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Transkript:

AKTUELL DAS INFO-SERVICE DER AK 6 11 Recht DIE SOZIALE SICHERHEIT IN DER EU Rechte bei Aufenthalt in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. wien.arbeiterkammer.at

Kurz gefasst Die Sozialversicherungssysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weichen stark voneinander ab, und die EU-Bestimmungen sehen bei aller Weiterentwicklung auch nicht vor, sie zu harmonisieren. Ihr Ziel ist es vielmehr, Personen vor dem Verlust eines Teils oder all ihrer Sozialleistungsansprüche zu schützen, wenn sie sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen begeben. Die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme zugunsten aller BürgerInnen, die grenzüberschreitend bzw. in verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigt sind, ist eine wesentliche Errungenschaft der europäischen Integration. Die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit bleiben dabei völlig unangetastet - jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst, welche Leistungen er unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe in seinem Sozialsystem gewährt. Die Rechtsakte der EU zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit stellen jedoch verbindlich sicher, dass jemand, der von seinem Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht hat, sich in keiner schlechteren Lage befinden darf als jemand, der stets in ein und demselben Mitgliedstaat gewohnt und gearbeitet hat. Die EU-Bestimmungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gelten für alle nationalen Rechtsvorschriften in folgenden Bereichen: Leistungen bei Krankheit Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft Leistungen bei Alter, Invalidität und an Hinterbliebene Leistungen bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle Sterbegeld Leistungen bei Arbeitslosigkeit Vorruhestandleistungen Familienleistungen Mit 1.5.2010 traten die Verordnung (VO) (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments (EP) und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie die VO (EG) 987/2009 des EP und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO (EG) 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Kraft. Sie ersetzen, aktualisieren und vereinfachen die VOen (EWG) 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf ArbeitnehmerInnen (AN) und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie die VO (EWG) 574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der VO (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf AN und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Im Folgenden werden die allgemeinen Grundsätze sowie die wichtigsten Neuerungen der VO 883/04 und der VO 987/09 kurz dargestellt: Ebenso wie in den alten VOen besteht der Zweck der neuen VOen darin, zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen beizutragen und den Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen die Wahrung erworbener Ansprüche und Vorteile sowie der Anwartschaften zu ermöglichen. 1. Grundsatz: Koordinierung nicht Harmonisierung Die neuen VOen ersetzen wie die Vorgängerinnen nicht die unterschiedlichen nationalen Regelungen, sondern nehmen eine Koordinierung der Sozialsysteme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten vor. Sie schaffen kein harmonisiertes europäisches Sozialrecht. Die Systeme der sozialen Sicherheit der jeweiligen Mitgliedstaaten bleiben erhalten. Das bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat nach wie vor selbst über die inhaltliche Gestaltung seines Systems der sozialen Sicherheit entscheidet. 