6. Gipfel der EVP-EDFraktionsvorsitzenden



Ähnliche Dokumente
ÜBER DIE ROLLE DER NATIONALEN PARLAMENTE IN DER EUROPÄISCHEN UNION

ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Nicht über uns ohne uns

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Migration

Die Europäische Union

1. Weniger Steuern zahlen

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Mitteilung der Kommission. Muster für eine Erklärung über die zur Einstufung als KMU erforderlichen Angaben (2003/C 118/03)

Alle gehören dazu. Vorwort

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Gemeinsam können die Länder der EU mehr erreichen


Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Behindert ist, wer behindert wird

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Amtsblatt der Europäischen Union L 226/3

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Statuten in leichter Sprache

Vorschlag für eine DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG DES RATES

Kommuniqué der 14. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen

zum Bericht des Senats nach fünf Jahren Dr. Klaus von Dohnanyi beschäftigt und beunruhigt. Einiges war hervorragend, anders

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

16498/14 ds/gha/mh 1 DG G 2B

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

2.. 4 C D 21...

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Pflegende Angehörige Online Ihre Plattform im Internet

1. Fabrikatshändlerkongress. Schlussworte Robert Rademacher

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Impulse Inklusion 2014 Beteiligungskulturen - Netzwerke - Kooperationen (Leichte Sprache Version)

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky

Die Gesellschaftsformen

Gemeinsame Erklärung zur inter-kulturellen Öffnung und zur kultur-sensiblen Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung und Migrations-Hintergrund.

Fremdsprachen. 1. Untersuchungsziel

Dieser PDF-Report kann und darf unverändert weitergegeben werden.

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Was ist Leichte Sprache?

Das Leitbild vom Verein WIR

Robert Schuman. Schuman-Plan. Erklärung der französischen Regierung über eine gemeinsame deutsch-französische Schwerindustrie. Paris, 09.

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

a) Bis zu welchem Datum müssen sie spätestens ihre jetzigen Wohnungen gekündigt haben, wenn sie selber keine Nachmieter suchen wollen?

Um Ihre Ziele durchzusetzen! Um Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen! Um in Begegnungen mit anderen Ihre Selbstachtung zu wahren!

Deine Meinung ist wichtig. Informationen für Kinder und Jugendliche zur Anhörung

Gesetzesänderungen «Nominee», Entwurf

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Satzung. der. Industriemeistervereinigung. Würzburg e.v.

S P E C T R A K T U E L L FREIE WAHL DER KRANKENVERSICHERUNG: SORGENVOLLER BLICK IN DIE ZUKUNFT 8/00. I:\PR-ARTIK\Aktuell00\08\Krank_neu.

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

DIE EUROPÄER UND DIE SPRACHEN

Weltweite Wanderschaft

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Angenommen am 14. April 2005

BUCHHALTUNG BUCHFÜHRUNG WO IST ER EIGENTLICH? - DER UNTERSCHIED?

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Mediationsordnung des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. (MedO) in der Fassung vom

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Arbeitsprogramm

Statuten des Vereins guild42.ch

Schriftliche Opfererklärung und Rederecht

PUBLIC LIMITE DE RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 4. Mai 2007 (25.05) (OR. en) 8935/1/07 REV 1. Interinstitutionelles Dossier: 2005/0261(COD)

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

PUBLIC RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 20. Dezember 2006 (04.01) (OR. en) 15464/06 LIMITE JUSTCIV 250 EF 57 ECOFIN 415

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Rede im Deutschen Bundestag. Zum Mindestlohn. Gehalten am zu TOP 17 Mindestlohn

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

Was wir gut und wichtig finden

Keine Grundlage für erweiterte Speicherung von Handy- und Internetdaten

Darum geht es in diesem Heft

Achten Sie auf Spaß: es handelt sich dabei um wissenschaftliche Daten

Was sind Jahres- und Zielvereinbarungsgespräche?

Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Verständnisfragen. Was bedeutet Mediation für Sie?

Tennis-Gesellschaft Ebingen 1929 e.v. Satzung

Gutes Leben was ist das?

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

der die und in den von zu das mit sich des auf für ist im dem nicht ein eine als auch es an werden aus er hat daß sie nach wird bei

Unterrichtung. Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode. Drucksache 8/157. durch die Bundesregierung

Inkrafttreten des Abfallübereinkommens. Gemeinsame Erklärungen vom 21. September 2007 und 1. November 2007 zu dem Abfallübereinkommen

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Ideen für die Zukunft haben.

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) Nr.../.. DER KOMMISSION. vom

Papa - was ist American Dream?

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

Projektmanagement. Einleitung. Beginn. Was ist Projektmanagement? In dieser Dokumentation erfahren Sie Folgendes:

SATZUNG DER BERLIN HYP AG

Transkript:

Interne Veröffentlichungen 6. Gipfel der EVP-EDFraktionsvorsitzenden Brüssel, 18. September 2006 EVP-ED Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten im Europäischen Parlament DE

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Liebe Leser und Leserinnen, die Broschüre, die sich im Anhang befi ndet, präsentiert eine Zusammenfassung der Reden, die während der 6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-Fraktion am 18. September 2006 in Brüssel vorgetragen worden sind. Die originale Version der Zusammenfassung, die Französisch war, wurde während der Versammlung auf der Basis der französischen Interpretation, aufgezeichnet. Die Zusammenfassung wurde dann zum Übersetzungsdienst des Europäischen Parlaments geschickt und wurde in Englisch und Deutsch übersetzt. Die übersetzten Versionen wurden später noch einmal überprüft, bevor sie als Broschüre gedruckt worden sind. Dies erklärt die lange Verspätung zwischen dem Datum der Versammlung und dem der Veröffentlichung der Broschüre. Christine DETOURBET 3

4

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 PROGRAMM Eröffnungsansprache von : Hans-Gert PÖTTERING MdEP, Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, Jyri HÄKÄMIES, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im Finnischen Parlament DIE PARLAMENTARISCHE DIMENSION DER EUROPÄISCHEN UNION SUBSIDIARITÄT UND PROPORTIONALITÄT: DIE ROLLE DER PARLAMENTE Einführung: Alexander STUBB, MdEP, Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen Luc Van den BRANDE, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europarat und Vizepräsident des Ausschusses der Regionen Edward McMILLAN-SCOTT MdEP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, zuständig für Beziehungen zu den nationalen Parlamenten Redebeiträge der Fraktionsvorsitzenden und Debatte Zusamenfassung: Alain LAMASSOURE MdEP, Autor des Berichts Die Kompetenzabgrenzung Europäische Union - Mitgliedstaaten DIE EUROPÄISCHE STRATEGIE FÜR EINE SICHERE, WETTBEWERBSFÄHIGE UND NACHHALTIGE ENERGIEVERSORGUNG IN DER EU Einleitung: Vito BONSIGNORE MdEP, Stellvertretender Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion, zuständig für die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten, Jyri HÄKÄMIES, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im Finnischen Parlament Präsentation durch Giles CHICHESTER MdEP, Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie im Europäischen Parlament Andris PIEBALGS, Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für Energie Ville ITÄLÄ MdEP, Stellvertretender Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion Redebeiträge der nationalen Fraktionsvorsitzenden und Debatte Zusammenfassung: Struan STEVENSON MdEP, Stellvertretender Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion, Vorsitzender des Arbeitskreises B Zusammenfassung der Ergebnisse des 6. Gipfeltreffens der EVP-ED-Fraktionsvorsitzenden - EU-25 durch: Hans-Gert PÖTTERING MdEP, Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament 5

6

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Ha n s - G e r t P Ö T T E R I N G (MdEP, EVP-ED, DE), Vorsitzender der EVP-ED- Fraktion im Europäischen Parlament, eröffnet das 6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der europäischen und nationalen Parlamentsfraktionen der politischen Familie der EVP-ED und begrüßt den Ko-Vorsitzenden der Tagung, Jyri HÄKÄMIES, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im finnischen Parlament. Der Vorstand der EVP-ED-Fraktion besuchte am 31. August d. J. Helsinki zu einem Treffen mit Matti VANHANEN, Präsident des Europäischen Rates und finnischer Ministerpräsident, Paula LEHTOMÄKI, finnische Ministerin für Europaangelegenheiten, und Erkki TUOMIOJA, finnischer Außenminister. Es fanden auch Treffen mit Jyrki KATAINEN, Vorsitzender der Kokoomus-(Sammlungs-)Partei und stellvertretender Vorsitzenden der EVP, sowie mit Jari VILEN, Präsident des Großen Rates der finnischen Eduskunta (Parlament), statt. Es liege im Interesse Europas, erklärt H.-G. PÖTTERING, dass die finnische von rechts: Hans-Gert Pöttering MdEP (Deutschland), Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im EP, und Jyri Häkämies, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im fi nnischen Parlament ERÖFFNUNGANSPRACHE Wir bauen an einem gemeinsamen Europa, und wir müssen darauf achten, dass dieses Europa vorankommt. EU-Präsidentschaft erfolgreich verlaufe, und deshalb erhalte sie die volle Unterstützung der EVP-ED-Fraktion, die diese sehr nützlichen Gespräche fortsetzen möchte. Auf diesem 6. Gipfeltreffen der Fraktionsvorsitzenden gehe es um wichtige Themen, und zwar um die parlamentarische Dimension der EU, die europäische Strategie für eine sichere, wettbewerbsfähige und dauerhafte Energieversorgung in der Europäischen Union und die Terrorismusbekämpfung. Im Namen der EVP-ED-Fraktion weist H.-G. PÖTTERING auf zwei aktuelle Fragen hin: Der EU, insbesondere der Kommission, werde manchmal zu Recht, zuweilen zu Unrecht ein Übermaß an Bürokratie vorgeworfen. Im Bereich der Wirtschaft vertrete die EVP-ED-Fraktion die Auffassung, dass ein legislativer Text von der Kommission erst dann vorgelegt werden dürfe, wenn diese neue europäische R e c h t s v o r s c h r i f t darauf abziele, die Wettbewerbsfähigkeit der EU durch die Verringerung der Kosten und der Bürokratie zu verbessern und sie unter voller vorheriger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips geboten sei. Auf diese Rechtsvorschrift müsse also verzichtet werden, wenn sie in die nationalen Zuständigkeiten eingreife. Insgesamt gesehen beachte die Kommission diese Maßgabe, wenn auch häufig auf dem linken Flügel des Europäischen Parlaments Stimmen laut würden, die ihr zum Vorwurf machten, sich nicht genügend eingesetzt zu haben oder nicht genügend Rechtsvorschriften auszuarbeiten. Die Bilanz sei also alles in allem positiv: Es gebe kein Zuviel bei der Gesetzgebungsarbeit und die Rechtsvorschriften würden im Allgemeinen im Einvernehmen zwischen Parlament und Ministerrat verabschiedet. 7

