Was ist der Mensch? Erste Predigt zur Aktion Expedition zum Ich 4. Januar 2015

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Transkript:

1 Was ist der Mensch? Erste Predigt zur Aktion Expedition zum Ich 4. Januar 2015 Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass wir eine Aktion Expedition zum Ich durchführen, da ich habe ich mich gewundert und mich gefragt: Ist das nötig? Das tönt ja ziemlich selbstbezogen. Haben wir nicht genug davon? Doch dann habe ich mich überzeugen lassen: ICH damit bin zwar auch ich selbst gemeint. Ich soll also nach den 80 Tagen etwas besser verstehen, wer ich eigentlich bin. Auf der Suche nach Gott werde ich besser verstehen, wer ich bin. Das ist eine ziemlich steile These. Doch sie wird sich als richtig erweisen. Davon bin ich überzeugt: Denn Gott, der uns in der Bibel vorgestellt wird, hat einen Namen: ICH BIN (JHWH). Er wird in der Bibel als Person vorgestellt und die Bibel behauptet klar heraus: Dass wir da sind, hat etwas mit diesem Gott zu tun! Ich lade Sie also ein, sich darauf einzulassen. Warum sollten wir die Frage nach Gott überhaupt stellen? Kann es uns nicht letztlich egal sein, ob es Gott gibt oder nicht? Das ist ja eine durchaus verbreitete Meinung. Oder etwa auch: Ist das alles nicht einfach eine Gedankenspielerei? Wer hat schon Zeit dafür? Ich behaupte ganz überzeugt: Die Frage nach Gott ist keine Spielerei. Sie ist von grundlegender Bedeutung für unser Verständnis des Lebens. Ich gebe Ihnen einen einfachen Grund: Gott wenn es ihn gibt ist das tiefste Geheimnis des Menschen. Ohne ihn können wir nicht verstehen, wer wir wirklich sind. Wenn wir die großen Fragen beantworten wollen: Die Fragen woher, wohin, wozu? dann stochern wir im Nebel ohne Gott. Die Frage nach Gott ist deshalb wichtig. Denn wenn es einen Gott gibt, der die Menschen geschaffen hat, dann wäre es interessant zu wissen, ob und was er sich dabei gedacht hat. Gewiss, die Bibel bietet eine Antwort, die nicht allen einleuchten will wobei ich nun ganz frech behaupte (auch das ist meine Erfahrung): Viele wissen gar nicht, was in der Bibel über Gott und uns steht! Aber gleichwohl: Ich lade Sie ein, sich einfach auf den Weg zu machen, hinzuhören, zu prüfen, zu forschen, mit anderen zu diskutieren und sich dabei die Frage zu stellen: Ist da vielleicht eine Antwort, die zum wirklichen Leben passt? Die mir Antworten gibt auf die wichtigsten Lebensfragen? Wenn sich für Sie dann nach 3 Monaten herausstellt, dass das nichts ist für Sie, dann ist das keine verlorene Zeit. Immerhin haben Sie einen Einblick gewonnen. Was ist der Mensch? Wer bin ich? Heinz Rühmann sang einst (1937): So ein Regenwurm hat s gut. So ein Regenwurm hat fein. Ach, könnt ich doch, ach dürft ich doch, ein Regenwurm mal sein. Ich weiß nicht, ob wir diesen Wunsch nachempfinden können. Nun vielleicht braucht sich ein Regenwurm keine Sorgen machen, was er am nächsten Tag zu essen hat. Er kennt auch keinen Liebesschmerz! (so die Hauptaussage bei Rühmann). Ja, der Regenwurm: Der steht nicht vor existentiellen Fragen: Wer bin ich? Wovon lebe ich? Was wird aus dieser Welt? So weit es bekannt ist, hat sich noch nie ein Regenwurm selbst umgebracht, weil er verzweifelt war und keine Antwort mehr auf den Sinn seines Leben fand. Wer bin ich? das ist eine zutiefst menschliche Frage.

