MEHR KLARHEIT IN DER BEWERTUNG VON STROMNETZEN

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Transkript:

MEHR KLARHEIT IN DER BEWERTUNG VON STROMNETZEN Es ist an der Zeit, die Vergangenheitsbewältigung abzuschliessen und den Blick auf die Zukunft der Netze zu richten Markus Flatt Dr. oec. HSG, Partner, Aarau, markus.flatt@evupartners.ch 31. Oktober 2013 Lead Seit nunmehr sechs Jahren ist das geltende StromVG in Kraft. Wenig an Bedeutung eingebüsst hat seither die Diskussion um die angemessene Netzbewertung, wie die unsererseits bereits mehrfach kommentierten Leitentscheide von Bundes- und Bundesverwaltungsgericht sowie die Verlautbarungen der ElCom zeigen. Dies ist insofern erstaunlich, als dass die Netzbewertung die Basis für rund die Hälfte der Netzkosten bildet. Aber bekanntlich liegt der Teufel im methodischen Detail. Die betroffenen Netzbetreiber und die ElCom sind daher immer noch stark mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigt. Und dies in einer Zeit, in welcher Themen wie Smart Grid, Sunshine- und Anreizregulierung, Energieeffizienzvorgaben, Eigenverbrauch, Netzverstärkungen und Finanzierungsbedarf ins Zentrum rücken. Genügend Herausforderungen, um das Vergangene abzuschliessen und die neuen Themen im Schweizer Stromverteilnetz aktiv anzugehen. Wir zeigen wie. 1 MEILENSTEINE DER STROMNETZBEWERTUNG PENDENZEN BLEIBEN Die Diskussionen um die angemessene Bewertung der Stromnetze haben eine längere Geschichte, die weit vor die Einführung der heute geltenden Regeln gemäss Art. 15 Abs. 3 StromVG per 1. Januar 2008 zurück geht. Wer damals gehofft hat, dass die Diskussionen um die Netzbewertung mit der Festschreibung von ursprünglichen Anschaffungs- beziehungsweise Herstellkosten im Gesetz vom Tisch sind, fehlte weit. Bis heute bestehen, trotz massgeblichen Leitentscheiden von ElCom, Bundesverwaltungsgericht und des Bundesgerichts als letzte Instanz, methodische Unsicherheiten und vor allem eine fehlende flächendeckende, vergleichbare und konsequente Bereinigung zentraler Bewertungsfragen. Der Grund dieser langen, für Dritte kaum nachvollziehbaren Diskussionen ist eigentlich ganz einfach: Vor 30, 40, 50 und mehr Jahren waren die heutigen Anforderungen an eine Anlagenwerterfassung und deren Folgebewertung noch nicht bekannt und damit die historische Nachvollziehbarkeit, je nach Gesellschaft, Rechtsform, Eigentümerschaft und damaliger Praxis völlig unterschiedlich. Wie soll aus einer derart heterogenen Ausgangssituation eine vergleichbare und vollständige Basis geschaffen werden, welche die Anforderung der Ermittlung der

ursprünglichen Anschaffungs- beziehungsweise Herstellkosten effektiv erfüllt? Die Tatsache, dass in der Schweiz rund 700 sehr unterschiedlich aufgestellte Netzbetreiber agieren, vereinfacht diese Ausganglage nicht. Dass der Bundesrat in der Stromversorgungsverordnung mit Art. 13 Abs. 4 StromVV sich dieser Situation teilweise bewusst war und die Ausnahmeregelung der sogenannt synthetischen Netzbewertung schuf, ist bekannt. Dass genau die Anwendung und Auslegung dieser Ausnahmeregelung zum zentralen Streitpunkt in der Stromnetzbewertung wurde (und bis heute ist), wurde wahrscheinlich unterschätzt. Anders ist es nicht zu erklären, dass die ElCom bis vor kurzem den Standpunkt vertrat, dass die Ausnahmeregelung der synthetischen Netzbewertung nur dann zur Anwendung gelangen dürfe, wenn ein Netzbetreiber Nicht-Existenz von historischen Daten mittels historischer Dokumenten beweisen kann. Die reine Unvollständigkeit von historischen