Fachgespräch»Kapazitätsmarkt«Berlin,

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Transkript:

Fachgespräch»Kapazitätsmarkt«Berlin, 24.08.2012 24.08.2012 1 I 13

Gliederung 1. Brauchen wir einen Kapazitätsmarkt? 2. Wenn die Politik sich für einen Kapazitätsmarkt entscheidet: Wie sollte dieser ausgestaltet werden? 24.08.2012 2 I 13

01 Brauchen wir einen Kapazitätsmarkt? 24.08.2012 3 I 13

Zunehmende Wettbewerbsintensität am Strommarkt Die hohe Wettbewerbsintensität ist ein Ergebnis der Liberalisierung der Energiemärkte und ist politisch gewollt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien intensiviert diesen Wettbewerb zusätzlich und erhöht den wirtschaftlichen Druck auf Bestandskraftwerke. Ursache für den Margenverfall ist die Steigerung der Wettbewerbsintensität unter den Kraftwerksbetreibern am Großhandelsmarkt, hin zu einem grenzkostenorientierten Verdrängungswettbewerb. Zudem ist innerhalb des deutschen und europäischen Kraftwerksparks der Kernbereich der Merit-order extrem flach, damit das Margenpotenzial gering. Die Steigerung der Wettbewerbsintensität ist eine Folge von wettbewerbspolitischen und wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene. Maßnahmen zum Abbau der Marktmacht der großen europäischen Erzeuger 160,00 140,00 120,00 100,00 80,00 Spotpreise EEX in Euro / MWh ca. -45% 2007 2008 2009 Maßnahmen gegen Marktpreismanipulation mit der Folge verbesserter Compliance in den Unternehmen Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht ursächlich für die Intensivierung des Wettbewerbs, sondern wirkt beschleunigend und verstärkend: Direktvermarktung EEG-Stromaufkommen Wachsendes EEG-Stromaufkommen Reduzierung des Leistungsbedarfs durch hohe EEG-Stromerzeugung in den Tagesstunden (Solar, Wind) Diese Verdrängung verschlechtert die Situation konventioneller Kraftwerke, aufgrund rückläufiger Spitzenlasten und geringer Nutzungsstunden. Häufigkeiten der GW-Lastscheiben in Stunden 500 450 400 350 300 250 Rückläufige Leistung Sinkende Häufigkeit 2007 2008 2009 60,00 40,00 20,00 2010 2011 200 150 100 50 2010 2011 0 0 10,00 20,00 30,00 40,00 50,00 60,00 0 0 10 20 30 40 50 60 70 vertikale Netzlast in GW vertikale Netzlast in GW Quelle: Amprion, 50Hertz, Tennet, TransnetBW; Stand: 17.08.2012 24.08.2012 4 I 13

Entwicklung der Nachfrage und Stilllegungsdruck auf konventionelle Kraftwerke Ohne finanzielle Anreize zum Erhalt und Neubau von Kapazitäten wird die Kapazitätsausstattung in Deutschland erheblich zurückgehen. Ältere Bestandssteinkohlekraftwerke werden ein Einsatzpotenzial von weniger als 1.500 Stunden/a haben. Diese Kraftwerke sind zu solchen Fahrweisen technisch nicht in der Lage. Diese Anlagen werden mittelfristig aus dem Markt ausscheiden. Auf konventionelle Kraftwerke besteht heute bereits ein hoher Stilllegungsdruck. Aufgrund der schlechten Margensituation stehen bereits jetzt rund 13 GW unter erheblichem wirtschaftlichen Druck. Die Fertigstellung der in Bau befindlichen Steinkohlekraftwerke wird zusätzlichen Druck auf die Bestandskraftwerke ausüben. Dieser Druck würde erst nach dem Kernenergieausstieg zurückgehen. Die während dieser Übergangszeit stillgelegten Kapazitäten werden nach dem Kernenergieausstieg eine Kapazitätslücke und Risiken für die Versorgungssicherheit hinterlassen. GW 68,4-13,3 7,9-6,7 56,3 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Bestand Stilllegungsbedrohte Kraftwerke 2012 2012 14 2013/14 2014/15 2015 Braunkohle Erdgaskraftwerke Zubau Steinkohle heute stilllegungsbedroht stilllegungsbedroht In Folge Zubau Bestand Steinkohlekraftwerke Öl-Kraftwerke Eine Besonderheit der gegenwärtigen Situation ist, dass ca. 4,5 GW moderner GuD-Kraftwerke ebenfalls unter erheblichem Druck stehen. Diese Situation kann nur durch einen Eingriff in den CO2-Handel aufgelöst werden. Neben dem kurzfristigen Druck, der aufgrund der Margensituation und des Zubaus von Steinkohlekraftwerken entsteht, wird auch der Zubau der erneuerbaren Energien den Druck auf ältere, inflexible Kraftwerke erhöhen und diese Schrittweise aus dem Markt verdrängen. MW 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 < 1500h 0 2.000 4.000 6.000 8.000 Kernenergie Steinkohle Neu Steinkohle Residuallastprognose 2022 Braunkohle moderne GuD Sonstige Spitzenlast Zuwachs EE Prognose Residuallast 2022 Jahresdauerlinie 2011/2012 Quelle: Netzentwicklungsplan 2012; 50 Hertz; Amprion; Tennet; TransnetBW; BNetzA; LBD-Berechnungen 24.08.2012 5 I 13

