Einführung. Vielfalt statt Einfalt Berufsfeld Public Relations. Ralf Laumer und Renée Hansen



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Transkript:

Einführung Vielfalt statt Einfalt Berufsfeld Public Relations Ralf Laumer und Renée Hansen Warum ein Lesebuch? Einen erschöpfenden Überblick über die verschiedenen Ausprägungen des Berufsfeldes Public Relations zu versuchen, wäre vermessen. Denn unser Beruf kommt in vielen Variationen daher. Auch wenn es schon so etwas wie eine Schnittmenge der Aufgaben und des Selbstverständnisses von PR-Schaffenden gibt ein verbindliches spezifisches Leistungsmonopol von Public Relations, wie die Wissenschaftler es nennen würden, gibt es nicht. Kommunizieren kann schließlich jeder, so die landläufige Meinung. Und die Privilegien, wer für wen welche Sprachregelungen, Images und Texte erstellen darf, sind in jeder Firma, jedem Verband, jeder NGO und jeder staatlichen Institution etwas anders verteilt. Aber nicht nur Jobbeschreibung und Arbeitsalltag von PR-Leuten unterscheiden sich je nach Arbeitgeber oder Auftraggeber. Auch die Berufsbezeichnung variiert je nach Unternehmenskultur, Agenturherkunft oder Organisationsgrad. Ein Blick in die Stellenanzeigen spricht Bände. Da stehen Pressesprecher neben Leitern Kommunikation und Marketing, Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, PR-Berater oder Vice Presidents Public Affairs. Unser erster Rat ist, zu schauen, was sich hinter all den schillernden Titeln und Posten verbirgt, bevor man die Bewerbung losschickt oder sich auf den nächstbesten Karrierepfad begibt. Nach wie vor gibt es keine einheitliche oder gar gesetzlich abgesicherte Berufsbezeichnung für alle die vielen Menschen, die ihr Geld damit verdienen, Public Relations im Auftrag ihrer Unternehmen, Verbände oder Kunden zu betreiben. Jeder kann sich einfach»pr-berater«nennen. Auch finden sich PR-Leute nicht an einer spezifischen Position im Unternehmen oder der Organisation. PR-Verantwortliche gibt es in den Marketingabteilungen, als eigene Abteilung PR oder Unternehmenskommunikation oder als Stabsstelle mit direkter Anbindung an die Geschäftsführung, Leitung oder Vorstand. Kollegen der internen PR sind manchmal Teil der Personal- 9

abteilung, in der externen PR gehört man dann zum Vertrieb. Nicht immer wird das, was faktisch in Organisationen an Kommunikationsleistungen erbracht wird, als»public Relations«bezeichnet. Umgekehrt ist das, was als Public Relations bezeichnet wird, manchmal mehr Marketing, Werbung oder Verkaufsförderung. Die Grenzen von PR zu den Nachbardisziplinen sind also in der Praxis fließend. Auch wenn seit Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von Wissenschaftlern, Praktikern und Verbandspolitikern stetig an der Schärfung des Berufsfeldes und seiner Kernaufgaben gefeilt wird. Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) hat dazu ihr Berufsbild formuliert, das man auf der Website nachlesen kann. Weil sich die Realität in Unternehmen, Institutionen aber nicht an schön formulierte Theorien hält, haben wir gar nicht erst versucht, eine vollständige Sammlung von Aufsätzen zu unterschiedlichen Einsatzfeldern von PR- Schaffenden zusammen zu stellen. Wir haben Autoren danach ausgewählt, ob sie eine interessante Geschichte von ihrer eigenen beruflichen Laufbahn erzählen können und haben uns bemüht, Beispiele aus ganz unterschiedlichen Branchen zusammenzutragen, die eine Idee von der großen Bandbreite des Berufsfeldes Public Relations geben können. Das dies eine subjektive Auswahl sein muss, versteht sich von selbst. Wir haben Verbandsvertreter, Politiker, Finanzkommunikatoren, Health-Care-Spezialisten, Agentur-Berater, Kulturkommunikatoren, PR-Referenten aus Unternehmen und von Institutionen, Öffentlichkeitsarbeiter aus Verlagen, ehemalige Journalisten, Geisteswissenschaftler und kreative Köpfe gebeten, uns und Ihnen, unseren Lesern, zu erzählen, wie sie zur PR gekommen sind, was das Besondere an ihrem Job ist, wie der Alltag aussieht und warum sie ihren Beruf einfach gern ausüben. Talente: Wer sind die PR-Arbeiter? Glaubt man dem Bild, das sich hartnäckig in deutschen Frauenzeitschriften hält, dann sind PR-Menschen sehr jung, weiblich, arbeiten für schicke Modemarken, treffen täglich Promis und organisieren glamouröse Events. Liest man hingegen deutsche Nachrichtenmagazine, dann sind PR-Menschen ältere männliche Exemplare, die in Hinterzimmern mit wichtigen Wirtschaftsbossen und Politikern Strippen ziehen, teure handgenähte Schuhe tragen, große dunkle Limousinen fahren und viel Geld verdienen. Fragt man Journalisten, dann sind PR-Leute wie lästige Fliegen, die dauernd irgendwelche sinnlosen telefonischen Nachfassaktionen starten und 10

