Biologische Schädlingskontrolle: Eine Chance für Afrika



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Transkript:

Biologische Schädlingskontrolle: Eine Chance für Afrika (Florianne Koechlin*) Das internationale Insekten-Forschungsinstitut ICIPE (International Centre of Insect Physiology and Ecology) mit Sitz in Nairobi hat sich auf biologische Schädlingsbekämpfung spezialisiert: Wie können z.b. Stengelbohrer, Tsetse-Fliegen oder Heuschreckenschwärme in Schach gehalten werden? Eine sechsköpfige Delegation hat das ICIPE in Kenya besucht. Wir sind in West-Kenya an einer Aussenstation des ICIPE, in der Region des Viktoriasees. Das kleine Maisfeld vor uns sieht erbärmlich aus: Die Pflanzen sind kaum einen Meter hoch, die Blätter gelb und oft zerfetzt, und Maiskolben gibt es kaum. In unmittelbarer Nachbarschaft zeigt uns Mrs. Ouzo, die Bäuerin dieser Felder, ein über zwei Meter hohes Maisfeld, in saftigem Dunkelgrün und mit gesunden Kolben. Es ist die gleiche Maissorte, angepflanzt zur gleichen Zeit. Die Unterschiede könnten augenfälliger nicht sein. Das zerstörte Maisfeld war Opfer des Stengelbohrers und des Unkrautes Striga. Es sind dies die beiden schlimmsten Feinde von Mais und Sorghum in ganz Afrika. Der Stengelbohrer allein kann in kürzester Zeit bis zu 80 Prozent der Ernte vernichten, und bei Striga-Befall können die Ernteverluste zwischen 20 und 80 Prozent betragen. Werden die Maisfelder wie hier von beiden befallen, fällt oft die gesamte Ernte aus. Um das zweite Feld hat Mrs Ouzo drei Reihen Napiergras gepflanzt. "Die Schönheit von diesem Gras besteht darin, dass die Pflanze mit ihrem Duft die Stengelbohrer anzieht", sagt Zeyaur Khan vom ICIPE. "Das Gras produziert dann einen klebrigen Stoff, der für Stengelbohrer-Larven zur Falle wird. Nur etwa 10 Prozent der Larven überleben." Zwischen den Maisreihen hat Mrs Ouzo das Bohnengewächs Desmodium gepflanzt, ein bodenbedeckendes Blattgewächs, dessen Düfte die Stengelbohrer abstossen. Der Stengelbohrer wird also vom Napiergras aus dem Maisfeld nach aussen gelockt und vom Desmodium aus dem Maisfeld vertrieben - dieses biologische "Push - pull"-system wurde am ICIPE neu entwickelt. Ausgangspunkt war die Ueberlegung, dass der Stengelbohrer nicht erst mit dem Mais - also vor rund 100 Jahren - nach Ostafrika kam. Er musste damals schon in Wildgräsern existiert und sich dann auf den wenig resistenten und dafür umso nahrhafteren Mais spezialisiert haben. In vierjähriger Arbeit selektionierten Kahn und seine Gruppe mehrere Wildgräser, deren Duft die Stengelbohrer weit stärker anzieht als der Mais. Auf der 1