Ein weiteres wichtiges Thema sei die Frage, was aus dem Verfassungsvertrag werde. H.-G. PÖTTERING wendet sich an Margie SUDRE, die Leiterin der französischen Delegation in der EVP- ED-Fraktion, und an Jean FRANCOIS- PONCET und spricht sie auf die bedeutsame Rede an, die der Vorsitzende der UMP, Nicolas SARKOZY, zu diesem Thema am 8. September in Brüssel gehalten habe. Man müsse, fügt er hinzu, eine gemeinsame Stimme finden, um darauf zu achten, dass der wesentliche Inhalt des Verfassungsvertrags Wirklichkeit werde. Der EVP-Teil der EVP-ED-Fraktion halte es für wesentlich, dass die Prinzipien des Verfassungsvertrages Eingang in die rechtliche und politische Wirklichkeit der Europäischen Union fänden. Heute Nachmittag werde der Vorstand der EVP darüber diskutieren, und H.-G. PÖTTERING hebt die dringende Notwendigkeit hervor, zu einer gemeinsamen Lösung für die Zukunft Europas und für eine demokratischere, wirksamere und transparentere Europäische Union zu gelangen. H.-G. PÖTTERING betont die stetig gewachsene Notwendigkeit, innerhalb der EVP-ED-Familie zwischen der europäischen und der nationalen Ebene enge Kontakte zu pflegen. Haben wir keine Angst, Kontakt aufzunehmen, erklärt er. Wir bauen an einem gemeinsamen Europa, und wir müssen darauf achten, dass dieses Europa vorankommt. In diesem Sinne kündigt er die Initiative zu einer interparlamentarischen Konferenz in Rom anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung des Vertrags von Rom im März 2007 an, die auf einen Vorschlag des stellvertretenden Vorsitzenden der EVP-ED-Fraktion, Vito BONSIGNORE, zurückgeht. Dieses parlamentarische Treffen, zu dem sich nationale Abgeordnete und Mitglieder des Europäischen Parlaments zusammenfinden würden, wäre eine Entsprechung zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, das aus diesem Anlass in Anwesenheit der Präsidenten des Europäischen Parlaments und der Kommission am 25. März 2007 in Berlin stattfindet. H.-G. PÖTTERING beglückwünscht von ganzem Herzen die Schweden zu dem hervorragenden Wahlsieg, den sie bei den letzten Parlamentswahlen über die sozialdemokratische Koalition davongetragen haben, die nach zwölf Jahren an der Macht nun aus dem Amt scheidet. Dieser Sieg der schwedischen Mitte-Rechts-Opposition mache die enttäuschenden Ergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen in Deutschland in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wett. Wir sind eine Parteienfamilie, erklärt er, wenn jemand in unserer Familie gewinnt, freuen wir uns alle darüber. Und wenn von Zeit zu Zeit in dem einen oder anderen Land die Urnengänge ungünstig für uns ausfallen, bleiben wir solidarisch und erhalten die Bande der Freundschaft, einer Freundschaft, die ihren wahren Wert in mageren Zeiten erweist. Jyri HÄKÄMIES, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im finnischen Parlament, leitet diese Tagung mit einem Glückwunsch zu dem historischen Sieg ein, den die Kräfte der Allianz, zu der sich die vier schwedischen Oppositionsparteien zusammengeschlossen haben die gemäßigte Sammlungspartei (M), die Volkspartei - Die Liberalen (FpL), die Christdemokratische Partei (KD) und die Zentrumspartei (C) -, bei den Parlamentswahlen am 17. September in Schweden errungen haben. Der Vorsitzende der gemäßigten Sammlungspartei, Fredrik Reinfeldt, werde in einigen Tagen als jüngster Ministerpräsident, den Schweden je hatte, sein Amt antreten. Dies sei nicht nur für Europa und die EVP wichtig, sondern auch für Finnland, denn zwischen Schweden und Finnland bestünden viele Ähnlichkeiten. Die finnische Kokoomus-Fraktion sei immer noch in der Opposition und stehe in einer Auseinandersetzung mit den Sozialdemokraten über die beste Art und Weise, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. In Schweden sei die rechte Opposition gewählt worden, und Jyri HÄKÄMIES hofft, dass Finnland diesem Beispiel in sechs Monaten bei den nächsten Wahlen in Finnland folgen werde. 8

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Alexander STUBB (MdEP, EVP- ED, FI), Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments, spricht die Frage der Rolle der Parlamente im Rahmen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit an. Um die laufende Diskussion im Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments über diesen Punkt erläutern zu können, wirft er zunächst die Frage des Zeitplans für die Annahme der Verfassung auf. Unmittelbar nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden sei man zu der Auffassung gelangt, dass es, um das Schiff in einen sicheren Hafen zu steuern, angebracht sei, in fünf Stufen vorzugehen: Die erste Stufe im Jahre 2005 sollte eine Phase des Nachdenkens sein. Daraus sei in der Tat viel eher eine Phase des Nichtnachdenkens geworden. Alle hätten zunächst einmal das Ergebnis der beiden Referenden verdauen und dazu Abstand von den verfassungsrechtlichen Fragen gewinnen müssen. v.l.: Edward McMillan-Scott MdEP (EVP-ED, Vereinigtes Königreich), Vizepräsident des EP, Luc Van den Brande, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europarat, belgischer Senator (CD&V) und Vizepräsident des Ausschusses der Regionen, Jyri Häkämies, Vorsitzender der Kokoomus-Fraktion im finnischen Parlament, Hans- Gert Pöttering MdEP (Deutschland), Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im EP, Niels Pedersen, Generalsekretär der EVP-ED-Fraktion, Othmar Karas MdEP (Österreich), stellv. Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion, Vito Bonsignore MdEP (Italien), stellv. Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion verantwortlich für die Beziehungen mit den nationalen Parlamenten, und Ville Itälä MdEP (Finnland), stellv. Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion DIE PARLAMENTARISCHE DIMENSION DER EU Bei der zweiten Stufe im Jahre 2006 handele es sich um eine Analysephase. In dieser Phase, die während des österreichischen Ratsvorsitzes begonnen habe, sei der Zusammenhang hergestellt und mit der Festlegung von Fristen begonnen worden. Gegenwärtig spielten sich die Dinge an zwei Fronten ab; zum einen führe die finnische Präsidentschaft die sehr vertraulichen Konsultationen mit den 25 Mitgliedstaaten und ihren Regierungen über den Weg zu Ende, den es zur Annahme der Verfassung einzuschlagen gelte. Die Ergebnisse dieser offiziösen Konsultationen würden der deutschen Präsidentschaft übermittelt. Die Frage der weiteren Entwicklung der Verfassung werde auch auf dem Europäischen Forum der Mitglieder des EP und der nationalen Parlamentarier erörtert, dessen nächste Tagung am 4. und 5. Dezember in Brüssel stattfindet. Die dritte Stufe im Jahre 2007 werde eine Vorschlagsphase sein. In diese Phase fielen zwei wichtige Ereignisse: im März 2007 die Feier des 50. Jahrestages des Vertrags von Rom, an der alle europäischen Organe aktiv teilnehmen, und im April die Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Beim Wechsel von der deutschen zur portugiesischen Präsidentschaft müssten also Vorschläge hinsichtlich des weiteren Vorgehens gemacht werden. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments seinerseits befinde sich noch in einer Phase des Abwartens. Bisher habe er es so gehalten, dass man jede Eile vermeiden wolle und die Versuche zurückweise, die darauf abzielten, den Vertrag in kleine Stücke aufzuteilen und nur das davon zu behalten, was am meisten gefällt. Die vierte Stufe im Jahre 2008 sollte eine Verhandlungsphase sein. Wenn es nach der Rede gehe, die Nicolas SARKOZY kürzlich in Brüssel gehalten habe, werde die französische Präsidentschaft zweifellos neue Vorschläge zum Verfassungsvertrag machen. 9