Daten war aus Sicht der ElCom als Grund für die synthetischen Netzbewertung nicht ausreichend. In letzter Konsequenz hätte dies für alle betroffenen Netzbetreiber bedeutet, dass sämtliche, nicht nachweislich aktivierten Anlagenwerte nicht zur Anrechnung zugelassen worden wären. Dies hätte bedeutet, dass aufgrund der vielfach sehr tiefen Buchwerte und der Relevanz der regulatorisch anerkannten Anlagenwerte für die Bestimmung der künftigen Cashflows ein wesentlicher Anteil der Anlagensubstanz des Schweizer Stromnetzes von stillen Reserven zu stillen Wertberichtigungen mutiert wäre. Letztlich hat der Leitentscheid des Bundesgerichts (BGer) vom 3. Juli 2012 im Fall der BKW FMB Energie AG und der BKW Übertragungsnetz AG gegen die Verfügung der ElCom vom 6. März 2009 1 zu den Kosten und Tarifen 2009 für die Netznutzung auf Netzebene 1 und Systemdienstleistungen diese fatale, regulatorische Auslegung korrigiert. 2 Insbesondere hob das BGer den von der ElCom verfügten und vom Bundesveraltungsgericht (BVGer) noch gestützten doppelten Malus auf den von der BKW synthetisch bewerteten Anlagenwerten von 20.5% und zusätzlich von 20% gemäss Art. 13 Abs. 4 StromVV auf. Dabei hielt das BGer explizit fest, dass für die Bewertung der Stromnetze die synthetische Bewertung als Ausnahmemethode bei nicht vollständigen, historischen Belegen zur Anwendung gelangen darf. 3 Da die synthetische Bewertung eine Ausnahmemethode ist, muss nach den Erwägungen des BGer derjenige Netzbetreiber, der von der Ausnahme Gebrauch machen will, jedoch auch nachweisen, dass ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem stellte das BGer abschliessend klar, dass weder der finanzbuchhalterische Buchwert, noch die historische Aktivierungspraxis, noch die historische Abschreibungspraxis für die Bestimmung der nach Art. 15 Abs. 3 StromVG zu ermittelnden Anlagenwerte Bedeutung haben. 4 Basierend auf diesem Leitentscheid des BGer beurteilte das BVGer im Fall der Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW) gegen die Teilverfügung der ElCom vom 7. Juli 2011 betreffend Überprüfung der anrechenbaren Kosten des Netzes für das Geschäftsjahr 2008/09 die Voraussetzungen für die synthetische Bewertung im konkreten Fall als gegeben. Hingegen wurde die von der CKW angewandte Methode zur synthetischen Bewertung abgelehnt, weil bei dieser spezifischen Methode das Risiko bestand, dass bei einem Ersatz eines Objektes keine Ausbuchung der bestehenden Anlage vorgenommen wird, so dass eine Doppelführung resultieren könnte. 5 Die Vorinstanz (ElCom) wurde vom BVGer in der Folge angewiesen, die von der CKW geltend gemachten synthetischen Kapitalkosten erneut einer Prüfung zu unterziehen bzw. die Beschwerdeführerin anzuweisen, die entsprechenden Kosten unter Anwendung einer der Methoden des VSE-Branchendokuments NeVal zur Bestimmung des Baujahres oder einer anderen Methode zur korrekten Zeitwertermittlung zu berechnen. 6 Der Ball liegt in diesem Fall also erneut bei der CKW und der ElCom, verbunden mit dem Risiko, dass gegen die neue Seite 2 / 6

