Faserbeton Einleitung Ein Faserbeton ist ein Beton, dem bei der Herstellung zur Verbesserung der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit Fasern, hauptsächlich Stahl- oder Kunststofffasern, zugesetzt werden (siehe Zusatzstoffe). Die Fasern sind im Zementstein eingebettet und wirken dort als Bewehrung. In besonderen Fällen werden Fasern zur Verbesserung der Frischbetoneigenschaften, z. B. Grünstandfestigkeit oder Erhöhung des Brandwiderstandes, zugegeben. Der Begriff Faserbeton wird auch benutzt, wenn das Grösstkorn kleiner als 4 mm ist. Ultrahochleistungs-Faserbeton (UHFB) wird gesondert behandelt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Kurzfasern mit einer Länge von maximal 50 mm. Je nach Verarbeitungsbedingungen können die Fasern im erhärteten Beton verteilt sein: nach Lage und Richtung räumlich gleichmässig im gesamten Betonvolumen, inklusive Oberflächen, Kanten und Ecken mit unterschiedlicher Richtung vorwiegend in einer Ebene (Faserspritzbeton) Die Zugabe von Fasern kann die Rissausbreitung hemmen und eine Aufteilung in viele sehr feine und in der Regel unschädliche Risse bewirken. Damit wird der Rissfortschritt erheblich behindert (Abb. 5.3.1). Ist ein Erstriss im Beton entstanden, können Fasern Spannungen und Kräfte auch im Rissbereich übertragen. Sind sie ausreichend im Zementstein eingebunden, vernähen sie die beiden Rissufer miteinander und behindern die Ausbreitung des Risses. Sie wirken somit als Rissbremse (Abb. 5.3.2). Risse im Beton können unterschiedliche Ursachen haben. Eine Massnahme zur Vermeidung von Rissen kann die Zugabe von Fasern sein. In Tabelle 5.3.1 wird eine Zuordnung der in der Praxis am meisten verwendeten Fasern zu Ursachen für die Rissbildung vorgenommen.
Abb. 5.3.2: Querschnitt eines gerissenen, unbewehrten und eines faserbewehrten Betons mit dem Bereich der Spannungsübertragung bei einem Erstriss.
Abb. 5.3.1: Risshemmende und rissverteilende Wirkung von Fasern im Vergleich zu Beton ohne Fasern.
Tab. 5.3.1: Anwendungsgebiete für Faserbeton. Normative Anforderungen Faserbeton muss grundsätzlich die Anforderungen der Norm SN EN 206-1 erfüllen. Zusätzlich sind die Regelungen zum Stahlfaserbeton in der Empfehlung SIA 162/ 6 Stahlfaserbeton zu beachten. Als zusätzliche Anforderung sind der Fasertyp (Länge, Durchmesser, Geometrie, Zugfestigkeit) und die Faserdosierung oder die
geforderten mechanischen Eigenschaften wie z. B. die wirksame Biegezugfestigkeit fctf bzw. die Bruchenergie Gf anzugeben. Beide Kenngrössen sind nach der Empfehlung SIA 162/6 experimentell an einer Quadratoder Kreisplatte aus Stahlfaserbeton zu bestimmen (Abb. 5.3.3). Alternativ kann die wirksame Biegezugfestigkeit auch an einem Biegebalken (EN 14651 Prüfbalken für Stahlfasern) ermittelt werden. Der Nachweis der Tragsicherheit von faserbewehrtem Beton erfolgt über die Bestimmung des Querschnittwiderstands. Vereinfachend wird der Beitrag der Fasern zur Kraftübertragung mit einem Spannungsblock auf der Zugseite berücksichtigt (Abb. 5.3.4). Abb. 5.3.3 Quadrat- und Kreisplatte aus Stahlfaserbeton nach der Prüfung nach SIA 162/6.
