«Ich bin auch auf Facebook aber unfreiwillig»



Ähnliche Dokumente
40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Das Leitbild vom Verein WIR

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Alle gehören dazu. Vorwort

Einkaufen im Internet. Lektion 5 in Themen neu 3, nach Übung 10. Benutzen Sie die Homepage von:

Die Post hat eine Umfrage gemacht

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

Das Thema von diesem Text ist: Geld-Verwaltung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Was ist PZB? Personen-zentrierte Begleitung in einfacher Sprache erklärt

Papa - was ist American Dream?

M03a Lernstraße für den Unterricht in Sekundarstufe I

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

der die und in den von zu das mit sich des auf für ist im dem nicht ein eine als auch es an werden aus er hat daß sie nach wird bei

Kreativ visualisieren

Statuten in leichter Sprache

Was kann ich jetzt? von P. G.

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

Krippenspiel für das Jahr 2058

Dies sind die von Ihnen angeforderten QuantumNews für Kunden und Freunde der Naturheilpraxis * Andreas Frenzel * QuantumTao * Coaching * Paarberatung

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Gutes Leben was ist das?

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Elma van Vliet. Mama, erzähl mal!

Achten Sie auf Spaß: es handelt sich dabei um wissenschaftliche Daten

Rede im Deutschen Bundestag. Zum Mindestlohn. Gehalten am zu TOP 17 Mindestlohn

Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat. 1. Timotheus 2,6

Leichte-Sprache-Bilder

1: 9. Hamburger Gründerpreis - Kategorie Existenzgründer :00 Uhr

Weltenbummler oder Couch-Potato? Lektion 10 in Themen neu 3, nach Übung 5

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Das Gewissen Sekundarstufe 1 2 Std.

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Anleitung zur Daten zur Datensicherung und Datenrücksicherung. Datensicherung

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Internationales Altkatholisches Laienforum

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Willkommen in ONKEL WOLFGANG S WELT

ALEMÃO. Text 1. Lernen, lernen, lernen

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Erst Lesen dann Kaufen

Nicht über uns ohne uns

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Das sogenannte Beamen ist auch in EEP möglich ohne das Zusatzprogramm Beamer. Zwar etwas umständlicher aber es funktioniert

Deine Meinung ist wichtig. Informationen für Kinder und Jugendliche zur Anhörung

GEHEN SIE ZUR NÄCHSTEN SEITE.

Dow Jones am im 1-min Chat

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

Elternzeit Was ist das?

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. in Leichter Sprache

Wir machen uns stark! Parlament der Ausgegrenzten

Der Vollstreckungsbescheid. 12 Fragen und Antworten

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Sibylle Mall // Medya & Dilan

NINA DEISSLER. Flirten. Wie wirke ich? Was kann ich sagen? Wie spiele ich meine Stärken aus?

Der Klassenrat entscheidet

Schnellstart - Checkliste

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Anleitung über den Umgang mit Schildern

REGELN REICHTUMS RICHARD TEMPLAR AUTOR DES INTERNATIONALEN BESTSELLERS DIE REGELN DES LEBENS

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

im Beruf Gespräche führen: Bei einem Bewerbungsgespräch wichtige Informationen verstehen und eigene Vorstellungen äußern

Leit-Bild. Elbe-Werkstätten GmbH und. PIER Service & Consulting GmbH. Mit Menschen erfolgreich

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

1. Fabrikatshändlerkongress. Schlussworte Robert Rademacher

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

einen Vibrator benutzt; wie man bei einem Kredithai einen Kredit zu 17 Prozent aufnimmt, der in 30 Tagen zur Rückzahlung fällig wird; wie man seinen

Kontaktvorlage MikroPublic

Evangelisieren warum eigentlich?

im Beruf Gespräche führen: Über seinen beruflichen Werdegang sprechen

Gesprächsführung für Sicherheitsbeauftragte Gesetzliche Unfallversicherung

a) Bis zu welchem Datum müssen sie spätestens ihre jetzigen Wohnungen gekündigt haben, wenn sie selber keine Nachmieter suchen wollen?

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Was ist das Budget für Arbeit?

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

BPI-Pressekonferenz. Statement. Dr. Martin Zentgraf. Geschäftsführer der Desitin Arzneimittel GmbH und Mitglied des BPI-Vorstandes Berlin

Nicht kopieren. Der neue Report von: Stefan Ploberger. 1. Ausgabe 2003


icloud nicht neu, aber doch irgendwie anders

Besser leben in Sachsen

Sichtbarkeit Ihres. Unternehmens... Und Geld allein macht doch Glücklich!