2. Persönlicher Geltungsbereich Während sich die VO 1408/71 auf Arbeitnehmer, Selbständige und Studierende, sowie auf ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen bezog, gilt die VO 883/04 nunmehr für alle Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, Flüchtlinge oder Staatenlose mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten der EU gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Durch die Einbeziehung aller Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates wird der persönliche Geltungsbereich der neuen VOen nunmehr auch auf die nichterwerbstätigen Versicherten ausgedehnt. Durch die VO (EU) 1231/2010 (Drittstaatsverordnung) wurde ab 1.1.2011 die Anwendbarkeit der neuen VOen auch auf die Angehörigen von Drittstaaten mit rechtmäßigem Aufenthalt in einem EU- Land ausgedehnt. Dänemark und Großbritannien sind jedoch der Drittstaatenverordnung nicht beigetreten. Die VO 1408/71 wurde zwar mit Beginn der Anwendung der VO 883/04 aufgehoben, sie findet allerdings gem. 2

Art 90 Abs. 1 der VO 883/04 für Drittstaatsangehörige im Verhältnis zu Großbritannien, für die Anwendung der VO (EWG) 1661/85 im Verhältnis zu Grönland, in Bezug auf die EWR-Staaten Island, Lichtenstein und Norwegen sowie im Rahmen der Anwendung des Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz weiterhin Anwendung, und zwar solange diese VOen bzw. Abkommen nicht aufgehoben oder geändert worden sind. 3. Sachlicher Geltungsbereich Die VO 883/04 und die DVO 987/09 gelten für folgende Zweige der sozialen Sicherheit: Leistungen bei Krankheit Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft Leistungen bei Alter, Invalidität und an Hinterbliebene Leistungen bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle Sterbegeld Leistungen bei Arbeitslosigkeit Vorruhestandleistungen Familienleistungen Neu aufgenommen in den sachlichen Geltungsbereich der VO 883/04 wurden die der Mutterschaft gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft sowie die Vorruhestandsleistungen. Ausdrücklich ausgenommen vom sachlichen Geltungsbereich sind für Österreich die Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UnterhaltsvorschussG 1985 (UVG). Weiterhin vom sachlichen Geltungsbereich ausgenommen sind Leistungen der sozialen und medizinischen Fürsorge. Während nach der VO 1408/71 noch die Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen aus dem Anwendungsbereich der VO ausdrücklich ausgeschlossen waren, erfuhr dieser Ausschlusstatbestand nunmehr eine erhebliche Erweiterung. Nach Art 3 Abs. 5 lit b der VO 883/04 sind nunmehr alle Leistungen, bei denen ein Mitgliedstaat die Haftung für Personenschäden übernimmt und Entschädigung leistet, ausgenommen. 4. Grundprinzipien des Koordinierungsrechts Die neuen Verordnungen behalten die grundlegenden Prinzipien des Koordinierungsrechts bei. Ihre Grundsätze werden im Folgenden kurz dargestellt: 4.1. Prinzip der Gleichbehandlung aller Staatsangehörigen Art 4 VO 883/04 Personen, für die die neuen VOen gelten, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. 4.2. Prinzip der Tatbestandsgleichstellung (Äquivalenzprinzip) Art 5 VO 883/04 In Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wurde nun ausdrücklich das Prinzip der Tatbestandsgleichstellung in die VO aufgenommen. Es ist das wichtigste neue Grundprinzip der VO 883/04 und enthält die Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie erfolgt sind. Beispiel: Eine im EU-Ausland geleistete Schwerarbeit ist so zu behandeln, als ob die Schwerarbeit im Inland geleistet wurde. Diese Tatbestandsgleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen, die in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind, bewirkt jedoch nicht, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig wird oder dessen Rechtsvorschriften anwendbar werden. Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt wurden, sind nur durch Anwendung des Prinzips der Zusammenrechnung der Zeiten zu berücksichtigen. Die Leistungen bei Invalidität sind ausdrücklich vom Prinzip der Tatbestandsgleichstellung ausgenommen. Das heißt, es besteht keine Verpflichtung der österr. Sozialversicherungsträger, die von Trägern anderer Mitgliedstaaten getroffenen Feststellungen über den Grad der Invalidität eines Antragsstellers, anzuerkennen. 