Stellungnahme. zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes. Bundestags-Drs. Nr.

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Transkript:

Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes Bundestags-Drs. Nr. 18/12202 22. Juni 2017

I. Der Status quo: Wie die Störerhaftung den Ausbau digitaler Services verhindert 1. Potenziale von WLAN im Einzelhandel Der Einzelhandel möchte seinen Kunden eine Bezahlmöglichkeit mit dem Handy an der Kasse ermöglichen, stellt der Gesetzesentwurf fest (S. 7). Mobile Bezahlvorgänge sind dabei nur ein Baustein des tiefgehenden digitalen Wandels, der sich durch den stationären Handel zieht. Im intensiven Wettbewerb mit reinen Online-Händlern, Marktplätzen und Herstellern sind digitale Services auf der Fläche zu zentralen Erfolgsfaktoren geworden. Zum einen ermöglichen sie eine enge Verzahnung von Online- und Offlineangebot und unterstützen so ein kundenspezifisches attraktives Sortiment und eine passgenaue Beratung, beispielsweise mit zusätzlichen Produktinformationen oder Prüfung der Artikelverfügbarkeit. Weiterhin werden neue innovative Services entwickelt, die das Shoppingerlebnis erleichtern und verbessern wie z. B. die Navigation im Shop oder Augmented Reality Erlebniswelten. Zuletzt bedeutet der digitale Wandel für den stationären Handel auch die zunehmende beiläufige Einbindung digitaler Aktivitäten in das stationäre Shoppingverhalten von Seiten der Kunden, wenn beispielsweise nebenbei auf dem Smartphone das Rezept auf fehlende Zutaten überprüft oder ein Freund um Feedback gebeten wird. Für die Nutzung dieser vielfältigen Potenziale spielen öffentliche WLAN-Angebote eine zentrale Rolle. Denn aufgrund der baulichen Gegebenheiten ist der mobile Internetzugang an vielen Handelsstandorten nicht gegeben, wodurch Kunden auf das Angebot eines Internetzugangs durch den Händler selbst angewiesen sind. 70 % der Kunden wünschen sich von Händlern WLAN-Zugang. Damit die digitalen Angebote für den Besucher einen Mehrwert generieren können, muss der WLAN-Zugang zudem mit möglichst geringem Aufwand verbunden sein. Je größer der Aufwand zur Einwahl ins Netz, desto weniger Besucher verbinden sich mit dem WLAN und können somit von den digitalen Services profitieren. Dieser Effekt ist umso stärker in Umgebungen mit kurzen Aufenthaltszeiten, in denen das Ausfüllen eines Registrierungsformulars und anschließende Eingabe eines Passworts als große Belastung wahrgenommen wird und den Mehrwert digitaler Angebote zerstört. Dazu gehört der Aufenthalt im Einzelhandel genauso wie Behördenbesuche oder Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten. Von einer wirklichen Digitalisierung des öffentlichen Raums kann daher nur gesprochen werden, wenn freies WLAN für jedermann einfach zugänglich ist. 2. Hürden für WLAN-Angebote Für 55 % der Einzelhändler liegt der Hauptgrund, ihren Kunden kein WLAN zur Verfügung zu stellen, in den bestehenden rechtlichen Risiken. Denn nach aktueller Rechtsprechung des EuGH vom Seite 2

