Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte *



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Transkript:

Deutscher Übersetzungsdienst, Vereinte Nationen, New York September 1992 Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte * Angenommen vom Achten Kongreß der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger, der vom 27. August bis zum 7. September 1990 in Havanna, Kuba, stattfand, und von der Generalversammlung durch Resolution 45/120 vom 14. Dezember 1990 gebilligt. In der Charta der Vereinten Nationen bekunden die Völker der Welt unter anderem ihre Entschlossenheit, Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit gewahrt werden kann, und verkünden als eines ihrer Ziele die Herbeiführung einer internationalen Zusammenarbeit, um die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verbürgt die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz, der Unschuldsvermutung, des Rechts auf eine billige und öffentliche Verhandlung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht sowie alle Gewährleistungen, die für die Verteidigung einer einer Straftat beschuldigten Person geboten sind. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte verkündet überdies das Recht, ohne unangemessene Verzögerung abgeurteilt zu werden, sowie das Recht auf eine billige und öffentliche Verhandlung durch ein zuständiges, unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verweist auf die den Staaten nach der Charta obliegende Verpflichtung, die allgemeine und wirksame Achtung der Rechte und Freiheiten des Menschen zu fördern. Der Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen legt fest, daß eine in Haft gehaltene Person Anspruch darauf hat, den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, mit diesem Kontakt zu unterhalten und sich mit ihm zu beraten. Die Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen empfehlen insbesondere, daß rechtlicher Beistand und vertrauliche Kontakte mit einem Verteidiger für noch nicht abgeurteilte Häftlinge gewährleistet werden sollten. Die Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht, bekräftigen das Recht eines jeden, der einer mit der Todesstrafe bedrohten Straftat verdächtigt oder beschuldigt * Übersetzung: Christian Tomuschat in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Übersetzungsdienst.

Grundprinzipien betreffend Rechtsanwälte Seite 2 wird, auf angemessenen rechtlichen Beistand in allen Stadien des Verfahrens nach Maßgabe von Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. - Die Erklärung über Grundprinzipien der rechtmäßigen Behandlung von Verbrechensopfern und Opfern von Machtmißbrauch empfiehlt die Ergreifung von Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene, um den Zugang zur Justiz sowie faire Behandlung, Wiedergutmachung, Schadensausgleich und Beistand für Verbrechensopfer zu verbessern. - Angemessener Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, auf die jeder Anspruch hat, handele es sich um wirtschaftliche, soziale und kulturelle oder bürgerliche und politische Rechte, setzt voraus, daß jeder einen effektiven Zugang zu den von einer unabhängigen Rechtsanwaltschaft geleisteten Diensten erhält. - Berufsverbände von Rechtsanwälten haben bei der Wahrung beruflicher Verhaltensregeln und Ehrenpflichten eine entscheidende Rolle zu spielen, indem sie ihre Mitglieder vor Verfolgung und unangemessenen Einschränkungen und Beeinträchtigungen schützen, rechtliche Dienstleistungen zugunsten aller darauf angewiesenen Personen erbringen und mit Regierungs- und sonstigen Einrichtungen zusammenarbeiten, um die Gerechtigkeit und das öffentliche Wohl zu fördern. Die nachstehenden Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte, die formuliert worden sind, um die Mitgliedstaaten bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, die angemessene Rolle der Rechtsanwälte zu fördern und zu gewährleisten, sollten von den Staaten im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung und Praxis beachtet und berücksichtigt werden und den Rechtsanwälten sowie auch anderen Personen wie Richtern, Staatsanwälten, Angehörigen der vollziehenden und der rechtsetzenden Gewalt sowie der Öffentlichkeit im allgemeinen zur Kenntnis gebracht werden. Die Prinzipien finden gegebenenfalls auch Anwendung auf Personen, die anwaltliche Aufgaben wahrnehmen, ohne die förmliche Rechtsstellung eines Rechtsanwalts zu besitzen. Zugang zu Rechtsanwälten und anwaltlichen Dienstleistungen 1. Jeder ist berechtigt, den Beistand eines Rechtsanwalts seiner Wahl in Anspruch zu nehmen, um seine Rechte zu schützen und nachzuweisen und sie in allen Abschnitten eines Strafverfahrens zu verteidigen. 2. Der Staat stellt sicher, daß allen innerhalb seines Hoheitsgebiets befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen wirksame Verfahren und sachgerechte Mechanismen für einen effektiven und gleichen Zugang zu Rechtsanwälten zur Verfügung stehen, ohne irgendeinen Unterschied, wie Diskriminierung auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des wirtschaftlichen oder sonstigen Standes. 3. Der Staat stellt sicher, daß ausreichende Geldmittel und andere Hilfsmittel für Rechtshilfe zugunsten bedürftiger und, soweit erforderlich, anderer benachteiligter Personen bereitstehen. Die Berufsverbände der Rechtsanwälte wirken bei der Organisation und Bereitstellung von Dienstleistungen, Hilfsmitteln und anderen Leistungen mit.

