher Jahrgänge wird die Zahl der 19 und ser Flucht aus dem Heer kommt die demografische Entwicklung: Männern bei der Stellung knapp 14.000 für den Ziviidienst ent 20)ährigen stark sinken; dem Heer gehen die Rekruten aus. O Berufsheer und Sozialjahr bringen neue Jobs (auch für Frauen) Nicht nur das Berufsheer bringt neue, angemessen bezahlte Jobs für junge Männer und Frauen. Zusätzlich wird es als Ersatz für den Zivildienst, der mit Ende der Wehrpflicht wegfällt, ein freiwilliges Sozialjahr geben, das Frauen und Männer ab 18 fahren ohne Altersobergrenze leisten können. Die Bezahlung ist mit 1400 Euro brutto, 14 mal im Jahr, durchaus attraktiv und macht sich wegen der fundierten Ausbildung sicher nicht schlecht im Lebenslauf. Das Modell orientiert sich an Deutschland. Als Deutschland die Wehrpflicht 2010 abschaffte, fielen 90.000 Ztvildiener über Nacht weg. Doch die Arbeitskräfte konnten mit freiwilligen Pflegern, Rettungsfahrern und Sanitätern nahtlos ersetzt wird. O Wehrpflicht dämpft Wirtschaft und Einkommen Ein freiwilliges soziales Jahr oder der Eintritt ins Bundesheer fung der Wehrpflicht verglichen und konnten auch viele Jahre kann für junge Männer und Frauen ein Baustein in ihrer später noch Cehaltseinbußen durch den "HeeresKnick" nachweisen. Gedämpft werden aber nicht nur die Lebenseinkom Karriere sein. Werden junge Männer hingegen zwangsweise einberufen, verlieren sie durch diesen "KarriereKnick" sechs men sondern die gesamte Wirtschaft. Weil ein ganzer Jahrgang Monate, was ihnen gerade in der heutigen HochLeistungsgesellschaft iange nachhängen kann. Wirtschaftsforscher haben im ganzen Land pro fahr um 300 Millionen Euro weniger er, sechs bis neun Monate aus dem Arbeitsprozess aussteigt, wird in Holland ßerufswege junger Männer vor und nach Abschaf wirtschaftet. Frauen zum Zivildienst "grotesk" HeinischHosek: Alternative zum Zivildienst für Frauen attraktiv. Wien. Die SPÖ sieht in ihrem Modell für das Freiwillige Soziale lahr als Ersatz zum derzeitigen Zivildienst unter anderem einen Beitrag für mehr Chancengleichheit zwischen Männern und Frau 3/8
pflichtfans stärker im Vordergrund, während im Lager der BerufsheerFans militärischrationale Aspekte überwiegen. Nach derzeitigen Meinungsumfragen wiegen die emotionalen Argumente schwerer, die Wehrpflicht liegt vorne. Noch bleibt eine Woche für Gerüchte, Horrorszenarien, Partei Spin. Wer nüchtern entscheiden möchte, macht unten Kreuze, adtitle Hosek und Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Freitag bei einer Pressekonferenz. HeinischHosek wehrt sich gegen ein "Schubladendenken", in dem es für das von der SPÖ beworbene Profiheer nur Männer und im Sozialjahr nur Frauen gebe. Sowohl das Berufsheer als auch das Freiwillige Soziale Jahr sollen für beide Geschlechter attraktiv sein, wünscht sie sich mehr Männer in Sozialberufen. Gegen billige Arbeitskräfte Vehement sprachen sich beide Regierungsmitglieder gegen den "grotesken" Vorschlag von ÖVP Innenministerin Johanna Mikl Leitner aus, der eine Öffnung des Zivildienstes auch für Frauen vorsieht. HeinischHosek plädierte viel eher für eine "angemessene Bezahlung", man dürfe Menschen nicht als "billige Arbeitskräfte ausnutzen". Hundstorfer zeigte sich einmal mehr "zutiefst überzeugt", 8000 Engagierte für das Sozialjahr zu finden und sprach von einem "sehr guten Modell", das "geschlechtsneutral" und unabhängig vom