Preissignale im bestehenden Marktdesign Der Großhandelsmarkt gibt Preissignale für seinen liquiden Zeitraum von 2 bis 3 Jahren. Die Projektentwicklungszeit für neue Kraftwerke beträgt 4 bis 5 Jahre, die Amortisationszeit weitere 15 bis 30 Jahre. Preissignale aus dem Großhandelsmarkt eignen sich nicht als Indikator für einen Investitionsbedarf. Zeigte der Großhandelsmarkt einen Investitionsbedarf an, kann dieser innerhalb eines 2- bis 3- Jahreszeitraums nicht realisiert werden. Das bestehende Marktdesign bedeutet langfristig ein systemisches Risiko für die Versorgungssicherheit. Kraftwerksinvestoren benötigen für ihre Investitionsentscheidung eine Markteinschätzung für die Zukunft. Diese Markteinschätzung muss den gesamten Investitionszeitraum abdecken. Das bestehende Marktdesign kann dies nicht leisten. 1) Der Großhandelsmarkt ist nur für 2 bis 3 Jahre im Voraus liquide und kann keine längerfristigen Preissignale bereitstellen. 2) Die Realisierung neuer Kraftwerke benötigt eine Projektdauer von 4 bis 5 Jahren. Dem Investor steht somit kein Preissignal für die Betriebsdauer des Kraftwerks zur Verfügung. 1 2 Liquider Markt 2 3 Jahre Projektentwicklung und Bauzeit 4 5 Jahre Markt und Projektrealisation 3 Amortisationszeit 15 30 Jahre Zeitablauf 3) Für den Amortisationszeitraum der Investition stehen dem Investor lediglich Modellrechnungen zur Verfügung. Selbst wenn der Großhandelsmarkt ausreichende Knappheitspreise und somit Investitionsanreize bereitstellt, verbleibt aufgrund der langen Projektrealisierung ein Risiko für die Versorgungssicherheit. Durch den Neubau von Kraftwerken verschwinden Knappheitspreise aus dem Markt. Ein dauerhaft ausreichendes Preisniveau, um die Wirtschaftlichkeit neuer Kapazitäten zu gewährleisten, ist deshalb nicht zu erreichen. Wirkung neuer Kraftwerke auf die Merit Order Euro/MWh 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Neue Kraftwerke 0 10 20 30 40 50 60 GW Neubaukraftwerke Merit Order Merit Order mit neuen Kraftwerken 24.08.2012 6 I 13