Danke, dass sie sich für die Infoliste der Moodleveranstaltung eingetragen haben.

Studieren- Erklärungen und Tipps

Transkript:

Seite 1 von 6 Mein verbleibender Kredit: CHF 6.46 [Go To Best Hit] Sonntag / MLZ; 03.05.2009; Seite 13 Menschen Das grosse Interview mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf «Ich bin auch auf Facebook aber unfreiwillig» Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (53) kämpft für den biometrischen Pass, kritisiert die Parteien und will die Regierung reformieren. Von Othmar von Matt, Florence Vuichard (TEXT) und Peter Mosimann (Bilder) Frau Bundesrätin, die Jungen rebellieren gegen den biometrischen Pass. Wissen Sie, wie Ihre Kinder stimmen? Eveline Widmer-Schlumpf: Zwei werden Ja stimmen. Beim dritten weiss ich es nicht. Dann sind Ihre Kinder Ausnahmen. Nein. Reden Sie mal mit den Jungen oder schauen Sie sich die Umfragen an. Zwar wehren sich die meisten Jungparteien gegen den biometrischen Pass. Unter den jungen Leuten selbst ist die Skepsis hingegen bei weitem nicht so gross, wie man vermuten könnte. Sind Sie persönlich mit Haut und Haaren für den biometrischen Pass? Ich bin für den biometrischen Pass und vertrete diese Vorlage, die aus dem Jahr 2007 stammt. Eine Vorlage von Christoph Blocher. Ja. Als ich im Jahr 2008 dieses Geschäft übernahm, war die Vorlage bereits vom Ständerat mit 36:2 Stimmen verabschiedet. Es war nicht mehr möglich, etwas zu ändern, selbst wenn ich das noch gewollt hätte. Ich vertrete die Vorlage, weil ich überzeugt bin, dass wir den biometrischen Pass wirklich benötigen. Weshalb? Ich will keine Schwarzmalerei betreiben, aber man muss wissen, was ein Nein bedeutet: Ohne Biometrie müssen wir für Reisen in die USA und in die EU die Visumspflicht in Kauf nehmen. Zudem würden wir aus dem Schengen-Abkommen ausgeschlossen. Was würde ein Ausschluss bedeuten? Das wäre vorab in Sachen Sicherheit eine schwierige Situation. Wir haben in nur gerade

Seite 2 von 6 acht Monaten Betrieb der Schengenfahndung sehr gute Resultate erzielt und fanden im Schengenraum aufgrund schweizerischer Fahndungen über 50 Schwerverbrecher: Mörder, Dealer, Geldwäscher. In der Schweiz konnten wir 80 solcher Personen festnehmen. Zudem konnten wir in unserem Land über 2000 Personen mit Einreisesperren dingfest machen und über 1000 andere Gesuchte, zum Beispiel Vermisste, auffinden. Ohne Schengen und die SIS-Datenbank würde es ernorm schwierig, die Schweiz wäre ein Fahndungsloch. Und vergessen wir nicht: Das Dublin-Abkommen, das mit Schengen verknüpft ist, bringt der Schweiz Erleichterungen im Asylwesen. Wie viele Asylbewerber konnten Sie bis heute dank Dublin zurückführen? Wir haben seit Dezember 2008 bis Ende März 2009 bei 997 Personen um Übernahme in einen anderen Dublin-Staat ersucht, weil dieser für die Durchführung des Asylverfahrens verantwortlich ist. Davon wurde bei 564 Personen die Zustimmung zur Überstellung bereits erteilt. 140 Asylsuchende konnten in den zuständigen Dublin-Staat zurückgeführt werden und bei 424 Personen ist die Überstellung in die Wege geleitet. Der biometrische Pass an sich ist nicht derart umstritten wie die zentrale Datenbank. Die Datenbank war weder in der Vernehmlassung noch im Parlament, noch in der ersten Phase des Referendums ein Thema. Dass sie es wurde, hat mich schon deshalb überrascht, weil wir die Datenbank ja bereits seit 2003 haben. Darin sind Fotos und Personalien gespeichert. Aber keine Fingerabdrücke. Das ist richtig. Ob man am 17. Mai Ja oder Nein stimmt, reduziert sich nun, überspitzt formuliert, darauf, ob die Fingerabdrücke in die Datenbank kommen oder nicht. Besteht nicht eine hohe Missbrauchsgefahr? Sagen Sie mir: Was genau kann man missbrauchen? Man könnte Fingerabdrücke stehlen und jemandem irgendwo ein Verbrechen anhängen. Das geht nicht. In der Datenbank haben Sie die flachen Abdrücke beider Zeigefinger. Fingerabdrücke, die als Beweismittel verwendet werden sollen, werden stets auf beide Seiten abgerollt. Einen isolierten flachen Fingerabdruck zum Beispiel auf einer Leiche oder an einem Tatort gibt es nämlich nicht. Flache Abdrücke sind zur Fahndung oder als Beweismittel also ungeeignet. Und überhaupt: Möchte ich Ihre Fingerabdrücke irgendwo platzieren, nähme ich sie nach dem Gespräch von Ihren Gläsern. Das wäre viel weniger kompliziert, als sie von einer Datenbank oder von einem Chip zu stehlen. Wer in die USA einreist, muss heute seine Fingerabdrücke geben und hat ein mulmiges Gefühl. Aber Sie tun es! Es bleibt uns ja nichts anderes übrig. Eben. In den USA müssen Sie die Fingerabdrücke bei der Einreise deponieren. Dort nehmen Sie das in Kauf, obwohl wir keinen Einfluss darauf haben, was mit diesen Daten geschieht.

