THERAPIE DER AFFEKTIVEN ERKRANKUNGEN



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Transkript:

1 7. Vorlesung / nachgeholt am 29.4. 2002 / Thau THERAPIE DER AFFEKTIVEN ERKRANKUNGEN Affektive Erkrankungen = Langzeiterkrankungen -> Langzeitbehandlung erforderlich! Man unterscheidet: Akutbehandlung Erhaltungstherapie Rezidiv- / Phasenprophylaxe 1) medikamentös: vor allem in der Akutphase als Phasenprophylaxe und Rückfallprophylaxe (bei mehreren Phasen innerhalb von 5 Jahren als Suizidprophylaxe (10 15% der schweren depressiven Erkrankungen enden tödlich) [60% aller Suizide durch affektive Erkrankungen verursacht] 2) Psychotherapie: tiefenpsychologisch IPT (= interpersonelle Therapie von Clerman & Weisman) Verhaltenstherapie Familientherapie Angehörigenarbeit (vor allem auch bei manischen Phasen -> diese sind viel belastender für Partnerschaft; nach 2. manischer Phase geht üblicherweise die Partnerschaft zu Bruch) Behandlung : 3 Säulen 1) Akutbehandlung 2) Erhaltungstherapie: 3 6 Monate nach Symptomfreiheit 3) Rezidiv- / Phasenprophylaxe: = medizinische Langzeit-Einstellung, um neuerliches Auftreten von Krankheitsphasen zu verhindern. Erst dann, wenn mehrere Krankheitsphasen aufgetreten sind. Ausnahme = sehr schwere Krankheitsverläufe, Verläufe mit familiärer Belastung (hier Rezidivprophylaxe schon früher beginnen; z.b. bei familiärer Häufung von Depression schon nach der 1. Phase)

2 Behandlung (Reihenfolge): 1) Behandlung der organischen Grunderkrankung oder der Nebenwirkungen von Medikamenten, die der Patient wegen seiner organischen Erkrankung einnehmen muss. Zum Beispiel: Interferon gegen Hepatitis B -> Nebenwirkungen = schwere depressive Verstimmung Dysfunktion der Schilddrüse: Hyperthyreose (= Schilddrüsenüberfunktion) führt zu Angetriebenheit, ähnlich wie manische Symptome Hypothyreose (= Schilddrüsenunterfunktion) führt zu genereller Stoffwechselverlangsamung, es können auch depressive Verstimmungen dabei sein. 2) Antidepressiva (ab 50er Jahre; 1. trizyklisches Antidepressivum wurde entwickelt vom Schweizer Psychiater Kuhn) 3) Psychotherapie 4) EKT (= Elektrokonvulsionstherapie): bei schweren, therapieresistenten Depressionen Lichttherapie bei SAD (= Seasonal Affected Depression = Herbst- / Winterdepression); Appetit nimmt zu (vor allem nach Kohlehydraten); Lichttherapie ohne Medikament = hier 1. Wahl der Behandlung Schlafentzug-Therapie Depressive Phase geht auch ohne Behandlung zu Ende, ABER: Dauer bis zu 2 Jahren, Suizidgefahr, depressive Symptome = quälend und unerträglich, großes Leid für die Betroffenen normal response response (= Abnahme der Symptome um 50%) Depression Merke: Response ist nicht gleich Remission (bei Remission wird normale Stimmungslage wieder erreicht)

3 Zeitlicher Ablauf einer depressiven Phase: Remission Merke: a) b) c) a) 3 4 Monate Akutbehandlung (6 12 Wochen) b) 4 9 Monate continuation c) 1 oder mehrere Jahre Erhaltungstherapie Rückfall: wenn neuerliche Krankheitssymptome während der Behandlung auftreten (= Relapse) Treten Krankheitssymptome nach 4 9 Monaten auf, spricht man nicht von einem Rückfall, sondern von einer neuen Krankheitsphase (= Recurrence) Bei manchen Fällen hält depressive Verstimmung über einen langen Zeitraum kontinuierlich an = Dysthymie: KEIN Vollbild einer Depression Dauer 2 Jahre und mehr 1) Medikamentöse Therapie: a) Einnahme von Antidepressivum: nach 8 Wochen: 2/3 der Patienten sprechen darauf an (= Responder) 1/3 der Patienten spricht nicht darauf an (= Non-Responder) b) Einnahme von Placebo: nach 8 Wochen: 1/3 der Patienten spricht darauf an, zeigt nach Placeboeinnahme Verbesserung 2/3 der Patienten sind Non-Responder

