FORDERUNGEN DER DEUTSCHEN ILCO ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN TEIL 1 SELBSTVERSTÄNDNIS, ZIEL UND AUFGABEN DER DEUTSCHEN ILCO Die 1972 gegründete Deutsche ILCO versteht sich entsprechend ihrem Selbstauftrag als eine vom Selbsthilfegedanken geleitete und von ehrenamtlicher Mitarbeit geprägte Solidargemeinschaft von Stomaträgern (Menschen mit einem künstlichem Darmausgang oder einer künstlichen Harnableitung) und deren Angehörigen. Sie hat sich selbst verpflichtet, Stomaträgern in Deutschland beizustehen, dass sie ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben mit dem Stoma führen können.
FORDERUNGEN DER DEUTSCHEN ILCO ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN 2 Dazu bietet die Deutsche ILCO Stomaträgern und deren Angehörigen Erfahrungsaustausch und Beratung zum täglichen Leben mit dem Stoma sowie Interessenvertretung bei stomabezogenen Anliegen an. Sie bemüht sich umfassend um notwendige Rehabilitationsmaßnahmen und ist die Informationsstelle für Stomafragen. Im Bereich der umfassenden notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen sind heutzutage erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. In vielen Akut- und Rehakliniken, insbesondere in solchen, die sich auf die Versorgung von Stomaträgern spezialisiert haben, entspricht die medizinische und pflegerische Versorgung der Stomaträger einem hohen Qualitätsstandard. Ebenso sind viele Angebote der Stomaberatung von hoher Qualität. Es sind allerdings bei noch zu vielen Kliniken und sonstigen Rehaträgern Defizite festzustellen. Es sind dies meist strukturell bedingte Defizite, da sich jede Klinik oder jeder Stomaberater in die Versorgung von Stomaträgern einschalten kann, ohne dafür die erforderliche Kompetenz nachweisen zu müssen. Die Deutsche ILCO drängt auf den Abbau dieser Defizite und entwickelt dazu Vorschläge, die in diesem Forderungskatalog zusammengefasst sind. DEFIZITE IN DER REHABILITATION VON STOMATRÄGERN (siehe auch Teil 2) 1. Defizite in der Qualität der medizinischen Versorgung 2. Defizite in der Qualität und Verfügbarkeit der Stomaberatung 3. Defizite in der Qualität von (stationärer) Anschlussrehabilitation FORDERUNGSKATALOG ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN (siehe auch Teil 3) 1. Qualitätsmanagement für Stomaoperationen und Stomanachsorge, Stomaambulanzen für die stomabezogene medizinische Nachsorge 2. Schaffung und Qualitätsmanagement von Stomaberatungsstellen 3. Durchführung von Maßnahmen der Anschlussrehabilitation in Rehabilitationskliniken, die für Stomaträger geeignet sind TEIL 2 DARSTELLUNG DER DEFIZITE zu 1. Defizite in der Qualität der medizinischen Versorgung Stomaanlagen werden in den chirurgischen Abteilungen nahezu aller Kliniken durchgeführt. Leider gibt es - wie auch in anderen medizinischen Bereichen - für Stomaoperationen bis jetzt keine verbindlichen Qualitätsstandards. Der Qualität der Stomaanlage wird zudem bei der Operation oft wenig Beachtung geschenkt und sie ist daher sehr unterschiedlich. Ein großer Teil aller Stomakomplikationen in der Folgezeit ist deshalb auf anlagebedingte Fehler zurückzuführen: schlechte Versorgbarkeit des Stomas durch falsche Positionierung (mit nachfolgenden Problemen bei der sicheren Haftung der Versorgung oder durch Hautentzündungen), Stenosen, Retraktionen und Prolaps. Die in der Klinik tätigen Chirurgen bekommen von diesen Mängeln häufig nichts mehr mit, da sie sich meist erst auswirken, wenn der Patient längst entlassen ist. Der Stomaträger darf dann aber in den meisten Fällen nicht in die operierende Klinik zurückgehen. Denn die Nachsorge wird maßgeblich von den niedergelassenen Ärzten durchgeführt. Kaum ein Hausarzt interessiert sich jedoch für das
