Fischarten in Fließge- Zur Verbreitung faunenfremder wässern Mittelhessens Von Ulrich Schwevers und Beate Adam Wie kaum eine andere Tiergruppe wird die heimische (autochthone) Fischfauna durch gebiets- und faunenfremde Arten verfälscht. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise stehen 42 autochthonen mindestens 16 eingebürgerte bzw. eingeschleppte Arten gegenüber (BRENNER & STEINBERG 1983). Für Hessen wurden bereits im Jahre 1899 von DOSCH fünf faunenfremde Arten genannt, nach MEINEL et al. (1987) sind seitdem mindestens 9 Arten neu hinzugekommen. Untersuchungen zur Fischfauna mittelhessischer Gewässer belegen, daß sich auch hier zahlreiche ursprünglich nicht heimische Arten nachweisen lassen (SCHWEVERS 1986, 1987, 1988, SCHWEVERS & ADAM 1989, 1990, 1990-92, SCHWEVERS et al. 1987). Bei diesen Arten handelt es sich z.t. um von Fischerei-Pächtern gezielt in Fließgewässer eingesetzte Arten. Darüberhinaus werden oftmals durch ungenügend sortiertes Besatzfisch-Material auch unbeabsichtigt faunenfremde Arten eingebracht. Ein nicht unerheblicher Eintrag von Arten in die Fließgewässer erfolgt aus zahlreichen Teichanlagen über ungesicherte Abflüsse und durch Hochwasser. Komplettiert wird das Spektrum schließlich durch ausgesetzte oder entwichene Zierfische. Hinsichtlich einer Beurteilung der Ökologischen Auswirkungen des direkten bzw. indirekten Besatzes mit allochthonen Arten ist die Frage nach der Reproduktivität in heimischen Fließgewässern von besonderem Interesse. Erfolgt aufgrund natürlicher Fortpflanzung eine Etablierung dieser Arten, so ist eine Verdrängung der einheimischen Fischfauna zu befürchten. Allerdings sind auch durch nicht fortpflanzungsfähige Arten negative Einflüsse zu erwarten, wenngleich diese Fischarten bei ausbleibendem Besatz in absehbarer Zeit wieder aus den Gewässern verschwinden. Die Beeinträchtigungen der autochthonen Fischfauna beschränken sich nicht nur auf Nahrungs- und Raumkonkurrenz zwischen den Arten (JENKINS 1969, FLICK et al. 1975, KLUPP 1981, PLEYER 1981), sondern werden zusätzlich durch den Import von Krankheitserregern (AHNE 1981) und Parasiten (HART- MANN 1987) verschärft. Desweiteren gehen evolutiv an unterschiedliche ökologische Verhältnisse angepaßte Genpotentiale durch eine selektive Fischzucht, Kreuzung verschiedener Arten und Stämme sowie im Freiland auftretende Bastardisierungen unwiederbringlich verloren. Die in mittelhessischen Fließgewässern nachgewiesenen allochthonen Fischarten lassen sich zwei Gruppen zuordnen: neben der großen Anzahl der im weitesten Sinne fischereilich genutzten Arten - wozu auch die bei der Teichwirtschaft als "Futterfische" gezüchteten Arten zu zählen sind - finden sich von Aquarianern ausgesetzte oder aus Parkteichen entwichene Zierfischarten. Einige dieser Arten, wie z.b. Maulbrütende Buntbarsche der Gattung Tilapia oder der Katzenwels (Ictalurus nebulosus), können sich im aufgewärmten Wasser der Kühlteiche von Kraftwerken sogar fortpflanzen. Auf diese Sonderfälle, wie z.b. Naturkunde und Naturschutz Mittelhessen, Bd.2, 1991 57