4 c) nach Ende der depressiven Phase statt Medikament Einnahme von Placebo: ½ der Patienten erleidet Rückfall d) Im Jahr danach: überwiegender Teil der Patienten in ausgeglichener Stimmungslage 10% aber haben trotz Behandlung wieder depressive Phase. Monoamine Rezeptor Hypothese der Depression: Bei depressiver Verstimmung = weniger Noradrenalin / Serotonin vorhanden (auch weniger Dopamin). Postsynapse versucht diesen Mangel dadurch auszugleichen, dass Rezeptoren produziert werden (= Upregulierung); Fazit: in Postsynapse sind weit mehr Rezeptoren als normal, Antidepressivum kann daher nicht sofort Stimmungsaufhellung erreichen, weil es einige Zeit dauert, bis wieder mehr Neurotransmitter vorhanden sind. Nach ca. 14 21 Tagen kann man dann die Wirkung des Antidepressivums sehen: Auf Rezeptorebene nimmt die Rezeptorsensitivität ab (= Downregulation); die vorher vermehrte Anzahl von Rezeptoren wird wieder verringert MAOIs (= Monoamineoxidase-Inhibitoren) verhindern den Abbau der Neurotransmitter in der synaptischen Spalte, daher ist hier mehr Neurotransmitter vorhanden SSRIs (= selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren) verhindern die Wiederaufnahme in die Praesynapse. Antidepressiva (z.b. trizyklische Antidepressiva) wirken auf verschiedene Rezeptoren; auf je mehr sie wirken, umso stärker sind die Nebenwirkungen; d.h. Antidepressivum erzielt Wirkungen + Nebenwirkungen auf Rezeptoren, die nicht mit Stimmungsregulation in Verbindung stehen; z.b. auf Histamin- und Muskarin- Rezeptoren (Folge: Gewichtszunahme, Benommenheit, Mundtrockenheit, verschwommenes Sehen, usw.) man unterscheidet zwischen Antidepressiva, die auf 1 oder mehrere Neurotransmitter-Systeme wirken, z.b. serotonerg oder noradrenerg selektiv oder nicht selektiv. auf mehrere NT-Systeme wirkt z.b. Bupropion (= Cyban) -> wird auch als Entwöhnungsmittel bei Nikotin-Missbrauch eingesetzt noradrenerg selektiv wirkt z.b. Sibutramin (= Reductil) -> Antidepressivum, das aber auch sehr gut zum Abnehmen geeignet ist Zuerst Monotherapie (d.h. mit einem Medikament), wenn das nicht effektiv ist zusätzliche Medikation (z.b. Lithium, Schilddrüsenhormon, Beta-Blocker)

5 2) Biologische Verfahren: a) EKT (= Elektrokonvulsionstherapie) gegen therapieresistente depressive Verstimmung 4 9 Einzelbehandlungen im Abstand von 2 3 Tagen unilaterale Stimulation in Vollnarkose unter Muskelrelaxation Indikationen: depressiver Stupor wahnhafte Depression schwere, vital bedrohliche Depressionsformen b) Lichttherapie: Indikation: vor allem bei saisonbedingter Depression (= SAD) Bestrahlung mit 2.500 10.000 Lux Lampe Abstand von der Lichtquelle = 50 80cm (je nach Stärke der Lampe) Dauer der Einzelanwendung = 30 Minuten 2 Stunden (je nach Stärke der Lampe) Dauer bis zum Ansprechen auf die Therapie = ca. 1 Woche günstige Tageszeit für Behandlung = eher morgens Dauer der Therapie: vom Herbst bis Frühling nur mindestens 1X / Minute muss Licht von der Lampe auf die Netzhaut fallen (daher muss man nicht in die Lampe schauen, sondern kann sie auch als Beleuchtung bei anderen Tätigkeiten einsetzen) c) Schlafentzug Therapie: totaler Schlafentzug: Patient bleibt die ganze Nacht wach, geht erst am Abend des nächsten Tages wieder schlafen partieller Schlafentzug: Patient wird nach der ersten Nachthälfte um 1 Uhr früh geweckt (d.h. er ist die 2. Nachthälfte wach) und geht erst am Abend des nächsten Tages wieder schlafen, d.h. 18 Stunden wach. Wichtig dabei: Patient darf NICHT einnicken, sonst keine Wirkung! Beides hat eine gute antidepressive Wirkung Depression = Langzeiterkrankung; hohes Risiko für Wiederauftreten einer Krankheitsphase. Daher Rückfallprophylaxe bei mindestens 2 Phasen pro Jahr oder 3 4 Krankheitsphasen insgesamt

6 Rezidivprophylaxe Standardbehandlung: Lithium: Salz, seit 50 Jahren untersucht; ist vor allem bei klassischer bipolarer Erkrankung die Methode erster Wahl Carbamazepin: = Medikament gegen Epilepsie in Neurologie; ist gut geeignet, wenn jemand auf Lithium nicht anspricht, intolerable Lithium-Nebenwirkungen hat Alternativen: Valproat: bei bipolarer Störung, wo dysphorische Gereiztheit im Vordergrund steht; wird auch eingesetzt bei Manie Lithium Carbamazepin Kombination L Thyroxin hochdosiert