4.3. Prinzip der Zusammenrechnung der Zeiten Art 6 VO 883/04 Wenn das System eines Mitgliedstaates auf Beschäftigungszeiten, Versicherungszeiten, Wohnzeiten oder Zeiten der Selbstständigkeit abstellt, müssen diese Zeiten grundsätzlich auch berücksichtigt werden, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat erworben worden sind. Das Ziel ist die Erreichung von geschlossenen Versicherungsbiografien, insb. im Bereich der Pensionsversicherung (PV). Hinsichtlich der Alters- und Hinterbliebenenpensionen sowie der Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehen besondere Vorschriften für die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten. Beispiel: In Österreich ist für die Gewährung der Alterspension neben dem entsprechenden Alter das Vorliegen einer Wartezeit von mindestens 15 Beitragsjahren erforderlich. Hat eine Person in Österreich zehn und in einem anderen Mitgliedstaat fünf Beitragsjahre erworben, so erfüllt diese Person auf Grund der Zusammenrechnung der Versicherungszeiten die Wartezeit für einen Anspruch auf eine österr. Alterspension, obwohl ohne die VO 883/04 rein nach österreichischem Recht die Wartezeit für einen Anspruch auf eine Alterspension nicht erfüllt wäre. 4.4. Exportprinzip Aufhebung der Wohnortklauseln Art 7 VO 883/04 Geldleistungen müssen grundsätzlich unabhängig 3

davon gezahlt werden, wo der Leistungsberechtigte in den Mitgliedstaaten wohnt. Für Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit bestehen jedoch weitere Einschränkungen. Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen können durch Aufführung in den Anhang X der VO 883/04 von der Exportverpflichtung ausgenommen werden. Österreich hat die Ausgleichszulage von der Exportverpflichtung ausgenommen. 4.5. Verbot des Zusammentreffens von Leistungen Art 10 VO 883/04 Sofern nichts anderes bestimmt ist, kann aufgrund der VO 883/04 ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten werden. 4.6. Prinzip der Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates Art 11 VO 883/04 Für Personen, die der VO 883/04 unterliegen, gelten die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. 5. Bestimmung des anwendbaren Rechts Art 11ff VO 883/04 Die VO 883/04 hat die Bestimmung des anwendbaren Rechts vereinfacht. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, ist der Beschäftigungsstaat. Subsidiär wird an den Wohnsitzmitgliedstaat angeknüpft. Bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, wird nun ausdrücklich davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit weiter ausüben. Dies gilt jedoch nicht für Pensionen und für Renten aus der Unfallversicherung sowie für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken. Die in der VO 1408/71 enthaltenen Sonderbestimmungen über das fahrende und fliegende Personal wurden nicht in die VO 883/04 übernommen. Für diesen Personenkreis gelten nunmehr die allgemeinen Regelungen. Die für den Bereich der Hochseeschifffahrt geltenden Bestimmungen wurden unter Beibehaltung des Flaggenprinzips vereinfacht. Bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts gilt grundsätzlich Folgendes: a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats; b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört; c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats; d) Wehr- oder ZivildienerInnen eines Mitgliedstaats unterliegen den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats; e) jede andere Person, die nicht unter die obige Aufzählung fällt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats. 5.1. Sonderregel Entsendung Art 12 VO 883/04 Ein Arbeitnehmer (AN), der in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers (AG), der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und der von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst. Beispiel: Ein bei einem österr. AG in Österreich beschäftigter Monteur wird von diesem für zwei Jahre nach Deutschland zur Montage entsendet. Dieser AN bleibt weiterhin in Österreich sozialversichert. Ist jedoch von vorneherein beabsichtigt, dass dieser AN für eine Dauer von mehr als 24 Monate in Deutschland eingesetzt wird, so unterliegt dieser AN, sobald er die Beschäftigung in Deutschland aufnimmt, dem deutschen Sozialrecht. Während die VO 1408/71 grundsätzlich eine Entsendung für maximal zwölf Monate mit einer Verlängerungsmöglichkeit für weitere zwölf Monate vorsah, ermöglicht die VO 883/04 nunmehr generell eine Entsendung für eine Dauer von maximal 24 Monaten. 