FORDERUNGEN DER DEUTSCHEN ILCO ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN 3 Stoma seines Patienten, was sich u.a. damit erklärt, dass viele Arztpraxen mit ihren räumlichen Möglichkeiten nicht darauf eingerichtet sind, dass ein Stomaträger dort seine Versorgung wechselt (Geruch, Zeit...). Der Hausarzt kennt sich außerdem normalerweise nicht mit Komplikationen oder mit der Stomaversorgung aus, was auch nicht verwundern muss, da die Zahl seiner Stomapatienten selten 1-2 übersteigt. Stomakomplikationen und ihre Auswirkungen auf die Stomaversorgung bleiben deshalb oft unerkannt. Eine schlechte oder falsche Versorgung wird aber schneller undicht (mit den Folgen verschmutzte Kleidung und Geruch), es treten Hautentzündungen und Schmerzen auf, es werden viel mehr Versorgungsartikel verbraucht als nötig (erhöhte Kosten für die Versichertengemeinschaft!). Soziale und volkswirtschaftliche Folgen können Rückzug, Vereinsamung, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsunfähigkeit sein. zu 2. Defizite in der Qualität und Verfügbarkeit der Stomaberatung Für die Rehabilitation eines Stomaträgers ist es von entscheidender Bedeutung, dass er eine individuell passende, sichere Stomaversorgung hat. Um diese zu erreichen, ist er auf eine umfassende Beratung in der Auswahl und Anwendung der auf dem Markt erhältlichen Stomaartikel angewiesen. Alle Marktangebote müssen ihm zudem bekannt und verfügbar sein. Es ist also eine umfassende und kompetente Stomaberatung erforderlich und diese muss bereits in der Akut- und/oder Rehaklinik angeboten werden, um den Erfolg der übrigen Rehabilitationsmaßnahmen zu ermöglichen. Für die Stomaberatung steht heute ein Vielzahl von Stomaberatern mit unterschiedlicher Aus- bzw. Fortbildung zur Verfügung. Die Unterschiede in der Art und Qualität der Aus- bzw. Fortbildung stellen sich nicht in unterschiedlichen Berufsbezeichnungen dar. Es gibt keine verbindlichen Ausbildungs-/ Fortbildungsrichtlinien und keine geschützten Berufsbezeichnungen. Ein Stomaträger weiß deshalb normalerweise nicht, welche Aus- bzw. Fortbildungsqualität ein Stomaberater nachweisen kann. Über derartige Stomaberater verfügen - wenn überhaupt - normalerweise nur Akutkliniken mit einer höheren Zahl von Stomaoperationen. Im Bereich der Rehakliniken haben sich in den letzten Jahren einige Kliniken auf die Versorgung von Stomaträgern spezialisiert und haben deshalb ausgebildete Stomaberater. Die Stomaberatung in der Akutklinik wird heute zunehmend durch ambulant und kommerziell tätige Leistungserbringer (Sanitätshaus, Home Care-Unternehmen) erbracht. Das Krankenhaus hat dadurch den Vorteil, dass die Leistung Stomaversorgung den Pflegesatz nicht belastet. Nachteile für den Stomaträger sind: Der Konkurrenzkampf zwischen mehreren Sanitätshäusern und anderen ambulanten Leistungserbringern wird in die Kliniken und dort an die Stomaträger direkt getragen - also an die Menschen, die gesundheitlich angeschlagen sind, abhängig von einem sicher haftenden Versorgungsprodukt, und die sich in diesem Gesundheitsmarkt überhaupt (noch) nicht auskennen. Viele Pflegekräfte auf den chirurgischen und urologischen Stationen kennen sich zunehmend weniger bis gar nicht mehr mit Stomaberatung aus, weil die Verantwortung für die Versorgung völlig dem externen Leistungserbringer überlassen wird. Es sind die neuoperierten Stomaträger, die besonders nachts, an Wochenenden oder bei Urlaubsvertretungen die Nachteile des Outsourcings am eigenen Leibe erfahren. zu 3. Defizite in der Qualität der stationären Anschlussrehabilitation Die Qualität der Beratung von Stomaträgern hat in vielen Rehakliniken einen hohen Standard erreicht. Jedem neuoperierten Stomaträger könnte so eine Rehabilitationsmaßnahme in einem Haus bewilligt werden, in dem entsprechend qualifiziertes Fachpersonal tätig ist.