Abb. 5.3.4: Spannungsverteilung für die Ermittlung des Querschnittwiderstands gemäss SIA 162/6. Es wird empfohlen, Faserbetone mit Makrokunststofffasern analog zu bemessen, bis eine neue normative Regelung in der Schweiz eingeführt ist. Faserverstärkter Spritzbeton besitzt gemäss der Norm SN EN 14487-1 zusätzliche und/ oder ergänzende Eigenschaften: Klassifizierung der Restfestigkeit Klassifizierung des Energieabsorptionsvermögens Die Restfestigkeit, auch Nachrissfestigkeit genannt, ist eine berechnete Spannung in faserverstärktem Beton in Abhängigkeit von der Durchbiegung eines Probekörpers in einem Biegeversuch. Das Energieabsorptionsvermögen gibt an, wieviel Energie beim Belasten einer faserverstärkten Betonplatte aufgenommen wird (Fläche unter Spannungs- Dehnungs-Linie, Abb. 5.3.9 unter Tragverhalten). Betontechnologie Allgemeines Die Betonzusammensetzung von Faserbetonen entspricht im Allgemeinen der Betonzusammensetzung von Pumpbetonen (siehe Pumpbeton). Faserbetone
weisen einen höheren Zementleimbedarf auf, um die Fasern ausreichend zu umhüllen und einen Oberflächenschluss erzielen zu können. Die Sieblinie der Gesteinskörnung ist sandreicher als bei Beton ohne Fasern. Sie werden in der Regel mit weicher Konsistenz eingebaut. Stahlfaserbetone für bewehrte Industriefussböden weisen Stahlfasergehalte von bis zu 35 kg/m3 auf. Höhere Faserdosierungen von 35 80 kg/m3 werden in der Praxis nur für spezielle Anwendungen eingesetzt, z. B. wenn ein grosser Teil der Mindestbewehrung durch Stahlfasern ersetzt wird. Übliche Dosierungen von Mikrokunststofffasern liegen bei 0.5 2 kg/m3 zur Begrenzung des plastischen Schwindens und bei 2 4 kg/m3 zu Erhöhung des Brandwiderstands. Makrokunststofffasern werden mit 3 10 kg/m3 zur Erhöhung des Tragwiderstands zugegeben. Zement Grundsätzlich sind alle freigegebenen Zementarten gemäss Norm SN EN 206-1 für die Herstellung von Faserbeton geeignet. Gesteinskörnung Das Grösstkorn der Gesteinskörnung kann die Verteilung und Orientierung der Fasern beeinflussen. Wenn die Faserlänge bezogen auf das Grösstkorn zu gering ist, werden die Fasern vom Gesteinskorn verdrängt und die Länge ist nicht ausreichend, um Risse zwischen den Grösstkörnern wirksam zu überbrücken (Abb. 5.3.5). Es muss daher auf die Faserlänge abgestimmt sein. Bei faserbewehrtem Spritzbeton wird es häufig auf 8 mm begrenzt. Faserbeton für Industrieböden und Verkehrsflächen hingegen kann mit einem Grösstkorn von 32 mm hergestellt werden (übliche Länge der Stahlfasern 60 mm). Im Allgemeinen sollte die Faserlänge mindestens das 2-fache des Grösstkorndurchmessers betragen. Gebrochene Gesteinskörnungen und Ausfallkörnungen in Verbindung mit hohen Fasergehalten können die Verarbeitbarkeit beinflussen.
Abb. 5.3.5: Einfluss des Grösstkorns auf die Faserverteilung: links homogene Durchmischung von Fasern und Gesteinskörnung, rechts Verdrängung der Fasern durch ein zu gross gewähltes Grösstkorn der Gesteinskörnung. Mischen Die Fasern werden beim Mischprozess dem Frischbeton zugegeben. Dabei ist besonders auf die Vereinzelung der Fasern und ihre homogene Verteilung im Frischbeton zu achten. Es wird empfohlen, erst den Ausgangsbeton herzustellen und dann die Fasern zuzugeben. Die Nassmischzeit erhöht sich bei Stahlfasern nicht. Das Zudosieren der Fasern im Hauptmischer des Betonwerks sichert eine optimale Verteilung der Fasern. Fasern können auch im Fahrmischer zugegeben werden. Die Trommel sollte sich dabei mit hoher Geschwindigkeit während 5 Minuten drehen. Fasern für tragende Zwecke sollten beim Mischen weder beschädigt, geknickt noch verbogen werden. Mit zunehmender Schlankheit der Fasern (Verhältnis von Länge zu Durchmesser) nimmt die Verarbeitbarkeit ab und die Neigung zur Igelbildung der Fasern zu (Abb. 5.3.7). In der Praxis werden Faserschlankheiten von 50 80 eingesetzt. Grössere Fasermengen lassen sich am besten mit automatisierten Förder- und Dosiereinrichtungen (Abb. 5.3.8), die eine grosse Arbeitserleichterung und Zeitersparnis bieten, zugeben. Fasern werden auch als Bündel verklebt, welche sich im Frischbeton auflösen, oder in wasserlöslichen Beuteln, die die Dosierung erleichtern, angeboten.
Abb. 5.3.6: Stahlfaserbeton im Frischbetonzustand.
Abb. 5.3.7: Faserigel, die durch unzureichende Vereinzelung der Fasern bei der Zugabe in den Mischer und eine nicht angepasste Rezeptur entstehen können.
Abb. 5.3.8: Dosierspirale für Stahlfasern. Einbau Der Einbau eines Faserbetons erfolgt im Wesentlichen wie beim Normalbeton. Der Baugrund muss frostfrei und ausreichend tragfähig sein. Zwischen dem verdichteten Baugrund und der Bodenplatte werden Plastikfolien als Trennlage verlegt, der Einbau einer Sauberkeitsschicht erübrigt sich in den meisten Fällen. Im Wohnungsbau wird die Bodenplatte aus Stahlfaserbeton in einem Arbeitsgang eingebracht. Da üblicher Weise auf die zweilagige Bewehrung verzichtet werden kann, wird der Beton direkt aus dem Fahrmischer in die Bodenplatte eingebaut. Zusätzlich kann durch die Wahl grösserer Plattenabmessungen bei der Verwendung von Faserbetonen die Einbauleistung erhöht werden. Soll der Stahlfaserbeton gepumpt werden, wird das Grösstkorn i. d. R. auf 16 mm beschränkt. Es ist für eine genügend grosse Förderleitung (Durchmesser: 120 mm) zu sorgen und auf Bögen sollte wegen einer möglichen Verstopfung verzichtet werden.