Seite 3 von 6 Die Gegner sind also alle Verschwörungstheoretiker? Nein. Aber ich möchte eine Antwort auf die Frage erhalten, wovor man ganz konkret Angst hat. Nach heutiger Technik ist es unmöglich, diese Fingerabdrücke von der Datenbank zu holen. Es geht wohl um eine diffuse Angst vor der Überwachung des Staates. Das ist für mich nur schwierig nachvollziehbar: Es geht nicht um eine Überwachung durch den Staat, sondern dass er die Sicherheit der Identität der Bevölkerung gewährleistet. Die Jungparteien warnen, der biometrische Pass sei schlimmer als Facebook. Dort deponieren sie freiwillig ihre Daten. Das mit dem freiwillig muss man relativieren: Ich bin auch auf Facebook aber ohne mein Dazutun. Mein Sohn wies mich darauf hin, dass jemand mit meinem Namen eine Seite eingerichtet hatte. In Facebook wird sehr viel Persönliches preisgegeben. Und wenn wir schon dabei sind: Kommen zum Beispiel Ihre Kreditkarten abhanden, ist das Missbrauchspotenzial viel grösser. Eine Datenbank mit Fingerabdrücken gleicht einer Verbrecherdatenbank. Das stimmt eben nicht. Die Daten dürfen, gesetzlich geregelt, nur für Ausweiszwecke verwendet werden. Unsere Verbrecherdatenbanken werden separat aufbewahrt und dienen effektiv dazu, Verbrecher zu suchen. Aber ich kann die Ängste betreffend Speicherung von Daten verstehen, da ich in dieser Frage selbst sehr sensibel bin. Wir bauen jetzt das Auskunftsrecht aus, um den Datenschutz zu stärken. Bisher bekam man bei Anfragen selten eine direkte Auskunft, es gab verschiedenste Ausnahmegründe. Künftig soll das nach dem Willen des Bundesrats direkter gehen, die Ausnahmen werden auf ein Minimum beschränkt. Was bedeutet das? Jede Person soll künftig vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft bekommen, ob Daten über sie bearbeitet werden, auch bei denjenigen in den Bereichen innere Sicherheit und polizeiliche Information. Hier konnte der Datenschützer bisher lediglich in einer so genannten indirekten Antwort mitteilen, dass allfällige Daten korrekt bearbeitet oder allfällige Fehler behoben worden seien. Die Datenschützer sind auch gegen die zentrale Datenbank. Ich bin überrascht, dass Datenschützer Hanspeter Thür Bedenken hat. Im Rahmen des Schengen-Beitritts war es möglich, die verschiedenen neuen Datenbanken zu sichern. Dafür beantragte er zusätzliche Stellen. Hier hingegen soll es nicht möglich sein. Bekommt der Datenschützer nochmals mehr Stellen, um die Pass- Datenbank zu überwachen? Er hat schon zusätzliche Stellen zugesprochen erhalten. Dies auch im Hinblick auf die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke in der Ausweisdatenbank. Die Gegner wollen die Datenbank belassen, aber ohne Fingerabdrücke.

