Republik Österreich Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Bundesanstalt für Verkehr Unfalluntersuchung Fachbereich Schiene Untersuchungsbericht Geschäftszahl: BMVIT-795.053-II/BAV/UUB/SCH/2007 Vorfall: Verschubkollision Ort des Vorfalles: Österreichische Bundesbahnen, Strecke 20601, Bahnhof Gmunden Datum des Vorfalles: 7. März 2007 Die Untersuchung erfolgt in Übereinstimmung mit dem mit 01.01.2006 in Kraft getretenen Bundesgesetz, mit dem die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes errichtet wird (Unfalluntersuchungsgesetz) und das Luftfahrtgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Schifffahrtsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden sowie auf Grundlage der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 29.April 2004. Zweck der Untersuchung ist ausschließlich die Feststellung der Ursache des Vorfalles zur Verhütung künftiger Vorfälle. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens oder der Haftung. Bundesanstalt für Verkehr Unfalluntersuchung Fachbereich Schiene Lohnergasse 9, A-1210 Wien Tel.. +43(0)1-27760-7500, Fax: +43(0)1-27760-9298, email: uus-schiene@bmvit.gv.at Seite 1 von 13
Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abkürzungen 2 Zusammenfassung 3 1. Ort 3 2. Zeitpunkt 4 3. Witterung, Sichtverhältnisse 4 4. Zusammensetzung der beteiligten Fahrt 4 5. Besondere örtliche Verhältnisse 4 6. Beschreibung des Vorfalls 5 7. Verletzte 5 8. Sachschaden 5 9. Betriebsbehinderungen 7 10. Beteiligte Bedienstete und Auftragnehmer sowie sonstige Beteiligte und Zeugen 7 11. Beweismittel / Auswertungsergebnisse 8 12. Mängel und Versäumnisse, die während der Untersuchung ermittelt wurden, für die 10 Ursachenbestimmung jedoch nicht von Belang sind 13. Ursache 10 14. Sicherheitsempfehlungen 11 Bilddokumentation 12 Stellungnahmen 13 Verzeichnis der Abkürzungen AS Bf DV Fdl IM km ÖBB RCA AG RU Stww Tfz Tfzf UUS-Schiene VL VzG Wg Z Ausfahrsignal Bahnhof Dienstvorschrift Fahrdienstleiter Infrastructure Manager (Infrastrukturbetreiber) Kilometer Österreichische Bundesbahnen Rail Cargo Austria AG Railway Undertaker (Eisenbahnverkehrsunternehmen) Stellwerkswärter Triebfahrzeug Triebfahrzeugführer Unfalluntersuchung Fachbereich Schiene Verschubleiter Verzeichnis örtlich zulässiger Geschwindigkeiten Wagen Zug Seite 2 von 13
Vorfall Verschubkollision im Bf Gmunden Zusammenfassung Am 7. März 2007 um 12:15 Uhr, kollidierte auf der ÖBB Strecke 20601, im Bahnhof Gmunden, im Stellbereich des Stellwerkes 2, auf Gleis 5, im km 95,454, ein geschobener Verschubteil, bestehend aus 13 Güterwagen und dem Verschub-Tfz 1163.001 mit einer abgestellten Wagengruppe, bestehend aus 8 beladenen Kesselwagen (Ladegut UN:1202 Dieselkraftstoff). Bei der Kollision wurde der erste Kesselwagen (3381 7848 231-5) so stark deformiert, dass die Tankhülle platzte und dadurch ca. 62.000 Liter Dieselkraftstoff austrat und das umliegende Erdreich kontaminierte. Weiters wurden der abgestellte Wagen 3381 7848 246-3 und der auffahrende Wagen 3181 6650 512-9 erheblich beschädigt. Ein Verschubmitarbeiter erlitt aufgrund der Kollision leichte Verletzungen. Seitens der Bezirkshauptmannschaft Gmunden wurde Umweltalarm ausgelöst. Das kontaminierte Erdreich musste über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Gmunden abgetragen und einer entsprechenden Entsorgung zugeführt werden. 1. Ort IM - ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG Strecke 20601, Stainach-Irdning nach Attnang-Puchheim Bf Gmunden Gleis 5 km 95,454 Seite 3 von 13
