Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Außenpolitik des deutschen Reiches unter Bismarck

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Transkript:

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Grossmae.arb BISMARCKS AUSSENPOLITISCHES PROGRAMM UND DIE ROLLE DER GROSSMÄCHTE 1. Konstanten der Außenpolitik Bismarcks - Bismarck nach 1871: Das Reich erhebt keine territorialen Ansprüche mehr, es ist saturiert und leistet damit seinen Beitrag zur Erhaltung des Friedens in Europa. (Dok.: Aus der Reichstagsrede Bismarcks vom 11. Januar 1887, Text 1) - Die Außenpolitik des Reiches muss unabhängig und eigenständig bleiben. - Die Gefahr eines Krieges mit Frankreich ist zwar nicht kalkulierbar, mit diesem Krieg muss aber immer gerechnet werden. - Die "Krieg-in-Sicht"-Krise von 1875 entwickelt sich aus einer von Ressentiments geprägten, nach vorübergehender Besserung sich 1884 erneut verschlechternden Beziehung zu Frankreich. - 1887 prophezeit Bismarck trotz des Rückversicherungsvertrages einen Krieg mit Frankreich und Russland in spätestens drei Jahren, nachdem aus wirtschaftlichen Gründen erneut Spannungen mit Russland aufgekommen sind. (Dok.: Krieg in drei Jahren, Text 2) - Neben der pessimistischen Warnung vor einem denkbaren Krieg mit den Flügelmächten stehen als ebenso feste Größen Bismarcks konsequente Friedenspolitik und seine Ablehnung des von Militaristen und Chauvinisten geforderten Präventivkriegs. (Dok.: Aus der Reichstagsrede Bismarcks vom 11. Januar 1887, Text 3) - "Die Erhaltung des Friedens war ihm... ein Instrument wie vor 1871 der Krieg. Beides sollte der Macht des eigenen Staates, ihrer Erhaltung und möglichen Steigerung dienen." (Gall, S. 637) (Dok.: Text 4) - Der Spielraum, den sich Bismarck für die deutsche Außenpolitik wünscht, verengt sich in den achtziger Jahren, weil sich das umworbene England als Bündnispartner versagt und weil seine kunstvolle Bündnispolitik den Realitäten kaum standhalten kann. 2. Zum Alpdruck der Koalitionen - Das Misstrauen der Großmächte gegenüber dem neu gegründeten, das europäische Gleichgewicht störenden deutschen Reich von 1871 und seiner halbhegemonialen Stellung trägt bei zum "cauchemar des coalitions", dem Alptraum der Koalitionen. - Bewegendes Element der deutschen Außenpolitik ist ihre berechtigte Furcht vor einer antideutschen Koalition. - Den Alpdruck der Koalitionen sollen die Bündnis- und Balkanpolitik sowie der deutsche Einfluss auf das Verhältnis der Großmächte untereinander mindern.

Grossmae.arb 3. Zur Funktion von Bündnissen - Koalitionen beschränken den Freiheitsspielraum der Außenpolitik, es sei denn, sie sind defensiv angelegt und dienen der Sicherung des Friedens in Europa. - Sich widersprechende Bündnisse, z.b. der Zweibund mit Österreich von 1879 oder der Rückversicherungsvertrag mit Russland von 1887 sollen sich gegenseitig blockieren, bevor noch das Risiko des Bündnisfalls eintreten kann. - Für keine der großen Flügelmächte darf einseitig eine Option ergriffen werden, da sie die Freiheit der Außenpolitik lähmt. - Insbesondere von einem Bündnis mit Russland erwartet Bismarck eher Abhängigkeit und Einengung des bündnispolitischen Spielraums. - Erst im Dreierverband mit Österreich-Ungarn bekommt Russland 1881 seine angemessene Funktion als Bündnispartner des Dreikaiserabkommens von 1873. - Österreich-Ungarn als der wichtigste Bündnispartner nach 1871 zieht also Russland nach sich auf Deutschlands Seite. - Russland kann 1887 nach der Nichterneuerung des Dreikaiservertrags von 1881/1884 als Bündnispartner nur durch Förderung seiner Balkaninteressen gewonnen werden. - In Ergänzung des Zweibundes von 1879 soll das Bündnis mit Russland von 1887 auch zum Interessenausgleich zwischen Österreich und Russland auf dem Balkan beitragen. (Dok.: Aus dem sog. Kissinger Diktat vom 15. Juni 1877, Text 5) 4. Zum Verhältnis der Großmächte zueinander - Die Entwicklung der internationalen Lage wird entscheidend durch das russisch-englische Verhältnis bestimmt. - Spannungen der Großmächte untereinander sind, wenn sie nicht eskalieren, der Position des Reiches eher nützlich. - So erschwert die russisch-englische Rivalität in Asien und auf dem Balkan den Beitritt Russlands oder Englands zu einer antideutschen Koalition. - So ziehen die Spannungen zwischen England und Frankreich im Mittelmeerraum England vom Deutschland feindlich gesinnten Frankreich ab. - Seit 1883 bis zum Sturz des Ministerpräsidenten Ferry 1885 unterstützt Bismarck im Zuge einer Annäherung an Frankreich dessen Kolonialpolitik, um es von England fernzuhalten und gegebenenfalls in eine kontinentale Blockbildung einzubinden.