Die fünfte Stufe im Jahre 2009 werde eine Ratifizierungsphase mit dem Ziel sein, im Jahre 2009 einen Verfassungsvertrag, in welcher Form auch immer, zustande zu bringen. Die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit hängen nach Ansicht von Alexander STUBB davon ab, wie die Macht ausgeübt wird. Die Subsidiarität lasse sich als Möglichkeit definieren, ausschließlich dann einzugreifen, wenn die festgelegten Ziele von den Mitgliedstaaten durch isoliertes Handeln nicht erreicht werden könnten. Es gehe also darum, sich nicht zu sehr in bestimmte Bereiche einzumischen. Die Verhältnismäßigkeit entspringe in gewissem Maße derselben Vorstellung, aber aus einem anderen Blickwinkel heraus: Dieser Begriff bedeute, dass das Handeln der Europäischen Union nicht über das hinausgehen dürfe, was unbedingt notwendig sei, um die Ziele der Europäischen Union zu erreichen. Alexander STUBB (MdEP, EVP-ED, FI), Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität müssten von allen Organen angewandt werden. Jedes Organ aber, das mit einer Machtbefugnis ausgestattet sei, neige stets dazu, seine eigenen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Gesetzgebung so weit wie möglich auszuweiten. Dieser Hang bestehe auch auf europäischer Ebene. Der Verfassungsvertrag enthalte die Neuerung, dass er den nationalen Parlamenten die Möglichkeit biete, die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu überwachen und zu kontrollieren. Diese Neuerung sei von einer Arbeitsgruppe unter Vorsitz von I. MÉNDEZ DE VIGO vorgeschlagen und von der Regierungskonferenz gebilligt worden. Es handele sich um eine radikale Neuerung: Zum ersten Mal verfügten die nationalen Parlamente über eine unmittelbare gesetzgeberische Verbindung zur Kommission. Dies ermögliche eine verbesserte Information und Transparenz und erlaube es den nationalen Parlamenten, eine umfassend begründete Stellungnahme zu einer in Vorbereitung befindlichen europäischen Rechtsvorschrift abzugeben. Die Regeln für diese Konsultation der nationalen Parlamente seien bekannt: Jeder Gesetzgebungsvorschlag der Kommission müsse unverzüglich den nationalen Parlamenten zugeleitet werden, die sechs Monate Zeit für eine Stellungnahme dazu haben. Falls ein Drittel der nationalen Parlamente eine ablehnende Stellungnahme abgebe und zu der Auffassung gelange, dass der Gesetzgebungstext zu weit gehe und in die den nationalen Parlamenten und den nationalen Regierungen zustehenden Befugnisse eingreife, müsse die Kommission ihren Vorschlag zurückziehen. In der Praxis werde sich diese Möglichkeit der politischen Kontrolle durch die nationalen Parlamente in entscheidender Weise auf die Rechtsetzung der Kommission auswirken. Alexander STUBB betont ebenso wie der Vorsitzende H.-G. PÖTTERING, dass die derzeitige Tendenz auf europäischer Ebene durch einen Rückgang der Gesetzgebungsinitiativen der Kommission gekennzeichnet sei. Vergleiche man die Bruttozahlen und statistiken, so seien Anfang der 1990er Jahre zwischen 500 und 700 legislative Vorschläge im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt zu verzeichnen gewesen, bis 2000 zwischen 300 und 400 und im Jahre 2006 bisher nur 136. Es sei also eine eindeutige Tendenz zum Rückgang der Rechtsvorschriften vorhanden. Als Föderalist begrüßt Alexander STUBB diese Entwicklung. Ziel der europäischen Gesetzgebungstätigkeit müsse die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit von Gütern, Personen, Dienstleistungen und Kapital und nicht deren Erschwerung sein. Bedauerlicherweise habe ein Teil der Rechtsvorschriften in den letzten Jahren eine etwas negative Wirkung gehabt. Was die künftige Tendenz angehe, so gelte es ebenfalls zu unterstreichen, dass die Kommission bereits dabei sei, die Verfassung anzuwenden, und vor einigen Monaten damit begonnen habe, ihre Vorschläge unmittelbar den nationalen Parlamenten zuzuleiten. Wenn es daher auch nicht darauf ankomme, wann die Verfassung in Kraft tritt, so begrüßt Alexander STUBB es sehr, dass diese engere Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen und den nationalen Parlamenten bereits auf den Weg gebracht worden sei. Luc VAN DEN BRANDE, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europarat und Vizepräsident des Ausschusses der Regionen, hebt hervor, dass das Bestreben, das die Arbeit des Konvents geprägt habe, nicht nur dazu gedient habe, bestimmte institutionelle Fragen zu klären, sondern auch dazu, eine Brücke zwischen den beiden Ufern eines Flusses zu schlagen. Leider schließe das Projekt der Europäischen Verfassung im Augenblick mit einem Minus ab. Zwar zählt sich Luc VAN DEN BRANDE nicht zu denen, die die Verfassung für tot erklären, doch hofft er, dass dieses Projekt wiederbelebt werden kann und von einem neuen Geist erfüllt wird. Dazu reiche es nicht aus, einen Zeitplan festzulegen, es müsse auch das Projekt insgesamt erneuert werden. 10

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Mit der Europäischen Verfassung sei der Versuch unternommen worden, eine positive Antwort auf Fragen institutioneller und ideologischer Art zu geben. Leider hätten diese Antworten vor allem bei den Franzosen nicht die Zustimmung der öffentlichen Meinung erhalten. Luc VAN DEN BRANDE, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europarat und Vizepräsident des Ausschusses der Regionen Heute gehe es nicht mehr darum, ob diese Verfassung der einzig mögliche oder der allein gangbare Weg sei, der zur Baustelle des europäischen Aufbauwerks führe. Die Frage müsse jetzt der Art und Weise gelten, wie Europa geführt werde. Europa könne sich wirklich nicht auf diese 2 km² beschränken, die die Europäischen Institutionen in Brüssel einnehmen. Europa sei ein Raum, der von Schweden bis Sizilien reiche, ein Raum, der von Bürgern bewohnt werde und in dem die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit nicht auf ein juristisches Übereinkommen beschränkt bleiben dürften, sondern gelebte Wirklichkeit sein und täglich praktiziert werden müssten. Wie ließen sich nun die verschiedenen Befugnisebenen so gestalten und miteinander verbinden, dass sie den Bedürfnissen der Bürger gerecht werden? Luc VAN DEN BRANDE verdeutlicht seine Ausführungen durch zwei Anekdoten: Vor einem Jahr fand in Großbritannien eine große Konferenz über Regionalbehörden statt, aber angesichts der zeitlichen Nähe der Kommunalwahlen wurde gefordert, Europa nicht zu oft zu erwähnen. Aus eben dieser Haltung heraus war vor zwei Tagen ein Kandidat bei den Kommunalwahlen in Belgien dabei, seinen Lebenslauf zu erstellen, um ihn in Wahlflugblättern zu veröffentlichen. Darin erklärte er, dass er Beamter sei, wolle aber nicht angeben, dass er Beamter bei der EU sei, weil dieser Begriff irgendwie tabu sei. Wozu erwähnte er diese beiden Beispiele? Weil die Frage des mehr oder weniger Europa nicht die richtige sei. Die richtige Frage müsse sich vielmehr darauf richten, wie sich ein besseres Europa gestalten lässt. Anzunehmen, dass eine einzige Befugnisebene über ausreichende außerordentliche Vorrechte verfügen könne, um die Fragen der Bürger zu beantworten, sei eine Illusion und eine veraltete Sichtweise der Macht. Schon seit langem sei die Organisation der europäischen Gesellschaft auf dem Zusammenspiel mehrerer Befugnisebenen aufgebaut. Dementsprechend könne es kein Monopol einer einzigen Ebene mehr geben. Was die Vorrechte und Befugnisse betreffe, so sei die Annahme überholt, dass sich Europa exklusiv bestimmte Befugnisse anmaßen könne oder dass die Staaten, die Regionen oder die Gemeinden ihrerseits über bestimmte, ausschließlich ihnen vorbehaltene Zuständigkeiten verfügten. Jede Befugnisebene verfüge über Grundvorrechte, die so vervollständigt werden müssten, dass es zu einer möglichst harmonischen und vorteilhaften Koexistenz komme. In diesem Sinne werde im Weißbuch über europäisches Regieren vorgeschlagen, das hierarchische System zugunsten eines auf Partnerschaft beruhenden Systems aufzugeben, um den Graben zuzuschütten, der sich immer weiter zwischen Europa und seinen Bürgern auftut. Die Beteiligung der nationalen Parlamente am Entscheidungsprozess in Europa stelle genau einen Versuch in die Richtung dieses Zusammenspiels auf mehreren Befugnisebenen dar, einen Versuch, dieses Konzept in der Praxis mit Leben zu erfüllen. Dies vorausgeschickt, schlage sich die Gleichgültigkeit der Bürger gegenüber den europäischen Organen auch in einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber den nationalen Parlamenten nieder. Manchmal sei die Ansicht zu vernehmen, dass es demokratischer wäre, wenn die Mitglieder des EP zugleich nationale Abgeordnete wären. Luc VAN DEN BRANDE erklärt mit allem Nachdruck, dass er nicht dieser Meinung ist. Es müsse allerdings festgestellt werden, dass die parlamentarische Kontrolle und das untrennbare Band, das die europäischen und die nationalen Fragen verbinde, in der Vergangenheit viel ausgeprägter gewesen seien. Der gegenwärtige Zustand ähnele ungefähr dem Prinzip der russischen Matroschka-Puppen, wobei sich die nationalen Parlamente zwar mit europäischen Fragen befassten, aber nicht die Befugnis hätten, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Demzufolge seien sie allzu selten wirkliche Partner im Gesetzgebungsverfahren, bei dem das Europäische Parlament mitwirke. Aus diesem Grunde müsse darauf geachtet werden, dass das Handeln sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene besser ausgerichtet werde. Luc VAN DEN BRANDE nennt Belgien als Beispiel, wo es einen beratenden Fachausschuss für Europaangelegenheiten gibt, dem nationale und Europaabgeordnete aus Belgien angehören. Es handele sich um ein Forum, das ihnen Gelegenheit gebe, in der Vorbereitungsphase des Entwurfs eines Rechtsakts und in der Phase nach dessen Verabschiedung europäische Fragen zu erörtern. Hinsichtlich der Rolle der nationalen Parlamente im Entscheidungsprozess 11