2. Zeitpunkt Mittwoch, 7. März 2007, 12:15 Uhr 3. Witterung, Sichtverhältnisse + 15 C, leicht bedeckt, es lagen keine witterungsbedingten Einschränkungen der Sichtverhältnisse vor 4. Zusammensetzung der beteiligten Fahrt Verschubteil (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) Zusammensetzung: - 811 t Gesamtgewicht - 215 m Gesamtlänge - 13 Wagen (8 beladen) - Verschub-Tfz 1163.001 - durchgehend druckluftgebremst 5. Besondere örtliche Verhältnisse Die Ereignisstelle liegt im Bf Gmunden auf Gleis 5 im km 95,454 der eingleisigen elektrifizierten ÖBB-Strecke 20601, Stainach-Irdning nach Attnang-Puchheim. Das Bahnhofgleis 5 ist ein Hauptgleis, welches zum Zeitpunkt des Vorfalls für die Hinterstellung von Wagen benutzt wurde. Die Innenbogenweiche 1H ermöglicht Fahrten in das Gleis 5 sowie in die Anschlußbahn der Fa. Hatschek. Anschlußbahn Fa. Hatschek Weiche 1H Gleis 5 Die Betriebsabwicklung wird mit voller Signalisierung gemäß den Bestimmungen der ÖBB DV V 2 ( Signalvorschrift ) und der ÖBB DV V 3 ( Betriebsvorschrift ) sowie den Bestimmungen der ZSB ( Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift ) durchgeführt. Der Bf Gmunden ist sicherungstechnisch mit einem mechanischen Stellwerk der Bauart 5007 ausgerüstet. Seite 4 von 13
Im Vorfallbereich sind nachstehende Geschwindigkeiten maßgebend: gemäß ÖBB DV V3 10 Pkt. 4 OHNE Verschubwegfreimeldung: V/max 25 km/h MIT Verschubwegfreimeldung: V/max 40 km/h 6. Beschreibung des Vorfalles Eine Wagengruppe bestehend aus 13 Güterwagen sollte vom Fahrverschub Ebensee von Gleis 3 über Gleis 1 (Ausziehen der Wagen Richtung Attnang-Puchheim) in die Anschlußbahn der Fa. Hatschek überstellt werden. Der VL vereinbarte vor der Fahrt mit dem Stww 2 die Verschubfahrt von Gleis 3 in die Anschlußbahn der Fa. Hatschek. Nach Vorhandensein der Voraussetzungen wurde vom Stww 2 das Verschubverbot aus Gleis 3 aufgehoben. Daraufhin setzte sich der Verschubteil in Bewegung und zog Richtung Attnang-Puchheim bis zur Weiche 56 vor. Anschließend wurden durch den Stww 2 die Weichen für die Verschubfahrt in die Anschlußbahn der Fa. Hatschek gestellt und das Verschubverbot aufgehoben, wobei jedoch die Weiche 1H irrtümlich in Richtung Gleis 5 gestellt wurde. Aufgrund der Aufhebung des Verschubverbotes wurde der Verschubteil mit einer Geschwindigkeit von 24 km/h Richtung Anschlußbahn der Fa. Hatschek geschoben. Bei erkennen der falschen Stellung der Weiche 1H (Richtung Gleis 5) wurden gleichzeitig vom VL und vom Stww 2 über Verschubfunk mehrere Haltaufträge abgegeben. Trotz Einleitung einer sofortigen Schnellbremsung konnte eine Kollision mit den auf Gleis 5 abgestellten Kesselwagen (Ladegut UN:1202 Dieselkraftstoff) nicht verhindert werden. Bei der Kollision wurde der erste Kesselwagen (3381 7848 231-5) so stark deformiert, dass die Tankhülle platzte und dadurch ca. 62.000 Liter Dieselkraftstoff austrat und das umliegende Erdreich kontaminierte. Weiters wurde ein Verschubmitarbeiter leicht verletzt. Das kontaminierte Erdreich (1.750 m³) musste abgetragen und einer entsprechenden Entsorgung zugeführt werden. 7. Verletzte Ein Verschubmitarbeiter wurde leicht verletzt. 8. Sachschaden Fahrzeuge: Wg 3181 6650 512-9, Gattung Fals-z, beschädigt Seite 5 von 13
Wg 3381 7848 231-5, Gattung Kesselwagen, entgleist und beschädigt Wg 3381 7848 246-3, Gattung Kesselwagen, entgleist und beschädigt Fahrweg: Das Erdreich (1.750 m³) wurde durch den auslaufenden Dieselkraftstoff kontaminiert. Seite 6 von 13