Werbetexte als Pressemitteilungen deklarieren. Fragt man Marketing-Leute in Unternehmen, dann sind PR-Kollegen die, die alles ein bisschen billiger und»below-the-line«machen und nach der Pfeife der Werbung zu tanzen haben. Alles nicht besonders attraktiv, oder? Auf jeden Fall sind das alles Klischees. Wie immer steckt auch in diesen Klischees ein kleines Fünkchen Wahrheit. Aber eben nur ein kleines. Fangen wir vorn an. In allen Befragungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, war klar erkennbar, dass Frauen den größeren Teil der Beschäftigten in PR-Berufen ausmachen. 1 In Agenturen arbeiten Frauen sogar häufiger als Männer. Allerdings sinkt der Anteil der Frauen deutlich, wenn man sich die Geschlechterverteilung in Führungsfunktionen anschaut. Hier ist die Situation ähnlich wie in vielen anderen Managementberufen. Frauen besetzen und gestalten die Mitte der Hierarchien in Unternehmen, an der Spitze findet man sie seltener auch in Berufen, in denen sie die Mehrheit der Beschäftigten darstellen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Agentur-Frauen in Führungspositionen häufig ihre eigene Agentur gegründet haben, und dann wiederum entsprechend oft Frauen einstellen. Ein entspanntes Geschlechterverhältnis sieht anders aus. Aber die Autoren hoffen, dass sich das leidige Thema Chancengleichheit in der Beförderungspolitik und Personalentwicklung in Unternehmen und Agenturen in den nächsten PR-Generationen endlich auch einmal von selbst erledigt. Die zitierte Untersuchung zeigt auch: Je jünger, desto höher ist der Anteil der Frauen. Knapp Dreiviertel der Befragten bis 25 Jahre sind weiblich. Je älter, desto männlicher wird die PR-Welt. Auch wenn es um strategische Beratung und Management von Kommunikation geht, dominieren die Männer. Und sie verdienen dementsprechend auch mehr in höheren Positionen. Handgenähte Schuhe werden zwar die Ausnahme bleiben, aber die Verdienstmöglichkeiten sind mit wachsender Verantwortung in entsprechenden PR-Positionen gar nicht schlecht. Spitzengehälter werden interessanterweise eher in Agenturen als in Unternehmen gezahlt. Einstiegsgehälter in die PR kann man hervorragend in der jährlich aktualisierten Honorar- und Gehaltsumfrage der DPRG nachschlagen. 2 Volontariats- oder Traineegehälter sind nicht üppig, variieren aber stark nach Branchen, Größe des Arbeitgebers oder geografischer Lage. In den ersten Berufsjahren sind ordentliche Gehaltssprünge nicht ungewöhnlich. Leider ist es in der PR immer noch oft so, dass diejenigen die größten Zugewinne machen können, die den Arbeitsgeber häufiger wechseln, aber so 11