5.2. Sonderregel Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder in mehreren Mitgliedstaaten Art 13 VO 883/04 Bei AN, die für zwei oder mehrere AG in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten arbeiten, bleibt der Wohnort des AN der Anknüpfungspunkt. Bei AN, die für einen AG in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten arbeiten, ist der Wohnort des AN nach der VO 883/04 nur noch dann der Anknüpfungspunkt, wenn dort auch ein wesentlicher Teil der Tätigkeit ausgeübt wird. Ein wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat wird bei einer unselbständigen Tätigkeit dann ausgeübt, wenn mindestens 25 % der Gesamtarbeitszeit oder 25 % des Arbeitsentgelts im Wohnsitzstaat ausgeübt oder erworben werden. Ist das nicht der Fall, entscheidet der Sitz des Unternehmens. Beispiel 1: Ein in Österreich wohnhafter AN ist bei einem AG mit Sitz in Deutschland beschäftigt. Diese AN hat auch noch eine Nebenbeschäftigung in Österreich bei einem AG mit Sitz in Österreich. Aufgrund des Wohnsitzes in Österreich ist dieser AN in Österreich sozialversichert. Beispiel 2: Ein in Österreich wohnhafter AN ist bei einem AG mit Sitz in Deutschland beschäftigt. Dieser Arbeitnehmer wird regelmäßig auf Baustellen in Deutschland 4

und in Österreich eingesetzt. Wenn dieser AN einen wesentlichen Teil der Tätigkeit (mindestens 25%) auch in Österreich ausübt, ist dieser AN aufgrund des österr. Wohnsitzes in Österreich sozial versichert. Wenn dieser AN jedoch nicht einen wesentlichen Teil der Tätigkeit (weniger als 25%) in Österreich ausübt, ist dieser AN, aufgrund des Sitzes seines AG, in Deutschland sozialversichert. 5.3. Sonderregel Ausnahme von den Kollisionsregeln Art 16 VO 883/04 Weiterhin können zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Einrichtungen im gemeinsamen Einvernehmen, Ausnahmen von den Kollisionsregeln im Interesse bestimmter Personen oder Personengruppen vorsehen. 6. Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft oder Vaterschaft 6.1. Bei Wohnort in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Mitgliedstaat Art 17 und 18 VO 883/04 Versicherte oder ihre Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat (Versicherungsstaat) wohnen, haben im Wohnmitgliedstaat Anspruch auf Sachleistungen (zb Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte), die vom Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären. Weiters haben diese Personen auch während des Aufenthalts im zuständigen Mitgliedstaat (Versicherungsstaat) Anspruch auf Sachleistungen. Diese Sachleistungen werden vom zuständigen Träger für dessen Rechnung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht, als ob die betreffenden Personen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Beispiel: Die Familienangehörigen eines in Deutschland beschäftigten und versicherten AN wohnen in Österreich. Obwohl der AN und seine Familienangehörigen in Deutschland versichert sind, kann in Österreich auf Kosten der deutschen Krankenversicherung eine Krankenbehandlung in Anspruch genommen werden, so als ob diese Personen in Österreich sozial versichert wären. Das bedeutet, dass diesen Personen das Leistungsangebot der österr. Krankenversicherung zur Verfügung steht. Halten sich diese Personen in Deutschland auf, kann auch in Deutschland auf Kosten der deutschen Krankenversicherung eine Krankenbehandlung in Anspruch genommen werden. In diesem Fall besteht jedoch ausschließlich Anspruch auf den Leistungskatalog der deutschen Krankenversicherung. 