Berechnungsmethodik wiederum Beschwerde erhoben wird und die Gerichte erneut Stellung beziehen müssen. Die zentrale Frage der angemessenen Indexierung der betroffenen Werte und Anlagen, wurde bisher weder vom BGer noch vom BVGer abschliessend beantwortet. Diese Rechtsunsicherheit ist unerwünscht und kann für die betroffenen Netzbetreiber fatale Konsequenzen haben. Sollte sich wider Erwarten aufgrund einer Prüfung oder eines Gerichtsentscheid bei einer Netzbewertung letztlich wesentlicher Anpassungsbedarf ergeben, kann dies zu rückwirkenden Korrekturen in den Nachkalkulationen mehrerer Jahre und zu massiven Effekten in finanzieller und tariflicher Hinsicht führen. Jedes zusätzliche Jahr mit Bewertungsunsicherheit aufgrund von noch nicht geprüften Bewertungen oder laufenden Beschwerden und Verfahren verstärkt diese allfälligen Korrektureffekte und die damit verbundenen, finanziellen Risiken. Entsprechend ist auch zu beobachten, dass Vorbehalte zur vollständig bilanzierten Netzbewertung in zahlreichen Geschäftsberichten von Schweizer Netzbetreiber Einzug gehalten haben. 7 2 HISTORISCHE NETZBEWERTUNG IM IDEALFALL DURCH DIE ELCOM GEPRÜFT UND GENEHMIGT Aufgrund dieser Rechtslage gilt es für Netzbetreiber, welche ihre Netzbewertung mittels historischen Anschaffungswerten aus der Schusslinie der noch nicht abschliessend geklärten Situation der synthetischen Netzbewertung bringen können, die Ressourcen richtig einzusetzen und die bestehenden Bewertung im Sinne des BGer-Entscheids schnellst möglichst zu bereinigen. Aus zahlreichen, eigenen Erfahrungen können wir bestätigen, dass viele Schweizer Netzbetreiber, vor allem solche mit öffentlich-rechtlichem Hintergrund, durchaus in der Lage sind, eine vollständige, historische Netzbewertung im Sinne von Art. 15 Abs. 3 StromVG zu ermitteln, diese von der ElCom prüfen und mit einem Abschlussschreiben die bestehende Netzbewertung als Basis für die Netzentgeltkalkulation genehmigen zu lassen. Die damit gewonnene Rechtssicherheit bezüglich Tarifierung, Deckungsdifferenzen und künftigen Planungsgrundlagen übertreffen die notwendigen Einmalaufwendungen in der Datenaufarbeitung relativ schnell. Selbstverständlich lassen sich solche Aussagen nicht verallgemeinern, da jeder Netzbetreiber mit seiner individuellen Vergangenheit bezüglich Netzausbau, Netzalter und Verbuchungs- und Dokumentationspraxis spezifisch zu prüfen ist. Auch hier liegt der Teufel im Detail. Ein besonderes Augenmerk ist zum Beispiel auf die Vollständigkeit der in der Vergangenheit aktivierten Kosten zu legen, da die Aktivierungspraxis je nach Buchhaltungssystem, Rechnungslegung und personenabhängiger Praxis nicht den Anforderungen der heute geltenden Aktivierungsrichtlinien entsprechen muss. Umgekehrt ist mit den zitierten Leitentscheiden und der entsprechend angepassten Praxis der ElCom auch klar, dass alleine aufgrund der Unvollständigkeit von historischen Daten diese nicht einfach als gänzlich unbrauchbar deklariert und auf synthetische Werte umgestellt werden kann. Historische und synthetische Bewertungsmethoden sind als sich ergänzende Methoden zu verstehen, deren Anwendung gegenüber der ElCom differenziert pro Zeitperiode und Anlagenkategorien und glaubhaft begründet werden muss. Im Rahmen von verschiedenen ElCom-Prüfungen von historischen Netzbewertungen wurde deutlich, dass das Hauptaugenmerk der Regulierungsbehörde darauf liegt, dass die jeweiligen Zugänge in der deklarierten Anlagenbewertung und die historischen Investitionsnachweise (Anlagespiegel, Investitionsrechnungen, Kontenauszüge, Projektabrechnungen, etc.), unabhängig von deren konkreten Granularität, sauber abstimmbar sind und Überbewertungen ausgeschlossen werden können. Hinsichtlich der konkreten Aufarbeitung von einzelnen Anlagewerten bzw. der Seite 3 / 6