Grundprinzipien betreffend Rechtsanwälte Seite 3 4. Der Staat und die Berufsverbände der Rechtsanwälte fördern Programme zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten und über die wichtige Rolle der Rechtsanwälte beim Schutz ihrer Grundfreiheiten. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Hilfe zugunsten bedürftiger und anderer benachteiligter Personen gewidmet werden, um diese in die Lage zu setzen, ihre Rechte geltend zu machen und erforderlichenfalls die Hilfe von Rechtsanwälten in Anspruch zu nehmen. Besondere Garantien in Strafsachen 5. Der Staat stellt sicher, daß alle Personen von der zuständigen Behörde bei der Festnahme oder Inhaftnahme oder im Zeitpunkt der Beschuldigung wegen einer Straftat sofort über ihr Recht auf Beistand durch einen Rechtsanwalt ihrer Wahl unterrichtet werden. 6. Jeder dieser Personen, die keinen Rechtsanwalt hat, steht in allen Fällen, in denen die Interessen der Justiz es verlangen, ein Anspruch auf Bestellung eines Rechtsanwalts zu, dessen Erfahrung und Sachverstand der Art der erhobenen Beschuldigung gerecht werden, damit sie einen wirksamen rechtlichen Beistand erfährt, und zwar kostenlos, falls sie nicht über ausreichende Mittel verfügt, um diese Dienstleistungen zu entgelten. 7. Der Staat stellt ferner sicher, daß alle mit oder ohne strafrechtliche Beschuldigung festgenommenen oder in Haft gehaltenen Personen unverzüglich Zugang zu einem Rechtsanwalt erhalten, in keinem Fall später als 48 Stunden nach der Festnahme oder Inhaftnahme. 8. Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten, damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt besucht werden, mit ihm Kontakt unterhalten und sich mit ihm beraten können. Solche Beratungen dürfen von Vollzugsbeamten beobachtet, aber nicht abgehört werden. Befähigung und Ausbildung 9. Der Staat, die Berufsverbände der Rechtsanwälte und die Ausbildungseinrichtungen stellen sicher, daß die Rechtsanwälte eine angemessene Erziehung und Ausbildung besitzen und mit den Idealen und Ehrenpflichten des Rechtsanwalts sowie mit den durch staatliches Recht und Völkerrecht anerkannten Menschenrechten und Grundfreiheiten vertraut gemacht werden. 10. Der Staat, die Berufsverbände der Rechtsanwälte und die Ausbildungseinrichtungen stellen sicher, daß im Hinblick auf den Eintritt in den Anwaltsberuf oder die Tätigkeit in diesem Beruf niemand aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des wirtschaftlichen oder sonstigen Standes eine Diskriminierung erleidet. Das Erfordernis, daß ein Rechtsanwalt Staatsangehöriger des betreffenden Landes sein muß, wird nicht als diskriminierend betrachtet. 11. In Ländern mit Gruppen, Gemeinschaften oder Gegenden, deren Bedarf an rechtlichen Dienstleistungen nicht gedeckt ist, insbesondere wo solche Gruppen unterschiedliche Kulturen,

Grundprinzipien betreffend Rechtsanwälte Seite 4 Traditionen oder Sprachen haben oder in der Vergangenheit Opfer von Diskriminierung gewesen sind, sollten der Staat, die Berufsverbände der Rechtsanwälte und die Ausbildungseinrichtungen besondere Maßnahmen ergreifen, um Bewerbern aus diesen Gruppen die Möglichkeit des Eintritts in den Anwaltsberuf zu geben, und sollten sicherstellen, daß sie eine den Bedürfnissen ihrer Gruppen entsprechende Ausbildung erhalten. Pflichten und Verantwortlichkeiten 12. Als wesentliches Organ der Rechtspflege hat der Rechtsanwalt jederzeit die Ehre und Würde seines Berufs zu wahren. 13. Es gehört zu den Pflichten des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten: a) den Mandanten über seine Rechte und Pflichten sowie über die Funktionsweise des Rechtssystems insoweit aufzuklären, als dies für die Rechte und Pflichten des Mandanten erheblich ist; b) dem Mandanten in jeder angemessenen Weise Beistand zu leisten und rechtliche Schritte zu unternehmen, um seine Interessen zu schützen; c) dem Mandanten vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Bedarf Beistand zu leisten. 14. Beim Schutz der Rechte seines Mandanten und beim Eintreten für die Sache der Gerechtigkeit muß der Rechtsanwalt bestrebt sein, die im staatlichen Recht und im Völkerrecht anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu wahren und jederzeit unabhängig und sorgfältig im Einklang mit dem Recht und den anerkannten Verhaltensregeln und Ehrenpflichten des Anwaltsstandes handeln. 15. Der Rechtsanwalt hat stets loyal die Interessen seines Mandanten zu achten. Garantien für die Tätigkeit des Rechtsanwalts 16. Der Staat stellt sicher, daß der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist, zu reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird. 17. Wo die Sicherheit eines Rechtsanwalts infolge der Wahrnehmung seiner Aufgaben bedroht ist, haben die Behörden ihn angemessen zu schützen. 18. Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden.