6.2. Bei (vorübergehendem) Aufenthalt außerhalb des zuständigen Mitgliedstaates Art 19 VO 883/04 Versicherte und ihre Familienangehörigen, die sich vorübergehend zb während eines Urlaubsaufenthaltes in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat (Versicherungsstaat) aufhalten, haben Anspruch auf die Sachleistungen, die sich während ihres vorübergehenden Aufenthalts als medizinisch notwendig erweisen. Diese Leistungen werden vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht, als ob die betreffenden Personen nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären. 6.3. Reisen zur Inanspruchnahme von Sachleistungen Art 20 VO 883/04 Eine versicherte Person, die sich zur medizinischen Behandlung in einen anderen Mitgliedstaat begeben will, muss die Genehmigung des zuständigen Trägers einholen. Wurde diese Genehmigung erteilt, so erhält die versicherte Person die Sachleistungen vom Träger des Aufenthaltsorts. Dies nach den für den Aufenthaltsort geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers, als ob die versicherte Person nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre. Die Genehmigung ist vom zuständigen Träger zu erteilen, wenn a) die betreffende Behandlung Teil der Leistungen ist, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der betreffenden Person vorgesehen sind und b) diese Behandlung im Wohnmitgliedstaat nicht innerhalb eines - in Anbetracht ihres derzeitigen Gesundheitszustands und des voraussichtlichen Verlaufs ihrer Krankheit - medizinisch vertretbaren Zeitraums gewährt werden kann. 6.4. Gesundheitsleistungen für aktive Grenzgänger Art 18 VO 883/04 Ein Grenzgänger im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ist eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich, zurückkehrt. Wie bisher können Grenzgänger sowohl im zuständigen Staat (Versicherungsstaat) wie im Wohnstaat Sachleistungen in Anspruch nehmen. Nunmehr können auch deren Familienangehörige während eines Aufenthaltes im zuständigen Staat (Versicherungsstaat) alle Sachleistungen dort erhalten. Die Mitgliedstaaten können diesen neuen Anspruch allerdings in Anhang III beschränken. Österreich hat dies nicht getan. Beispiel: Die Familienangehörigen eines in Deutschland aktiv beschäftigen Grenzgängers können bei 5

einem Aufenthalt in Deutschland eine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. 6.5. Gesundheitsleistungen für Grenzgänger in Pension Art 28 VO 883/04 Grenzgänger in Pension können nunmehr alle im Mitgliedstaat in dem sie zuletzt eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, begonnenen Behandlungen fortsetzen lassen. Wenn ein Grenzgänger in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Pension in dem betreffenden Staat mindestens zwei Jahre gearbeitet hat, können die Mitgliedstaaten den ehemaligen Grenzgängern das Wahlrecht aufrechterhalten, sowohl im ehemaligen Beschäftigungsstaat wie auch im Wohnsitzstaat Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Hierfür ist ein Eintrag im Anhang V nötig, den Österreich vorgenommen hat. 6.6. Gesundheitsleistungen für Pensionisten und deren Familienangehörige Art 23ff VO 883/04 Wie bisher besteht in der Krankenversicherung der Pensionisten die Primärzuständigkeit des Wohnsitzstaates. Nunmehr können Pensionisten und deren Familienangehörige bei einem Aufenthalt im zuständigen Staat Sachleistungen ohne Einschränkungen in Anspruch nehmen. Der zuständige Staat muss dies allerdings in Anhang IV dokumentieren. Österreich hat dies getan. 