Auszug der Seiten der Max-Planck Arbeitsgruppe Ribosomenstruktur Leitung: Prof. Dr. Ada Yonath Die Gruppe Ribosomenstruktur beschäftigt sich mit der Aufklärung der Struktur und Funktion des Ribosoms, eines Aggregats aus vielen Proteinen und Nukleinsäuren, das in der lebenden Zelle für die Herstellung neuer Proteine (Proteinbiosynthese) und damit für die Übersetzung der Erbinformation verantwortlich ist. Wegen seiner Komplexität ist die Analyse von Ribosomen ein Testmodell für die Leistungsfähigkeit der Kristallographie mit Synchrotronstrahlung. Offizieller Kontakt: Max Planck-Arbeitsgruppen für strukturelle Molekularbiologie Notkestraße 85 Gebäude 25b 22607 Hamburg Telefon: +49-40-8998-2801 Telefax: +49-40-89716848 email: info@mpgasmb.de www.mpasmb-hamburg.mpg.de Für diesen Teil: Konzept: Jörg M. Harms + Frank Schlünzen Bilder/Graphik: Jörg M. Harms Text: Frank Schlünzen email: Harms@mpgars.desy.de Schluenzen@mpgars.desy.de ab Juni 2004: Harms@riboworld.com Schlünzen@riboworld.com www.riboworld.com
Ribosomen: Proteinfabriken der Zelle Die Erzeugung von Proteinen ist für jeden Organismus existenziell. In der Zelle erfolgt die Produktion der Eiweiße im Rahmen der Protein-Biosynthese. Dieser komplexe Prozess besteht aus einer Vielzahl individueller Schritte, unter Beteilung vieler unterschiedlicher Helfer oder Co-Faktoren, die wiederum zum größten Teil nichts anderes als eben solche Proteine sind. Zentrales Element der Protein-Biosynthese ist jedoch das Ribosom. Das Ribosom ist - an biologischen Maßstäben gemessen - ein gewaltiges Molekül, mit einem Molekulargewicht von mehr als 2 Millionen Dalton. Bis zu 50.000 dieser Zellorganellen, die mehr als 80% der Zellenergie konsumieren, kann eine Zelle beherbergen. Das Ribosom setzt sich immer aus zwei verschieden großen ribosomalen Untereinheiten zusammen, die im Falle des prokaryontischen Ribosoms auch als 30S und 50S Untereinheiten bezeichnet werden. Beide Untereinheiten, die jeweils für spezifische Aufgaben in der Proteinsynthese verantwortlich sind, bestehen zu etwa 2/3 aus ribosomaler RNA und einer verschiedenen Anzahl ribosomaler Proteine. Der modulare, flexible Aufbau und die räumliche Entkopplung der verschiedenen molekularen Mechanismen machen das Ribosom zu einer außerordentlich effizienten Proteinfabrik. Der erste Schritt der Proteinsynthese ist die Initiation, die im Wesentlichen die mrna für das Ribosom verfügbar macht, also die fehlerfreie Übersetzung und Verifizierung des genetischen Codes durch die kleine (30S) Untereinheit einleitet. Das Start- Codon der mrna bindet die komplementäre Initiator-tRNA, die die erste Aminosäure des zu erzeugenden Proteins bereit stellt. In der Folge werden die verschiedenen Aminosäuren von den jeweiligen trna-molekülen geliefert und entsprechend dem genetischen Bauplan miteinander verknüpft (Elongation). Diese fundamentale Reaktion wird durch die 50S Untereinheit, oder genauer durch deren 23S rrna, im Peptidyl-Transferase- Zentrum (PTC) katalysiert. Das Ende der Proteinsynthese wird dem Ribosom schließlich durch ein Stop-Codon auf der mrna signalisiert, der Prozess mithilfe verschiedener Release- und Termination- Faktoren beendet (Termination) und die ribosomalen Untereinheiten für weitere Aufgaben wiederverwertet. Die Proteinsynthese ist gleichzeitig ein bevorzugtes Ziel einer großen Zahl verschiedener Antibiotika, die diesen Prozess zum Erliegen bringen, und so eine Zelle, vorzugsweise eines Erregers, eliminieren.
Mit der Verknüpfung der einzelnen Aminosäuren zu einer linearen Polypeptidkette ist allerdings noch kein funktionelles Protein gewonnen. Dies erfordert die Faltung der linearen Kette in ihre komplexe dreidimensionale Struktur. Damit das ungefaltete Protein nicht vorzeitig beschädigt wird, wird es durch den ribosomalen Exit Tunnel der 50S Untereinheit gefädelt (Bild links). Am Eingang des Tunnels wirken die Makrolide- Antibiotika, Erythromycin und dessen semisynthetische Abkömmlinge. Die Makrolide blockieren den Eingang zum Tunnel (rechts oben), und verhindern so die Passage der Polypeptidkette. Wer den Hamburger Elbtunnel durchqueren muss, erfährt bisweilen, wie wirkungsvoll dieser Mechanismus sein kann. Das Ribosom kann also auch in der Anwesenheit der Makrolide noch eine kurze Peptidkette synthetisieren. Manche Zellen nutzen diese Eigenschaft zur Resistenz mittels der Produktion von Penta-Peptiden, die die Makrolide bildlich aus dem Tunnel heraus bürsten, und die Aktivität des Ribosoms wieder herstellen. Eine der neuesten Makrolide-Entwicklungen ist Azithromycin, das sich durch besondere pharmakokinetische Eigenschaften auszeichnet. Es ist auch in anderer Hinsicht speziell, da es bislang das einzige Antibiotikum ist, das zwei eng miteinander verbundene Bindungsstellen aufweist, und so die eigene Wirkung potenziert (unten rechts).