Das kontaminierte Erdreich (1.750 m³) musste abgetragen werden. 9. Betriebsbehinderungen Sperre des Bahnhofgleises 1 Sperre des Bahnhofgleises 3 Sperre des Bahnhofgleises 5 Sperre des Anschlußgleises des Fa. Hatschek 10. Beteiligte Bedienstete und Auftragnehmer sowie sonstige Beteiligte und Zeugen Verschub-Tfzf (ÖBB-Traktion GmbH) ÖBB-Traktion GmbH (Traktionsleister) IM ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG Fahrdienstleiter (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) Verschubleiter (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) Verschieber (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) Stellwerkswärter (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) RU ÖBB-RCA AG Seite 7 von 13
11. Beweismittel / Auswertungsergebnisse Durch die UUS-Schiene wurde vor Ort eine Sachverhaltsaufnahme durchgeführt. Registriereinrichtung des Tfz 1163.001 Die Registriereinrichtung wurde unmittelbar nach dem Ereignis von einem Mitarbeiter der ÖBB-Traktion GmbH sichergestellt und ausgewertet. Ergebnis der Auswertung Bei der geschobenen Verschubfahrt in Richtung der Anschlußbahn der Fa. Hatschek wurde bei einer Geschwindigkeit von ca. 24 km/h die Schnellbremsung eingeleitet. Seite 8 von 13
Sicherungsanlage Die Funktion der Sicherungsanlage wurde überprüft. Ergebnis: Es konnte keine Störung der Anlage festgestellt werden. Aussage des Verschub-Tfzf Auftragsgemäß wurden im Bf Gmunden Verschubarbeiten durchgeführt, dabei wurde mit dem Verschubteil, bestehend aus 5 Wg und dem Verschub-Tfz 1163.001, von Gleis 3, 8 Wagen abgeholt und Richtung Attnang-Puchheim gezogen. Der Verschubteil wurde ca. 50 m vor der Verschubhalttafel angehalten. Anschließend wurde über Verschubfunk vom VL der Auftrag Schieben 200 m auf Gleis H3, Gleis frei gegeben, welcher wiederholt wurde. Die geschobene Verschubfahrt wurde eingeleitet und in weiterer Folge auf die Aufträge Schieben geachtet. Nach ca. 70-100 m wurden über Verschubfunk mehrere Haltaufträge gegeben, worauf sofort eine Schnellbremsung eingeleitet wurde. Die Kollision mit den auf Gleis 5 abgestellten Wg konnte jedoch nicht verhindert werden. Aussage des Verschubleiters Im Bf Gmunden wurden Verschubarbeiten durchgeführt, wobei von Gleis 3 mit dem Verschubteil, bestehend aus 5 Wg und dem Verschub-Tfz 1163.001, 8 Wg abgeholt wurden, um anschließend diese Wg auf dem Anschlußgleis H3 der Fa. Hatschek zu hinterstellen. Beim Stww 2 wurde die Verschubfahrt von Gleis 3 in das Anschlußgleis H3 mit der Zustimmung zum Verschub über die Verschubhalttafel vereinbart. Der Stww 2 erteilte anschließend mit den Worten Verschubverbot Gleis 3 aufgehoben, Verschub über Verschubhalttafel erlaubt die Zustimmung. Daraufhin wurde dem Tfzf der Verschubauftrag zur Verschubfahrt Richtung Attnang-Puchheim erteilt. Nach Überfahren der Weiche 52 wurde dem Tfzf der Haltauftrag erteilt und auf die Zustimmung vom Stww 2, dass der Verschubweg Richtung Anschlußgleis H3 steht gewartet. Die Zustimmung wurde anschließend vom Stww 2 mit den Worten Weichen Richtung Hatschek stehen erteilt. Daraufhin wurde dem Tfzf der Auftrag zum Schieben Richtung Anschlußgleis H3 erteilt. Als die falsche Stellung der Weiche bemerkt wurde, wurden über Verschubfunk mehrere Haltaufträge gegeben. Der Freiraum zwischen Verschubteil und den abgestellten Wg betrug bei Erkennen der falschen Stellung der Weiche 1H ca. 30 m. Aussage des Verschiebers Der VL beantragte beim Stww 2 eine Verschubfahrt von Gleis 3 in das Anschlußgleis H3 sowie die Erlaubnis zur Fahrt über die Verschubhalttafel, welches vom Stww 2 wiederholt wurde. Nach der Meldung des Stww 2 Verschubverbot Gleis 3 aufgehoben und der Meldung des Fdl Verschub über Verschubhalttafel erlaubt, wurde die Verschubfahrt Richtung Attnang- Puchheim eingeleitet. Der Verschubteil wurde nach Freifahren der Weiche 52 angehalten. Die Zustimmung zur Verschubfahrt Richtung Anschlußgleis H3 wurde anschließend durch den Stww 2 an den VL erteilt. Der VL erteilte dem Tfzf den Auftrag zum Schieben Richtung Anschlußgleis H3. Bei Erkennen der falschen Stellung der Weiche 1H wurden vom VL mehrere Haltaufträge abgegeben. Seite 9 von 13