Geschäftsmodell der Zukunft Synchronisation von Angebot und Nachfrage In Zukunft werden erneuerbare Energien zunehmend den Erzeugungssektor bestimmen. Die Energieerzeugung wird zunehmend fixkostengetrieben sein. Um den Energiebedarf der Verbraucher zuverlässig zu decken, braucht es eine Integration der Nachfrage und der dargebotsabhängigen Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Die hierfür notwendige Flexibilität von Kapazitäten wird durch einen Technologienmix aus disponiblen Erzeugern, Speichern und steuerbaren Lasten bereitgestellt. Für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Technologien gibt es heute kein verlässliches Geschäftsmodell. Eine Marktreform muss zum Ziel haben, die Synchronisation von Angebot und Nachfrage langfristig zu sichern und ein Geschäftsmodell für die benötigten flexibel einsetzbaren Kapazitätsarten bereitzustellen. Der erforderliche Technologiemix muss in einem marktbasierten Innovations- und Effizienzwettbewerb ermittelt werden. Die Herausforderung der Zukunft in einem fixkostengetriebenen Erzeugungsmarkt wird die Synchronisation von Angebot und Nachfrage sein. Erneuerbare Energien (Dargebotsabhängige Einspeisung) Übertragungs- und Verteilnetze Intelligentes Netz Nicht disponible Verbraucher Das gegenwärtige Marktdesign bietet für die erforderlichen Technologien kein verlässliches Geschäftsmodell. Disponible Erzeuger Eine Marktreform muss zum Ziel haben, ein Geschäftsmodell für flexible Kapazitätsarten zu schaffen, die für die Synchronisation von Angebot und Nachfrage benötigt werden. Angebot Synchronisation steuerbare Lasten Bedarf Speicher 24.08.2012 7 I 13

02 Ausgestaltung Kapazitätsmarkt, wenn sich die Politik dafür entscheidet 24.08.2012 8 I 13

Unser ordnungspolitisches Problem Die Liberalisierung des Strommarktes hat die Marktrollen der Erzeugung und des Netzes getrennt. Kraftwerke stehen im Wettbewerb. Ob ein Kraftwerk neu errichtet, betrieben oder stillgelegt wird, entscheidet der Betreiber nach seinem ökonomischen Ermessen. Wenn die Markpreise einen wirtschaftlichen Betrieb von Kraftwerken nicht ermöglichen, werden keine neuen Kraftwerke errichtet und unwirtschaftliche Kraftwerke stillgelegt. Der Markt ist nicht der Anwalt der Versorgungssicherheit. Systemsicherheit zu gewährleisten gehört innerhalb des nationalen Regulierungskonzepts zunächst zu den Aufgaben des Netzbetreibers. Er hat eine Netzausbauverpflichtung, er beschafft Regelenergie und er greift in Markt, Netze und Verbrauch ein, soweit die Systemsicherheit gefährdet ist. Nicht geregelt sind die Instrumente zum Erhalt der Versorgungssicherheit, wenn nicht genügend Kraftwerkskapazitäten von Investoren und Betreibern bereitgestellt werden. Der Netzbetreiber kann den Kraftwerksbetreiber nicht anweisen, ein neues Kraftwerk zu bauen oder auf die Stilllegung eines bestehenden Kraftwerks zu verzichten. Der Strommarkt ist ein künstlicher Markt. Die Marktregeln - oder neudeutsch das Marktdesign - sind von Ordnungspolitikern geschaffen. Das Marktdesign muss jetzt so ergänzt werden, dass die Kapazitäten beschafft werden, die erforderlich sind um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Deshalb muss ein Kapazitätsmechanismus als neuer Wettbewerbsmarkt geschaffen werden. Praktisch heißt dies, dass der Kapazitätsbedarf identifiziert, ggf. regionalisiert, quantifiziert und ausgeschrieben wird. Der Beschaffungsmechanismus ist so zu gestalten, dass innerhalb eines intensiven Wettbewerbs aus der Sicht des Verbrauchers der Bedarf möglichst preiswert gedeckt wird. Die Betreiber der Kapazitäten verpflichten sich, ihre Leistung am Großhandelsmarkt und Regelenergiemarkt anzubieten. Ziel dabei ist es, zusätzlich zum Erhalt der Versorgungssicherheit die Wettbewerbsintensität auf den Spot- und Regelenergiemärkten zu erhalten, die Potenziale des Innovations- und Effizienzwettbewerbs zwischen den Kapazitätsarten zu erschließen und das Erreichen der Klimaschutzziele zu sichern. 24.08.2012 9 I 13