Die ersten Versuche, Ribosomen zu kristallisieren, wurden bereits in den frühen 1980ern unternommen, aber erst in den letzten Jahren durch die Bestimmung der Röntgenstrukturen von Erfolg gekrönt. Alle Ribosomen, die bislang kristallisierbar waren, entsprangen sehr robusten Organismen. Exemplarisch ist Deinococcus radiodurans (unten links), auch bekannt als Conan the Bacterium, das selbst extreme Strahlung überstehen kann. Ursprünglich aus verdorbenem Dosenfleisch isoliert, dient es heute zur Dekontaminierung hochgiftiger Stoffe - und soll nach Plänen der NASA demnächst den Mars besiedeln. Die 50S Untereinheiten dieses ansonsten harmlosen Bakteriums haben so gute und stabile Kristalle geliefert, dass die Interpretation der Elektronendichtekarte (mitte links) ein zu 99% vollständiges Bild der Struktur (rechts) mit einer Auflösung von 3Å ergab. Weitere Komplexe mit verschiedenen Substraten und Co-Faktoren haben es erlaubt, die Geheimnisse der Proteinsynthese, der katalytischen Aktivität der Ribosomen weitgehend zu lüften. Das katalytische Zentrum des Ribosoms ist zudem Angriffspunkt wichtiger Klassen von Antibiotika, so dass diese Ergebnisse damit auch den Weg zur Entwicklung dringend benötigter, neuer Antibiotika ein wenig geebnet haben.
Um die zugrunde liegenden Mechanismen der Proteinsynthese - aber auch deren Hemmung durch Antibiotika - zu verstehen, muss man den Aufbau des Ribosoms und dessen Wechselwirkungen mit verschiedenen Substraten möglichst präzise bestimmen. Die Struktur der 30S Untereinheit von Thermus thermophilus (Bild links) gibt Aufschluss über die Prozessierung der mrna, also der Übersetzung des genetischen Codes. Pharmakologisch nutzvoll sind Untersuchungen an Komplexen mit Antibiotika, wie zum Beispiel Edeine und Tetracycline (rechts). Edeine ist eines der Antibiotika, die eine spezifische Konformation des Ribosoms einfrieren, und so die notwendige Mobilität unterbinden. Edeine bindet an einer phylogenetisch konservierten Region, also einem Bereich des Ribosoms, der in allen Organismen praktisch identisch ist. Als Folge stört Edeine die Proteinsynthese nicht nur in bakteriellen Erregern, sondern in jeder Zelle, was dieses Antibiotikum als Medikament weitgehend unbrauchbar macht. Tetracycline, eines der ersten Breitband-Antibiotika, bindet im Gegensatz zu Edeine an vielen verschiedenen Stellen innerhalb des Ribosoms. Primär wichtig aber ist ein Tetracycline- Molekül, das die Positionierung der trna an die Dekodierungs-Stelle und somit den Aufbau des Proteins verhindert.
Die Struktur der 50S Untereinheit mit einem anderem Makrolid, Troleandomycin, wies eine unerwartete Änderung der Struktur des Tunnels auf. Normalerweise läuft Protein L22 an der Wand des Tunnels entlang (Bild oben), durch die Bindung von Troleandomycin wird jedoch eine Konformationsänderung von L22 induziert, dessen Loop nunmehr quer durch den Tunnel weist, und an der gegenüber liegenden Tunnelwand eine neue Bindung eingeht (mitte), und somit den Tunneldurchgang stark verengt. Dieses Ergebnis weist auf einen universellen Mechanismus hin: Bei der Produktion des Secretory Monitoring Proteins (SecM) legt das Ribosom eine Pause ein, und zwar nur, wenn eine spezifische Aminosäure-Sequenz innerhalb des Tunnels im Bereich von L22 liegt. Diese vorübergehende Unterbrechung der Proteinsynthese ist ein wichtiger Regulations- Mechanismus, der ausschließlich durch die Struktur des Tunnels bestimmt wird. Modifiziert man einige Aminosäuren innerhalb des Loop, so dass L22 nicht mehr in der Lage ist, die alternative Konformation einzunehmen, so findet auch die Unterbrechung der Proteinsynthese nicht mehr statt, und SecM wird unabhängig von der Sequenz kontinuierlich erzeugt. Die Vermutung liegt nahe, dass L22 verantwortlich für die Regulation von SecM ist (unten).