Grossmae.arb - Wegen der 1885/86 wieder einsetzenden Revanchepolitik wird ein Ausgleich mit Frankreich dann allerdings nahezu unmöglich. - Auch die russisch-österreichischen Beziehungen dürfen sich nicht in einer Koalition gegen Deutschland verdichten. - Von der Sonderrolle Frankreichs abgesehen sollen die Großmächte so gelenkt werden, dass sie eines Bündnisses mit Deutschland bedürfen und untereinander keine Koalitionen gegen das Reich abschließen. (Dok.: Aus dem sog. Kissinger Diktat vom 15. Juni 1877, Text 5) 5. Zur Vermittlerfunktion Deutschlands - Nach der Reichsgründung bemüht sich Deutschland um Abbau von Vorurteilen, um Unparteilichkeit und ein gutes Verhältnis zu allen Mächten Europas. - Bismarck tritt nach dem Frieden von San Stefano auf dem Berliner Kongress von 1878 als "ehrlicher Makler" auf. - Bismarck vermittelt 1887 verschiedene Mittelmeerabkommen und den Orientdreibund, um die Freiheit der Meerengen und die Rechte der Türkei zu wahren. 6. Zur europäischen Gesamtsituation - Deutschlands Machtstellung beruht auf dem Zustand des Gleichgewichts und des Status quo in Europa. - Dieses Gleichgewicht wird bis zur Niederlage auf dem Berliner Kongress von 1878 durch Russland massiv bedroht. - Als Gegengewicht gegen Russland und als Bollwerk des Friedens dient der Zweibund mit Österreich 1879. - Der wünschenswerte Status quo in Europa kann ferner gestützt werden durch eine gezielte Verteilung der außereuropäischen Interessen Englands, Österreichs und Russlands im Mittelmeerraum, in Afrika und auf dem Balkan. 7. Zur Bedeutung der Kolonialpolitik - Ähnlich wie die Balkanpolitik wird auch die 1884/85 einsetzende Kolonialpolitik wesentlich bestimmt von ihrer Rückwirkung auf die Situation in Europa. - Die deutsche Kolonialpolitik der achtziger Jahre kalkuliert bewusst im Sinne des Gleichgewichts eine Schwächung Englands und eine Stärkung Frankreichs ein.

Grossmae.arb - Auf der Kongo-Konferenz von 1884/1885 arbeiten Deutschland und England auf Kosten Frankreichs eng zusammen. - England wird in Afrika durch Frankreich und in Asien durch Russland bedrängt, kann aber seine Beziehungen zu Deutschland nach 1885 normalisieren. 8. Zur Situation auf dem Balkan - Deutschland verfolgt auf dem Balkan keine eigenen territorialen oder spezifisch politischen Interessen, bekämpft aber im Sinne der Großmächte den Nationalismus der südosteuropäischen Völker. (Dok.: Aus einem Diktat des Reichskanzlers vom 14. Oktober 1876, Text 6) - Dem deutschen Gesamtinteresse dient eine rückwirkende Balkanpolitik, die das Gewicht der am Balkan interessierten Großmächte zu steuern vermag, um sie für Deutschland einzunehmen. - Durch Förderung oder Bremsung ihrer Interessen im Osten sollen England und Russland gleichzeitig von Mitteleuropa abgelenkt werden. - Eine diplomatische Zusammenarbeit Englands und Russlands auf dem Balkan könnte den Bruch zwischen Österreich und Russland herbeiführen, der nur durch ein gutes Verhältnis zwischen Österreich und England verhindert werden kann. (Dok.: Instruktionsentwurf Bismarcks vom 7.11.1880, Text 7) - Ziel der Balkanpolitik ist die Sicherung des östlichen Gleichgewichts zwischen Österreich und England einerseits und Russland andererseits, wobei dann nicht Deutschland, sondern diesen Mächten die Aufgabe zufällt, Russland an einem erneuten Vorstoß auf Konstantinopel zu hindern.