auf europäischer Ebene müsse man sich auch die Frage stellen, ob und wie sich der Informationsfluss verstärken lasse. Führte die Zunahme der Informationen, die die nationalen Parlamente erreichten, zu einer qualitativen Verbesserung ihrer Arbeit? Es müsse bedacht werden, welches potenzielle Risiko damit verbunden wäre, wenn die nationalen Parlamente von einer Sintflut von Informationen überschwemmt würden, die ihnen ein wirksames Arbeiten unmöglich machen würde. Die nationalen Parlamente dürften nur solche Informationen erhalten, die wirklich nützlich seien, um einen entscheidenden Beitrag zum Entscheidungsprozess leisten zu können. Die Verabschiedung eines Protokolls über die Informationspflicht gegenüber den nationalen Parlamenten wäre ein Schritt in die richtige Richtung, doch müsse berücksichtigt werden, wie sich diese Verpflichtung in der Praxis auswirke, und es sei darauf zu achten, dass sie tatsächlich zu einer Verbesserung führe. Was die Zukunft der Europäischen Verfassung betrifft, so ist Luc VAN DEN BRANDE ebenso wie Alexander STUBB nicht für ein System der Rosinenpickerei. Er schlägt vor, dass die nationalen Parlamente vor der Annahme der Verfassung, welche Form diese dann auch haben möge, die Vorbereitung auf die folgende Stufe und vor allem auf die Phase der Umsetzung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ins Auge fassen sollten. Die Nachdenkphase zur Zukunft der Europäischen Verfassung sei nicht gleichbedeutend mit einer Zeit des Stillstands. Sie müsse eine Zeit der aktiven Vorbereitung sein. Luc VAN DEN BRANDE betont, dass der Gedanke eines Protokolls hinsichtlich einer besseren Information der nationalen Parlamente nicht ausschließlich vom Ausschuss der Regionen stamme. Im Übrigen würden in dem Protokoll in der vorgeschlagenen Form nicht die Zuständigkeiten der Regionalparlamente berücksichtigt, die auch ein Wort mitzureden haben müssten. Ein Großteil der Last der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften in die nationale Gesetzgebung ruhe häufig auf den Schultern der Regionalparlamente. Diese verfügten jedoch über allzu geringe Zuständigkeiten. Man müsse sich vor einer Art Schizophrenie hüten, hebt Luc VAN DEN BRANDE hervor: Es sei kein Widerspruch, Bürger einer Gemeinde, einer Region, eines Landes, eines Staates oder Europas zu sein. Ein Bürger nehme gleichzeitig am Leben einer Gemeinde, einer Region, einer Stadt, eines Bundeslandes (im Falle Deutschlands) oder eines anderen territorialen Gemeinwesens teil und sei gleichzeitig Bürger Europas, und so müsse er wahrgenommen werden. Belgien habe die Erklärung Nr. 49 des Verfassungsentwurfs bei der Umsetzung dahin gehend vervollständigt, dass die regionalen Parlamente als Ergänzung der nationalen Parlamente aufzufassen seien. Dieses belgische Modell könne unter den jetzigen Gegebenheiten nicht auf andere Länder übertragen werden. Warum aber sollte man nur ein Modell und ein Vorhaben anwenden, das in sämtlichen Mitgliedstaaten auf dieselbe Weise umgesetzt werden müsste? Das Nachdenken könnte sich auf ein mehrstufiges Regieren erstrecken, das sich in einer größeren gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Entsc heidungsverantwortlichkeiten und zuständigkeiten auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene äußere. Luc VAN DEN BRANDE trägt einen Vorschlag für die Zukunft in fünf Punkten vor: - Abschluss einer Vereinbarung über ein Frühwarnsystem hinsichtlich der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, um die größtmögliche Transparenz in diesem Prozess zu gewährleisten; - Beschlussfassung in europäischen Angelegenheiten in nächster Nähe zu den Bürgern Europas, wobei darauf geachtet werden müsse, dass die verschiedenen nationalen Regionalparlamente auf innerstaatlicher Ebene ergänzend mitwirken; - besserer Zugang der Bürger zur Rechtsprechung des Gerichtshofs; - Verbesserung des Informationsaustaus chnetzes; - Einführung eines mehrstufigen Regierens, um der staatsbürgerlichen Schizophrenie ein Ende zu bereiten, wie sie derzeit praktiziert wird und die darin bestehe, die Bürger Europas nur als Bürger eines territorialen Gemeinwesens zu betrachten. Luc VAN DEN BRANDE betont ebenfalls, dass sich gutes Regieren nicht darauf beschränken dürfe, gute institutionelle Lösungen zu finden. Man müsse, wie es die EVP tue, die Subsidiarität auf die Aktivität und das Handeln der Bürger selbst, und zwar auf allen Ebenen, stützen. Aus diesem Grunde wünsche er sich, dass dem Zuständigkeitsgerangel zwischen der Europäischen Union und dem Europarat, vor allem im Zusammenhang mit der europäischen Agenda zum Schutz der Menschenrechte, ein Ende gemacht werde. Die Europäische Union sei aufgefordert, die Grundrechte sehr konkret zu schützen. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen europäischen Einrichtungen sollte auf der Grundlage des Bemühens um Komplementarität und nicht auf der Hierarchie beruhen. Abschließend weist Luc VAN DEN BRANDE darauf hin, dass die Nachdenkphase eine Zeit der Aktivität, eine konstruktive Zeit sein sollte. Es sei noch zu früh, um die Formeln vorzubereiten, die eine Verpflichtung für die Zukunft bedeuten würden, aber ein Paket von Hinweisen wäre für die Bürger Europas nicht unnütz: Vielleicht könnte man ein weniger breit angelegtes, dafür aber konkreteres Vorhaben ins Auge fassen, das im Alltagsleben als Verankerungspunkt dienen und es ermöglichen würde, alle diejenigen stärker in den europäischen Entscheidungsprozess einzubinden, denen die Zukunft Europas am Herzen liegt. 12