2 Die Suche nach einer Antwort kann man ganz unterschiedlich angehen. Zum Beispiel statistisch: Im Weltall gibt es so sagen uns die Astronomen unzählbar viele Milchstrassen. Unsere Milchstrasse ist nur eine davon und sie besteht wiederum aus zwei Milliarden von Sonnen. Unsere Sonne ist ein davon. Um diese Sonne kreisen unzählige Planeten und einer dieser Planeten ist die Erde, auf der wir leben. Auf dieser Erde gibt es unzählige Lebewesen und seit es Menschen gibt, sind viele Milliarden Menschen über die Erde gegangen. Auch heute gibt es 7, 3 Milliarden Weltenbewohner. Und eines dieser Exemplare sind Sie! Statistisch gesehen bin ich weniger als ein Staubkorn. Wir merken sofort: Nein, auf dem Weg der Statistik erhalte ich keine befriedigende Antwort auf meine Lebensfrage. So können wir bei verschiedenen anderen Experten nachfragen: Der Chemiker würde sagen: Der Mensch ist eine chemische Maschine. Die Neurobiologin sagt: Letztlich läuft in uns alles nach chemischen Prozessen ab. Von Freiheit keine Spur. Der Biologe versucht uns zu verorten bei höher entwickelten Primaten, als vorläufiges Ergebnis einer aus Zufall entstandenen ersten Lebenszelle. Gehen wir zu den Weltanschauungen, seien es religiöse oder philosophische erhalten wir wieder völlig sich widersprechende Antworten: Der Materialist wird sagen: Der Mensch ist, was er isst. Er ist Materie, Stoff, Trieb. Der Buddhist wird sagen: Er ist eine Existenz im Übergang zum Nirvana, in das alles mündet, was wir irrtümlicherweise als Realität ansehen. Wer bin ich? Diese Fragen kann auch von einer ganz anderen Warte her beantwortet werden: Von der Bibel her. Die Bibel setzt uns ins Bild. Sie formt und bildet uns, sie macht uns gebildet. Beim Stichwort Mensch fallen uns Begriffe ein, wie Geschöpf, Ebenbild, Rebell, Adam, Eva, Erlöster usw. ein. Es sind Begriffe, die uns weiterfragen lassen: Wessen Geschöpf? Wessen Ebenbild? Rebell gegen wen? Mit wem versöhnt? Diese Wörter zielen auf Gott; Gott im biblischen Sinn: Die Bibel ist überzeugt, dass mir als Mensch gesagt werden muss, wer ich bin. Wenn die Bibel vom Menschen spricht, dann spricht sie von ihm im Zusammenhang mit Gott. (Powerpoint) Dietrich Bonhoeffer hat 1944 im Gefängnis einen Text geschrieben mit dem Titel Wer bin ich?. Bonhoeffer war im Gefängnis, weil er an einer Verschwörung gegen Hitler teilgenommen hatte: Zunächst spricht er davon, wie er anderen Menschen erscheint, seinen Gefängniswärtern, seinen Mitgefangenen: Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich trete aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spra che mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als haẗte ich zu gebieten.

3 Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich tru ge die Tage des Unglu cks gleichmuẗig, la chelnd und stolz, wie einer, der siegen gewohnt ist. Dann spricht er davon, wie er sich selbst erlebt: Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsu chtig, krank, wie ein Vogel im Ka fig, ringend nach Lebensatem, als wu rgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, du rstend nach guten Worten, nach menschlicher Naḧe, zitternd vor Zorn u ber Willku r und kleinlichste Kra nkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnma chtig bangend um Freunde in endloser Ferne, mu de und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen. So erfährt Bonhoeffer sich selbst. Als ein angefochtener, ängstlicher, müde gewordener Mensch. Die beiden Bilder geraten in Konflikt (Fremdbild-Eigenbild): Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein vera chtlich wehleidiger Schwa chling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg? Wie lässt sich dieser Konflikt lösen? Was gilt? Woher erhalte ich eine Antwort? Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! 1 Gott ist der Bezugspunkt. Wer ich bin, das entdecke ich nicht am Urteil anderer über mich und auch nicht in der Selbsterfahrung (das ist ja modern!). Nicht wenn ich in den Spiegel schaue. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! Gott, der mir das Leben gab und mich zu seinem Ebenbild bestimmt hat: Nur er kennt mich bis in die tiefsten Schichten meiner Person. Das ist mir Trost. Sie werden im Laufe dieser Aktion Expedition zum Ich, Gelegenheit haben, sich zu vertiefen in Bibelabschnitte, die mit Recht als Grundlage bezeichnet werden für das 1 Dieses Gedicht schrieb Dietrich Bonhoeffer im Milita rgefa ngnis Berlin-Tegel und legte es einem Brief an seinen Freund Eberhard Bethge am 8. Juli 1944 bei. Es ist abgedruckt in Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrg. von E. Bethge u.a. (Bd. 8 der Werkausgabe) Ed. Kaiser im Guẗersloher Verlagshaus Guẗersloh 1998, S. 513f