manche Agentur und so manches Unternehmen hat erkannt, dass es wichtig ist, die eigenen Talente nicht nur auszubilden, sondern auch zu behalten und weiter zu fördern. Zukunftsberuf: Kommunikation schafft Werte Wo der PR-Beruf in Deutschland seine Wurzeln hat, lässt sich gut nachvollziehen. In den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts fing alles mit denen an, die für Unternehmen bei der wachsenden Schar der Medien, die damals in erster Linie noch Zeitungen waren, für enge Kontakte sorgten. Diese Repräsentanten der Wirtschaft haben bis in die Politik hinein ihre Fäden gezogen. Es kam der Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg. Nach Kriegsende mussten sich Wirtschaft wie Politik einem Neubeginn unterziehen. Mit dem beginnenden Wirtschaftswunder entstand erneut Bedarf nach Vermittlung zwischen Unternehmen, Institutionen und den Öffentlichkeiten der noch jungen deutschen Demokratie.»Öffentlichkeitsarbeit«nannte der Pionier Professor Albert Oeckl denn auch die deutsche PR. Es bildeten sich erste Strukturen einer PR-Ökonomie, aber insgesamt war es noch ein kleiner überschaubarer Stand mit einigen hundert Berufstätigen, der sich in den 1950er und 60er Jahren etablierte. Mit den 70er Jahren rückte die gesellschaftliche Dimension der Öffentlichkeitsarbeit, die sich nun nach amerikanischem Vorbild auch hierzulande»public Relations«nannte, in den Vordergrund. In den 80er und 90er Jahren haben sich Public Relations zunehmend in der Wirtschafts- und Politikkommunikation etabliert und auch große wirtschaftliche Früchte getragen. Arbeitsfelder wie Public Affairs, Corporate Social Responsibility und Integrierte Kommunikation haben sich herausgebildet. Neue Medien, neue Instrumente, neue Kommunikationstechniken haben zu Spezialisierung, Professionalisierung und Differenzierung geführt. Den PR-Mann oder DIE PR-Frau gibt es heute nicht. Allerdings gibt es Referenten und Berater, die sich eher als Generalisten im Sinne eines strategischen PR-Managers und Problemlösers verstehen und diejenigen, die sich eher als Fachleute für ein bestimmtes Arbeitsfeld oder Spezialisten für bestimmte Kommunikationsinstrumente begreifen. Das Spektrum ist breit und wird sich sicherlich noch deutlich weiterentwickeln. Die Wirklichkeit in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gibt den Takt vor und Kommunikatoren entwickeln sich entlang der praktischen Notwendigkeiten entsprechend mit. Der Wissenschaft kommt die Aufgabe 12

zu, diese Veränderungen im Berufsfeld aufmerksam mitzuverfolgen und Prognosen darüber abzugeben, wohin die Reise gehen mag. Den Berufsstand neu positionieren oder das Berufsbild gestalten das können aber nur diejenigen, die in der Praxis stehen. Die PR-Schaffenden selbst. Letztlich sind wir in erster Linie schlicht Dienstleister in Sachen Kommunikation. Wie können wir also diese Dienstleistung nun einordnen? Welchen Stellenwert hat sie vor allem im Wirtschaftsleben? Seit Mitte der 80er Jahre setzen Wissenschaftler und Praktiker einiges daran, den Wert dieser Dienstleistung in messbare Parameter zu übersetzen. Gute Unternehmenskommunikation, gute Marketingkommunikation, gute interne Kommunikation sind nicht nur»schmiermittel«. Spätestens dann, wenn Fehler im Management oder beim Erstellen von Produkten und Dienstleistungen zur Kommunikationskrise werden, wird klar, dass schlechte Kommunikation im große Ausmaß wirtschaftliche Werte vernichten kann. Wenn Managern fehlerhaftes Verhalten vorgeworfen wird, ist ein Teil davon durchaus fehlerhaftes kommunikatives Verhalten. Umgekehrt kann das richtige kommunikative Verhalten Schaden vom Unternehmen, von der Organisation abwenden. Das Ei des Kolumbus ist in dieser Wertbemessung von»guter«kommunikation noch nicht gefunden. Aber es gibt viele gute Ansätze und Teillösungen, die in einzelnen Organisationen angewendet werden, um den Erfolg von Kommunikation und Public Relations zu legitimieren. Ausbildung: Meister fallen nicht vom Himmel Um gleich mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: PR ist kein»begabungsberuf«. Gut reden können ist sicherlich von Vorteil, auch das Beherrschen der gängigen Rechtschreibregeln schadet nicht, es reicht aber bei weitem nicht aus, um mit Engagement und Freude ein ganzes Berufsleben lang in der PR erfolgreich zu sein. Zunächst stellt sich die Frage nach der Erstausbildung in einem Arbeitsfeld, das keinen geregelten Zugang zum PR-Beruf bietet. Ein Studium ist mittlerweile fast schon obligatorisch. Die Zahl derer, die zum Beispiel mit einer kaufmännischen Ausbildung über verschiedene Stationen im Unternehmen zufällig in der PR landen, nimmt stetig ab und liegt mittlerweile bei etwa einem Viertel. Aber auch diese Wege gibt es noch. Am häufigsten trifft man sie noch in mittelständischen Unternehmen und Organisationen an, wo die Assistentin oder Sekretärin aus der Geschäftsführung oder Vertriebs- und Marketingmitarbeiter hausintern in die PR wechseln meist ohne eine besondere Ausbildung 13