Grossmae.dok BISMARCKS AUSSENPOLITISCHES PROGRAMM UND DIE ROLLE DER GROSSMÄCHTE Text 1: Aus der Reichstagsrede Bismarcks vom 11. Januar 1887... Sie werden die Tatsache nicht bestreiten, dass der gordische Knoten, unter dessen Verschluss die nationalen Rechte der Deutschen lagen, das Recht, als große Nation zu leben und zu atmen, nur durch das Schwert gelöst werden konnte - (Zustimmung) leider, und dass auch der französische Krieg nur eine Vervollständigung der kriegerischen Kämpfe bildete, durch welche die Herstellung der deutschen Einheit, das nationale Leben der Deutschen geschaffen und sichergestellt werden musste. Also man kann daraus nicht auf kriegerische Gelüste schließen. Wir haben keine kriegerischen Bedürfnisse, wir gehören zu den - was der alte Fürst Metternich nannte: saturierten Staaten, wir haben keine Bedürfnisse, die wir durch das Schwert erkämpfen könnten; und außerdem wenn das der Fall wäre, so blicken Sie doch auf die friedliebende Tätigkeit - und ich sage das ebensogut nach dem Auslande wie hier zum Reichstage - der Kaiserlichen Politik in den letzten sechzehn Jahren. (Schönbrunn, S. 474) Text 2: Krieg in drei Jahren. Bismarck an Bronsart von Schellendorf am 30.12.1887... Nach meiner Berechnung würde ein Zeitraum von etwa 2 Jahren hinreichen, um uns in der Neubewaffnung einen Vorsprung zu gewähren, den die gegnerischen Mächte nicht mehr einholen. Ich kann keine Sicherheit dafür haben; aber ich hoffe, dass es möglich sein wird, den Frieden wenigstens mit Russland so lange zu erhalten, wie nach vorstehendem erforderlich ist, während der Frieden mit Frankreich allerdings von explosiven und unberechenbaren Elementen und Zuständen abhängt. Nach Ablauf von 2 bis 3 Jahren vermute ich, soweit menschliche Voraussicht reicht und unvorhergesehene Ereignisse die Situation nicht ändern, dass für uns nicht mehr von einem einseitigen französischen, sondern nur von einem gleichzeitigen Kriege mit Russland und Frankreich die Rede sein wird. Bis dahin haben wir, wie ich hoffe, noch Zeit, unsere Armee mit den relativ besten Gewehren in Europa zu versehen und das dafür nötige Pulver ausreichend zu beschaffen, wenn wir uns sofort und ohne jeden Zeitverlust daran begeben, die nötigen neuen Maschinen, Gewehre und Pulversorten herzustellen. Versäumen wir in dieser Beziehung kürzere oder längere Fristen, in der Hoffnung, in den eigenen Staatsanstalten ein noch etwas besseres als das R.C.P.-Pulver zu erfinden, so verlieren wir damit Zeit u. ist m. A. n. mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Katastrophe zum Ausbruch kommen wird, bevor wir fertig sind. Ich sehe dabei von unberechenbaren Ereignissen, durch welche dieser Eintritt beschleunigt werden kann, vollständig ab; ich kann in meine Berechnung nur die berechenbaren Elemente der Politik aufnehmen und glaube danach, dass wir in 3 Jahren den russischen Krieg auch dann haben werden, wenn keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, lediglich infolge der Schwerkraft der Situation. Ich betrachte 3 Jahre als den spätesten Termin, in welchem wir die Kraftprobe, von der unsere Existenz abhängt, zu bestehen haben werden, und hoffe, dass es der Politik gelingen werde, den Ausbruch der Katastrophe bis dahin zu verzögern, wenn ich auch Gewissheit dafür nicht geben kann. Wenn ich diese Ueberzeugung habe, so werden Ew. pp. aus derselben gewiss den Schluss ziehen, dass jeder Tag der Verzögerung in unserm entschlossenen Vorgehen zur Neubewaffnung mit einiger Schwere auf meinem politischen Gewissen lastet...

