BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ Erlass vom 31. Oktober 2017 über die Verständigungspflichten in Strafverfahren gegen Fremde Das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 - FrÄG 2017, BGBl I Nr. 145/2017, tritt am 1. November 2017 in Kraft und führt unter anderem zu einer Neuregelung der Verständigungspflichten der Strafgerichte, Staatsanwaltschaften und Justizanstalten nach 30 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (in Folge BFA-VG). Aus diesem Anlass sollen die geänderten Verständigungspflichten nach dem BFA-VG dargestellt und die bestehenden Verständigungspflichten nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (in Folge FPG) und dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (in Folge NAG) in Erinnerung gerufen sowie zur leichteren praktischen Handhabung inklusive der zuständigen Behörden und der für die Verständigungen zur Verfügung stehenden Textbausteine systematisch dargestellt werden. Es wird insbesondere darauf hingewiesen, dass es bei Unterlassen der Verständigung der für den Vollzug des FPG, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) und NAG zuständigen Behörde (in der Folge auch Fremdenbehörden) erschwert wird, rasch fremdenbehördliche Maßnahmen zu ergreifen, und überdies der Fristenlauf für die Entscheidungsfrist des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in Aberkennungsverfahren gemäß 7 Abs. 2 AsylG mit der Verständigung des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht über die rechtskräftige Entscheidung im Strafverfahren gemäß 30 Abs. 5 BFA-VG zu laufen beginnt. 1. MITTEILUNGSPFLICHT NACH 407 STPO Von der Verurteilung einer Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist die für die Ausübung der Fremdenpolizei zuständige Behörde unverzüglich zu verständigen ( 407 StPO), wobei die Verständigungspflicht dem Vorsitzenden (Einzelrichter, Bezirksrichter) des erkennenden Gerichts zukommt. Insbesondere im Fall der Wahrscheinlichkeit der Enthaftung eines in Untersuchungshaft befindlichen Ausländers oder Staatenlosen nach Urteilsverkündung empfiehlt es sich, die fremdenpolizeiliche Behörde schon vom Termin der Hauptverhandlung in Kenntnis zu setzen, um ihr das Treffen eventuell erforderlicher Vorkehrungen zu ermöglichen (vgl. Lässig in Fuchs/Ratz, WK-StPO 1 von 6
407 Rz 1 [Stand 1.2.2017, rdb.at]). Ein anhängiges fremdenpolizeiliches Verfahren ist allerdings kein gesetzlicher Grund zur weiteren Verwahrung isd 396 Abs 1 StPO (vgl. Lässig in Fuchs/Ratz, WK-StPO 396 Rz 3 (Stand 1.2.2017, rdb.at). 2. MITTEILUNGSPFLICHTEN DER STAATSANWALTSCHAFTEN, GERICHTE UND JUSTIZANSTALTEN NACH DEM BFA-VG, FPG UND NAG 2.1 Die Staatsanwaltschaften haben im Fall von Strafverfahren gegen Fremde wegen vorsätzlich begangener Straftaten sowie Auslieferungs- und Übergabeverfahren das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die Einbringung der Anklage, den Rücktritt von der Verfolgung und die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu verständigen ( 30 Abs. 5 Z 2 BFA-VG). Über die Erhebung von Anklagen nach dem FPG und NAG soll wie bisher das Strafgericht verständigen (vgl. Punkt 2.2 b unten). 2.2 Die Strafgerichte haben im Fall von Strafverfahren gegen Fremde über a. die Verhängung und Aufhebung i) der Untersuchungshaft die Landespolizeidirektion ( 105 Abs. 2 FPG) und die zuständige Behörde nach 37 Abs. 3 NAG (siehe Pkt. 3.), ii) der Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Übergabehaft in Strafverfahren wegen vorsätzlich begangener Straftaten sowie in Auslieferungs- und Übergabeverfahren das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum frühestmöglichen Zeitpunkt ( 30 Abs. 5 BFA-VG), b. die Erhebung von Anklagen i) wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen die Landespolizeidirektion ( 105 Abs. 2 FPG), ii) wegen in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallenden Vorsatztaten die zuständige Behörde nach 37 Abs. 3 NAG (siehe Pkt. 3.), c. rechtskräftige i) Verurteilungen unter Anschluss der Urteilsausfertigung die Landespolizeidirektion ( 105 Abs. 2 FPG, 407 StPO) und die zuständige Behörde nach 37 Abs. 3 NAG (siehe Pkt. 3.), 2 von 6