Verdichten Faserbetone benötigen mehr Verdichtungsenergie als faserfreie Betone. Die erforderliche Verdichtungsenergie nimmt mit steigendem Fasergehalt zu. Übliche Geräte wie Innenrüttler, Rüttelbohlen und Flügelglätter können verwendet werden. Hinweise für das Planen von Faserbeton Tragverhalten von Faserbeton Beton ohne Fasern bricht unter Zugbeanspruchung beim Erreichen der Zugfestigkeit nahezu schlagartig (Abb. 5.3.9, blaue Kurve). Die Tragwirkung von Faserbeton beruht auf dem Ausziehen der Fasern aus dem Zementstein. Das Herausziehen wird durch den Reibverbund der Fasern mit dem Zementstein behindert. Die Reibungskräfte verzehren Energie. Deshalb haben Faserbetone ein hohes Arbeitsvermögen und zeigen ein quasi-zähes, sogenanntes duktiles, Verhalten. Das Tragverhalten von Faserbeton wird durch die Nachrissfestigkeit charakterisiert. Im Gegensatz zu Beton ohne Fasern fällt die Zugfestigkeit bei Zug- oder Biegebelastung nach dem Erreichen der Erstrissfestigkeit nicht schlagartig auf Null, sondern auf die Nachrissfestigkeit ab (Abb. 5.3.9, rote Kurve). Nach dem Erstriss werden die Fasern, die die Risse überbrücken, aus dem Zementstein gezogen. Der Verlauf der Kraft-Verformungslinie, auch Arbeitslinie genannt, wird nach Überschreiten der Erstrissfestigkeit neben dem Ausziehverhalten der Faser auch vom Fasergehalt stark beeinflusst. Die Nachrissfestigkeit ist in der Regel geringer als die Erstrissfestigkeit des Betons, wenn der Fasergehalt gering bis mittel und kleiner als der sogenannte kritische Fasergehalt ist. Bei sehr hohen Fasergehalten mit einem überkritischen Fasergehalt, z. B. bei Ultrahochleistungsbeton, kann die Nachrissfestigkeit die Festigkeit bei der Bildung des ersten Risses übersteigen. Auf dieses Verhalten wird unter Ultrahochleistungs-Faserbeton eingegangen. Die Einflüsse der Fasern auf die Nachrissfestigkeit sind sehr vielfältig (Tab. 5.3.2).
Abb. 5.3.9: Kraft-Verformungsdiagramm für Faserbeton und Beton ohne Fasern. Betonzusammensetzung In Tabelle 5.3.3 sind die Betonzusammensetzungen und die wirksame Biegezugfestigkeit fctf für unterschiedliche Stahlfaserbetone angegeben.
Tab.5.3.2 : Einfluss der Fasern auf die Nachrissfestigkeit. Mechanische Kennwerte Durch Zugabe von Stahl- und Makrokunststofffasern kann die Druckfestigkeit erhöht, die
Zugfestigkeit mehr als verdoppelt und die Schlagfestigkeit sowie die Energieaufnahme um ein Vielfaches erhöht werden, während der E-Modul kaum verändert wird. Wirksame Biegezugfestigkeit fctf In Abbildung 5.3.10 sind die Bereiche der wirksamen Biegezugfestigkeit fctf gemäss SIA 162/6 in Abhängigkeit von der Faserdosierung für Stahlfasern und Makrokunststofffasern dargestellt. Es wird ersichtlich, dass Makrokunststofffasern mit einer Dosierung von ca. 10 kg/m3 etwa die gleiche wirksame Biegezugfestigkeit wie Stahlfasern mit einer Dosierung von ca. 25 kg/m3 haben. Im Gegensatz zu Stahfaserbeton können höhere Biegezugwerte mit Makrokunststofffasern auch mit höherer Dosierung nicht erreicht werden. Abb. 5.3.10: Zugfestigkeit fctf nach SIA 162/6 unterschiedlicher Fasertypen in Abhängigkeit von der Dosierung.
Tab. 5.3.3: Beispiele für den Mischungsentwurf eines Faserbetons für unterschiedliche wirksame Biegezugfestigkeiten.
Abb. 5.3.11: Bruchfläche von Stahlfaserbeton.
Abb. 5.3.12: Bodenplatten Stahlfaserbeton. (Quelle: Bekaert (Schweiz) AG).