15. September 2016 in der Rechtssache Mc Fadden gegen Sony Music (Rz. 79) ist das Haftungsprivileg der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG Art. 12 Abs. 1 nicht auf Ansprüche gegenüber dem WLAN-Betreiber zur Unterbindung von Rechtsverletzungen der WLAN-Nutzer anwendbar. Somit sind Anbieter freier WLANs trotz der Abwesenheit von Schadensersatzansprüchen noch immer in der Verantwortung, Rechtsverstöße ihrer Nutzer zu verhindern. Rechteinhaber, die ihre Urheberrechte von einem Nutzer eines freien WLANs verletzt sehen, können demnach weiterhin Unterlassungsansprüche gegenüber dem jeweiligen WLAN-Anbieter geltend machen und Gerichte somit entsprechende Anordnungen zur Unterbindung der Fortsetzung der Rechtsverletzung gegenüber dem Anbieter erlassen. Die mit den gerichtlichen Unterlassungsanordnungen verbundenen Gerichts- und Anwaltskosten müssen dabei vom betroffenen WLAN-Anbieter bzw. Händler getragen werden. Obwohl Schadensersatzansprüche durch das Urteil ausgeschlossen worden sind, führt die Regelung also zum gleichen Ergebnis für WLAN-Anbieter, welche sich stattdessen mit der Bedrohung richterlicher Anordnungen auseinandersetzen müssen. Den Bürgern wird damit in der Konsequenz der Zugang zu freiem WLAN verwehrt, nur weil Einzelpersonen ihre urheberrechtlichen Interessen durchsetzen. In der Praxis bedeutet dies für Händler, die freies WLAN anbieten, dass sie ein erhebliches rechtliches und finanzielles Risiko durch gerichtliche Unterlassungsanordnungen und die damit verbundenen Kosten tragen. Rechtssicherheit für Händler mit WLAN-Angebot ist nur gewährleistet, wenn sie von vorneherein entsprechende Zugangspflichten einführen und die damit einhergehende Einschränkung der digitalen Services vorsorglich in Kauf nehmen. Die aktuelle Regelung trifft insbesondere kleine Händler. Für diese wiegen zum einen potenzielle Gerichts- und Anwaltskosten besonders schwer und zum anderen sind die Händler oft mit der technischen Implementierung von Zugangs- und Registrierungspflichten sowie dem damit verbundenen Umgang mit personenbezogenen Daten überfordert. Daraus resultiert eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten kleiner Händler mit fehlendem Knowhow, die sich nicht auf die Expertise technischer Dienstleister verlassen können. Die Angst vor unabsehbaren Kosten hat bisher oft zu Entscheidungen gegen das Angebot öffentlicher WLAN-Netze geführt. Im Ergebnis fallen insbesondere kleinere Anbieter im Wettbewerb weiter zurück, was die Vielfalt in der Händlerlandschaft hemmt und innovative Geschäftsideen blockiert. Nur mit innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen können Händler neue Technologien zum Einsatz bringen, fortschrittliche Ideen umsetzen und sich im Wettbewerb profilieren. Der Umfang der Haftungsbeschränkung von WLAN-Anbietern ist seit langem im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Es ist äußerst bedauerlich, dass bis dato kein Kompromiss gefunden werden konnte, der den wirtschaftlich wie gesellschaftlich dringend geforderten Aufbau einer Infrastruktur öffentlicher WLAN-Angebote auch in der Praxis ermöglicht. Nachdem das anvisierte Ziel des rechtssicheren öffentlichen WLAN-Angebots bisher verfehlt wurde, sollte das Thema nun mit höchster Priorität verfolgt werden, um die Verabschiedung einer Regelung noch in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen. Seite 3

II. Zum Gesetzentwurf: Reduzierung der Störerhaftung auf die Implementierung von Netzsperren Der vorliegende Gesetzentwurf verbessert die Rahmenbindungen für Anbieter insbesondere durch eine Reduzierung der finanziellen Risiken. Mit dem Wegfall des Großteils der Ansprüche im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung und -durchsetzung der Urheberrechtsinhaber wird Geschäftsmodellen, die auf der Störerhaftung basierten, die Grundlage entzogen. Diese Entwicklung wird vom HDE sehr positiv bewertet und stellt einen