Alter sei. Man solle nicht den "Angstparolen" folgen, forderte er außerdem. Der Sozialminister wies den am Freitag geäußerten Vorwurf von MiklLeitner zurück, wonach das Sozialjahr fast doppelt so teuer käme wie der Zivildienst. Er lädt all jene, die meinen, er hantiere mit falschen Zahlen, in sein Ministerium ein: "Wir rechnen's vor." Bisher hätten ihm noch alle Kritiker "seriöse" Berechnungen attestiert. Ein Kreuzerl für die Wehrpflicht Von Clemens Neuhold Auf dieser Seite mehr Kreuze gemacht? Dann sind Sie für das bestehende Heer. Wien. Ein Pensionist, der einen Zivildiener ins Herz geschlossen hat wie sein Enkerl; eine Familie, die sich noch an das letzte DonauHochwasser und die vielen Grundwehrdiener mit Sandsäcken erinnern kann; ein Zivildiener, der durch den Präsenzdienst seine Liebe fürs Ehrenamt entdeckt hat und seither beim Roten Kreuz werkt: Für diese Personen ist klar, wo sie ihr Kreuz am 20. Jänner machen. Die eher emotionale als militärische Frage des Zivildienstes und Katastrophenschutzes steht bei den Wehr 4/8
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jahr und 172 Millionen für den Zivildienst, während Hundstorfer die Kosten für beide Modelle bei ungefähr 200 Millionen ansetzt. Der Grund: Laut Experten der Uni Wien hat das Sozialministerium mit einer falschen Basis getitle O Seit 1955 Wehrpflicht und Neutralität Das System der Wehrpflicht hat sich für das neutrale Österreich bewährt. Die meisten EULänder mit Berufsheer sind in der NATO, wir nicht. Warum ein bewährtes System abschaffen und mit einem Berufsheer experimentieren? Jetzt ist die Mannstärke der Truppe garantiert. Ob sich genug Freiwillige für ein Berufsheer finden, ist nicht garantiert vor allem in der Umstellungsphase, die mindestens zehn Jahre dauern soll. Das gleiche gilt für den geplanten, freiwilligen Ersatzdienst für jährlich 14.000 Zivildiener. O Reformieren statt abschaffen Schon jetzt gibt es 14.000 Berufs und Zeitsoldaten, wir haben also schon ein ProfiHeer. Dazu kommen Crundwehrdiener und Miliz, die man sicher noch effizienter einsetzen und ausbilden kann. Man kann die Zahl der sogenannten Systemerhalter reduzieren und die Talente der jungen Männer besser nutzen. Für diese weitere Professionalisierung braucht man aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Wehrpflicht komplett abzuschaffen. O Ein Berufsheer ist teurer als die Wehrpflicht Ein Berufsheer ist teurer als die Wehrpflicht "Wer anderes sagt, lügt", hat der tschechische Auflenml nister Karl Schwarzenberg gesagt. Tschechien hat seit 2005 ein Berufsheer. In Österreich kamen zu den Gehältern und Prämien für die Berufssoldaten (sind sie zu niedrig, geht niemand hin), die höheren Gehälter für die Freiwilligen im Sozialjahr. Die sollen die Zivildiener ersetzen und 1400 Euro brutto im Monat bekommen. Wenn sich überhaupt genug melden, ist auch hier mit höheren Kosten zu rechnen. Durch ein Berufsheer könnte zusätzlich der Druck steigen, dos vergleichsweise niedrige Militärbudget deutlich anzuheben und In teures Gerät zu investieren. O Im Katastrophenfall ist auf Grundwehrdiener Verlass Beim bisher größten Katastrophenschutz, dem Hochwasser, im Jahr 2002, waren in ganz Österreich 11.300 Soldaten im Einsatz. Die jungen Menschen füllten Sandsäcke und warfen sich den Wassermassen entgegen. Österreich ist ein durch Muren, Hochwasser und Lawinen besonders bedrohtes Land. Durch