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Edward McMILLAN-SCOTT (MdEP, EVP-ED, VK), Vizepräsident des Europäischen Parlaments, dankt Hans-Gert PÖTTERING, EVP-ED- Fraktionsvorsitzender, für seinen entscheidenden Beitrag zu dem Beschluss der Konservativen Partei, die Delegation der britischen Konservativen mindestens bis zu den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament in der EVP-ED- Fraktion zu belassen. Edward McMILLAN-SCOTT (MdEP, EVP- ED, VK), Vizepräsident des Europäischen Parlaments Im Zusammenhang mit der Verfassung sei eine leichte Veränderung der Haltung der Konservativen Partei festzustellen. Die Politik der Konservativen Partei mache auf Betreiben von David Cameron in zahlreichen Punkten einen Wandel durch. Es sei ein neues Logo beschlossen worden, bei dem die Freiheitsfackel durch eine grüne Eiche ersetzt werde. Der Erfolg der schwedischen Partei sei ein gutes Vorzeichen für die nächsten Wahlen im Vereinigten Königreich. Die britische Konservative Partei sei eine der großen Oppositionsparteien in einem der großen Mitgliedstaaten, ihre Entwicklung werde also eine bedeutende Wirkung für das übrige Europa haben. Es gehe um eine strategische Frage, und Edward McMILLAN-SCOTT betont, wie er es sein ganzes politisches Leben lang getan hat, dass sich England im Herzen Europas befinde und die Konservative Partei im Herzen der EVP. Als Vizepräsident besteht eine Aufgabe von Edward McMILLAN-SCOTT darin, das Europäische Parlament in der COSAC, der Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa- Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union, zu vertreten. Die COSAC, die zweimal jährlich zusammentritt, ist ein Organ der Zusammenarbeit, in dem die für Europaangelegenheiten zuständigen Ausschüsse der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten und Vertreter des Europäischen Parlaments vertreten sind. Die Frage nach der Rolle der COSAC und im allgemeineren Sinn nach der Einbeziehung der nationalen Parlamente in das Dasein der Europäischen Union habe in den letzten Jahren Anlass zu vertieften Debatten gegeben. Im Anschluss an die Arbeit des Konvents, an der sich die COSAC aktiv beteiligt habe - denn zahlreiche nationale Parlamentarier, die der COSAC angehören, vertraten auch ihr Parlament im Konvent -, habe die COSAC einen neuen Aufschwung erlebt und habe die Geschäftsordnung so zu reformieren vermocht, dass sie nun wirksamer agieren könne. Wegen des von ihr befürworteten Informationsaustauschs sei die Rolle der COSAC bestätigt worden, deren Ziel es sei, den nationalen Parlamenten zu größerem Einfluss bei ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit der EU und vor allem bei der Kontrolle der Tätigkeit ihrer Regierung zu verhelfen. Am 10. Mai 2006 habe sich die Kommission verpflichtet, ihre neuen Vorschläge und Konsultationsdokumente unmittelbar den nationalen Parlamenten zuzuleiten, und habe sie aufgefordert, ihr ihre Bemerkungen mitzuteilen, um den Prozess der Ausarbeitung der europäischen Politiken zu verbessern. Dieser neue Mechanismus zur Information der nationalen Parlamente sei am 1. September 2006 in Kraft getreten. Nach Ansicht von Edward McMILLAN- SCOTT ist diese Änderung, die es den nationalen Parlamenten ermögliche, sich stärker in die europäische Gesetzgebungsarbeit einzubringen, zum Vorteil Europas und ermöglicht es, die ersten Brücken zur Überwindung des Grabens zu errichten, der Wähler und Abgeordnete trenne. Hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips weist Edward McMILLAN-SCOTT darauf hin, dass der finnische Parlamentspräsident und frühere Ministerpräsident Paavo LIPPONEN mitgeteilt habe, dass das finnische Parlament die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in einem Zeitraum von zehn Jahren überprüft und keinerlei Verstoß festgestellt habe. Einige Abgeordnete seien bei ihrer Untersuchung strenger verfahren: Um den nationalen Parlamenten die Möglichkeit zu geben, ihre Frühwarnsysteme anhand der Prüfung eines Beispiels für europäische Rechtsvorschriften zu erproben, habe die COSAC beschlossen, ein Pilotprojekt durchzuführen, das das dritte Eisenbahnpaket der Kommission betraf 1. Die 33. COSAC, die am 17. und 18. Mai 2005 in Luxemburg stattfand, habe einstimmig den an die europäischen Organe gerichteten Beitrag gebilligt, in dem die Begründung der Kommission für die Vereinbarkeit der Entwürfe der Rechtsakte mit dem Subsidiaritätsprinzip kritisiert wurde. Die COSAC habe die Kommission aufgefordert, detailliertere Dokumente vorzulegen, und erklärt, dass die Unterscheidung zwischen dem Grundsatz der Subsidiarität und dem der Verhältnismäßigkeit klarer formuliert werden müsse. Laut Edward McMILLAN-SCOTT wird das nächste Pilotprojekt der COSAC, das den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen 2 betrifft, sicherlich Anlass zu zahlreichen Diskussionen geben, denn es handele sich um eine Rechtsvorschrift, die Aspekte der Ethik und Moral berühre, welche in den einzelnen Mitgliedstaaten besonders heikel seien. Als stellvertretender Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments in der PVEM (Parlamentarische Versammlung der Europa-Mittelmeer- 1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft KOM (2004) 139. 2 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003. 13

Partnerschaft) hebt Edward McMILLAN- SCOTT auch den Euromed-Prozess hervor. Lange Jahre habe Europa im Streben nach einer Wiedervereinigung, die heute praktisch abgeschlossen sei, nach Osten geschaut. Jetzt sei also die Zeit gekommen, sich stärker auf die Beziehungen zum Süden zu konzentrieren. Die PVEM, die aus den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten, den nationalen Parlamenten der zehn Mittelmeerpartner (Algerien, Ägypten, Jordanien, Israel, Libanon, Marokko, Palästinensische Autonomiebehörde, Syrien, Tunesien und Türkei) und vom Europäischen Parlament benannten Abgeordneten besteht, habe diesen Willen Europas, sich stärker mit den instabilen Regionen im Süden des Mittelmeers zu beschäftigen, mit Leben erfüllt. Ohne echte Beteiligung der nationalen Abgeordneten könne ein solcher Mechanismus auf der politischen Ebene nicht bestehen. Diese parlamentarischen Gesichtspunkte seien allesamt bei einer Anhörung im Mai 2005 im Europäischen Parlament berücksichtigt worden, bei der die Rolle festgelegt werden sollte, die das Europäische Parlament dabei spielen könne, Europa seine parlamentarische Dimension zu geben. Ebenso habe die Konferenz der Parlamentspräsidenten der EU, die 2005 in Budapest stattfand, es ermöglicht, einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten der Europäischen Union zu tun. Der Präsident des dänischen Parlaments, Christian MEJDAHL, sei beauftragt worden, die Vorschläge des Präsidenten des italienischen Abgeordnetenhauses, Pier Ferdinando CASINI, in seinem Bericht mit dem Titel Die Rolle der Parlamente in den Außenbeziehungen der EU weiterzuentwickeln. Pier Ferdinando CASINI und Christian MEJDAHL hätten einen Plan zur Erhöhung der Wirksamkeit der internationalen Hilfe vorgelegt, die den Parlamenten der Nachbarländer von den Parlamenten der Europäischen Union angeboten werde; durch diesen Plan werde das Europäische Parlament in die Lage versetzt, die ihm zustehende Rolle wahrzunehmen. In zunehmendem Maße begnügten sich das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente also nicht mehr damit, zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie innerhalb der Europäischen Union beizutragen, sondern strebten an, an der Entwicklung der parlamentarischen Dimension in ihren instabilen Nachbarländern mitzuwirken. Der Erfolg stelle sich an allen Fronten ein, vor allem bei der Art und Weise, wie die EVP-ED-Fraktion ihre Rolle ausgeübt habe. Jean FRANCOIS-PONCET, Mitglied der Fraktion Union pour un Mouvement Populaire, stellvertretender Vorsitzender der Delegation für die Europäische Union im französischen Senat, spricht das Problem der Zukunft des in den Niederlanden und in Frankreich abgelehnten Vertrags über die Europäische Verfassung an. Jean FRANCOIS-PONCET, Mitglied der Fraktion Union pour un Mouvement Populaire Nach der Nachdenkphase sei nunmehr ein Zeitplan festgelegt. Was den Kern der Debatte betrifft, so stellt Jean FRANCOIS-PONCET das Fehlen eines aussagekräftigen Beitrags fest. Daher rühre die Bedeutung der Rede, die Nicolas SARKOZY vor einigen Tagen in Brüssel gehalten habe und die den ersten konkreten und präzisen Beitrag dazu darstelle, was die Union tun könne, um diese Krise zu überwinden. Die Ausführungen von Nicolas SARKOZY stützten sich auf zwei Feststellungen: die erste beziehe sich darauf, dass es wahrscheinlich ausgeschlossen sei, dass eine französische Regierung, unabhängig vom Ergebnis der kommenden Wahlen, denselben Vertrag erneut zur Abstimmung stellen könne. Das sei keine realistische Hypothese. Die zweite Feststellung betreffe die Gründe zur Erklärung der Ablehnung durch die Franzosen. Nicolas SARKOZY weise darauf hin, dass die Bestimmungen über die institutionellen Reformen, die der Europäische Konvent formuliert habe und die den Kern des Vertrages ausmachten, niemals Gegenstand einer Debatte gewesen seien und keine Einwände hervorgerufen hätten. Nicolas SARKOZY schlage also vor, dass die institutionellen Reformen unverändert in den Verfassungsvertrag übernommen und dass einige Neuerungen hinzugefügt werden sollten, die in die Richtung einer stärkeren europäischen Integration gingen, vor allem hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission, der politischen Tragweite der Wahlen zum Europäischen Parlament und der Finanzen der Europäischen Union weil er nämlich die Einführung einer Europasteuer zur Finanzierung der Ausgaben der Union vorschlage. Wenn diese Vorschläge von seinen Partnern angenommen würden, wäre in Frankreich kein neues Referendum für ihre Annahme notwendig. Diese Vorschläge könnten dem Parlament zur Annahme vorgelegt werden, und der Prozess könnte somit verhältnismäßig rasch durchgeführt werden. Jean FRANÇOIS-PONCET ist sich der Tatsache bewusst, dass 15 Mitgliedstaaten den Vertrag bereits ratifiziert haben und dass es schwierig sein dürfte, von ihnen eine erneute Abstimmung zu verlangen. Trotzdem müsse man verstehen, dass 14