Aussage des Stellwerkswerters 2 Der VL beantragte eine Verschubfahrt von Gleis 3 in das Anschlußgleis H3 der Fa. Hatschek. Dieses wurde bestätigt und anschließend der Fahrt aus Gleis 3 zugestimmt. Der Verschubteil zog Richtung Attnang-Puchheim vor und hielt in Höhe der EK-Anlage an. Nach Stillstand des Verschubteils wurden die Weichen 1H und 52 umgestellt und anschließend dem Verschub mit den Worten Hatschek steht die Zustimmung zur Fahrt erteilt. Daraufhin setzte sich der Verschubteil in Bewegung. Als die falsche Stellung der Weiche bemerkt wurde, wurden mehrere Haltaufträge gegeben. Die Kollision konnte jedoch nicht verhindert werden. Aussage des Fahrdienstleiters Im Bereich des Stellwerkes 2 wurden Verschubarbeiten durchgeführt, welchen aufgrund anderer Tätigkeiten nur wenig Aufmerksamkeit beigemessen wurde. Über Verschubfunk wurde vom VL beim Stww 2 der Verschub über Verschubhalttafel beantragt. Aufgrund Mithören am Verschubfunk wurde die Erlaubnis erteilt, jedoch ohne Vereinbarung mit dem zuständigen Nachbar Fdl. 12. Mängel und Versäumnisse, die während der Untersuchung ermittelt wurden, für die Ursachenbestimmung jedoch nicht von Belang sind. Zustimmung zur Verschubfahrt über die Verschubhalttafel entgegen der Bestimmungen der ÖBB DV V3 15 Pkt. 3 Unterlassene Verständigung sowie Vereinbarung des Verschub über Verschubhalttafel mit der benachbarten Zugfolgestelle. Dienstübergabe 13. Ursache Bei der Stellung der Verschubstraße wurde irrtümlich die Weiche 1H in Richtung Gleis 5 gestellt. Seite 10 von 13
14. Sicherheitsempfehlung 1) Unterweisung der Mitarbeiter hinsichtlich der Bestimmungen der ÖBB DV V3 Abschnitt II 2) Stichprobenartige Überprüfungen der betrieblichen Tätigkeiten sind durch das Eisenbahnunternehmen bzw. durch die zuständige Eisenbahnaufsichtsbehörde durchzuführen. Unregelmäßigkeiten sind zu erfassen und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Beilage Bilddokumentation Stellungnahmen Wien, am 2. Oktober 2007 Der Untersuchungsleiter: Sigfried Kranzl e.h. Seite 11 von 13
Bilddokumentation Seite 12 von 13
Stellungnahmen Stelle /Person Fremdzahl Datum - Eingang Berücksichtigte Punkt(e) ÖBB-Rail Cargo Austria 19.07.2007 BMVIT Abt. IV/ Sch2 u. Sch4 BMVIT Abt. IV/V1 ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG BMVIT-224.030/0003- IV/SCH2/2007 05.09.2007 Formulierung BMVIT-450.099/0091- IV/V1/2007 22.08.2007 NB 2 02-01-1.003.g- 2007 20.08.2007 Berücksichtigte Auszüge aus den Stellungnahmen: BMVIT Abt. IV/ Sch2 Formulierung Die Formulierung im letzten Absatz des Punktes 11 könnte so missverstanden werden, dass der Fahrdienstleiter den Verschub über Verschubhalttafel beantragt hätte. Es wird folgende Textänderung vorgeschlagen: Über Verschubfunk wurde bei dem von der Verschubreserve beim Stww 2 der Verschub über Verschubhalttafel beantragt. Aufgrund Mithören am Verschubfunk wurde die Erlaubnis erteilt, jedoch ohne Vereinbarung mit dem zuständigen Nachbar Fdl., oder: Am Verschubfunk wurde bei dem der beim Stww 2 der beantragte Verschub über Verschubhalttafel beantragt. Aufgrund Mithören am Verschubfunk wurde mitgehört und daraufhin die Erlaubnis erteilt, jedoch ohne Vereinbarung mit dem zuständigen Nachbar Fdl. Seite 13 von 13