den Klimawandel nimmt die Bedrohung noch zu. Durch die Wehrpflicht sind junge Soldaten in ganz Österreich jederzeit verfügbar. Nach einer Umstellung auf ein Berufsheer gibt es keine Garantie, dass dieselbe Mannstärke im Katastrophenfall bereit steht. O Die Wehrpflicht ist wichtig für die Solidarität und Integration Die Gesellschaft wird immer egozentrischer, jeder schmiedet am eigenen Glück. Der Zusammenhalt geht verloren. Wenn junge Männer aus allen Schichten zusammenkommen und beim Bundesheer oder Zivildienst gemeinsam der Allgemeinheit dienen, stärkt das dte Solidarität und Verantwortung für die Gesellschaft. Für Zuwanderer, die trotz österreichischen Passes noch nicht so in Ihrer neuen Heimat verwurzelt sind, ist die Wehrpflicht eine gute Gelegenheit, Kontakte weit über ihre Communitys hinaus zu knüpfen und Land und Leute noch besser kennen zu lernen. O Der Zivildienst ist die Brücke ins Ehrenamt Tausende Zivildiener, die alte Menschen pflegen, Kranke transportieren oder Verletzte erstversorgen, sind eine wichtige Säule des Sozialsystems und lassen sich nicht auf Knopfdruck ersetzen. Wie schon beim Berufsheer erwähnt: Die Zivildiener sind garantiert, freiwillige Sozialkräfte nicht. Ein nicht unwesentlicher Teil der Zivildiener macht nach den neun Monaten bei den Organisationen wie Rotes Kreuz oder Samariter Bund "Wer soll das bezahlen?" MiklLeitner. Freiwilliges Sozialjahr kommt viel teurer als Zivildienst. Wien. Innenministerin Johanna MiklLeitner (ÖVP) glaubt Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) nicht, was die Kosten für das von der SPÖ gewünschte Freiwillige Sozialjahr betrifft, das den Zivildienst ersetzen soll (siehe ehrenamtlich welter. Damit ist der Zivildienst für viele junge Menschen die Brücke zum Ehrenamt. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht würde diese Brücke einstürzen. Österreich ist mit drei Millionen Menschen das Land des Ehrenamtes, 1,4 Millionen junge Menschen unter 30 arbeiten engagieren sich ehrenamtlich und unbezahlt. Ehre und Freiwilligkeit sind unbezahlbar. links). Sie kommt auf Kosten von 330 Millionen Euro für das Sozial 7/8
title rechnet und einiges nicht berücksichtigt. So seien etwa die Zivüdienerzahlen, die für den gesamten Kostenvergleich und die Berechnung der indirekten Kosten herangezogen wurden, zu hoch. Außerdem sei die höhere Dienstzeit für Zivildiener nicht berücksichtigt, die bei bezahlten Sozialkräften als Überstunden anfallen würden. Zusätzliche Kosten: 50 Millionen Euro. Weitere zehn Millionen Euro veranschlagt MiklLeitner für die Rekrutierung der freiwilligen Sozialdiener. Die Innenministerin fragt sich jedenfalls, wer das bezahlen soll, denn letztlich würden die Mehrkosten am Steuerzahler hängen bleiben. Die Frage, ob das Sozialressort absichtlich falsch gerechnet habe oder es sich um mangelnde Kompetenz handle, wollte die Ministerin am Freitag bei einer Pressekonferenz nicht beantworten. Ihr gehe es mit der "Richtigstellung" um "ehrliche Information" vor der Volksbefragung am 20. Jänner. Ehrenamt in Gefahr Abgesehen davon warnte Mikl Leitner erneut davor, dass eine Abschaffung des Zivildienstes den "Nährboden für die Ehrenamtlichkeit" entzöge. Man werde das Personal für das Sozialjahr nicht finden, ist die Ministerin überzeugt. Für die Organisationen fiele die Planbarkeit weg und "für kranke und behinderte Menschen" die Sicherheit. 8/8