Wieder selbstständig im Alltag



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Transkript:

Wieder selbstständig im Alltag Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF)

Wieder selbstständig im Alltag Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF)

Impressum Wieder selbstständig im Alltag Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten Fachliche Betreuung und Text: Ulrike Schade, Melanie Schlief-Kluger Redaktionelle Bearbeitung: Anja Schmidt Fotos: DBSV-Archiv Gestaltung: Hahn Images, Berlin Druck: Kehrberg Druck Produktion Herausgeber: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. Rungestraße 19, 10179 Berlin Telefon: (030) 28 53 87-0 Telefax: (030) 28 53 87-2 00 E-Mail: info@dbsv.org Internet: www.dbsv.org Überarbeitete Auflage 2010 Zur besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Schreibweise verwendet. Diese bezieht selbstverständlich die weibliche Form mit ein. 2

Selbstständig im Alltag Wenn das Sehvermögen langsam schlechter wird, stark eingeschränkt ist oder ganz verloren geht, werden sonst selbstverständliche Verrichtungen und Handgriffe zur großen Herausforderung im Alltag: eine Tasse Kaffee eingießen die morgendliche Dusche das passende Hemd zum Anzug aussuchen einen Knopf annähen den Fußboden reinigen telefonieren mit Bargeld zahlen eine Unterschrift leisten Fast nichts kann so gemacht werden, wie es sehende Menschen gewohnt sind: spontan, schnell, ohne viel nachzudenken. Die Möglichkeit, die Umgebung, Tätigkeiten und Abläufe durch das Sehen selbst zu kontrollieren, fehlt bzw. ist eingeschränkt. In vielen Fällen ist dann die Hilfe und Unterstützung von anderen Menschen erforderlich. 3

Der größte Wunsch vieler Menschen in dieser Situation: wieder weitestgehend eigenständig leben, die täglich notwendigen Handgriffe selbstständig und sicher erledigen können. Wieder selbstständig mit einer Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) Die LPF-Schulung ist ein spezielles Schulungsprogramm für sehbehinderte oder blinde Menschen, auch mit einer zusätzlichen Beeinträchtigung (wie z. B. Höroder Bewegungseinschränkungen). Je nach individuellem Bedarf erlernt der Teilnehmer spezielle Techniken und Handlungsstrategien, erhält einen Überblick über Hilfsmittel und Hilfen für sehbehinderte und blinde Menschen (z. B. sprachgestützte Haushaltsgeräte, tastbare Markierungen, kontrastreiche Raumgestaltung) und wird angeleitet, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Notwendige Alltagsund Kulturtechniken (Körperpflege, Haushaltsführung, Kontaktaufnahme zu anderen Personen, Lesen, Schreiben etc.) werden somit erlangt oder wiedererlangt. 4

Wer kann teilnehmen? An einer LPF-Schulung können sehbehinderte und blinde Menschen, auch mit zusätzlichen Beeinträchtigungen, teilnehmen unabhängig von ihrem Alter und unabhängig davon, ob die Behinderung angeboren oder später eingetreten ist. 5

Wann soll mit der Schulung begonnen werden? Blinde und sehbehinderte Menschen im Erwachsenenalter sollten schnellstmöglich nach Eintritt der Blindheit oder Sehbehinderung an einer LPF-Schulung teilnehmen, um einen wesentlichen Teil ihrer Selbstständigkeit bewahren zu können. Damit können gleichzeitig die mit der Behinderung einhergehenden psychischen Belastungen vermindert werden. Bei blinden und sehbehinderten Kindern ist es wichtig, dass mit der LPF-Schulung bereits im Kindergartenalter begonnen wird. Die Schulung sollte in unterschiedlichen, dem Entwicklungsstand des Kindes angepassten Intervallen fortgeführt werden. So steigen die Chancen der Kinder deutlich, als Erwachsene weitestgehend selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. 6

Wer führt die Schulung durch? Die Teilnehmer werden durch qualifizierte und anerkannte Rehabilitationslehrer für Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) geschult. Die Voraussetzungen dafür haben diese Fachkräfte in einer spezifischen blinden- und sehbehindertenpädagogischen Zusatzausbildung erworben. 7

Wo findet die Schulung statt? Die Schulung wird am jeweiligen Wohnort und dort durchgeführt, wo der Teilnehmer sich im Alltag aufhält. Das kann neben der Wohnung auch der Kindergarten, die Schule, das Internat, die Betreuungsstätte oder die Werkstatt für Menschen mit Behinderung sein. Außerdem gibt es in einigen Einrichtungen die Möglichkeit eines mehrwöchigen Intensivkurses. 8