Umrechnung von Jahreswerten auf die einzelnen Anschaffungswerte pro Anlage über entsprechende Schlüssel bzw. proportional zur bisherigen synthetischen Wertverteilung, ist die Regulationspraxis kulant. Die Methodik muss sachgerecht, nachvollziehbar und transparent dokumentiert sein. Auch wurde bisher der Umgang mit historischen Anlageabgängen, welche in der Regel weder aus technischer noch aus buchhalterischer Sicht vollständig eruierbar sind, nicht vertieft thematisiert. Hier obliegt es also dem Netzbetreiber mit plausiblen Methoden die Angemessenheit der fallspezifischen Bewertung darzulegen. Letztlich kommt man also auch bei einer historischen Netzbewertung nicht ganz ohne synthetische Elemente und entsprechende Ermessensspielräume aus. 3 SYNTHETISCHE NETZBEWERTUNG - PRÄZISIERUNG DER PRAXIS ZEIGT LÖSUNGSWEGE AUF Offen ist die Vergangenheitsbewältigung vielfach insbesondere bei Netzbetreibern mit hohen Anteilen an synthetisch bewerteten Anlagen. Im Fall der bisher ungerechtfertigt extensiven Anwendung dieser Ausnahmebestimmung gelten für den Netzbetreiber die Ausführungen gemäss obigem Kapitel. In Fällen mit wesentlichen, synthetischen Anlageteilen, für welche der jeweilige Netzbetreiber gemäss den Anforderungen des BGer die Anwendung der Ausnahmebestimmung der synthetischen Netzbewertung glaubhaft und differenziert pro Zeitperiode und Anlagenkategorien belegen kann und die ElCom dieser Ausnahme im Grundsatz zustimmt, gilt es die bisherige Umsetzung unter Berücksichtigung des zitierten Leitentscheid des BVGer sowie der aktuellen Praxis der ElCom zu überprüfen bzw. anzupassen. Diesbezüglich hat die ElCom im Rahmen der letzten Informationsveranstaltung deutliche Signale an die betroffenen Netzbetreiber gesendet. Die ElCom ist in begründeten Ausnahmefällen bereit, die synthetische Bewertung zu akzeptieren, sofern diese methodisch richtig umgesetzt wird. Dabei ist nicht nur die korrekte Herleitung der Mengengerüste der betroffenen Anlagen gemäss den Vorgaben des Handbuchs NEVAL relevant. Insbesondere gilt es die Abgrenzung zu den historisch bewerteten Anlagen zur Verhinderung von Doppelzählungen sicherzustellen sowie die Bestimmung der synthetischen Anschaffungswerte sachgerecht und unternehmensindividuell vorzunehmen. Die reine, nicht auf die spezifischen Netzverhältnisse geprüfte Anwendung der Einheitspreise des VSE ist zum Beispiel nicht zulässig bzw. aufgrund der Risiken einer Überbewertung mittels dem pauschalen Malus von 20% zu korrigieren. Vielmehr verlangt die ElCom nun von den betroffenen Netzbetreibern, dass diese ihre Einheitspreise aufgrund der verfügbaren historischen Anschaffungswerte selber herleiten und diese für die synthetische Bewertung verwenden. Mit dieser Vorgehensweise ist es gemäss den Darstellungen der ElCom für Netzbetreiber auch möglich, den bisher pauschal angewendeten Malus von 20% gemäss Art. 13 Abs. 4 StromVV zu verringern bzw. bei der Anwendung einer vollständig historischen Basis für die Einheitspreisermittlung komplett zu eliminieren. Damit ist es für Netzbetreiber nun konsistent mit der Rechtsprechung des BGer möglich, die Wertbasis auch hinsichtlich der synthetischen Anlagenwerte einvernehmlich mit der ElCom zu regeln. Offen bleibt die genaue Praxis bei der Indexierung. Da sich die Gerichte in diesem Punkt teilweise in den jeweils unterschiedlichen Sachverhalten widersprochen haben, dürfte eine weitere Klärung durch die ElCom notwendig werden. Konkret stellt sich für die betroffenen Netzbetreiber die Frage, inwiefern hinsichtlich der ElCom Weisung 2010/3 Anpassungsbedarf oder Ergänzungsbedarf in einzelnen Indices besteht (vor allem bei denjenigen mit begrenzten Zeitreihen) oder ob diese Weisung nach wie vor der geltenden Gesetzgebung entspricht. Trotz dieser Restunsicherheit ist es bei Bewertungsanpassungen aus unserer Sicht jetzt möglich, diese Seite 4 / 6