Forschungsstation steht ein Garten mit verschiedenen solchen Grasarten. Die Bauern aus der Umgebung mussten auswählen, welches ihnen am meisten zusagt. Die Wahl fiel auf Napierund auf Sudangras: Beide sehen dem Mais ziemlich ähnlich und ergeben zudem gutes Viehfutter. Gräser, die mehr wie "Unkraut" aussehen, fielen bei den Bauern durch. Die Selektion nach Pflanzen, deren Duft die Stengelbohrer vertreibt, war auch erfolgreich: So erwies sich das Bohnengewächs Desmodium als effizientes Abwehrmittel gegen den Stengelbohrer. Das Bohnengewächs bindet zudem Stickstoff und bereichert so den Boden, es hält den Boden feucht und schützt das Feld vor Bodenerosion. Vor allem aber: Desmodium zeigte zur Ueberraschung aller eine grosse Wirkung gegen das Unkraut Striga. Dies ist ein grosser Glücksfall, denn Striga ist ein für den Mais tödliches, wenn auch wunderschönes, rosablühendes Unkraut. Es parasitiert die Maiswurzel und ist kaum auszurotten. Eine einzige Striga-Pflanze produziert 20'000 winzige Samen, die sich leicht überall hin verbreiten - der Strigabefall nimmt in ganz Afrika zu. Sowohl Napiergras wie auch Desmodium sind proteinreiche Futterpflanzen. "Letztes Jahr habe ich Napiergras und Desmodium als Viehfutter für 6000 kenyanische Schillinge (rund 100 $, FK) verkauft und damit das Schulgeld für meine Kinder bezahlt. Dieses Jahr will ich zudem Desmodium-Samen herstellen und verkaufen, denn alle meine Nachbarn möchten auch auf das Push -Pull-System umsteigen. Vielleicht kann ich mir dann eine Kuh leisten," erzählt Frau Ouzo. Milch ist in dieser Gegend eine Mangelware und sehr begehrt. Sie wurde als eine der ersten für dieses Pilotprojekt ausgewählt, weil ihre Felder besonders schlimm von Stengelbohrern und Striga befallen waren. In den nächsten fünf Jahren wird das ICIPE dieses push-pull-system gegen den Stengelbohrer nicht nur in Kenya, sondern auch in Aethiopien, Uganda und Tansania anwenden, in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen nationalen Forschungsinstituten. Eine kleine Schlupfwespe gegen den Stängelbohrer Stengelbohrer haben auch natürliche Feinde, und die werden am ICIPE gezielt gefördert, wie das folgende Beispiel zeigt. Von den fünf in Afrika vorkommenden Stengelbohrerarten ist Chilo partellus der aggressivste. Er ist wurde vor etwa 70 Jahren von Indien unbeabsichtigt nach Afrika eingeschleppt. Forscher des ICIPE haben ihn in seiner indischen Heimat aufgespürt und entdeckt, dass er dort kaum Schaden anrichtet, weil verschiedene natürliche Feinde ihn in Schach halten. Einer davon ist die kleine Schlupfwespe Cotesia flavipes Cameron: Sie sucht die Stengelbohrerlarve im Innern des Stengels auf, sticht die Larve an und legt ihre Eier in sie hinein. Die Schlupfwespen schlüpfen aus und fressen die Larve von innen her auf. Diese Schlupfwespe, nach sorgfältigen Untersuchungen ausgewählt, wurde 1993 in Kenya an 3 Orten ausgesetzt. Die Schlupfwespen haben sich gut etabliert; sie parasitieren nicht 2

nur die aggressive Chilo partellus, sondern gleich noch drei weitere Stengelbohrerarten. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass der Stengelbohrerbefall in diesen Gegenden um 53 Prozent reduziert wurde. "Der Mais kam erst vor 100 Jahren nach Ostafrika, und hatte keine Resistenz gegen den Stengelbohrer. Und der aus Indien immigrierte Stengelbohrer Chilo partellus hatte hier keinerlei Feinde: Damit war jedes Gleichgewicht, das früher zwischen nativen Stengelbohrern und Wildgräsern bestand, massiv gestört worden. Wir versuchen, mit der Einführung der Schlupfwespe und mit der push- pull-methode das System wieder in eine Balance zu bringen." sagt Bill Overholt vom ICIPE. Ob denn die Schlupfwespe nicht auch andere Nützlinge schädigen könne, wollte ich wissen. "Nein, wir glauebn nicht. Der Wirtebereich dieser Schlupfwespen ist sehr eng limitiert durch ihr Suchverhalten: Sie parasitiert nur auf Stengelbohrerlarven, und nur während der Zeit, da diese in einem dicken Stengel drinnen ihren Frasstunnel bohren. Umfangreiche Laborstudien haben gezeigt, dass keine andern Schmetterlingslarven diese Kriterien erfüllen", meint Bill Overholt. ICIPE führt inzwischen in den neun Ländern Eritrea, Aethiopien, Tansania, Sansibar, Kenya, Malawi, Mocambique, Sambia und Zimbabwe Schlupfwespenprogramme durch, auch hier zusammen mit nationalen Programmen Transgener Bt-Mais von Novartis gegen den Stängelbohrer? Eine dritte, grundsätzlich verschiedene Strategie zur Bekämpfung des Stengelbohrers besteht in der Einfuhr von gentechnisch verändertem Bt-Mais. Der Schweizer Konzern Novartis will Bt- Mais in Kenya überprüfen und einführen: Zusammen mit dem kenyanischen Forschungsinstitut KARE und dem südamerikanischen CYMMIT haben sie im Frühjahr 2000 ein fünfjähriges, 6,2 Millionen Dollar teures Projekt mit transgenem Bt-Mais lanciert. Das Projekt wurde an einer Tagung Anfangs März in Nairobi präsentiert. "Die Veranstaltung geriet zu einem einzigen Tribunal gegen Hans Herren, einen Skeptiker, nicht aber strikten Gegner der Gentechnologie", schreibt der Tages-Anzeiger (21.6.00) dazu."herren erweise sich als Feind Afrikas, halte die afrikanischen Forscher nicht für fähig, mit der Biotechnologie umzugehen(..), lautete der Grundtenor der Vorwürfe an Herren." Zuvorderst mit dabei war Klaus Leisinger, Leiter der Novartis-Stiftung für Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Er warf Herren vor, bei den zuständigen schweizerischen Bundesstellen dafür zu werben, dass sie keine Gentechnologie mehr unterstützten. Das entspricht nicht der Wahrheit. Herren, der nicht grundsätzlich gegen Gentechnologie ist, hat an einer Veranstaltung für Schweizer Bundesstellen lediglich seine Skepsis formuliert: "Der transgene Bt-Mais kann vielleicht 3