Grundkonzept eines Kapazitätsmarktmechanismus Der finanzielle Anreiz, ein Kraftwerk zu errichten und zu betreiben soll durch die Zahlung eines Kapazitätsentgeltes in Form eines periodischen Leistungspreises erfolgen. Das Entgelt wird im Wettbewerb einer»kapazitätsauktion«, bei der das niedrigste Entgelt den Zuschlag erhält, bestimmt. In der Kapazitätsauktion wird der Kapazitätsbedarf nachgefragt, der neu errichtet werden muss, um eine erwartete Kapazitätslücke zu schließen (Kapazitätsneubaubedarf). Grundlage dafür ist die aus der Netzentwicklungsplanung der Übertragungsnetz-betreiber abgeleitete Mindestkapazitätsplanung. Der Kapazitätsmarktmechanismus muss dabei so angelegt werden, dass er sich nicht allein auf neue Kraftwerkskapazitäten oder den Erhalt bestehender Erzeugungsanlagen beschränkt, sondern auch die Einbeziehung von Kapazitäten wie Stromspeicher und Vereinbarungen über abschaltbare Lasten als Instrumente der Kapazitätsbereitstellung und des -ausgleichs ermöglicht. Der Termin-Kapazitätsmarktmechanismus ist ein Wettbewerbsmarkt. Die Entgelte werden in einer Kapazitätsauktion festgestellt. Sie schaffen die erforderlichen finanziellen Anreize, um hocheffiziente, schadstoffarme und flexible Kraftwerke zu errichten und in den Spot- und Regelenergiemarkt eintreten zu lassen. 1 2 3 4 5 Netz- Bestimmung Mindestkapazitätsplanunauktion Kapazitätsentwicklungsplanung Kapazitätsbedarf Im Rahmen der Netzentwicklungsplanung der Übertragungsnetzbetreiber wird in einem Teilplan der Mindestbedarf an Kapazitäten (Mindestkapazitätsplanung) durch die Bundesnetzagentur im Einvernehmen mit den Landesregulierungsbehörden festgelegt ( 12 a EnWG 2011 entsprechend ergänzt). Die Mindestkapazitätsplanung gliedert sich nach durch Netzengpässe abgegrenzte Übertragungsnetzzonen. Sie umfasst einen Mindestkraftwerkspark, der für den Erhalt der Versorgungssicherheit erforderlich ist. Kapazitäten sind auch Speicher und Vereinbarungen über steuerbare Lasten, die in die Mindestkapazitätsplanung einbezogen werden können. Atomkraftwerke müssen durch neue Kapazitäten bedarfsgerecht ersetzt werden. Soweit der Kraftwerkspark im Bestand nicht den Mindestkapazitätsbedarf deckt, ist die Differenz durch Kapazitäten zu decken (Neubaubedarf oder Erhalt von Bestandsanlagen mit geplanter Stilllegung). Diese Kapazitäten sind hinsichtlich der grundsätzlichen Anforderungen an: Effizienz Emissionen Flexibilität Verfügbarkeit zu qualifizieren. Neubauauktion: Investoren, die neue Kapazitäten errichten, wird ein über 15 Betriebsjahre konstantes Kapazitätsentgelt zugesagt, das im Wettbewerb (Auktion) bestimmt wird. Bestandsauktion: Für die Vermeidung von Marktaustritten ist ein kürzeres Entgelt für 2 bis 5 Jahre möglich. Die Auktion wird von der ÜNB oder einem ISO durchgeführt. Kapazitätsbereitstellung und Entgeltabrechnung Die Kapazitätsbereitstellung muss definierten Kriterien folgen. Das heißt Verhalten in den Spot- und Regelenergiemärkten, sowie Verfügbarkeiten sind definiert. Das Entgelt wird nur gezahlt, wenn diese Kriterien erfüllt sind. Bei Nichterfüllung können auch Bußgelder festgelegt werden. Die Finanzierung der Mehrkosten erfolgt durch eine zusätzliche Komponente im Netzentgelt. 24.08.2012 10 I 13