ii) Entscheidungen im Straf-, Auslieferungs- oder Übergabeverfahren (sohin auch über Freisprüche) in Strafverfahren wegen vorsätzlich begangener Straftaten sowie in Auslieferungs- und Übergabeverfahren unter Anschluss der das Verfahren abschließenden Entscheidung das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum frühestmöglichen Zeitpunkt ( 30 Abs. 5 Z 1 BFA-VG), zu verständigen. Sonstige Ausfertigungen, deren Übermittlung gesetzlich nicht vorgesehen ist (z.b. U-Haftbeschlüsse), sind nicht zu übermitteln. Der Landespolizeidirektion und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl obliegt jeweils die Weiterleitung der nach 105 Abs. 2 FPG bzw. 30 Abs. 5 BFA-VG erlangten Information an eine allenfalls zuständige weitere Instanz. Im Zusammenhang mit den fremdenbehördlichen Verständigungen wird 109 FPG in Erinnerung gerufen, wonach Gerichte oder Verwaltungsbehörden, wenn sie bei Vornahme einer Entscheidung oder Amtshandlung begründeten Verdacht hegen, dass eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption vorliegt, dies der zuständigen Landespolizeidirektion mitzuteilen haben. Im Fall der Festnahme wird darüber hinaus auf das Recht eines Beschuldigten gemäß 171 Abs. 4 Z 2 lit. c StPO, seine konsularische Vertretung unverzüglich verständigen zu lassen (Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969), hingewiesen. 2.3. Die Justizanstalten haben von Antritt und Ende einer Freiheitsstrafe von Fremden die Landespolizeidirektion ( 105 Abs. 2 FPG) und die zuständige Behörde nach 37 Abs. 3 NAG (siehe Pkt. 3.) sowie im Fall von Strafverfahren gegen Fremde wegen vorsätzlich begangener Straftaten das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ( 30 Abs. 5 Z 3 BFA-VG) zu verständigen. Der bisherige bewährte Informationsaustausch zwischen den Gerichten und den Justizanstalten zu den Urteilsdaten bzw. dem Verfahrensfortgang soll fortgesetzt werden. In diesem Zusammenhang soll die Verwendung des mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 23.10.2002, GZ 41708/4-V.3/2002, zur Verfügung gestellte Formulars Mitteilung an die Justizanstalt beibehalten werden (dieses wurde den Staatsanwaltschaften und Gerichten mit Erlass vom 18. November 2002, JMZ 490001/105/II3/02, zur Kenntnis gebracht). Die Gerichte sollen weiterhin dazu beizutragen, dass den Justizanstalten die erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen, und insbesondere die angeführten Urteilsdaten in Formulare, die ihnen im Zuge einer Hauptverhandlung vorgelegt werden, einfügen und bestätigen. 3 von 6
3. ZUSTÄNDIGE BEHÖRDEN 3.1. MITTEILUNGSPFLICHT NACH DEM BFA-VG Die Verständigungen an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß 30 Abs. 5 BFA-VG haben via elektronischen Zustelldienst isd 36 ZustG in aller Regel an die am Sitz der jeweiligen Staatsanwaltschaft, Justizanstalt bzw. des jeweiligen Gerichts ansässige Regionaldirektion (Regionaldirektion Wien, Niederösterreich, Oberösterreich etc.) zu erfolgen, sofern im Einzelfall keine andere zuständige Organisationseinheit bekannt ist: Regionaldirektion E-Mail Adresse Faxnummer Wien BFA-RD-W-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 98-7801 Niederösterreich BFA-RD-N-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 98-7599 Oberösterreich BFA-RD-O-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 45-7099 Burgenland BFA-RD-B-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 15-7099 Steiermark BFA-RD-ST-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 65-7099 Kärnten BFA-RD-K-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 25-7099 Salzburg BFA-RD-S-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 55-7099 Tirol BFA-RD-T-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 75-7099 Vorarlberg BFA-RD-V-Einlaufstelle@bmi.gv.at +43 (0) 59133 85-7099 Für die elektronische Übermittlung isd 36 ZustG an die oben genannten Adressen wurden zentrale VJ-Anschriftcodes eingerichtet. Weiters bestehen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitere elektronische Zustellpostfächer, die dann genutzt werden können, wenn die tatsächlich zuständige Organisationseinheit der jeweiligen Staatsanwaltschaft, Justizanstalt bzw. dem jeweiligen Gericht bereits bekannt ist. Für die Übermittlung an diese Organisationseinheiten bestehen ebenfalls VJ-Anschriftcodes. Die Anschriftcodes sind bei Erfassung zu verwenden, damit die Zustellung der Verständigung ordnungsgemäß auf elektronischem Weg erfolgen kann. 3.2. MITTEILUNGSPFLICHT NACH DEM FPG Von der Verurteilung einer Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist die für die Ausübung der Fremdenpolizei zuständige Behörde unverzüglich zu verständigen ( 407 StPO), wobei diese Mitteilung nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten durch elektronische Übermittlung dieser Daten zu erfolgen hat ( 15b Abs. 1 4 von 6