Seite 4 von 6 Dann hätten wir ein zweispuriges System: Eine Datenbank mit den heutigen Angaben und einen Pass mit Chip, auf dem die Fingerabdrücke abgespeichert sind. Das wäre machbar, meines Erachtens aber nicht sinnvoll, weil damit die Sicherheit des Schweizer Passes reduziert würde. Das Pro-Komitee wird nicht von einer Partei, sondern von einer PR-Agentur geführt. Ist das nicht bedenklich? Einmal mehr wollte keine Partei die Führung im Abstimmungskampf übernehmen ähnlich wie schon bei der Unverjährbarkeitsinitiative. Wenn sich niemand engagiert, ist es sehr schwierig. Der Bundesrat darf keine Kampagne führen, und das ist richtig so. Aber wenn die Abstimmung verloren geht, heisst es wieder: Wieso hat man nichts gemacht? Ärgern Sie sich über die Passivität der Parteien? Wenn sich keine Partei engagiert, gibts keine Diskussion und das ist schlecht für die direkte Demokratie. Die Vorlage zum biometrischen Pass wurde von allen Parteien «durchgewinkt» auch von der SVP. Jetzt ist plötzlich niemand mehr für diese Vorlage verantwortlich. Deshalb bin ich froh, dass sich nun wenigstens eine PR-Agentur im Auftrag der Touristiker darum kümmert. Und zum Glück berichten die Medien darüber. Woran liegt es, dass sich die Parteien nicht engagieren? Wahrscheinlich an mangelndem Interesse. Es werden häufig nur noch Themen aufgenommen, aus denen man auch parteipolitisch Kapital schlagen kann. Müsste sich nicht auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse dafür engagieren? Der hält sich in der Tat eher zurück, obwohl die Wirtschaft hier durchaus ein Interesse haben sollte. Bei einem Nein können die Geschäftsleute nicht mehr spontan in die USA reisen, weil sie ein Visum brauchen. Economiesuisse wird dann wohl die schwierige Situation beklagen. Würde ein Nein zum biometrischen Pass das wegen der UBS bereits sehr angespannte Verhältnis zu den USA zusätzlich strapazieren? Ich finde es nicht gut, wenn verschiedene Probleme miteinander verbunden werden. Wir müssen die sich stellenden Fragen separat anschauen. Sie verbinden aber auch verschiedene Dossiers miteinander zum Beispiel die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen mit dem Fall UBS. Das mache ich aus Prinzip nicht. Die allfällige Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen muss für sich selber geprüft werden. Wird denn die Schweiz nun Guantánamo-Häftlinge aufnehmen? Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit Leuten aus dem EJPD, dem EDA und dem VBS sowie den Kantonen. Diese Arbeitsgruppe überprüft, ob die rechtlichen und sicherheitsrelevanten Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllt sind. Es gibt sehr viele Detailfragen, die geklärt werden müssen. Wann fällt ein Entscheid?