einmal eine Teillösung für ein Problem darstellen. Doch was ist mit den andern Problemen? Das Interessante an der Push-Pull-Methode ist doch auch: Die Methode ist verfügbar, und die Bauern brauchen sie. Sie wurde zusammen mit Bauern entwickelt. Mit der Push-Pull-Methode haben wir eine integrierte Lösung für das Problem des Stengelbohrers und des Unkrautes Striga. Wir haben zudem proteinreiches Tierfutter, Stickstoffdünger und einen guten Schutz vor Bodenerosion. Das alles innerhalb eines einzigen Feldes. Es ist ein System, das Gerechtigkeit ermöglicht und eine nachhaltige Landwirtschaft fördert". Interdisziplinäre Forschung an Insekten Am ICIPE arbeiten rund 350 Personen, die Mehrzahl davon AfrikanerInnen. Im Zentrum ihrer Arbeit sind diejenigen Schaderreger Afrikas, die jährlich Millionen Menschen und Tieren das Leben kosten und durchschnittlich 30 Prozent der Ernten vernichten: Die Anopheles-Mücken (die Ueberträger von Malaria), die Tsetse-Fliegen (die Ueberträger der Schlafkrankheit und einiger tödlicher Rinderkrankheiten), Zecken, Heuschreckenschwärme, Fruchtfliegen (die z.b. 20 bis 80 Prozent der Mango-Ernte zerstören) - und eben die Stengelbohrer. Produkte des indischen Neem-Baumes werden als Insektizid geprüft und in der "Neem-nursery" aufgezogene Setzlinge billig an die Bauern verkauft (10'000 Setzlinge pro Jahr). Auch nützliche Insekten werden erforscht und zur Produktion eingesetzt: Das ICIPE initiierte eine lokale Seidenproduktion mit afrikanischen Seidenraupen und erstellt ein Inventar von Wildbienen und andern Pflanzenbestäubern. Die Ausbildung - von Doktoranden bis Bauern - nimmt am ICIPE einen einen zentralen Stellenwert ein. Interdisziplinäre Wissenschaftsteams erforschen Verhalten und Kommuniaktionswege von Insekten, sie analysieren Insekten-Düfte und suchen nach den molekularbiologischen Voraussetzungen der Uebertragungsmechanismen von Krankheiten, sie identifizieren Insekten mit genetischen Markern oder entwerfen Projekte, wie die immense Artenvielfalt der Insekten bewahrt - und auch produktiv genutzt werden kann. Immer ist es das Ziel, mit moderner Wissenschaft nach einfachen und effizienten Methoden zu suchen, die sich die Bauern auch leisten können. "Wir suchen in der Natur selber nach Lösungen, wir wollen das System verstehen und suchen nach dem schwächsten Glied in der Kette, wo wir einhaken können. Wie können wir die natürlichen Feinde der Schaderreger fördern, mit welchen Düften können wir sie in eine Falle locken,"sagt ICIPE-Direktor Hans Herren, "wie können wir das Gleichgewicht verschieben?" Und der seit kurzem am ICIPE arbeitende Wissenschaftler François Omlin bestätigt:"ich kenne weltweit kein anderes Institut, das auf diesem Gebiet so interdisziplinär arbeitet - da arbeiten Molekularbiologen eng mit Verhaltensforscherinnen und Insektenkundlern zusammen. Und wir alle sind im Kontakt mit Bauern und Bäuerinnen." 4