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 es für Frankreich schwierig sein werde, einen von nahezu 55 % der Bevölkerung abgelehnten Text dem Volk noch einmal zur Ratifizierung zu unterbreiten. Damit ginge man ein ungeheures Risiko ein, denn ein erneuter Fehlschlag hätte für die Zukunft der Europäischen Verfassung absolut dramatische Folgen. Die Ausführungen von Nicolas SARKOZY verdienten also, dass man über sie nachdenke. René Van DER LINDEN, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Vorsitzender des Ausschusses für europäische Angelegenheiten des niederländischen Senats, bedauert, dass die Niederlande im Referendum eine derart ablehnende Haltung eingenommen hätten, und begrüßt es, dass Frankreich heute eine konstruktivere Einstellung vertrete. René Van DER LINDEN, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates René Van DER LINDEN erklärt, dass sich auch in den Niederlanden das Klima verändere, und vertritt die Ansicht, dass nach den Wahlen am 22. November eine neue Herangehensweise möglich werde. Die Niederlande, betont er, hätten stets die Vorhut der Europäischen Union gebildet und ihr Platz sei nicht am Rande Europas. Ihnen obliege es also, eine Lösung zu finden, und zu diesem Zweck beabsichtigt René Van DER LINDEN, dem niederländischen Senat die Rede von Nicolas Sarkozy vorzulegen. Was die Kontrolle der Subsidiarität betrifft, so würde sich René Van DER LINDEN wünschen, dass das Jahresprogramm der Kommission in einer Sitzung der Fraktionsvorsitzenden der EVP-Familie einer ersten Überprüfung unterzogen werde. Die COSAC, in der er engagiert mitarbeite, halte er für ein ausgezeichnetes Forum zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten; sie könne zudem eine positive Rolle spielen, was die Ausrichtung der Debatten angehe, und als Ort dienen, an dem man seine Meinung äußern könne. Es müsse allerdings verhindert werden, dass sie zu einem Ort rein nationaler Diskussionen zwischen den Parlamenten werde. René Van DER LINDEN begrüßt die stetige Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und der Europäischen Union. Der Europarat und die Europäische Union stützten sich auf dieselben Werte und verfolgten dieselben Ziele zum Schutz der Demokratie, zur Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit. Diese gemeinsamen Ziele hätten sie dazu gebracht, enge Beziehungen zueinander zu entwickeln. Die beiden Organisationen arbeiteten heute in vier Bereichen zusammen. Aufgrund seiner direkten Beziehungen zu Südeuropa und Nordafrika habe der Europarat die Bitte geäußert, an der Parlamentarischen Versammlung Euromed teilnehmen zu können. Alle zwei Jahre führt die Parlamentarische Versammlung des Europarates eine Konferenz der Parlamentspräsidenten durch, zu der Vertreter aus 46 Ländern zusammenkommen. Zur letzten Konferenz, die im Mai 2006 in Tallinn stattfand, war zum ersten Mal der Präsident des Europäischen Parlaments eingeladen, der zum Thema der Rolle der Parlamente bei der Förderung der Demokratie sprach. Der Europarat könne also eine bedeutende Rolle auf dem Gebiet der Diplomatie und der Annäherung spielen. Man solle sich im Übrigen bewusst sein, dass die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wegen ihres Doppelmandats in den nationalen Parlamenten sehr oft die europäische Dimension verfechten. Diese Möglichkeit des Brückenschlags dürfe vom Europäischen Parlament nicht unterschätzt werden. Als eindeutiger Befürworter der Anerkennung der Bedeutung der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments bekräftigt René Van DER LINDEN zugleich den Nutzen des Handelns des Europarates, das sich als wertvoll erweisen könne und auf das man nicht verzichten solle. Christos POURGOURIDES, Vorsitzender der Fraktion der Demokratischen Sammlungsbewegung in der Abgeordnetenkammer der Republik Zypern, betont, wie einhellig die Auffassung vertreten werde, dass sich die von den Institutionen in Brüssel beschlossenen Rechtsvorschriften nahtlos an die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit halten müssten. Christos POURGOURIDES, Vorsitzender der Fraktion der Demokratischen Sammlungsbewegung in der Abgeordnetenkammer der Republik Zypern Während das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Allgemeinen einwandfrei gut eingebürgert sei, leide das Subsidiaritätsprinzip unter einem Verständnisproblem. Jedes Parlament habe eine andere Vorstellung von diesem Begriff. Es sei daher wichtig, eine klare und genaue Definition dieses Prinzips zu finden. 15

Der Gerichtshof habe das Subsidiaritätsprinzip in einigen Rechtssachen behandelt. In seiner Weisheit habe er sich aber stets auf die Feststellung beschränkt, dass es nicht verletzt worden sei, ohne das Prinzip weiter zu definieren. Das Bemühen um eine Einigung über die Definition des Subsidiaritätsprinzips ermögliche es, Unterschiede bei der Auslegung zu vermeiden, die bei der Anwendung des Rechts der Europäischen Union Verzögerungen und erhebliche Kosten für die Unternehmen und manchmal sogar für den Einzelnen nach sich zögen. Die Zukunft der Europäischen Verfassung hänge von der Möglichkeit ab, zu einem Einvernehmen über alle Fragen und alle wichtigen Prinzipien zu gelangen, die Einfluss auf das Alltagsleben der Bürger hätten. Die Bürger Europas wollten ihre Verfassung lesen und verstehen können. Sie wollten zur Kenntnis nehmen können, was in Brüssel beschlossen werde, ohne die Hilfe von Verfassungsexperten in Anspruch nehmen zu müssen oder, besser noch, ohne Wahrsager konsultieren zu müssen, um zu erfahren, wie die Beschlüsse in der Zukunft angewendet würden. Brian HAYES, Vorsitzender der Fine-Gael-Fraktion im irischen Senat, beglückwünscht seine schwedischen Kollegen zu dem ausgezeichneten Ergebnis bei den jüngsten Parlamentswahlen. Die rechte Mitte in Schweden sei zwölf Jahre lang in der Opposition gewesen, fast ebenso lange wie die Fine-Gael-Partei in Irland. Brian HAYES hofft, dass die Fine Gael in sechs Monaten gleichermaßen den Sieg bei den nächsten irischen Wahlen davontragen werde. Brian HAYES bedauert das Vorhandensein einer Kultur des Defätismus bei denen, die das europäische Projekt unterstützen. Die Vertreter des rechten und der linken Mitte hätten die Aufgabe, die Bedeutung eines guten Funktionierens der Institutionen und einer stärkeren europäischen Integration zu erklären. Allzu häufig, so betont er, würden der Rhythmus und der Ton der nationalen Wahlkämpfe von den äußersten Rändern der Rechten oder der Linken bestimmt. Er nennt als Beispiel die Kampagne anlässlich des Referendums über die Verfassung in Frankreich und den Niederlanden, aber auch das einige Jahre zuvor durchgeführte Referendum in Irland über die Annahme des Vertrags von Nizza. Er gehöre zu denen, die glaubten, dass für das europäische Projekt eine lebhaftere Debatte im jeweiligen Mitgliedstaat geführt werden müsse, bei der die Argumente zugunsten Europas ins Feld geführt werden müssten und man sich auf die siegbringenden Argumente konzentrieren müsse. Brian HAYES, Vorsitzender der Fine-Gael- Fraktion im irischen Sena Hinsichtlich der Zukunft des Verfassungsvertrags bestätigt Brian HAYES, dass ein neuer Text, in dem die Ergebnisse in den Niederlanden und in Frankreich nicht berücksichtigt würden, nur schwer vorstellbar sei. Bürger hätten gesprochen und den Verfassungsvertrag abgelehnt. Es bleibe also eine gewaltige Aufgabe zu erledigen: Es müsse eine neue Verfassung entworfen und konzipiert werden, die diese Abstimmung durch das Volk berücksichtige. Es ließen sich zahlreiche Argumente für Europa vorbringen: unter anderem der Vorteil der Unionsbürgerschaft mit den sich unmittelbar daraus ergebenden neuen Rechten, in deren Genuss die Bürger Europas kämen. Die Überwachungsrolle der nationalen Parlamente sei ebenfalls sehr wichtig. Es sei entscheidend, darauf zu achten, dass die Verhandlungen im Ministerrat mit der Unterstützung der Parlamente und nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfänden. Man müsse sich auf das wirklich Wichtige konzentrieren. Eingedenk seiner Herkunft aus einer abgelegenen Region Europas und einem Inselstaat hebt Brian HAYES die Bedeutung der Energiefrage hervor, für die es einer europäischen Politik bedürfe. Hingegen hätte seiner Ansicht nach, eine europäische Politik auf dem Gebiet des Steuerwesens oder der Entscheidungen in Ehesachen wenig Sinn, denn diese Zuständigkeiten müssten bei den nationalen Parlamenten verbleiben. Abschließend weist Brian HAYES nachdrücklich auf die Verantwortung hin, die auf denen lastet, die das europäische Projekt befürworten und für eine stärkere Integration kämpfen. Sie müssten sich der Herausforderung durch die Neonationalisten stellen, die überall in Europa an Boden gewännen. Astrid LULLING (MdEP, EVP-ED, LU), Quästorin im Europäischen Parlament, ist der Ansicht, dass im Zusammenhang mit der Diskussion über den Verfassungsentwurf in der Tat die Zeit gekommen sei, um die Wahrheit zu sagen: In Anbetracht der Ablehnung des Entwurfs des Verfassungsvertrags durch Referendum in zwei Ländern und in Anbetracht der Unmöglichkeit, diese beiden Länder erneut über denselben Text abstimmen zu lassen, müsse ein neuer Vertrag ausgearbeitet werden, auch wenn das den Mitgliedstaaten nicht gefalle, die den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert hätten, wie etwa Luxemburg durch Referendum. Die Ausarbeitung eines neuen Vertrages bedeute nicht zwangsläufig, dass der Besitzstand des Verfassungsvertrags rückgängig gemacht werde, ganz im Gegenteil. Der neue Vertrag werde vielleicht eng mit dem alten übereinstimmen, aber es werde ein neuer Vertrag sein. 16