6.7. Geldleistungen Art 21 VO 883/04 Geldleistungen werden ausschließlich vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht. Der zuständige Träger und der Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts können jedoch vereinbaren, dass diese Geldleistungen vom Träger des Wohnoder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden. 6.8. Krankenversicherungsbeiträge von Pensionen aus anderen Mitgliedstaaten Art 30 VO 883/04 Der zuständige Staat kann nunmehr ausdrücklich auch von Pensionen aus anderen Mitgliedstaaten Krankenversicherungsbeiträge einheben, wenn nach dem Recht des zuständigen Staates von inländischen Pensionen Krankenversicherungsbeiträge eingehoben werden. Beispiel: Eine in Österreich lebende Person bezieht eine Pension aus Deutschland in Höhe von 800 sowie eine österreichische Pension in Höhe von 400. Bisher konnte von dieser Person, obwohl sie insgesamt über ein Pension von 1200 verfügt, nur für die inländische Pension, ein Krankenversicherungsbeitrag eingehoben werden. Nunmehr kann von den österreichischen Sozialversicherungsträgern auch für die deutsche Pension ein Krankenversicherungsbeitrag eingehoben werden. Dadurch werden die in Österreich lebenden Bezieher von ausländischen Pensionen hinsichtlich des Krankenversicherungsbeitrages mit jenen Personen gleichgestellt die ausschließlich eine österreichische Pension beziehen. 6.9. Verbot der Kumulierung Pflegegeld und Pflegesachleistungen Art 34 VO 883/04 Die Möglichkeit der Kumulierung von Geld- und Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit wurde nunmehr eingeschränkt: Sofern diese Leistungen das gleiche Risiko abdecken, muss nunmehr der Antragsteller der Sachleistung eine Minderung der Geldleistung um den Betrag der Kosten der Sachleistungen akzeptieren. 7. Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten Art 36ff VO 883/04 Die Koordinierungsregelungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten wurden vereinfacht. In Bezug auf Sach- und Geldleistungen gelten dieselben Grundsätze wie bei den Leistungen bei Krankheit. Wurde eine Berufskrankheit auf Grund von Tätigkeiten in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten verursacht, so werden die Leistungen ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des letzten dieser Mitgliedstaaten gewährt. 8. Leistungen bei Invalidität, Alters- und Hinterbliebenenpensionen Art 44ff VO 883/04 Im Bereich des Pensionsrechts wurden keine grundlegenden Änderungen vorgenommen. Es bleibt bei der wechselseitigen Anrechnung der Versicherungszeiten auf die Wartezeiten und bei der koordinierten Pensionsberechnung nach der pro-rata-temporis -Methode. Jeder Mitgliedstaat, in dem Pensionsversicherungszeiten erworben wurden, zahlt, wenn das im jeweiligen Mitgliedstaat geltende Pensionsantrittsalter erreicht wurde, eine gesonderte Pension. War eine Person zum Beispiel in drei Mitgliedstaaten erwerbstätig, so erhält diese Person nach Erreichen des im jeweiligen Staat geltenden Pensionsantrittsalters von diesen drei Staaten eine Teilpension. Da die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten nicht harmoniert sind, bestehen in den jeweiligen Mitgliedstaaten unterschiedliche Pensionsantrittsalter. Dies kann dazu führen, dass eine Person die in zwei Mitgliedstaaten Pensionsansprüche erworben hat in einem Staat mit 60 Jahren und im anderen Staat mit 67 Jahren in Pension gehen kann. Beispiel: Ein 1951 geborener Mann hat in der österreichischen Pensionsversicherung 30 Beitragsjahre und in der deutschen Pensionsversicherung 15 Beitragsjahre erworben. Aufgrund der wechselseitigen Anrechnung der Versicherungszeiten liegen insgesamt 45 Beitragsjahre vor. Dieser Mann hat daher in Österreich ab Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf die vorzeitige Alterspension für Langzeitversicherte (Hacklerregelung). Die Höhe der jeweiligen Teilpension wird nach dem 6

Verhältnis der in den beiden Staaten erworbenen Versicherungszeiten ermittelt. Da zwei Drittel der Beitragszeiten in der österreichischen Pensionsversicherung erworben wurden, erhält diese Person eine nach österreichischen Pensionsrecht errechnete Teilpension im Ausmaß von 2/3 jener Pension die ihr gebühren würde, wenn die gesamten 45 Beitragsjahre in der österreichischen Pensionsversicherung zurückgelegt worden wären. Für das in der deutschen Pensionsversicherung erworbene Drittel der Beitragszeiten, erhält diese Person eine nach deutschem Pensionsrecht errechnete Teilpension im Ausmaß von 1/3 jener Pension, die ihr gebühren würde, wenn die gesamten 45 Beitragsjahre in der deutschen Pensionsversicherung zurückgelegt worden wären. 