Welternährungspreis für Hans Herren Hans Herren hatte 1995 den Welternährungspreis erhalten, weil er und sein Team die Maniok- Schmierlaus mit einer kleinen Schlupfwespe erfolgreich bekämpfen konnte - ohne Chemie, und für die Bauern kostenlos. Die Schmierlaus hatte in weiten Teilen Afrikas - von Senegal bis Moçambique - den Maniokanbau massiv gefährdet. Maniok ist das Grundnahrungsmittel für rund 300 Millionen AfrikanerInnen. Herrens Gruppe hatte im Ursprungsland der Schmierlaus, in Zentralamerika also, nachgeschaut und dort die Schmierlaus gefunden. Sie fanden auch ein Dutzend natürlicher Feinde, die die Schmierlaus in Gleichgewicht hielten. Nach sorgfältiger Prüfung unter Quarantäne- Bedingungen in London haben sie drei ausgewählt: eine Schlupfwespe und zwei Marienkäferarten. Diese wurden in Afrika eingeführt, in grossen Mengen aufgezogen und grossflächig - auch mit Hilfe von Flugzeugen - ausgebracht. Heute lebt die Schmierlaus im Gleichgewicht mit ihren natürlichen Feinden, und richtet kaum noch Schaden an. Doch nachdenklich fügt Hans Herren an:"heutzutage würde ich wohl kaum mehr Geld für ein so grosses Projekt erhalten. Heute geht alles in die Gentechnik. Biologische Projekte, wie wir sie betreiben, sind nicht so spektakulär, nicht so sexy. Da sehe ich eine Gefahr." Duftstoffe gegen Heuschrecken-Schwärme In der Insektenwelt spielen Duftstoffe eine herausragende Rolle. Nicht nur als Orientierungshilfe, also als Lockstoffe oder als abstossende Gerüche. Duftstoffe sind das wichtigste Kommunikationsmittel schlechthin. Wüstenheuschrecken zum Beispiel kennen ein reiches und hochkomplexes Arsenal verschiedenster chemischer Duft-Signale, mit Hilfe derer sie miteinander kommunizieren. Ahmed Hassanali und sein Team haben fünf verschiedene Sets von Duftstoffen bei der Wüstenheuschrecke identifiziert und isoliert. Diese 'Morse-Codes' regulieren Verhalten und Lebensweise der Heuschrecken. Es gibt Duftstoffe, die das Schwarmverhalten von Jungtieren und von Erwachsenen regulieren, andere Duftstoffe sorgen dafür, dass die Insekten sich alle zur genau gleichen Zeit paaren und gemeinsam ihre Eier ablegen. Ein weiteres chemisches Signal lockt die trächtigen Weibchen zum gemeinsamen Eiablageort. Ahmed Hassanali und sein Gruppe arbeiten seit 10 Jahren mit Wüstenheuschrecken, genauer: mit deren Kommunikation. Die zentrale Frage war: Wie und warum werden aus harmlosen Einzelgängern plötzlich gefährliche Heuschreckenschwärme biblischen Ausmasses? Wüstenheuschrecken sind über Generationen und Jahre hinweg harmlose Einzelgänger, die 5

gelegentlich kleinere Gruppen und Schwärme bilden. Irgendwann einmal bildet sich plötzlich ein grosser Schwarm, der 40 Milliarden Insekten umfassen kann. 1997/98 hat ein solcher Schwarm die Vegetation von 1,4 Millionen Hektar Land in Madagaskar prakisch gänzlich zerstört. Die WissenschaftlerInnen fanden bald heraus, dass eben diese Duftstoffe den Schlüssel zum Verständnis der Schwarmbildung lieferten. Genau an diesem Punkt will das Team um Ahmed Hassanali nun ansetzen: Sie haben Hüpfer- Banden - das sind junge Wüstenheuschrecken, die bereits Schwärme bilden - mit einem Duftstoff erwachsener Wüstenheuschrecken in niedrigen Konzentrationen besprüht und waren ob der Reaktionen fasziniert: Die Hüpfer wurden plötzlich hyperaktiv, begannen orientierungslos herumzulaufen und sich gegenseitig zu kannibalisieren. Der Hüpfer-Schwarm - vorher ein riesiger, geordneter Megakörper - fragmentierte in einzelne Teile. Die Insekten wurden wieder zu harmlosen Einzelgängern, eine leichte Beute für Vögel. Elektrophysiologische Untersuchungen an der Universität Lund in Schweden haben ergeben, dass die Duftstoffe der erwachsenen Tiere die Signalübertragung zwischen den Hüpfern vollständig blockiert hatte. Dadurch war die Kommunikation plötzlich gestoppt, "so wie wenn das Telephonkabel durchschnitten wird", erzählt Ahmed Hassanali. Und wenn die Kommunikation zusammenbricht, läuft nichts mehr. Der Duftstoff soll nun in grösseren Mengen hergestellt und bei der nächsten drohenden Schwarmbildung getestet werden. "Dies wäre dann eine einfache und extrem umweltfreundliche Methode", meint Hassanili, "Bei der letzten grossen Plage wurden allein für Insektizide 250 Millionen $ aufgewendet. Pro Hektar 12 $. Wir schätzen, dass wir mit der Duftstoff-Behandlung auf allerhöchstens 1 Dollar pro Hektar kommen. Dies alles, ohne giftige Insektizide zu versprühen, und ohne langfristige Akkumulationsprobleme." * Florianne Koechlin, Blauen-Institut (www.blauen-institut.ch ) (Mehr dazu auf dieser home-page oder bei www.icipe.org) 6