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Astrid LULLING (MdEP, EVP-ED, LU), Quästorin im Europäischen Parlament Astrid LULLING betont, dass im für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Ausschuss des luxemburgischen Parlaments eine Aussprache über Mittel und Wege stattgefunden habe, wie man aus der Sackgasse herauskommen könne. Es sei viel vom Potenzial des Vertrags von Nizza die Rede gewesen. Der Vertrag von Nizza weise Pfade auf, die es zu erkunden gelte, um voranzukommen und die Europäische Union leichter lenkbar zu machen. Othmar KARAS (MdEP, EVP- ED, AU), stellvertretender Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, bedauert den alles überlagernden Pessimismus, der von dieser Tagung ausgehe. Diese Haltung weiche von der positiven Vorgehensweise ab, die der Europäische Rat im Juni beschlossen habe und in deren Rahmen die Staats- und Regierungschefs bekräftigt hätten, dass keiner von ihnen in Zukunft die Verfassung für tot erklären werde, und beschlossen hätten, den Verfassungsprozess mit dem Ziel neu zu beleben, spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2008 zu einer endgültigen Entscheidung über die institutionelle Zukunft der Europäischen Union zu gelangen. Man dürfe nicht vergessen, dass der Vertrag von Nizza im Grunde der eigentliche Anlass für die Einsetzung des Konvents zur Ausarbeitung des Entwurfs des Verfassungsvertrags gewesen sei. Noch am Abend der Unterzeichnung des Vertrags von Nizza habe man feststellen müssen, dass sein politischer Gehalt selbst dann, wenn seine Möglichkeiten bis zum Äußersten ausgeschöpft würden, nicht ausreiche, um die Erweiterungen bewältigen zu können. Das Europäische Parlament habe nur deshalb grünes Licht für den Vertrag von Nizza gegeben, weil der Europäische Rat von Laeken seinen vorläufigen Charakter bestätigt und den Prozess der Ausarbeitung einer neuen Verfassung auf den Weg gebracht habe. Zur Zukunft des Verfassungsvertrags schlägt Othmar KARAS vor, die Diskussion in drei Teile zu zerlegen: In erster Linie müsse man sich Gedanken über die Forderungen nicht nur der beiden Länder machen, die den Vertrag durch Referendum abgelehnt hätten, sondern auch der Länder, vor allem Polens und Großbritanniens, die ihn noch nicht ratifiziert hätten und wo es Othmar KARAS (MdEP, EVP-ED, AU), stellvertretender Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament im Augenblick keine Mehrheit für den Verfassungsvertrag gebe. Wie könnten diese Länder die Verfassung ratifizieren? Es müssten konstruktive Vorschläge gemacht werden, und sie müssten von denen kommen, die mit diesen Problemen konfrontiert seien. Zweitens müsse man sich fragen, inwieweit die von einigen Mitgliedstaaten bereits ratifizierten Texte geändert oder vervollständigt werden könnten, damit diese Länder nicht verpflichtet seien, eine erneute Ratifizierung vorzunehmen, und die Ratifizierung für sie nicht umsonst gewesen sei. Zwischen diesen beiden Erfordernissen bewege sich der Spielraum, auf den man sich konzentrieren müsse. Drittens müsse ermittelt werden, ob sich die politische Debatte in den Mitgliedstaaten und den Parlamenten weiterentwickelt habe, seitdem festgestellt worden sei, dass nicht positiv genug über das europäische Projekt gesprochen werde. Hat sich die Haltung der Parlamente geändert? Nach Ansicht von Othmar KARAS könne man darauf mit Nein antworten, ohne Gefahr zu laufen, sich zu irren. Die Arbeit der öffentlichen Einrichtungen gegenüber der öffentlichen Meinung, die Arbeit der nationalen Regierungen, der nationalen Parlamente habe sich auch nach den Erfahrungen in Frankreich und den Niederlanden nicht geändert. Wenn man glaube, dass das europäische Projekt und die Verfassung eine Antwort auf das Problem, auf das Misstrauen der Bürger und den Informationsmangel seien, dann müsse man eine andere Politik betreiben, da der Verfassungsvertrag sonst nie angenommen würde. Dieses Verfassungsprojekt sei auf dem Gebiet der Subsidiarität hinsichtlich der Rolle der Parlamente, der Transparenz und der Rolle Europas in der Welt viel einfacher als manche nationalen Verfassungen. Im Hinblick auf die nächste Tagung schlägt Othmar KARAS die Erstellung eines Katalogs mit zehn Punkten vor, der die wichtigsten Aspekte dieser Verfassung für den europäischen Bürger und zur Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente enthalten sollte. Wenn sich die nationalen Gruppen der EVP auf diese Liste einigen könnten, verfügten sie über seriöse Argumente, um ihre These während der gesamten Diskussion zu untermauern. 17

Hans-Gert PÖTTERING (MdEP, EVP-ED, DE), Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, begrüßt die Vorschläge von Nicolas SARKOZY mit dem Ziel des Versuchs, die Prinzipien und den Kern des Verfassungsvertrages in die Wirklichkeit umzusetzen. H.-G. PÖTTERING stimmt der Feststellung zu, dass die Beibehaltung des wesentlichen Gehalts des Vertrags jetzt wichtiger sei als die Art und Weise, wie dies gelinge. Um das Wesentliche dieser Ziele zu erreichen, wäre es möglich wenn es auch nicht erfreulich wäre -, auf den Titel Verfassungsvertrag zu verzichten und sich mit der Bezeichnung Vertrag oder Grundlagenvertrag zu begnügen. Hans-Gert PÖTTERING (MdEP, EVP-ED, DE), Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament H.-G. PÖTTERING äußert jedoch Vorbehalte gegen den von Nicolas SARKOZY verwendeten Titel Minivertrag, auch wenn er verstehe, dass es sich im Grunde um eine interne Taktik handele, um die Franzosen davon zu überzeugen, einen Text zu akzeptieren, der mit dem Entwurf des Verfassungsvertrags nicht genau deckungsgleich wäre, aber sehr nahe an ihm bliebe. Zum Kern der Sache wünscht sich H.- G. PÖTTERING, dass der wichtigste Teil des Verfassungsvertrags, der Teil I, Wirklichkeit werde. Er fordert jedoch mit großem Nachdruck, dass Teil II, der die Werte zum Gegenstand hat, ebenfalls ratifiziert wird. Diese Ratifizierung dürfte insoweit kein Problem sein, als diese Werte bereits in der feierlichen Erklärung des Vertrags von Nizza erwähnt werden. Er schlägt deshalb vor, diese beiden Teile als Einheit zu betrachten. Wenn diese beiden ersten Teile angenommen würden, wäre es möglich, auf den dritten Teil des Verfassungsvertrags zu verzichten, der im Wesentlichen Bestimmungen wieder aufgreife, die bereits in den geltenden Verträgen enthalten seien. Es läge dann ein reduzierter Vertrag vor, in dem das Wesentliche des Projekts indessen gewahrt würde. Was den Zeitplan betrifft, so weist H.-G. PÖTTERING darauf hin, dass sich viele Hoffnungen auf die deutsche Präsidentschaft richteten, die im Juni 2007 zu Ende gehe. Auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Anwesenheit des Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Präsidenten der Kommission, das am 21. Juni stattfinde, sollte die Arbeitsweise festgelegt werden. Die Art des Mandats, das dem mit der Überarbeitung des Verfassungsentwurfs beauftragten Gremium erteilt werde, werde entscheidend sein. H.-G. PÖTTERING fordert nachdrücklich, dass dieses Mandat eindeutig definiert wird und die Beibehaltung des ersten und des zweiten Teils der Verfassung umfasst. Der EVP-Teil der EVP-ED-Fraktion werde darauf achten, dass die tragenden Grundsätze des Verfassungsvertrags bezüglich der Entscheidungsverfahren und der Werte Wirklichkeit werden. Abschließend äußert H.-G. PÖTTERING sein Bedauern über die Haltung der gegenwärtigen polnischen Regierung. Er räumt jedoch ein, dass die Polen bei der Energieversorgung Grund zur Besorgnis hätten. Die Entscheidung von Gerhard Schröder und Wladimir Putin, eine Gasleitung ohne Absprache mit Polen und den baltischen Staaten zu bauen, sei nicht richtig. Die von den Polen eingeforderte Solidarität im Energiebereich verdiene Unterstützung. Dann könnten die anderen Europäer aber auch die polnische Regierung ersuchen, einen Schritt hin zur Achtung der Verfassungsvorschläge zu tun. Europa müsse solidarisch sein, auch gegenseitiger Austausch gehöre dazu. Wenn jeder ein wenig guten Willen an den Tag lege und bereit sei, zuzuhören, um sich dem anderen anzunähern, werde es möglich sein, ein Ergebnis zu erzielen. Jeder habe diese Verantwortung und müsse sie in den kommenden Monaten und Wochen wahrnehmen. Audronius AZUBALIS, Mitglied der Fraktion der Vaterlandsunion im litauischen Parlament Audronius AZUBALIS, Mitglied der Fraktion der Vaterlandsunion im litauischen Parlament, legt das Schwergewicht auf die Schwierigkeiten, in die die Länder geraten werden, die den Verfassungsvertrag entweder durch Parlamentsbeschluss oder durch ein Referendum bereits ratifiziert haben, wenn ein neuer Verfassungsvertrag ausgearbeitet werden müsste. So sei beispielsweise in der litauischen Verfassung kein Verfahren vorgesehen, das für die Abänderung des bereits ratifizierten Verfassungsvertrags angewendet werden könne. 18