den Wölfersheimer See, soll jedoch nicht näher eingegangen werden. Vielmehr sollen hier die Arten vorgestellt werden, die auch in den mittelhessischen Fließgewässern zu überleben vermögen. 1. Goldfisch (Carassius auratus auratus) Schon seit dem 9. Jahrhundert wird der Goldfisch in Asien gezüchtet. Er ist eine Farbvariante des in krautigen Gewässern lebenden Giebels (Carassius auratus gibelio, s.u.). Die Einbürgerung dieses beliebten Zierfisches reicht bis in die römische Zeit zurück. Seither ist der Goldfisch durch kontinuierliche Züchtung zu einem robusten Aquarien- und Teichfisch avanciert. Er vermag zwar in Fließgewässern zu überleben, kann sich jedoch aufgrund der zu niedrigen Wassertemperaturen nicht vermehren. Nachweise des Goldfisches in Fließgewässern beschränken sich auf Einzelfunde z.b. in Wieseck, Wetter und Bracht. 2. Goldorfe (Leuciscus idus) Die Goldorfe ist eine Farbvariante des in größeren rnttteteuropälschcn Flloß wässern heimischen Alandes (Leuciscus idus). Eine besondero Boocutun erlangte die Goldorfe mit der Einführung des sog. Goldorfen-Tests LUr loxi/ltllts überwachung von Abwasser. Einzelnachweise beschränken sich nuf Wlosock und Lumda. 3. Goldplötze (Rutilus rutilus) Die in der Usa bei Friedberg nachgewiesenen Goldplötzen stellen oino rwi)vu riante der in unseren Gewässern häufigen Plötze (Rutilus rutilus) dar. Die Gruppe der fischereilich genutzten Fischarten, die in mittelhessischen rlioß gewässern anzutreffen sind, enthält neben amerikanischen und osteurop ischen Arten auch Vertreter aus dem Stromgebiet der Donau. Außerhalb ihros natürlichen Verbreitungsgebietes müssen auch diese Arten als allochthon angesehen werden; der Besatz mit z.b. Wels und Zander ist in Fließgewässern des Rheinsystems also als Faunenverfälschung zu beurteilen. 4. Wels (Silurus glanis) Dieser bis zu 2 m lange Raubfisch wird von einigen Angel-Vereinen sowohl in Seen des ehemaligen Kiesabbaus in der Lahnaue, als auch direkt in die Lahn eingebracht. Obgleich diese Kies-Seen als geschlossene Gewässer betrachtet und bewirtschaftet werden, ist in einigen Fällen eine Verbindung mit dem Hauptgewässer Lahn während der Hochwasserperioden gegeben, so daß ein ungehinderte Einwanderung des Welses in die Lahn erfolgt. Trotzdem ist dl Wiederfangquote durch die Angler äußerst gering. Der Nachweis dieser boclwl orientierten Fischart, die sich bevorzugt in tiefen Abschnitten der Lahn nulh.ll], ist auch durch Elekto-Befischung nur schwer möglich: bisher konnto fnlt dlu~,llr Methode lediglich ein einziges Exemplar (140 cm, 15,5 kg) in der I IIlmb,,1 (iflltljl gefangen werden. Ein weiteres Exemplar (70 cm, 3 kg) konnto hn btjifll11111log 1 mit dem Zugnetz oberhalb Limburg festgestellt werden. 58 N atu rku nd e und N atu rsc hu tz M 11l1l11llHH\III1, I\el,~!. 1091.. Angaben über eine Reproduktion des Welses in der Lahn können für Hessen bislang nicht als erwiesen gelten. Der Fang eines 9 cm langen Jungfisches bei Laurenburg (Rheinland-Pfalz) ist jedoch als Beleg zu werden, daß sich der Wels - zumindest in Jahren mit lang anhaltenden Schönwetterperioden und Wasser- Temperaturen deutlich über 20 C - auch in der Lahn fortpflanzt (SCHWEVERS & ADAM 1991). 5. Zander (Stizostedion lucioperca) Auch dieser äußerst beliebte Speisefisch findet seinen natürlichen Lebensraum im Gewässersystem der Donau sowie östlich der Eibe. Wie der Wels wird der Zander vielfach in stehende Gewässer, aber auch in große Fließgewässer eingesetzt. Bislang beschränken sich Zandernachweise in mittelhessischen Fließgewässern ausschließlich auf die Lahn. Außer aktivem Besatz wird der Zander bei Hochwasser regelmäßig z.b. aus den Dutenhofener Seen in die Lahn eingeschwemmt. Für den Zander liegen aus Fließgewässern Mittelhessens bislang keine bestätigten Reproduktionserfolge vor. In der Lahn treten lediglich bei Lahnstein, im unmittelbaren Mündungsbereich zum Rhein, Jungfische auf. 6. Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) Vor über 100 Jahren ist die Regenbogenforelle aus Nord-Amerika in die europäischen Fischzuchtanstalten gelangt, da der Fang heimischer Salmoniden, zu denen auch der Lachs zählt, autqrund der sich stetig verschlechternden Gewässerqualität rückläufig war. Seither ist die Regenbogenforelle einer der ökonomisch wichtigsten Fischarten in der Teichwirtschaft. Aufgrund intensiver Züchtung und Kreuzung existieren nurmehr Bastard-Stämme, die im Vergleich zu anderen Salmoniden eine größere Toleranz gegenüber Temperaturschwankungen und Abwasserbelastungen besitzen und sowohl in Teichen, als auch in Fließgewässer mit unterschiedlichster Charakteristik eingesetzt werden. Seit wenigen Jahren wird die Regenbogenforelle zu Gunsten der einheimischen Bachforelle kaum noch in Fließgewässer eingebracht. Nachgewiesene Exemplare stammen dementsprechend zumeist aus ungesicherten Teichanlagen. Mit den in jüngster Zeit im Alpenraum (GEIGER et al. 1982) sowie in der Walluf in Hessen (SCHWEVERS & ADAM 1990) nachgewiesenen reproduktiven Regenbogenforellen-Stämmen erhält die Diskussion um das Besetzen mit angeblich in unseren Gewässern fortpflanzungsunfähigen Fischarten in Bezug auf die Verdrängung der heimischen Fischfauna, insbesondere der Bachforelle, eine neue Dimension. 7. Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) Auch der farbenprächtige Bachsaibling ist in den Fließgewässern des östlichen Nordamerika heimisch. Die erste Einfuhr von Bachsaiblings-Eiern geht auf das Jahr 1884 zurück. Da der Bachsaibling im Vergleich zur Bachforelle weniger anspruchsvoll bezüglich der Qualität seines Lebensraumes ist, wurde auch er zu einem bevorzugten Objekt der Fischzüchter. In der Regel pflanzt er sich in Fließgewässern nicht fort (SCHWEVERS & ADAM 1990). Nachweise einiger weniger adulter Exemplare in Mittelhessen liegen bisher aus Lauter und Wetter Naturkunde und Naturschutz Mittelhessen, Bd.2, 1991 59
vor. Hier sind offensichtlich aus einer Teichanlage einige Tiere In diese Fließgewässer entkommen. Es ist jedoch davon auszugehen, daß auch In andere Bäche Bachsaiblinge eingesetzt werden. Kreuzungen zwischen den autochthonen Bachforellen und besetzten Bachsaiblingen sind auch im Freiland prinzipiell möglich und gefährden so die natürlichen Populationen. Die bisher einzige, in einem hessischen Fließgewässer nachgewiesene, fortpflanzungsfähige Bachsaiblings-Population befindet sich im Ulmbach, einem Zufluß der Kinzig im unteren Vogelsberg. 8. Tigerfisch (Salmo trutta f. fario x Salvelinus fontinalis) Bei den "Tigerfischen" handelt es sich um Bastarde zwischen Bachforelle und Bachsaibling (KLUPP & FÖRSTER 1987). Dabei muß für eine erfolgreiche Kreuzung beider Arten der Laich (Rogen) von der Bachforelle, das Sperma (Milch) vom Bachsaibling stammen. Diese Kreuzung wird nur in wenigen Fischzuchtbetrieben vornehmlich aufgrund der prächtigen Zeichnung und Farbgebung der Tigerfische produziert. Über die Überlebensfähigkeit der Fische in Fließgewässern ist bislang nichts bekannt, eine