Seite 5 von 6 Es wäre nicht seriös, jetzt ein Datum zu nennen. Wir haben von den USA die vollständige Lebensgeschichte der betroffenen Personen angefordert, die zu prüfen wir bereit sind. Zum Teil haben wir die entsprechenden Informationen bereits erhalten, zum Teil noch nicht. Es ist auch nicht ganz einfach: Es gibt Häftlinge, bei denen die vergangenen Jahre nicht lückenlos dokumentiert sind. Sie wurden im Guantánamo-Gefängnis festgehalten, ohne dass ihnen ein rechtsstaatlich korrektes Aufnahmeverfahren und Gerichtsverfahren gewährt wurde. Es ist sehr schwierig, ihre Lebensgeschichte lückenlos zu rekonstruieren. Doch das müssen wir, um das Gefahrenpotenzial auch wirklich abschätzen zu können. Wie viele Fälle klären Sie ab? Mehr als einen. Und Sie glauben, dass sich Kantone bereit erklären werden, einen oder mehrere Häftlinge aufzunehmen? Ja. Ich hatte ein sehr gutes Gespräch mit der kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren. Mehrere Kantone haben sich dazu bereit erklärt, dies zu prüfen, wenn alle offenen Fragen beantwortet sind. Sie wollen die Dossiers nicht vermischen: Aber der Bundesrat verknüpft die Verhandlungen des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Klagen der US-Steuerbehörde gegen die UBS. Zwischen den beiden Dossiers besteht ein klarer rechtlicher Zusammenhang: Wir wollen künftig auch Amtshilfe bei Steuerhinterziehung gewähren. Aber es geht rechtsstaatlich nicht an, dass die US-Steuerbehörde ohne begründeten Verdacht und unter Umgehung des Amtshilfewegs Daten von 52 000 UBS-Konti verlangt. In konkreten Fällen und bei begründetem Verdacht auf Steuerbetrug, in Zukunft auch bei Verdacht auf Steuerhinterziehung, werden wir über die Amtshilfe die Daten auch herausgeben. Reisen Sie demnächst wegen des Streits um die UBS-Daten in die USA? Ich weiss nicht, wann ich das nächste Mal in die USA reisen werde. Meine Mitarbeiter stehen aber in regelmässigem Kontakt mit dem US-Justizdepartement. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat in der «SonntagsZeitung» gesagt, dass die Schweiz das Betrugsabkommen mit der EU nicht neu verhandeln wolle. Was sagen Sie dazu? Den Lead hat das Finanzdepartement, während das Justiz- und Polizeidepartement mitverantwortlich für dieses Geschäft ist. Der Bundesrat wird diese Frage diskutieren und über das weitere Vorgehen und auch über die Kommunikatikon entscheiden. Die unstimmige Kommunikation ist mit ein Grund, wieso der Bundesrat derzeit stark kritisiert wird. Einige Politiker rufen nach einer Regierungsreform. Was halten Sie davon? Wir werden diese Frage im Bundesrat nochmals diskutieren. Der Bundesrat hat mich beauftragt, das Thema vertieft abzuklären und, falls die Staatsleitungsreform weiter verfolgt wird, mögliche Vorschläge auszuarbeiten. Haben Sie schon Vorschläge?

Seite 6 von 6 Ich will mich jetzt noch nicht konkret dazu äussern. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die letzte Vorlage zur Regierungsreform vom Parlament im Jahr 2004 an den Bundesrat zurückgewiesen worden ist. Mit der Rückweisung hat das Parlament den Auftrag verbunden, neue Vorschläge zur Stärkung der politischen Führung zu unterbreiten. Denken Sie an eine grosse oder eine kleine Reform? Das Parlament hat kürzlich den Bundesrat gefragt, ob er den Auftrag von 2004 zu erfüllen beabsichtigt oder ob er die Abschreibung des Geschäfts beantragen will. Der Bundesrat wird also zunächst den Grundsatzentscheid treffen, ob die Staatsleitungsreform abgebrochen oder weitergeführt werden soll. Besteht Handlungsbedarf? Nach meiner Ansicht ja. Der Reformbedarf ist auch vom Parlament bejaht worden, allerdings fand sich keine Mehrheit für eine konkrete Reformvorlage. Funktioniert das Konkordanzsystem mit seiner direkten Demokratie in dieser globalisierten Welt? Das System ist durchaus tauglich. Aber es braucht nun Verbesserungen. Offenbar will die Schweiz nun doch mit Deutschland verhandeln. Das hat jedenfalls Bundesrat Merz gesagt. Verhandlungen mit Deutschland sind sicher ein Thema. Deutschland hat aber jetzt kein Interesse an Verhandlungen, weil das Abkommen bei einer Volksabstimmung einen schweren Stand hätte. Da bin ich nicht so sicher. Die Deutschen wollen möglicherweise jetzt nicht unbedingt verhandeln, weil sie im Wahlkampf stehen. Zum Schluss noch eine Frage zur Eishockey-WM: Als Bündnerin sind Sie sicherlich eine Eishockey-Kennerin... Notgedrungen! Ich begleitete meinen Sohn an zahlreiche Spiele, als er noch zu klein war, um allein hinzugehen. Werden Sie denn einen Match an der WM besuchen? Ich werde sicherlich einmal hingehen und zwar mit dem russischen Justizminister Alexander Konovalov. «Die Vorlage zum biometrischen Pass wurde von allen Parteien durchgewinkt auch von der SVP.» Fortsetzung von Seite 13 www.swissdox.ch E-Mail: contact@swissdox.ch