Was lernen die Teilnehmer? Spezielle Techniken und Handlungs- strategien für sehbehinderte und blinde Menschen Die Schulung ist sehr praxisnah gestaltet. Der Rehalehrer für Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) vermittelt Techniken und Bewegungsabläufe zur sicheren Durchführung und Kontrolle verschiedener im Alltag anfallender Handgriffe und Verrichtungen, zum Beispiel Haushalt: Einkaufen, Reinigen der Wohnung, Wäsche waschen, Bügeln, Ernährung: Kochen, sichere Benutzung von Besteck, Körperpflege, Gesundheit, Babypflege: Waschen, Zähne putzen, Rasieren, Kontrollieren des Blutdrucks und Blutzuckers, Einnahme von Medikamenten, Wickeln und Füttern des Babys, Häusliche Reparaturen: Schrauben eindrehen, eine Glühlampe wechseln, Kommunikationsfähigkeiten: Umgang mit Telefon, Umgang mit Geld und Geldautomaten, Übungen zu Punktschrift, Handschrift und Unterschrift, 9

Hilfsmittel: Kennenlernen und Gebrauch von individuell benötigten Hilfsmitteln Sonstige Aktivitäten zu Hause: Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, selbstständiges Bewegen in der Wohnung, Alle diese Handlungsabläufe müssen strukturiert, bewusst geplant und äußerst korrekt ausgeführt werden. Die Organisation des eigenen Tätigkeitsbereiches und die Kontrolle von Abläufen durch Tasten und Hören haben dabei einen sehr hohen Stellenwert. 10

Dafür ist unter Umständen auch eine gezielte Schulung zur bewussten Körperwahrnehmung und -steuerung erforderlich. Diese Basisfähigkeiten werden in den Schulungsinhalten integriert vermittelt. Das Schulungsprogramm wird individuell angepasst an die bereits vorhandenen Fähigkeiten, an die Anforderungen, denen der Teilnehmer im wirklichen Leben ausgesetzt ist, und an seine persönlichen Ziele zur Alltagsbewältigung. 11

Umgang mit Hilfsmitteln Aus der Vielzahl von sehbehinderten- und blindenspezifischen sprachgestützten, akustischen, tastbaren, optischen und adaptierten Hilfsmitteln werden die für den Teilnehmer notwendigen und geeigneten ausgewählt und der Gebrauch wird eingeübt. Häufig können auch normale Alltagsgegenstände angepasst werden. Sehbehinderte Teilnehmer lernen zusätzlich ihr Wohnumfeld und ihre jeweiligen Arbeitsplatzbedingungen durch verbesserte Kontraste und Lichtverhältnisse sowie Sehhilfen und andere Hilfsmittel zu optimieren. 12

Einsatz der verbleibenden Sinne In der LPF-Schulung werden auch die verbleibenden Sinne geschult, um Aufgaben des eingeschränkten oder fehlenden Sehsinns zu übernehmen. Zusätzlich zum Tastsinn können Gehör, Geruchs- und Geschmacksinn wichtige Informationen liefern. Aber auch die Tiefensensibilität spielt eine wichtige Rolle, sie umfasst die Eigenwahrnehmung des Körpers, z. B. Position im Raum, Position der Körperteile, Erkennen von Bewegungsrichtung und des erforderlichen Kraftaufwandes. Sehbehinderten Menschen werden Möglichkeiten aufgezeigt, das vorhandene Restsehvermögen optimal zu nutzen. 13

Wie lange dauert die Schulung? Der Stundenumfang einer LPF-Schulung, aber auch die Zeitspanne, in der die Schulungsstunden umgesetzt werden, hängt von der individuellen Situation des Teilnehmers ab. Sie kann am Stück oder in mehreren ein- oder mehrstündigen Schulungseinheiten stattfinden. Unter anderem haben folgende Faktoren auf den notwendigen Stundenumfang und die Dauer der Schulung Einfluss. Art der Seheinschränkung Die Schwere der Seheinschränkung beeinflusst maßgeblich die Gesamtdauer der Schulung. So ist für einige sehbehinderte Menschen die Optimierung des Wohnumfeldes oder der Arbeitsplatzbedingungen ausreichend. Andere wiederum benötigen spezielle Techniken und Handlungsstrategien für sehbehinderte und blinde Menschen, um bereits bekannte Handlungsabläufe auch ohne Kontrolle durch die Augen durchzuführen. 14