großen Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit dar. Um den Erfordernissen des Grundrechtsschutzes und den Regelungen der Richtlinien 2001/29/EG und 2004/48/EG gerecht zu werden, stärkt der Entwurf die Position der Urheberrechtsinhaber mit der Einführung von Netzsperren als Maßnahme gegen Rechtsverletzungen und lässt damit neue Kosten für den Betrieb öffentlicher WLANs entstehen. Dieser Ansatz erfordert große Vorsicht und kontinuierliche Beobachtung, da er insbesondere kleine Händler benachteiligen kann. Inwiefern die gerichtliche Anordnung von Passwort- und Registrierungspflichten im aktuellen Entwurf weiterhin möglich bleibt, ist umstritten. Um auch in diesem Punkt für eine klare Regelung zu sorgen, sollte der Entwurf auch gerichtliche Anordnungen solcher Pflichten explizit ausschließen. In seiner Gesamtheit betrachtet stellt der Entwurf nach Meinung des HDE trotzdem eine gute Grundlage für einen Kompromiss aller Beteiligten dar. 1. Zu Art. 1 Nr. 2 aa): Haftungsbeschränkung und Befreiung von der Kostentragungspflicht ( 8 Abs. 1 S. 2 TMG-E) 8 Absatz 1 Satz 2 TMG-E schließt Schadensersatz-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegenüber WLAN-Anbietern im Hinblick auf Rechtsverletzungen Dritter aus und befreit diese weitgehend von den damit zusammenhängenden Kostentragungspflichten. Zum einen stärkt diese Beschränkung der Störerhaftung die Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter. Zum anderen reduziert vor allem der Ausschluss der Pflicht der Kostenübernahme das finanzielle Risiko des WLAN-Betriebs für Händler erheblich. Damit wird die derzeitige Situation für WLAN-Betreiber deutlich verbessert und der Abmahnindustrie wird ein Ende gesetzt. Diese Grundsatzentscheidung unterstützt Händler in ihrem Einsatz digitaler Technologien und der Bereitstellung zeitsparender und wertschaffenden Angebote für den Kunden und wird daher vom HDE als zentraler Bestandteil dieses Entwurfs ausdrücklich positiv hervorgehoben. Seite 4

2. Zu Art. 1 Nr. 1 b): Sperrung der Nutzung von Informationen ( 7 Abs. 4 TMG-E) Mit 7 Absatz 4 TMG-E wird eine neue Anspruchsgrundlage für gerichtliche Anordnungen gegen WLAN-Anbieter geschaffen, um die Wiederholung konkreter Rechtsverletzungen zu verhindern. Demnach kann der Rechteinhaber bei vorliegenden Rechtsverletzungen die Sperrung der Nutzung von Informationen vom Anbieter verlangen, solange diese zumutbar und verhältnismäßig ist. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen gezielten Sperrungen von Websites mit einer Historie von Rechtsverletzungen ist aus unserer Sicht einer Kontrolle durch einen Passwortschutz eindeutig vorzuziehen, da sie den Zugang des Besuchers zum WLAN nicht beeinträchtigen. Auch liegen die zu erwartenden gerichtlichen Kosten bei Niederlage in einem Verfahren in Verbindung mit der Anfechtung von Netzsperren deutlich unter der Gesamtheit der vorgerichtlichen, außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten, die mit den Haftungsansprüchen auf Unterlassung derzeit zu befürchten sind. Vor dem Hintergrund der Kostenverteilung bleibt auch ungewiss, in welchem Ausmaß Rechteinhaber von ihrer Möglichkeit zur Sperrung tatsächlich Gebrauch machen werden. Richtigerweise ist eine Rechtsverfolgung für Rechteinhaber mit der neuen Kostenregelung nur noch in Fällen eines tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils durch die Rechtsverletzung für den Rechteinhaber und einer effektiven Unterbindung