9. Leistungen bei Arbeitslosigkeit Art 61ff VO 883/04 Der bisherige rechtliche Rahmen bleibt grundsätzlich erhalten. Sofern dies nach dem Recht des zuständigen Staates vorgesehen ist, werden nunmehr auch die Zeiten der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit mit berücksichtigt. Der Staat der letzten Beschäftigung vor Beginn der Arbeitslosigkeit ist für die Leistungen bei Arbeitslosigkeit zuständig. Die in den Mitgliedstaaten erworbenen Erwerbs-, Beschäftigungsund Versicherungszeiten werden zusammengerechnet, sofern die betreffende Person unmittelbar zuvor Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurücklegt hat. Bei der Berechnung der Leistung wird außer bei vollarbeitslosen Grenzgängern ausschließlich die Höhe jenes Entgelts oder Erwerbseinkommens zugrunde gelegt, das die arbeitslose Person während ihrer letzten Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit im zuständigen Staat erhalten hat. Beispiel: Eine Person war vor ihrer Arbeitslosigkeit drei Monate in Österreich als Teilzeitkraft beschäftigt und erzielte ein Einkommen von monatlich 900. Unmittelbar vor ihrer Beschäftigung in Österreich war diese Person zwei Jahre in Deutschland beschäftigt und erzielte dabei ein monatliches Einkommen in Höhe von 2000. Das Arbeitslosengeld wird ausschließlich unter Heranziehung des in Österreich erzielten Einkommens berechnet. Das in Deutschland bezogene Einkommen bleibt außer Betracht. 9.1. Arbeitssuche im Ausland Art 64 VO 883/04 Im Fall einer Arbeitssuche im EU-Ausland lässt auch die VO 883/004 einen mit drei Monaten befristeten Export von Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu. Der zuständige Träger kann nunmehr die Dreimonatsfrist auf sechs Monate verlängern. Die im EU-Ausland arbeitssuchenden Personen müssen sich innerhalb von sieben Tagen bei der Arbeitsmarktverwaltung des Staates, in dem sie Arbeit suchen melden und unterliegen den dortigen Pflichten und Kontrollvorschriften. Um die Ansprüche auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu wahren, müssen Arbeitssuchende vor Ablauf dieser Frist wieder in den zuständigen Mitgliedstaat zurückkehren. Geldleistungen werden nunmehr ausschließlich vom zuständigen Träger gewährt. Die Rolle des Trägers des Mitgliedstaates der Arbeitssuche beschränkt sich auf die Kontrolle des Arbeitssuchenden. 9.2. Arbeitslose Grenzgänger Art 65 VO 883/04 Wie bisher muss sich der Grenzgänger an das Arbeitsamt seines Wohnmitgliedstaates wenden. Die Neuregelung in Art 65 VO 883/04 räumt nunmehr das Recht ein, sich zusätzlich bei der Arbeitsverwaltung des Beschäftigungsstaates zu melden. Die neue VO ändert die Lastenverteilung zwischen den Trägern. Vollarbeitslose Grenzgänger erhalten ihre Leistungen vom Träger des Wohnmitgliedsstaates, als ob diese Rechtsvorschriften für sie während ihrer letzten Beschäftigung gegolten hätten. Bei der Berechnung der Leistung wird das Entgelt oder Erwerbseinkommen berücksichtigt, dass die arbeitslose Person in dem Mitgliedsstaat erhalten hat, in dem sie zuletzt beschäftigt gewesen ist. Der Träger des Beschäftigungsstaates erstattet dem Träger des Wohnstaates den Gesamtbetrag der Leistungen der ersten drei Monate. Dieser Zeitraum verlängert sich auf fünf Monate, wenn die betreffende Person in den letzten 24 Monaten mindestens zwölf Monate in Beschäftigung oder selbständiger Erwerbstätigkeit in dem Mitgliedstaat zurückgelegt hat, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für sie gegolten haben, sofern diese Zeiten einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit begründen. 10. Vorruhestandsleistungen Art 66 VO 883/04 Vorruhestandsleistungen (zb die Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz) sind nunmehr in den sachlichen Geltungsbereich der VO 883/04 einbezogen. Der Zweck der Einbeziehung der Vorruhestandsleistungen liegt darin, die Gleichbehandlung und die Möglichkeit des Exports von Vorruhestandsleistungen sowie die Feststellung von Familien- und Gesundheitsleistungen für die betreffende Person nach den Bestimmungen dieser VO zu gewährleisten. Die Bestimmung über die Zusammenrechnung der Zeiten findet jedoch auf Vorruhestandsleistungen keine Anwendung. Dadurch wird jedoch das zentrale Ziel des Koordinierungsrechts, die Freizügigkeit der AN und Selbständigen sowie deren anspruchsberechtigten Angehörigen herzustellen und zu sichern, nicht erreicht. 11. Familienleistungen Art 67f VO 883/04 Die VO 883/2004 hat die Koordinierung der Familienleistungen neu geordnet und vereinfacht. Fortsetzung 7