Geburtsblinde Menschen müssen in der Regel erst einmal komplette Bewegungsabläufe erlernen und Zusammenhänge ihres Handelns erfassen, also Ursache und Wirkung. Die Erfahrungen, die der Teilnehmer noch sehend oder nicht sehend gemacht hat und einbringt, spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Zusätzliche Behinderungen Kommt zur Blindheit oder Sehbehinderung eine zusätzliche geistige oder körperliche Behinderung oder die Einschränkung eines weiteren Sinnes hinzu, wie beispielsweise ein verminderter Tastsinn, können die Betroffenen die Einschränkung ihres Sehsinns wesentlich schwerer ausgleichen. Deshalb benötigen blinde und sehbehinderte Menschen mit einer weiteren Beeinträchtigung in der Regel eine besondere Schulung und damit auch eine deutlich höhere Stundenanzahl. 15

Alter der Teilnehmer Mit zunehmendem Alter wird es für Menschen schwerer, sich auf vollkommen neue Situationen einzustellen und neue Dinge zu lernen. Oft kommen weitere altersbedingte Erkrankungen hinzu. Teilnehmer im hohen Lebensalter benötigen deshalb in vielen Fällen mehr Schulungsstunden in Lebenspraktischen Fähigkeiten als jüngere Menschen. Auch Kinder benötigen deutlich mehr Schulungsstunden als erwachsene Teilnehmer im jungen und mittleren Lebensalter. Ihre körperliche, geistige und soziale Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Ihre Fähigkeiten sind in der Entwicklung und sie sammeln laufend neue Erfahrungen 16

für den Lebensalltag. Entsprechend müssen die Inhalte der Schulung ihrem Alter und Entwicklungsstand angepasst, anders aufbereitet und häufiger wiederholt werden. Das Erlernen und Verstehen von üblichen Alltags- und Kulturtechniken (z. B. Essen mit Messer und Gabel, Körperpflege, Ankleiden, Einsatz der Körpersprache) können sich insbesondere geburtsblinde Kinder nicht abgucken. Sie müssen zuerst die jeweiligen grob- und feinmotorischen Bewegungsabläufe erlernen und die Zusammenhänge zwischen ihrem Handeln und dem daraus folgenden Ergebnis begreifen. Nur so können sie komplexe Abläufe planen, durchführen und auch kontrollieren. 17

Persönliche Ziele und Motivation Während es für einen Schulungsteilnehmer ausreichend ist, in einem Teilbereich seines Lebensalltags unabhängig zu sein, möchte ein anderer mehrere oder alle Bereiche selbstständig bewältigen. Aufgrund dieser verschiedenen individuellen Voraussetzungen und Ziele werden der Umfang und die Dauer der LPF-Schulung vorab in einem persönlichen Beratungsgespräch ermittelt und die Schulung wird stets im Einzelunterricht durchgeführt. 18

Wer trägt die Kosten? Die Kosten für die LPF-Schulung können je nach individueller Situation von der Krankenkasse, dem Sozialhilfeträger, der Unfallversicherung, der Rentenversicherung oder der Kriegsopferversorgung übernommen werden. Für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse benötigen die Schulungsteilnehmer eine Verordnung vom Augenarzt, in der die Notwendigkeit der Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten mit medizinischer Diagnose bescheinigt wird. 19

Weitere DBSV-Publikationen Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) gibt eine Vielzahl weiterer Broschüren und Faltblätter heraus, u. a.: Ich sehe so, wie du nicht siehst Wie lebt man mit einer Sehbehinderung? Format DIN A4, 40 Seiten Damit Diabetes nicht ins Auge geht Format DIN A5, 28 Seiten Hilfsmittel für sehbehinderte Menschen Format DIN A4, 52 Seiten 20

Informationen zur Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) erhalten Sie direkt beim: Bundesverband der Rehabilitationslehrer/- lehrerinnen für Blinde und Sehbehinderte e. V. (Orientierung & Mobilität / Lebenspraktische Fähigkeiten) Tel.: 07000 2 66 27 38 www.rehalehrer.de info@rehalehrer.de referat-lpf@rehalehrer.de oder bei den Beratungsstellen der DBSV-Landesvereine. Ihre nächstgelegene Beratungsstelle erreichen Sie unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer: 01805 666 456 0,14 /Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 /Min. (Stand 12/2010)