der Rechtsverletzung durch Rechtsverfolgung ökonomisch sinnvoll. Für die Händler verbleiben gleichwohl Restrisiken beim Angebot eines freien WLANs, weil sie im Falle des Verzugs der Sperrung zur Tragung anfallender Gerichtskosten verpflichtet werden können. Dieses Kostenrisiko kann in der Praxis dazu führen, dass Abmahnanwälte pauschal Forderungen nach Sperrung erheben, denen insbesondere kleine und mittelständische Händler in Form von Unterlassungserklärungen auf Zuruf nachkommen, selbst wenn der Anspruch zu weitgehend oder unbegründet eben nicht zumutbar und verhältnismäßig ist. Folgend der Stellungnahme des Bundesrats in Nr. 1. b) ff.) könnte hier eine Deckelung des Streitwerts korrigierend einwirken. Dieser Zustand verdient besondere Aufmerksamkeit vor dem Hintergrund der Richterrolle, in der sich der Händler befindet, da die Sperrungen ohne Prüfung durch eine staatliche Stelle implementiert werden und stattdessen der Händler über die Gewichtung der Rechtsverletzung entscheiden muss. In der Praxis wird dies dazu führen, dass der Händler nach Aufforderung durch einen (vermeintlichen) Urheberrechtsinhaber einzelne Webseiten sperren wird. Ob diese Beschränkung der Informationsfreiheit der Bürger de facto aufgrund eines einseitigen Aktes eines etwaigen Rechteinhabers politisch wünschenswert ist, erscheint dem HDE sehr fraglich. Der Bundesrat schlägt in seiner Stellungnahme als Gegenmaßnahmen eine Klarstellung über die Form und technische Umsetzung der Sperrung, auf die ein Anspruch besteht (Nr. 1. b) ee)), sowie eine Präzisierung des Begriffs rechtzeitige Erfüllung (Nr. 1. b) gg)) vor, welche vom HDE ausdrücklich befürwortet werden. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass der Einsatz von Netzsperren im Verhältnis zum wirtschaftlichen Aufwand der WLAN-Anbieter steht. Dies kann durch die in Art. 2 des Regierungsentwurfs vorgesehene Evaluation (vgl. Gliederungspunkt 4. dieser Stellungnahme) gesichert werden. Seite 5

3. Art. 1 Nr. 2 b): Zugangsmodalitäten ( 8 Abs. 4 TMG-E) Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Handels ist die Beschränkung von Zugangspflichten auf der Basis des 8 Absatz 4 TMG-E ausdrücklich zu begrüßen. Unklarheiten bestehen jedoch weiterhin in Bezug auf Verpflichtungen seitens der Gerichte. In der Praxis haben jedoch gerade Gerichte die Möglichkeit zur Auferlegung von Zugangspflichten, wie auch der Fall Mc Fadden gegen Sony Music gezeigt hat. Die aktuelle Formulierung beschränkt sich aber auf behördliche Anordnungen. Ob damit auch Gerichte erfasst werden, bleibt unklar, auch wenn die Gesetzbegründung (S. 14) eine generelle, auch Gerichte erfassende Regelung nahelegt. Rein rechtssystematisch sind Pflichten bezüglich Passwörtern und Nutzerregistrierung bisher ausschließlich auf der Basis der Störerhaftung entwickelt worden. Diese wird mit dem Entwurf jedoch auf Netzsperren verengt, was gerichtlichen Anordnungen über die Grenzen der Netzsperren hinaus ihre Rechtsgrundlage entziehen müsste. 1 Diese Argumentation ist jedoch umstritten, so dass eine anderweitige Interpretation durch Gerichte im Nachhinein und am Willen des Gesetzgebers vorbei nicht ausgeschlossen werden kann. Insbesondere mit Berücksichtigung der Revidierung des politischen Willens durch die Rechtsprechung des EuGH, sollte der Gesetzgeber seinem Willen hier eindeutigen Ausdruck verleihen. Um freien Zugang zu öffentlichem WLAN zu sichern, schlagen wir im Einklang mit der Stellungnahme des Bundesrats Nr. 1. c) bb) vor, das Merkmal von einer Behörde zu streichen und somit einen allgemeinen Ausschluss von Zugangspflichten gesetzlich zu verankern. So kann das vom Gesetzgeber in der Begründung artikulierte Ziel des Entwurfs, dass WLAN-Betreiber [ ] nicht dazu verpflichtet werden dürfen, ihren WLAN-Hotspot mit einem Passwort zu verschlüsseln (S. 14) nachhaltig garantiert werden. 