6. Gipfeltreffen der Vorsitzenden der EVP-ED-fraktionen - EU-25 18. September 2006 Ioannis KASOULIDES (MdEP, EVP-ED, CY), Leiter der zyprischen Delegation der EVP- ED-Fraktion im Europäischen Parlament Ioannis KASOULIDES (MdEP, EVP-ED, CY), Leiter der zyprischen Delegation der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die in Brüssel stattfindenden Debatten in die Debatten der nationalen Parlamente einzubringen, um das Projekt der europäischen Integration voranzubringen. Wenn die Außenminister oder die Ministerpräsidenten zu den Ratssitzungen anreisten, müssten sie schon eine Vorstellung von der Reaktion ihrer nationalen Parlamente auf die Politiken haben, die auf supranationaler Ebene in Europa erörtert würden. Je transparenter dieser Austausch vor sich gehe, desto bereitwilliger würden sich die Bürger mit den Entscheidungen abfinden, die in ihrem Namen auf europäischer Ebene getroffen würden. Dadurch werde sich ein Großteil der Verwirrung beseitigen lassen, die im Zusammenhang mit dem Referendum und der Wahrnehmung der Europäischen Verfassung geherrscht habe. In vielen Fällen hätten die negativen Reaktionen der Bürger nichts mit der Verfassung selbst zu tun gehabt. Alexander STUBB (MdEP, EVP-ED, FI), Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments, erkennt in seiner Antwort auf den Redebeitrag von Jean FRANÇOIS- PONCET die Bedeutung der Rede von Nicolas SARKOZY an, in der eine erste Vision nach der Nachdenkphase vorgetragen worden sei. Alexander STUBB stimmt dieser Rede jedoch nicht in allen Aspekten zu, vor allem nicht in Bezug auf die Türkei- Frage. Seiner Meinung nach gibt es drei Möglichkeiten, um die Verfassung aus der Krise herauszuholen: die erste, die darin bestünde, nichts zu tun und sich mit einer knappen Erklärung zu begnügen, scheide aus. Der zweite Gedanke, der von Nicolas SARKOZY mit seiner Erwähnung eines Minivertrags ins Spiel gebracht worden sei, sei interessant, aber kaum umsetzbar. Zahlreiche Mitgliedstaaten würden sich kaum mit den institutionellen Aspekten der Verfassung zufrieden geben. Die Fragen der Größe der Kommission, der Stimmengewichtung, der Aufteilung zwischen Regierungsund Gemeinschaftsebene würden mit Sicherheit erneut aufgeworfen. Die dritte Möglichkeit, die H.- G. PÖTTERING genannt habe, bestehe in einer Neuverhandlung des Verfassungsvertrags in geringem Umfang, deren Ziel die Übernahme des ersten und zweiten Teils der Verfassung sein müsse. Alexander STUBB tritt nachdrücklich dafür ein, dass der laufende Prozess mit dem Ziel, die Krise zu überwinden, zu geringfügigen Änderungen an der Verfassung führt. Angelo PICANO, Mitglied der Fraktion Populari-UDEUR in der Abgeordnetenkammer der Republik Italien, möchte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die Verfassung in zwei Ländern nicht angenommen worden sei, darauf, dass man ergründen müsse, warum die Bürger in diesen beiden Ländern mit Nein gestimmt hätten, und auf die Frage, was geschehen würde, wenn andere Länder in einem Referendum über diesen Text abstimmen lassen würden. Es müsse eine politische Analyse dieser Ablehnung durch das Volk vorgenommen werden, die möglicherweise auf eine Ablehnung der Regierungspolitik zurückzuführen sei, d. h. dass es sich um eine Abstimmung gehandelt habe, deren Bedeutung auf nationaler Ebene liege. Das Ergebnis der Analyse könne aber auch sein, dass die Europäische Union Schwierigkeiten habe zu begreifen, dass ihr Kampf für die Schaffung eines freien Marktes am Ende Befürchtungen geweckt habe, dass der Sozialstaat abgebaut werde und dass ihr die Antwort auf die Fragen im Bereich der Sicherheit und der Zuwanderung schwer fielen. Angelo PICANO, Mitglied der Fraktion Populari-UDEUR in der Abgeordnetenkammer der Republik Italien Bevor man über eine neuartige Verfassung zu diskutieren beginne, müssten deshalb zunächst die politischen Aspekte vertieft werden, die weitaus mehr die Bevölkerung als die Regierungen beträfen. Der Begriff der Solidarität müsse ebenfalls Anlass zu einer vertieften Analyse und zu Mechanismen geben, die in die Fähigkeit mündeten, in einen Dialog mit den Bürgern zu treten, um ihnen verständlich zu machen, welche Vorteile damit verbunden sind, wenn Entscheidungen auf Gemeinschafts- und nicht auf nationaler Ebene getroffen werden. Um diesem Kommunikationsproblem 19

abzuhelfen, müsse die EVP zu einem entschiedeneren und präziseren Dialog mit den Bürgern aufrufen, um gemeinsam eine Verfassung auszuarbeiten, in der sie sich wiedererkennen könnten. Antonio LEONE, erster stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Forza Italia in der Abgeordnetenkammer der Republik Italien, ist der Ansicht, dass der Vorschlag von H.-G. PÖTTERING, die Korrekturen am Text der Verfassung auf ein Mindestmaß zu beschränken, der am ehesten gangbare Weg sei. Antonio LEONE, erster stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Forza Italia in der Abgeordnetenkammer der Republik Italien Eine begrenzte Umgestaltung des Vertrags sei nicht nur wünschenswert, sondern unter juristischen Gesichtspunkten auch notwendig, um die Folgen zu begrenzen, die diese Überarbeitung für die Länder mit sich bringen könnte, die den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert hätten. Im Übrigen dürfe man den Umstand nicht unterschätzen, dass die Konzessionen, auf die diese Neuformulierung hinauslaufen könnte, zu einer erneuten Ablehnung mit erheblich schwerer wiegenden Folgen führen könnten. Die Rolle des Europäischen Parlaments in Verbindung mit den nationalen Parlamenten werde entscheidend für das Gelingen des Projekts sein. Bisher, betont Antonio LEONE, hätten sich die am heftigsten geäußert, die gegen Europa seien. Die Pro-Europäer hätten leider allzu oft geschwiegen. Dies sei der Grund für bestimmte Probleme, die es heute zu beheben gelte. Alain LAMASSOURE, Sprecher der französischen Delegation der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, äußert sich zum Abschluss der Diskussion. Zur Zukunft der Verfassung fasst er den Zustand, in dem sich die Union heute befindet, wie folgt zusammen: Der Vertrag ist unerträglich, die Verfassung ist unmöglich. Die Ausarbeitung eines neuen Texts würde es ermöglichen, aus dieser Sackgasse herauszugelangen. Man müsse diesmal aber darauf achten, dass es nicht noch einmal zum Scheitern kommt, denn eine erneute Niederlage würde dramatische Folgen haben. Dies bedeute, dass dieser neue Text, sofern dies möglich sei, in allen Ländern vom Parlament und nicht mehr durch ein Referendum ratifiziert werden müsse (es werde also nirgendwo mehr ein Referendum geben). Dies bedeute auch, dass die Büchse der Pandora mit den im Europäischen Konvent und anschließend in der Regierungskonferenz lange Zeit beratenen und verhandelten Themen nicht erneut geöffnet werden dürfe. Der einzige Weg, diese beiden Erfordernisse kein Referendum und keine erneute Öffnung der Büchse der Pandora - zu erfüllen, bestehe darin, einen Text zustande zu bringen, der nicht mehr als Verfassung und auch nicht als Verfassungsvertrag bezeichnet werde. Aus diesem Grunde habe Nicolas SARKOZY in Frankreich von einem Minivertrag gesprochen, um zu begründen, warum für diesen Text kein Referendum mehr erforderlich wäre, sondern es bei einer Ratifizierung durch das Parlament belassen werden könnte. Dies setze voraus, dass der Text ausschließlich aus Artikeln bestehe, Alain LAMASSOURE, Sprecher der französischen Delegation der EVP-ED- Fraktion im Europäischen Parlament die bereits im Entwurf der Verfassung enthalten waren. Es würden nur bestimmte Artikel übernommen, und keiner wurde neu abgefasst. Nicht neu verhandelt würde über die Stimmrechte, die Befugnis des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber und auch nicht über irgendwelche sonstigen Artikel. Der gegenwärtig vorliegende Entwurf der Verfassung bestünde also aus einem Kern, der Gegenstand eines gesonderten Textes und einer Ratifizierung durch die nationalen Parlamente sein könnte, und aus einem anderen Teil, der von zahlreichen Ländern bereits ratifiziert, aber unter den gegebenen Umständen für andere nicht annehmbar sei und für den ein anderes Verfahren angewandt werde. Alain LAMASSOURE schlägt vor, dass die Überlegungen über diesen Gedanken in der EVP fortgeführt würden, um herauszufinden, ob eine derartige politische Initiative unter der deutschen Präsidentschaft im kommenden Frühjahr ergriffen werden könne. Zur Subsidiarität und zur Rolle der nationalen Parlamente hebt Alain LAMASSOURE hervor, dass bisher die Tendenz festzustellen gewesen sei, die Rolle der nationalen Parlamente beim Funktionieren des europäischen Apparats lediglich als eine der Kontrolle, der Überwachung, des Schiedsrichters zu betrachten, der imstande sei, eine gelbe Karte zu zeigen, wenn der europäische 20