FORDERUNGEN DER DEUTSCHEN ILCO ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN 4 Seit dem Gesundheitsreformgesetz haben Kostenträger in vielen Rehakliniken ihre Verträge gekündigt oder die belegte Bettenzahl reduziert. Schwerpunktmäßig belegen sie legitimerweise ihre eigenen Häuser. Diese Kliniken sind leider oft nicht auf diese Behinderung eingestellt. So geht oftmals die Belegung selbst vor dem Rehabilitationsinteresse von Stomaträgern. Die Folge ist, dass die frisch operierten, noch unsicheren Stomaträger keine ausreichende Hilfestellung beim Umgang mit der Versorgung bekommen, um darin sicher zu werden, sie keine weiteren Versorgungsmöglichkeiten kennenlernen, die eigentlich zur Rehabilitation gehörenden Angebote wie Gymnastik und Schwimmen aus Unsicherheit, unzureichender Versorgung oder mangelhafter Information der Klinik nicht wahrgenommen werden (können), keine Gleichbetroffenen in der Klinik sind, mit denen sie sich austauschen könnten. Bei derartigen Rehabilitationsmaßnahmen ist ein Misserfolg vorprogrammiert - menschlich und kostenmäßig ein Unding. Ein gutes Beispiel für ein stimmiges Belegungskonzept für Stomaträger bietet in Nordrhein-Westfalen die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherer, in der für eine hohe Qualität in den Vertragskliniken und die Passgenauigkeit von Betroffenem und Klinik gesorgt wird. Die Arbeitsgemeinschaft berücksichtigt dabei Rückmeldungen und Anregungen gerade aus den Selbsthilfeorganisationen. TEIL 3 ERLÄUTERUNG DER FORDERUNGEN zu 1. Qualitätsmanagement für Stomaoperationen und Stomanachsorge, Stomaambulanzen für die stomabezogene medizinische Nachsorge Die Deutsche ILCO fordert, dass verbindliche Qualitätsstandards für alle Stomaoperationen und die Stomanachsorge entwickelt und in einem Qualitätsmanagementsystem auf Einhaltung überprüft werden. dass Stomaträger - vor allem in den ersten beiden Jahren nach der Stomaanlage - ambulant in die Klinik zurückgehen können, in der sie operiert worden sind. Alle Kliniken, die Stomaoperationen durchführen, müssen eine solche "Stomaambulanz" zur stomabezogenen medizinischen Nachsorge und zur Stomaberatung anbieten. Nur so gibt es eine Rückkopplung und die Ärzte sehen die langfristigen Ergebnisse ihrer Stomaoperation. Wesentlich wäre, dass Komplikationen statistisch erfasst und ausgewertet werden, damit ihre Ursachen für die Zukunft behoben werden können. zu 2. Schaffung und Qualitätsmanagement von Stomaberatungsstellen Die Deutsche ILCO fordert ein flächendeckendes Netz von Stomaberatungsstellen, die Stomaträgern in zumutbarer Entfernung zugänglich sind. Das Idealbild ist die (von Gewinninteresse) unabhängige Stomaberatung. Große Kliniken mit vielen Stomaanlagen müssten einen Stomaberater fest anstellen. Er sollte gleichzeitig regelmäßige Beratungsstunden anbieten für alle Stomaträger der Region, die Probleme am oder durch das Stoma haben. In der Fläche könnten ambulante Leistungserbringer ein solches Beratungsangebot vorhalten: sei es in Sanitätshäusern oder in kleineren Krankenhäusern. Für die Stomaberatung müssen dringend Qualitätsrichtlinien entwickelt werden. Angesichts der Unüberschaubarkeit von Gesundheitssystem und Hilfsmittelmarkt für den Stomaträger sind verbindliche Leitlinien für die Versorgung - von der Stomaanlage bis zur Stomaberatung - längst überfällig. An der Erarbeitung dieser Leitlinien ist die Deutsche ILCO mit ihrer Kompetenz unmittelbar zu beteiligen.
FORDERUNGEN DER DEUTSCHEN ILCO ZUR REHABILITATION VON STOMATRÄGERN 5 Das Einhalten der Leitlinien muss von unabhängiger Stelle überprüft werden. zu 3. Durchführung von Maßnahmen der Anschlussrehabilitation in Rehabilitationskliniken, die für Stomaträger geeignet sind Die Deutsche ILCO fordert, dass Stomaträgern Rehabilitationsmaßnahmen nur in Kliniken bewilligt werden, welche die Kompetenz für diese Behinderung und die Grundkrankheit nachweisen. Der Rehabilitationserfolg muss aus menschlichen und volkswirtschaftlichen Gründen Vorrang haben vor kurzfristigen Belegungsinteressen. Zusammengefasst: Für die Rehabilitation von Stomaträgern muss - unter Beteiligung der Fachgruppen und der Deutschen ILCO - ein umfassendes Qualitätsmanagement entwickelt werden. verabschiedet vom Vorstand der Deutschen ILCO am 18.09.1999