Reproduktivität ist bei diesen Artbastarden auszuschließen. Einzelnachweise des Tigerfisches beschränken sich in Mittelhessen auf Lauter und Wetter, da sich hier in der Ortschaft Wetterfeld eine Teichanlage mit entsprechendem Besatz befindet. Neben den Salmoniden, die bevorzugt in kühle Gewässer der Forellenregion eingebracht werden, sind verschiedene Arten von Cypriniden (Karpfenartige) fischereilich interessant. Diese Fische werden hauptsächlich in die Mündungsbereiche größerer Bäche und in Flüssen mit höheren Wassertemperaturen eingesetzt. Daneben spielt natürlich insbesondere der Besatz von Teichen mit Karpfen traditionell eine besondere Rolle. 9. Karpfen (Cyprinus carpio) Die Einbürgerung des ursprünglich in Asien beheimateten Karpfens erfolgte durch die Römer. Seither sind durch intensive Züchtung verschiedene Zuchttormen, wie Spiegel-, Zeil- und Schuppen karpfen produziert worden. Da Karpfen für eine erfolgreiche Fortpflanzung Temperaturen über 25 C benötigen, sind Populationen "echter" Wildkarpfen in Deutschland lokal auf warme Altarme von Rhein und Donau beschränkt (LELEK 1987). Bei diesen langgestreckten und vollbeschuppten Tieren handelt es sich wahrscheinlich um Nachkommen der von Römern und mittelalterlichen Mönchen in Teichanlagen gehaltenen Nutzfische, die sich an ein Leben in Fließgewässern sekundär angepaßt haben. Allerdings ist eine Kreuzung mit besetzten Zuchtkarpfen anzunehmen, so daß genetisch reine Wildkarpfen-Stämme wahrscheinlich nicht existieren. In jüngster Zeit werden neben Schuppen-, Spiegel- und Zeilkarpfen verstärkt sog. "Wildkarpfen" in Fließgewässer eingesetzt. Bei diesen insbesondere in die Lahn eingebrachten Fischen handelt es sich zumindest zum Teil um selektiv auf die oben genannten Merkmale gezüchtete Zuchtkarpfen. 10. Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) Der pflanzenfressende, in Ostasien heimische Graskarpfen wurde Anfang der 70iger Jahre vielfach zur "biologischen Entkrautung" in Stillgewässer eingesetzt und ist von dort vereinzelt in die Fließgewässer gelangt. Durch Überbesatz wurden z.t. in Naturschutzgebieten schwere Schäden an den Schilf- und Wasserpflanzenbeständen hervorgerufen. Da der Laich der Graskarpfen extrem hohe Wassertemperaturen zur Entwicklung benötigt, pflanzt sich dieser Fisch in heimischen Gewässern nicht fort. Einige kapitale Exemplare wurden im Rahmen einer Abfischung im Herbst 1989 dem NSG "Gemeindesee von Langsdorf" entnommen, wo sie von unbekannter Seite eingebracht worden waren. 11. Giebel (Carassius auratus gibelio) Dem ebenfalls dem osteuropäisch-asiatischen Raum entstammenden Giebel kommt fischereilich keine besondere Bedeutung zu. Als Stammform des Goldfisches ist er wohl eher unbeabsichtigt in unsere Gewässer gelangt. Da die Eier des Giebels sich jedoch aufgrund der Fähigkeit zur Gynogenese, d.h. ohne Befruchtung, allein durch Anwesenheit von Fremdsamen anderer Karpfenfische zu entwickeln vermögen, ist diese Art in zunehmender Ausbreitung begriffen. So finden sich Giebel regelmäßig in Einzelexemplaren in Fließgewässern Mitteihessens. Größere Bestände existieren z.b. in einigen Teichen der Horloffaue.. 