Grundprinzipien betreffend Rechtsanwälte Seite 5 19. Ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde, vor denen das Recht auf anwaltliche Vertretung anerkannt ist, darf sich nicht weigern, das Recht eines Rechtsanwalts auf Auftreten zugunsten seines Mandanten anzuerkennen, es sei denn, dem Rechtsanwalt sei im Einklang mit dem Recht und der Praxis des betreffenden Staates und in Übereinstimmung mit den vorliegenden Prinzipien ein Berufsverbot erteilt worden. 20. Der Rechtsanwalt genießt zivilrechtliche und strafrechtliche Immunität für sacherhebliche Äußerungen, die er bona fide in schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen oder bei persönlichem Erscheinen vor einem Gericht oder einer anderen Rechts- oder Verwaltungsinstanz getan hat. 21. Es ist die Pflicht der zuständigen Behörden, den Rechtsanwälten Zugang zu angemessener Information, zu Akten und Urkunden in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle so rechtzeitig zu gewähren, daß der Rechtsanwalt seinem Mandanten wirksamen rechtlichen Beistand leisten kann. Der Zugang sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt gewährt werden. 22. Der Staat anerkennt und beachtet, daß jede Kontaktnahme und Beratung zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten innerhalb der beruflichen Beziehung vertraulich ist. Meinungsäußerungs- und Vereinigungsfreiheit 23. Der Rechtsanwalt hat wie andere Bürger einen Anspruch auf Meinungsäußerungs-, Glaubens-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Insbesondere hat er das Recht, sich an öffentlichen Erörterungen über Angelegenheiten des Rechts, der Rechtspflege und der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte zu beteiligen und sich örtlichen, nationalen oder internationalen Organisationen anzuschließen oder solche zu gründen und ihre Veranstaltungen zu besuchen, ohne wegen dieses rechtmäßigen Handelns oder seiner Mitgliedschaft in einer rechtmäßigen Organisation berufliche Beschränkungen zu erleiden. Bei der Ausübung dieser Rechte hat sich der Rechtsanwalt stets im Einklang mit dem Recht und den anerkannten Verhaltensregeln und Ehrenpflichten des Anwaltsstandes zu verhalten. Berufsverbände der Rechtsanwälte 24. Die Rechtsanwälte haben das Recht, berufliche Selbstverwaltungsverbände zu gründen und sich solchen anzuschließen, um ihre Interessen zu vertreten, ihre Fort- und Weiterbildung zu fördern und ihre berufliche Integrität zu schützen. Der Vorstand eines Berufsverbandes ist von dessen Mitgliedern zu wählen und hat seine Aufgaben ohne äußere Einflußnahme wahrzunehmen. 25. Die Berufsverbände der Rechtsanwälte arbeiten mit den Regierungen zusammen, um sicherzustellen, daß jeder effektiven und gleichen Zugang zu anwaltlichen Dienstleistungen erhält und daß Rechtsanwälte in der Lage sind, ohne unstatthafte Einflußnahme ihre Mandanten im Einklang mit dem Recht und den anerkannten Verhaltensregeln und Ehrenpflichten zu beraten und ihnen Beistand zu leisten.

Grundprinzipien betreffend Rechtsanwälte Seite 6 Disziplinarverfahren 26. Berufliche Verhaltensregeln für Rechtsanwälte sind vom Anwaltsstand durch seine zuständigen Organe oder im Wege der Gesetzgebung nach Maßgabe des nationalen Rechts, nationaler Gebräuche und anerkannter internationaler Standards und Normen aufzustellen. 27. Vorwürfe oder Beschwerden, die gegen einen Rechtsanwalt in seiner beruflichen Eigenschaft erhoben werden, sind in einem angemessenen Verfahren zügig und in billiger Weise zu behandeln. Der Rechtsanwalt hat das Recht auf ein billiges Verfahren, einschließlich des Rechts, von einem Rechtsanwalt seiner Wahl Beistand zu erhalten. 28. Disziplinarverfahren gegen einen Rechtsanwalt müssen vor einem von der Anwaltschaft geschaffenen unparteiischen Disziplinarausschuß, vor einer unabhängigen, durch Gesetz geschaffenen Instanz oder vor einem Gericht stattfinden und unterliegen einer unabhängigen gerichtlichen Überprüfung. 29. Über alle Disziplinarverfahren ist im Einklang mit den beruflichen Verhaltensregeln und anderen anerkannten Verhaltensregeln und Ehrenpflichten der Anwaltschaft und im Lichte der vorliegenden Prinzipien zu entscheiden. * *** *