Grossmae.dok (Stürmer/Ziegler S. 38) Text 3: Aus der Reichstagsrede Bismarcks vom 11. Januar 1887 Nach dem Frankfurter Frieden war unser erstes Bedürfnis, den Frieden möglichst lange zu erhalten und zu benutzen, um das Deutsche Reich zu konsolidieren. Diese Aufgabe war keine leichte. Im Reichstage selbst ist uns damals vorgehalten worden als ein Vorwurf über die Ergebnisse unserer Politik - weil wir den Mut gehabt hatten, für Deutschlands Einigkeit zu kämpfen - dass wir eine Situation geschaffen hätten, in der der nächste Krieg wahrscheinlich sehr nahe bevorstehend sein würde. Man sprach damals von vier, fünf, vielleicht drei Jahren, die es dauern würde bis zum nächsten Kriege. Meine Herren, es ist gelungen, wenn auch nicht, ohne starke Gegenströmungen zu überwinden, den Frieden seit sechzehn Jahren zu erhalten. Unsere Aufgabe haben wir zuerst darin erkannt, die Staaten, mit denen wir Kriege geführt hatten, nach Möglichkeit zu versöhnen. Es ist uns dies vollständig gelungen mit Österreich. Die Absicht und das Bedürfnis, dahin zu gelangen, beherrschten bereits die Friedensverhandlungen in Nikolsburg im Jahre 1866, und es hat uns seitdem nie das Bestreben verlassen, die Anlehnung an Österreich wiederzugewinnen, die wir vor 1866 nur scheinbar und buchstäblich hatten, die wir jetzt in der Wirklichkeit vollständig besitzen. (Bravo! rechts.) Wir stehen mit Österreich in einem so sicheren und vertrauensvollen Verhältnisse, wie es weder im Deutschen Bunde trotz aller geschriebenen Verträge, noch früher im Heiligen Römischen Reiche jemals der Fall gewesen ist (Bravo! rechts), nachdem wir uns über alle Fragen, die zwischen uns seit Jahrhunderten streitig gewesen sind, in gegenseitigem Vertrauen und gegenseitigem Wohlwollen auseinandergesetzt haben...... Wir leben mit Russland in derselben freundschaftlichen Beziehung wie unter dem hochseligen Kaiser, und diese Beziehung wird meinerseits auf keinen Fall gestört werden. Was hätten wir denn für ein Interesse daran, Händel mit Russland zu suchen? Ich fordere jeden heraus, mir eins nachzuweisen. (Schönbrunn, S. 474) Text 4: Ich weiß, dass ich in dieser Beziehung sehr viele Erwartungen täusche (1), die sich an die heutigen Eröffnungen anknüpfen; aber ich bin nicht der Meinung, dass wir den napoleonischen Weg zu gehen hätten, um, wenn nicht der Schiedsrichter, auch nur der Schulmeister in Europa sein zu wollen... Die Freundschaft, die uns glücklicherweise mit mehreren europäischen Staaten, ja mit allen wohl in diesem Augenblick verbindet - denn es sind die Parteien nicht am Ruder, denen diese Freundschaft ein Dorn im Auge ist - diese Freundschaft deshalb aufs Spiel zu setzen mit dem einen Freunde, um einem anderen in Fragen, an welchen wir Deutsche ein direktes Interesse nicht haben, gefällig zu sein, mit unserem eigenen Frieden den Frieden anderer zu erkaufen,... - das kann ich wohl, wo ich nichts als meine Person in die Schanze schlage, ich kann es aber nicht, wenn ich die Politik eines großen, mitten in Europa gelegenen Reiches von vierzig Millionen Seiner Majestät dem Kaiser gegenüber zu beraten habe, und deshalb erlaube ich mir, hier auf der Tribüne allen diesen Stimmen und Zumutungen eine offene Absage zu erklären, dass ich mich darauf unter keinen Umständen einlassen würde, und dass keine Regierung, keine der am meisten

1871_90.arb - Wegen der Süd- und Westslawen müssten daher die Türkei und Österreich-Ungarn zerschlagen werden. - Die Aufstände der Balkanstaaten gegen die Türkei ab 1875 eskalieren zur Auseinandersetzung zwischen Russland und Österreich um einen gemeinsamen militärischen Angriff gegen die Türkei, die Bismarck beschwichtigen kann. - Russland besiegt - ohne Unterstützung durch Österreich - im russisch-türkischen Krieg von 1877/78 die Türken und diktiert den Frieden von Stefano von 1878. > Serbien, Montenegro und Rumänien unabhängig; > Bulgarien selbstständig unter türkischer Oberherrschaft; > Rumänien gibt Bessarabien an Russland; > Türkei gibt die Dobrudscha an Rumänien. - Bismarck vermittelt mit Unterstützung Englands und Österreichs als "ehrlicher Makler" eine neue Balkanordnung auf dem Berliner Kongress. 5. Berliner Kongress 1878 - Russland verzichtet auf Errichtung eines Großbulgarien. - England garantiert den türkischen Besitz in Asien und erhält dafür Zypern. - Österreich erhält zur Sicherung gegen Serbien das Besetzungs- und Verwaltungsrecht in Bosnien und der Herzegowina. - Die Balkanprobleme bleiben ungelöst. - Russland ist gegenüber Deutschland verstimmt. - Bismarck will dennoch Unabhängigkeit und daher > sich nicht einseitig für Russland entscheiden, > ein Bündnis mit Österreich schließen, > ein französisch-russisches Bündnis vermeiden. 6. Zweibund mit Österreich 1879 - Hilfe bei einem Angriff Russlands - Neutralität bei einem Angriff einer anderen Macht - Hilfe bei einer Unterstützung der angreifenden Macht durch Russland 7. Das Dreikaiserbündnis von 1881/1884 - Neutralität bei Krieg einer Macht mit einer vierten Macht

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