gemacht zu haben, sondern weil ihre Vorgesetzten ihnen zutrauen, diesen Job zu bewältigen oder sie selbst für sich eine Chance zur beruflichen Weiterentwicklung sehen. Weil sie starke Vermittler sind, weil sie»ganz gut«schreiben können, weil sie Lust auf den PR-Job haben oder weil es sich schlicht so ergeben hat. Ebenfalls interessant ist die Zahl ehemaliger Journalisten. Seit Jahren halten sich die Werte konstant bei etwa einem Viertel der PR-Leute. Die nach wie vor große Bedeutung von Medienarbeit im PR-Instrumentarium ist ganz sicherlich ein Grund für den hohen Anteil von ausgebildeten Journalisten unter den PR-Leuten. Aber auch die Tatsache, dass sich viele gute Journalisten in den vergangenen Jahren nach einer sichereren Jobalternative umgesehen haben, mag dazu geführt haben, dass immer wieder die Schreibtischseite gewechselt wurde. Der weitaus größte Teil der aktiven und neu einsteigenden PR-Leute hat eine universitäre Erstausbildung. Jüngere Untersuchungen wie der Band»Public Relations in Deutschland«von 2009 3 zeigen deutlich, dass vor allem wirtschaftswissenschaftliche Abschlüsse eine gute Grundlage für eine spätere Tätigkeit als PR-Berater in der Agentur oder als Unternehmenssprecher und Pressereferent im Verband sind. Nach wie vor finden auch Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler in den PR-Beruf allerdings sind sie vor allem in Unternehmen längst nicht so stark vertreten wie ihre Kollegen aus der Ökonomie. Kommunikationswissenschaftler und studierte Journalisten finden sich ebenfalls, allerdings noch in kleiner Zahl und eher in Agenturen. Ihr Anteil steigt derzeit nicht über 6 Prozent, was sicherlich auch daran liegen mag, dass sich einschlägige Studiengänge erst seit Ende der 90er Jahre etabliert haben. PR-Ausbildung hat in Deutschland zwar eine 40-jährige Tradition das Deutsche Institut wurde 1971 von der berufsständischen Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) gegründet sie ist aber keine Selbstverständlichkeit. Die Studie von Szyszka, Schütte und Urbahn zeigt, dass sich rund die Hälfte der derzeitigen PR-Schaffenden das notwendige Fachwissen über»learning by Doing«angeeignet haben. Ein mühsames und durchaus nicht unproblematisches Verfahren, ist doch gutes Handwerkszeug und entsprechendes Managementwissen für die Professionalisierung von PR und Kommunikation unverzichtbar. Niemand würde einen Ingenieur einstellen, der keine entsprechende Fachausbildung hat, oder seine Gesundheit einem Arzt ohne Medizinstudium anvertrauen. Schauen wir uns also die 14