4. Zu Artikel 2 (Evaluierung) Der Entwurf sieht derzeit ausschließlich eine Evaluierung der ausreichenden Wirksamkeit des 7 Absatz 4 in Bezug auf die Interessen der Rechteinhaber vor. Im Sinne einer Interessensabwägung sollten jedoch auch die Auswirkungen der Regelung auf die WLAN-Anbieter evaluiert werden, um eine realistische ökonomische Folgenabschätzung durchführen zu können. Konkret beinhaltet dies vor allem die Anzahl und die zahlenmäßige Entwicklung der angeordneten Sperrungen, welche von den Anbietern implementiert werden mussten. 1 Spindler, CR 2017, 262 (267) Seite 6

III. Fazit Um den Ausbau von öffentlichen WLAN-Angeboten voranzutreiben, ist es von zentraler Bedeutung, dass Anbieter schnellstmöglich Rechtssicherheit erhalten und das damit verbundene finanzielle Risiko eingeschränkt wird. Die Haftungseinschränkung in 8 Absatz 1 Satz 2 TMG-E ist dabei ein großer Schritt in die richtige Richtung, da die Kostenübernahmepflicht von der Gesamtheit der vor-, außer- und gerichtlichen Kosten bei Nicht-Implementierung von Registrierungs- und Zugangspflichten auf die Pflicht zur Kostenübernahme nur der gerichtlichen Kosten bei Nicht-Implementierung von Netzsperren reduziert wird. Die neu geschaffene Möglichkeit zur Anordnung von Zugangssperren in 7 Absatz 4 TMG-E kann unter der Maßgabe des Ausschluss von Zugangspflichten eine akzeptable alternative Regelung zum Schutz von Urheberrechten darstellen, wenn der Aufwand der Implementierung weitestmöglich reduziert wird, indem Rechteinhaber keinen Freifahrtsschein für Sperrungsanforderungen erhalten und die Anzahl der angeordneten Sperrung in den Evaluationsprozess integriert wird. Für WLAN-Angebote im Handel ist zudem ein freier Internetzugang des Kunden ohne Passwort und Registrierungspflichten eine Grundvoraussetzung, um neue Technologien nutzerfreundlich und somit erfolgreich anbieten zu können. Dieser wird mit 8 Absatz 4 TMG-E auch intendiert, jedoch nicht explizit geregelt. Im Sinne der Zielsetzung des Entwurfs sollte hier Rechtsklarheit geschaffen werden. Der HDE unterstützt den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des TMG. Aus Sicht des Einzelhandels wäre es zwar wünschenswert gewesen, wenn die Störerhaftung für Anbieter freier WLANs mit den damit verbundenen Kostenrisiken vollständig entfallen würde. Wir erkennen aber an, dass die Bundesregierung nach der o. g. Entscheidung des EuGH eine Lösung finden musste, welche die europarechtlichen Vorgaben hinreichend berücksichtigt. Im Hinblick auf diese Rahmenbedingungen halten wir den vorliegenden Entwurf einer Neuregelung des TMG für eine gelungene Lösung. Der stationäre Einzelhandel ist dringend darauf angewiesen, eine rechtssichere Lösung für das Betreiben von offenen WLANs zu erhalten. Nur dadurch kann im stationären Handel die Brücke zwischen der analogen und digitalen Welt geschlagen werden. Nur so können stationäre Anbieter digitale Services und Angebote für Ihre Kunden im Laden offerieren, die letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den großen Online-Plattformen sichern sollen. Seite 7