Frage mit der ElCom einvernehmlich zu regeln und auch hier zeitnah mit der Vergangenheitsbewältigung abschliessen zu können. 4 FAZIT: VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG ABSCHLIESSEN UND ZUKUNFT ANGEHEN Vor diesem Hintergrund, der geklärten Rechtslage bei historischen Anschaffungswerten sowie bei der fortgeschrittenen Praxis der ElCom hinsichtlich der synthetischen Bewertung, ist der Zeitpunkt gekommen, dass diejenigen Verteilnetzbetreiber, bei welchen die Netzbewertung den ausgeführten Anforderungen noch nicht vollständig entspricht, aus eigenem Interesse die Bereinigung der Netzbewertung im Sinne einer Vergangenheitsbewältigung aktiv angehen sollten. Aus heutiger Sicht hat ein Netzbetreiber keine Vorteile, wenn er mit ungeklärten Bewertungsfragen weiter kalkuliert und damit seine potentiellen Risiken von Jahr zu Jahr erhöht. Konkret empfehlen wir den betroffenen Netzbetreibern folgendes, systematisches Vorgehen: Während in der Analysephase die Überprüfung der Rechtskonformität und allfälliger Risiken im Zentrum steht, wird in der zweiten Phase, sofern Handlungsbedarf besteht, die eigentliche Umbewertung vorgenommen. Dabei können in den materiell zentralen Arbeitsschritten 5 und 6 jeweils sowohl die Aufarbeitung und Ermittlung historischer Anschaffungswerte als auch die im Fall von synthetisch bewerteten Anlagen geforderte Abstützung mittels historischer Einheitspreisberechnung Teil des Leistungsumfangs darstellen. Zentral ist letztlich auch die nachvollziehbare Dokumentation der erfolgten Überprüfungs- und Bewertungsarbeiten. Diese soll sicherstellen, dass im Rahmen einer Prüfung durch die ElCom oder im Fall eines Verfahrens die Dokumentation sichergestellt ist und die in solchen Fällen oft verhältnismässig knappen Fristen eingehalten werden können. Gelingt es den Netzbetreibern, diese Schritte konsequent und mit Wille für eine abschliessende Lösungsfindung zu durchlaufen, so kann die Vergangenheitsbewältigung mit vernünftigen Ressourcen und innert nützlicher Frist abgeschlossen werden. Entscheidend ist es aus unserer Sicht, nicht mehr weiter Ressourcen in langwierigen Prozessen und Methodendiskussionen in der Vergangenheit zu binden, sondern die anstehenden Herausforderungen der Netzbetreiber aus regulatorischer und finanzieller Sicht anzugehen. Im Vordergrund dürften die Themen der Sunshine- und Anreizregulierung, die Verschärfung der Unbundling-Vorschriften im Kontext eines möglichen EU-Abkommens sowie der Zielnetzplanung und Sicherstellung der Seite 5 / 6

Finanzierungsfähigkeit stehen. Die Arbeit geht den Verantwortlichen daher so schnell nicht aus, nur der Blick richtet sich in die richtige Richtung, nach vorne anstatt zurück. 1 Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom (2009). Verfügung 952-08-005 vom 6. März 2009; erhältlich unter http://www.elcom.admin.ch/dokumentation/ 00013/00063/00069/index.html?lang=de. 2 Bundesgericht (2012). Bundesgerichtsentscheid in den Verfahren 2C_25/2011 und 2C_58/2011 vom 3. Juli 2012; vgl. auch Flatt, M. und Widmer A. (2012) Wegweisendes Piloturteil des Bundesgerichts zur Bewertung der Netze. Aarau: ; erhältlich unter www.evuparnters.ch. 3 Vgl. BGE 2C_25/2011, Ziff. 6.2 und 6.3. 4 BGE 2C_25/2011, Ziff. 6.3.2. 5 BVGE A-5141/2011, Ziff. 9.5.3 6 BVGE A-5141/2011, Ziff. 10 7 Vgl. z.b. die Geschäftsberichte 2011 bzw. 2012 von Swissgrid AG, Energie Wasser Bern, Industriellen Werke Basel. Seite 6 / 6