andere Hälfte der PR-Schaffenden an, diejenigen, die ihre Erstausbildung mit einer PR-fachlichen Weiterbildung ergänzen, um entsprechendes Fachwissen zu erwerben. Derzeit gibt es drei gängige Formen von Weiterbildungsangeboten: Vollzeitausbildungen Fernstudiengänge Berufsbegleitende Angebote vom halbtägigen Seminar bis zum zehntägigen Training Alle drei Varianten haben ihre Vorzüge. Es kommt letztlich auf die Situation und die Fortbildungsbedürfnisse jedes Einzelnen an, um zu entscheiden, welche Form der Weiterbildung angebracht ist. Im Serviceteil dieses Buches haben wir eine Auswahl von empfehlenswerten Anbietern aller drei Varianten aufgenommen. Wichtig an dieser Stelle ist es zu sagen, wie wichtig systematische Aus- und Weiterbildung in einem Beruf ist, für den es eben kein geregeltes Ausbildungscuricullum oder eine geschützte Berufsbezeichnung gibt. Dem Vorwurf, dass PR keine Profession sei und schließlich jeder kommunizieren könne, kann nur begegnet werden, wenn PR-Schaffende kompetente, fachlich einwandfreie Arbeit leisten und ihren Wert jeden Tag aufs Neue unter Beweis stellen. Der Journalist, der die Schreibtischseite wechselt, beherrscht zwar sein journalistisches Handwerkszeug, kennt redaktionelle Strukturen und hat sein Netzwerk, aber er muss eine neue Rolle und Perspektive einnehmen, die anderes Verständnis für Organisationen sowie andere Arbeitsweisen und -techniken erfordern. Die Vertrieblerin, die ein Ass im Verkauf ist und mit allen diesbezüglichen Techniken und Methoden bestens vertraut ist, muss sich mit dem Wechsel in die PR nun nicht mehr nur mit Absatz-, sondern eben auch mit Meinungsmärkten auseinandersetzen. Umgekehrt braucht die Presseprecherin einen Crash-Kurs in Sachen Marketing, wenn sie nun die Gesamtkommunikation im Unternehmen verantworten soll. Der Agentur-Berater, der bisher seine Kunden bei der externen Kommunikation unterstützt hat, muss mit dem Wechsel ins Unternehmen nun auch interne Kommunikationsaufgaben übernehmen und braucht hierfür entsprechendes Fachwissen. Die Mutter, die nach der Familienpause wieder einsteigt, findet in Seminaren Austausch und Anschluss an aktuelle Entwicklungen. Auch die ständige Weiterentwicklung von Kanälen und Techniken 15

macht Fortbildung notwendig. Mit Verbreitung der Social Networks schießen entsprechende Weiterbildungsangebote sowohl für das technische Handling wie für die kommunikative Nutzung wie Pilze aus dem Boden. Umgekehrt ist die Frage, welchen Veränderungen klassische Medienarbeit mit zunehmender digitaler Kommunikation unterworfen ist, eine Frage, der sich PR-Leute nicht nur nebenbei widmen können, sondern wo es den moderierten Austausch unter Kollegen braucht. Junge Betriebswirte und Geisteswissenschaftler, die in der PR ihre Zukunft sehen, investieren in 18-monatige Fernstudiengänge, die ihnen ein umfangreiches Rüstzeug für den Einstieg oder für ihr berufliches Fortkommen sichern. Trainees und Volontäre werden von ihren Arbeitgebern im Rahmen ihrer Ausbildung zu Kompaktseminaren geschickt, die ihnen das Grundwissen vermitteln, wofür»on-the-job«nie ausreichend Zeit und Gelegenheit bleibt. Unser Credo lautet folglich: PR braucht Bildung. Und zwar nicht nur einmal zu Beginn des Arbeitslebens als»wissensinfusion«, sondern immer wieder, wenn Arbeitgeber, Auftraggeber oder gesellschaftliche Veränderungen es notwendig machen. Das Postulat vom lebenslangen Lernen gilt für Wissensarbeiter wie PR-Schaffende in ganz besonderem Maße. Es lohnt sich letztlich, etwas für die eigene Professionalisierung zu tun. Wer das nicht tut, läuft Gefahr irgendwann von Entwicklungen überrollt zu werden. Anmerkungen 1 Szyszka/Schütte/Urbahn, Public Relations in Deutschland, 2009, S. 271 2 DPRG Honorar- und Trendbarometer 3 Szyszka/Schütte/Urbahn, a.a.o., S. 257 16