StVG). Zur Ausübung der Fremdenpolizei in erster Instanz sind sachlich die Landespolizeidirektionen zuständig ( 5 Abs. 1 Z 1 FPG). 3.3. MITTEILUNGSPFLICHT NACH DEM NAG Die Mitteilungspflicht nach dem NAG soll sicherstellen, dass die Behörden möglichst rasch Kenntnis über Umstände gewinnen, die einen Entzug, eine Versagung oder eine Rückstufung eines (weiteren) Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen. Behörde im Sinne des NAG ist der Landeshauptmann ( 3 Abs. 1 NAG), der in den unten angeführten Bundesländern seine Entscheidungsbefugnis im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung an die Bezirksverwaltungsbehörden das sind die Bezirkshauptmannschaften bzw. bei Städten mit eigenem Statut die Magistrate mit Verordnung wie folgt delegiert hat: Burgenland: LGBl. Nr. 100/2005: Übertragung aller Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden im Burgenland; Kärnten: LGBl. Nr. 10/2016: Übertragung aller aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen an die Bezirksverwaltungsbehörden im Land Kärnten (ausgenommen Klagenfurt); Niederösterreich: LGBl. Nr. 78/2017: Übertragung von bestimmten Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Niederösterreich; Oberösterreich: LGBl. Nr. 127/2005: Übertragung aller aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen an die Bezirksverwaltungsbehörden im Land Oberösterreich; Salzburg: LGBl. Nr. 97/2005 und 73/2013: Übertragung aller Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden Steiermark: LGBl. Nr. 112/2005: Übertragung aller Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Steiermark mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz Tirol: LGBl. Nr. 122/2005 und 123/2009: Übertragung aller Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden Vorarlberg: LGBl. Nr. 51/2005: Übertragung aller Entscheidungen izm Aufenthaltstiteln an die Bezirksverwaltungsbehörden Gemäß 37 Abs. 3 NAG ist die jeweils zuständige Niederlassungsbehörde zu informieren. Die örtliche Zuständigkeit im Inland richtet sich nach dem tatsächlichen bzw. 5 von 6
beabsichtigten Wohnsitz des Fremden im Inland. Im Fall eines Wohnsitzwechsels während des behördlichen Verfahrens ändert sich gegebenenfalls auch die örtliche Behördenzuständigkeit. Bei nicht mehr bestehendem oder unbekanntem Aufenthalt ist jene Behörde zuständig, in deren Sprengel der Fremde zuletzt seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hatte. Diese Mitteilungen nach 37 Abs. 3 NAG hat die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Behörde, soweit ein Beschwerdeverfahren anhängig ist, dem Verwaltungsgericht des Landes zu übermitteln. 4. TEXTBAUSTEINE FÜR DIE VERSTÄNDIGUNGEN Für die einzelnen Verständigungen nach diesem Erlass ( 105 Abs. 2 FPG, 37 Abs. 3 NAG sowie 30 Abs. 5 BFA-VG) stehen folgende VJ-Textbausteine zur Verfügung: zverst1ankl Verständigung Anklageerhebung zverst1ein Verständigung BFA Einstellung Ermittlungsverfahren zverst1rück Verständigung BFA Rücktritt zverst2 Verständigung Verurteilung/Entscheidung zverst2ausl Verständigung BFA Auslieferungs-/ Übergabeverfahren (mit Auswahlmöglichkeiten) zverst3 Verständigung Untersuchungshaft zverst3ausl Verständigung BFA Auslieferungs-/Übergabehaft (mit Auswahlmöglichkeiten) zverst4 Verständigung Aufhebung Untersuchungshaft zverst4ausl Verständigung BFA Aufhebung Auslieferungs- /Übergabehaft2 (mit Auswahlmöglichkeiten) Entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstadium ist die jeweils passende Variante auszuwählen bzw. zu verfügen. Sofern vorgesehen ist, dass auch die Urteilsausfertigung bzw. die das Verfahren abschließende Entscheidung anzuschließen ist, sollte dies gesondert verfügt werden. 6 von 6