Kostenvergleich von strategischer Reserve und Energy-Only- Markt mit zielgerichtetem Kapazitätsmechanismus Investitionsanreize aus dem Energyonly-Markt setzen ein nachhaltig höheres Preis- und Margenniveau voraus. Dies kann nur durch höhere Marktmacht der Erzeuger durchgesetzt werden (Vgl. 2008). In einem Markt mit Verdrängungscharakter (Marktregime seit 2009) kann sich ein höheres Margenniveau nicht einstellen. Das höhere Preisniveau ist auch mit einer strategischen Reserve nicht nachhaltig. Investoren kannibalisieren auch hier durch ihre Investition das Knappheitssignal. Im Kostenvergleich der Mechanismen schneidet die strategische Reserve mit Berücksichtigung der Mehrkosten am Energy-only-Markt ca. 3 bis 4 mal teurer ab, als ein gezielter Kapazitätsmechanismus, der auch Bestandsanlagen berücksichtigt. Die strategische Reserve ist kein Lösungsansatz für die Zukunftsaufgaben, weil die strategische Reserve für den Verbraucher durch ihre preistreibende Wirkung am Großhandelsmarkt die denkbar teuerste Lösung ist, ohne das sie in der Lage wäre, das Missingmoney Problem zu lösen und Neubauanreize zu schaffen. weil die strategische Reserve kein Marktmodell ist, mit dessen Hilfe das Angebot erneuerbarer Energien und die Nachfrage der Menschen effizient synchronisiert werden können. Die strategische Reserve ist nicht zukunftsfähig. Entgelt Neubaukap. Benötigte Neubaukap. Entgelt Bestandsanl. Bestandskapazitäten Gesamtkosten Kapazitätsmech. Preiserhöhung Strommarkt Gesamtkosten Beispielrechnungen Energy-only- Markt 10-15 Mrd. Euro 10 15 Mrd. Euro Beispiel gezielter Mech. Beispiel Strat. Reserve 150 Euro/kW 10 GW 35 Euro/kW 35 Euro/kW 50 GW 10 GW Reserve 3,25 Mrd. Euro 0,35 Mrd. Euro 0 Euro 11,9 Mrd Euro 3,25 Mrd. Euro Die Tabelle zeigt eine Beispielrechnung, die ausreichend Margenzuwachs für Bestands- und Neubaukraftwerke enthält. Für die Berechnung der Mehrkosten der strat. Reserve wird eine Residuallast in Höhe von durchschnittlich 47.500 MW und ein Preis von 250 Euro/MWh bei Einsatz der strat. Reserve angenommen. Es wird unterstellt, dass insgesamt 60.000 MW (inkl. Reserve) zur Deckung der Residuallast benötigt werden. Kann das obere Lastsegment nicht im Markt gedeckt werden, führt dies zu extremen spekulativen Preisausschlägen. Je höher die außerhalb des Energy-only-markets vorgehaltenen Anteile der strategischen Reserve an der zu deckenden Netzlast ist, desto höher die Anzahl der Stunden mit extremen Preisausschlägen aufgrund der durch das Marktdesign geschaffen systematischen Illiquidität. Euro/MWh 300 24.08.2012 11 I 13 250 200 150 100 50 0 0 2.000 4.000 6.000 8.000 Mehrkosten 10 15 Mrd. Euro geordnete Preisreihe mit Investitionsanreizen geordnete Preisreihe 2011 Beispiel mit strategischer Reserve Quelle: EEX; LBD-Berechnungen; Stand 23.08.2012

Ansprechpartner Ben Schlemmermeier Geschäftsführer ben.schlemmermeier@lbd.de Tel.: +49(0)30 617 85 311 Mobil: +49(0)172 307 31 26 Kaufmann Seit 1989 bei der LBD Seit 1991 geschäftsführender Gesellschafter der LBD Beratungsschwerpunkte: Mergers & Acquisitions, Corporate Finance, Project Finance, Corporate Restructuring Entwicklung von Visionen, Zielen, Strategien und Positionierungen für Unternehmen Politikberatung für die öffentliche Hand, insbesondere in Bezug auf öffentliche Unternehmen Beratung zu komplexen Strukturen beim Einund Verkauf von Energien und deren Umsetzung in Verträge Weiterentwicklung des deutschen Strommarktes hin zu Kapazitätsmarktmechanismen 24.08.2012 12 I 13

Kontaktdaten LBD-Beratungsgesellschaft mbh Stralauer Platz 34 EnergieForum (D)10243 Berlin Tel.: +49(0)30.617 85 310 Fax: +49(0)30.617 85 330 info@lbd.de www.lbd.de 24.08.2012 13 I 13

24.08.2012 14 I 13