P.b.b. AK Aktuell, Zulassungsnummer 02Z034663 M Erscheinungsort: Wien, Verlagspostamt 1040 Wien, Herausgeber, Verleger: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20 22, Redaktion: Abt. SI Internet: http://wien.arbeiterkammer.at, E-Mail: ak-aktuell@akwien.at, Verlags- und Herstellort: Wien Familienleistungen sind alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I. Österreich hat, wie bereits erwähnt, die Unterhaltsvorschüsse nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG 1985) in den Anhang I aufgenommen. Es besteht auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen, als ob die Familienangehörigen im zuständigen Staat wohnen würden. Pensionisten haben Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Pensionsgewährung zuständigen Mitgliedstaates. Bei Ansprüchen auf Familienleistungen aus mehreren Mitgliedstaaten gilt zur Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen die folgende Prioritätsregel: Beschäftigung, Pension, Wohnort. Sind Familienleistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu leisten, bildet grundsätzlich der Wohnort des Kindes den primären Anknüpfungspunkt. Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche sind die Leistungen des vorrangigen Trägers entscheidend. Sind im Fall einer verdrängten Zuständigkeit die Leistungen des nachrangigen Trägers höher, muss dieser den Differenzbetrag leisten. Anträge auf Familienleistungen die bei einem nach den Prioritätsregeln nachrangigen Träger eingebracht wurden, müssen nunmehr von diesem unverzüglich an den vorrangig zuständigen Träger weitergeleitet werden. Beispiel 1: Der Vater des Kindes ist bei einem AG mit Sitz in Deutschland beschäftigt. Die Mutter des Kindes ist Hausfrau und lebt gemeinsam mit dem Kind in Österreich. Für die Familienleistungen (Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe) ist primär Deutschland zuständig. Wenn die deutschen Familienleistungen niedriger sind als die österreichischen Leistungen, ist Österreich verpflichtet, den Differenzbetrag zu bezahlen. Beispiel 2: Der Vater des Kindes ist bei einem AG mit Sitz in Deutschland beschäftigt. Die Mutter des Kindes ist in Österreich bei einem AG mit Sitz in Österreich beschäftigt und lebt gemeinsam mit dem Kind in Österreich. Für die Familienleistungen (Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe) ist primär Österreich zuständig. Wenn die deutschen Familienleistungen höher sind als die österreichischen Leistungen ist Deutschland zur Leistung eines Differenzbetrages verpflichtet. 12. Elektronische Datenübermittlung Ab 1.5.2012 soll der elektronische Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten weitgehend die Dokumente in Papierform ersetzen. 13. Informationspflichten Die nationalen Sozialversicherungseinrichtungen müssen die betreffenden Personen im Hinblick auf ihre Rechte unter dem neuen Koordinierungssystem informieren und sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen. Jeder in Anspruch genommen Träger muss dem Antragsteller die getroffene Entscheidung sowie die anzuwendenden Rechtsvorschriften mitteilen. 14. Übergangsregelungen Art 87 VO 883/04 Die VO 883/04 sieht die Weitergeltung der Bestimmungen der VO 1408/71 sowie der VO 574/72 für bestehende Fälle solange vor, wie sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert. Betroffene können beantragen, dass Leistungen und Sachverhalte unter dem neuem Recht festgestellt werden.