4 Nachdenken über Gott und den Menschen. Die ersten Kapitel der Bibel gehören dazu. Ich kann das hier nicht entfalten. Nur weniges in Kürze: In 1. Mose 1, 26-28 lesen wir: Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich. Und sie sollen herrschen über die Fische des Meers und über die Vögel des Himmels, über das Vieh und über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen. 27Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. 28Und Gott segnete sie. Mit diesen Worten gewährt uns Gott einen Einblick in seinen Ratschluss: Was er sich vornimmt und was er plant. Gott uns lässt uns sein Wesen erkennen, damit wir wissen, woher wir kommen und ihn lieben lernen. Lasst uns Menschen machen. Schon hier können wir ein Blick in Gottes Herzen machen, in das was er will: Menschen! Männer und Frauen! Wir sind nicht Objekte, wir sind als Ebenbilder, als sein Abbild gedacht! Mit dieser Würde stellt er uns in seine Schöpfung und gibt uns den Auftrag, dies im Umgang mit der Schöpfung zu sein. In diesem Sinn gilt, dass wir als seine Repräsentanten gedacht sind, als seine Stellvertreter. Darum spricht man vom Menschen als der Krone der Schöpfung. Kritischer Einwand: Darf man das heute noch sagen, nachdem was wir Menschen mit Gottes Schöpfung anrichten? Und wie wir Menschen miteinander umgehen? Das wird auch Thema sein in unseren Gesprächen. Wir werden feststellen, dass da auch ein Bruch geschehen ist: Die Bibel spricht vom Aufstand des Menschen gegen seinen Schöpfer und allen Folgen, die wir bis heute sehen! Aber auch wenn wir das bedenken müssen, können wir festhalten: Am Anfang steht dieser Entschluss Gottes: Lasst uns Menschen machen... Das heißt auch, dass wir eine Entsprechung zu Gott haben, eine Nähe. Wir sind seine Gegenüber, zur Beziehung mit ihm geschaffen. Das vertieft der Psalm 8: 5Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? 6Du hast ihn wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt. Das ist spannend. Es heißt hier nicht: Der Mensch ist höher als eine Kuh, oder intelligenter als ein Menschenaffe, oder verantwortlicher als ein Hund oder reinlicher als ein Schwein. Vielmehr: 6Du hast ihn wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt. Was für eine Würde! Dass das auch eine Kritik an der Evolutionstheorie, der Denklinie vom Einzeller zum Menschen ist, leuchtet ein. Aber das nur in Klammer gesagt. Ich frage mich oft, warum wir das lieber glauben, als das, was die Bibel uns an Würde zusagt? Psalm 8 vergleicht die Größe des Universums mit dem Menschen und bezeichnet gerade nicht die Sterne mit den Begriffen Herrlichkeit und Ehre, sondern den Menschen. Er fragt selbst: Was ist der Mensch? An der Antwort wird deutlich, was Bonhoeffer viel später in seinen Gedanken ausgesprochen hat: Du kennst mich! Dein bin ich, o Gott.

5 Wie wir gemeint sind in der Schöpfung, im Universum, das kann nicht naturwissenschaftlich, von unserer menschlichen Warte her begründet werden. Vielmehr ist es Gott, der uns diese Würde gibt. Der Psalmist sagt es mit den einfachen und doch atemberaubenden Worten: Gott gedenkt des Menschen und nimmt sich seiner an. Dass Gott an uns denkt, das macht unsere Sonderstellung in der Welt aus. Sein unmittelbares Gedenken. Der Mensch ist zwar wie alle Tiere und alle Sterne von Gott geschaffen. Was ihn, was uns ausmacht ist etwas anderes: Dass Gott an uns denkt. So sind wir nicht wie alles übrige Geschaffene Dinge, Objekte. Indem Gott an uns denkt, macht er uns zu seinen Partnern: Er lädt uns ein, seine Beziehung zu uns anzunehmen und daraus zu leben: Uns selbst so zu sehen und uns daran zu freuen! Und einander auch so anzusehen! Denn was hier gesagt ist, das gilt für jedes Menschenkind! Gott, wie groß, wie wertvoll muss der Mensch sein, wenn du dir Gedanken über ihn machst und dich seiner annimmst? Ganz aufregend! Um auf die anfänglichen Aussagen zurückzukommen: Ist das vielleicht eine Antwort für Sie, die zum wirklichen Leben passt? Die Ihnen Antworten gibt auf die wichtigsten Lebensfragen? Wir dürfen uns an der Zuwendung Gottes messen, an seiner Liebe und an seiner Gnade. Das ist schon mal eine wichtige Wegmarke auf der Expedition zum Ich. AMEN Pfr. Jürg Buchegger