12. Blauband-Bärbling (Pseudorasbora parva) Dieser bis zu 10 cm große, in Asien heimische Fisch war vor 1980 in Europa unbekannt. Für die Produktion von Raubfischen wurde der Blauband-Bärbling in Südeuropa (insbesondere in Rumänien) als Futterfisch eingeführt. Seine Verbreitung über fast ganz Europa erfolgte innerhalb weniger Jahre von dort aus mit Besatz-Material. Ein gesicherter Nachweis für die Reproduktionsfähigkeit des Blauband-Bärblings in Fließgewässern liegt bislang lediglich aus der Donau vor (ARNOLD 1985). Der erste Nachweis in Mittelhessen erfolgte 1990 in einem Gartenteich in Reiskirchen. In verschiedenen Teichanlagen ist der Blauband-Bärbling inzwischen ebenfalls vorhanden und wird als Futterfisch z.t. bewußt geduldet (z.b. am Iserbach in Braunfels und am Elbbach in Hadamar). Aus mittelhessischen Fließgewässern liegt bisher ein einziger Nachweis vor: in der Lauter unterhalb der Teichanlage bei Wetterfeld wurde 1990 ein Schwarm von ca. 20 Tieren verschiedener Altersstufen (zwischen 5 und 10 cm Länge) gefunden. 13. Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus) Der Sonnenbarsch wurde in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts (etwa zeitgleich mit Regenbogenforelle und Bachsaibling sowie anderen Barschfischen) aus Nordamerika bei uns eingeführt (BORNE-BERNEUCHEN 1892). Diese besonders farbenprächtige Art konnte sich in einigen südhessischen Gewässern etablieren. MEINEL et al. (1987) geben z.b. Fundorte in Rhein und 60 Naturkunde und Naturschutz Mittelhessen, Bd.2, 1991 Naturkunde und Naturschutz Mittelhessen, Bd.2, 1991 61
Main an. Ein jüngster Nachweis stammt aus dem "Bruchsee" in Heppenheim. In diesem zu- und abflußlosen Baggersee konnte eine reproduktive Population nachgewiesen werden. Für Mittelhessen liegen bislang keine Nachweise dieser Fischart vor. Siehe auch Farbabbildung 7., auf Seite 58 DISKUSSION Viele der allochthonen Fischarten sind, wenn sie unbeabsichtigt in Fließgewässer gelangen und sich hier nicht fortpflanzen, in Bezug auf Störungen der Ichthyozönosen von untergeordneter Bedeutung. Erfolgt kein kontinuierlicher Neubesatz dieser Arten, verschwinden z.b. Graskarpfen oderzierfische bald aus unseren Gewässern. Starker Besatz mit wirtschaftlich interessanten Arten birgt jedoch die Gefahr einer empfindlichen Störung des ökologischen Gleichgewichtes der aquatischen Biozönosen durch die Verschiebung des Räuber-Beute Gleichgewichtes sowie durch Verschärfung der interspezifischen Nahrungskonkurrenz. Im Extremfall resultiert aus einem unkontrollierten Überbesatz das völlige Erlöschen dominanzschwacher autochthoner Fischarten. So scheint auch die Ursache für die starke Dezimierung der in Hessen gefährdeten Elritze (Phoxinus phoxinus), die noch vor wenigen Jahrzehnten in großen Schwärmen die meisten Bäche und Flüsse besiedelte, u.a. im Zusammenhang mit dem starken Besatz von Regenbogenforellen und anderen Raubfischen zu stehen. Besonders problematisch wird der Besatz mit faunenfremden Fischarten, wenn sich diese Arten fortzupflanzen vermögen und sich so in den Gewässern etablieren. Im Falle der Regenbogenforelle ergaben sich jahrzehntelang keinerlei Hinweise auf eine natürliche Reproduktion dieser Bastard-Stämme. Allerdings sind nunmehr 100 Jahre nach dem Import der ersten Regenbogenforellen-Eier aus Amerika reproduktive Populationen aus dem Alpenraum zu belegen (GEI- GER et al. 1982, KINDLE 1983). Auch in hessischen Gewässern konnten erste fortpflanzungsfähige Regenbogenforellen- und Bachsaiblings-Populationen nachgewiesen werden (SCHWEVERS & ADAM 1990). Da in diesen Fließgewässern offenbar günstige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Brutaufkommen herrschen, muß mit einer starken Ausbreitung dieser Arten auf Kosten der angestammten Ichthyozönosen gerechnet werden. Über die Reproduktivität der in die Lahn eingebrachten Zander und Welse liegen aus Hessen zur Zeit noch keine gesicherten Befunde vor. Hinweise auf eine erfolgreiche Fortpflanzung beider Arten mehren sich jedoch inzwischen. Beide Arten finden ihre natürliche Verbreitung im Donaugebiet, sind in Hessen also nicht heimisch. Das Beispiel dieser beiden Arten macht deutlich, daß es in Zukunft unbedingt erforderlich ist, sehr differenziert mit dem Besatz von Fischen in Fließgewässern umzugehen und neben fremdländischen Arten auch gebietsfremde Arten nicht mehr in natürliche Gewässer einzusetzen. Vor diesem Hintergrund sind auch Wiederansiedlungsbemühungen verschollener autochthoner Wanderfische wie Meerforelle und Lachs unter Verwendung von Besatzmaterial aus anderen Ländern nur äußerst behutsam vorzunehmen, da sich die Folgen für die angestammten Populationen nur schwer abschätzen lassen. } } 1 j Darüberhinaus muß die Bewirtschaftung unserer Fließgewässer unbedingt im Einklang mit den ökologischen Gegebenheiten stehen. Nicht zuletzt das neue hessische Fischereigesetz (HMLFN 1990) schreibt verbindlich die Hege und den Erhalt der h e i m i s c h e n Fischfauna vor. In Anbetracht der vielerorts verbesserten Wasserqualität (aufgrund des verstärkten Baus von Kläranlagen) ist dem Besatz mit einheimischen Fischarten - die inzwischen in den meisten Gewässern zumindest wieder überleben können - dem Einbringen schadstofftoleranterer Substituenten unbedingt der Vorzug zu geben. Ziel des künstlichen Besatzes von Fließgewässern kann neben der Stützung stark dezimierter Populationen nur die Wiederansiedlung verschollener einheimischer Fischarten sein, nachdem eine ökologische Verbesserung der Lebensräume eingetreten ist. Somit kann gezielter Besatz mit einheimischen Fischarten durchaus eine wirkungsvolle Maßnahme zum Schutze der einheimischen Ichthyozönosen sein. Dies kann insbesondere durch gezielte Information der Fischereiberechtigten initiiert werden. Gerade an der Lahn bemühen sich einige Vereine in letzter Zeit verstärkt um die Wiederansiedlung verschollener heimischer Arten wie z.b. der Nase, während der Besatz mit Regenbogenforellen immer stärker reduziert wird. Trotz der vielschichtigen Problematik von Fischbesatz und Faunenverfälschung muß jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Hauptursachen für die Gefährdung unserer einheimischen Fischfauna nach wie vor in einer übermäßigen Gewässerverschmutzung und im naturfernen Ausbauzustand der Fließgewässer zu sehen sind. Literaltur. AHNE, W. (1981 ):Zur FragederVerschleppung von Krankheitserregern mit dem Fischbesatz. - Arbeiten dt. Fischereiverb. 34, 50-61. ARNOLD, A. (1985): Pseudorasbora parva (SCHLEGEL 1842) nun auch in der DDR! - Z. Binnenfischerei DDR 32, 182-183. BORNE-BERNEUCHEN,. M. v.d. (1892): Die amerikanischen Sonnenfische (Sunfish) in Deutschland. - Neudamm (Verlag von J. Neumann), 15 S.. BRENNER, T. & L. STEINBERG (1983): Die autochthone und allochthone Ichthyofauna von Nordrhein-Westfalen. - Fischwirt 32, 71-72. DOSCH, L. 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