Claus-Christian Carbon



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Transkript:

Thüring & Carbon «Temporale Aspekte des Nutzererlebens» Haptische User Experience Auf zu neuen Aspekten der UX 8. September, 2013 University of Bamberg Department of General Psychology and Methodology Graduate School of Affective and Cognitive Sciences Bamberg, Germany ccc@experimental-psychology.com 1

Übersicht Dynamische Betrachtung von UX Haptik: Wesentlich für das Erlebens Interaktivität Multimethodalität Funktionales Modell haptischer Ästhetik Grundidee Stufen der Verarbeitung Rückkopplungsscheifen Fazit & Ausblick 2

Dynamische Betrachtung von UX User Experience (UX) bedeutet Nutzer-ERLEBEN (1) Bestandsaufnahme ER-LEBEN bedeutet inhärent einen dynamischen Prozess Problem: die meisten UX-Aspekte werden aber statisch betrachtet & untersucht 3

Dynamische Betrachtung von UX User Experience (UX) bedeutet Nutzer-ERLEBEN (2) Bestandsaufnahme ER-LEBEN bedeutet inhärent ein komplexes Zusammenspiel verschiedener (Sub-)Prozesse auf unterschiedlichen Komplexitätsebenen und in verschiedenen Modalitäten Problem: die meisten UX-Aspekte werden lediglich als losgelöste Einzelphänomene betrachtet & untersucht 4

Dynamische Betrachtung von UX Beispiele Bestandsaufnahme Die meisten Ansätze versuchen, Produkten stabile Objekteigenschaften zuzuschreiben, um bspw. das Gefallen vorherzusagen (z.b. brand personality: Aaker, 1997; novelty/innovativeness: Hekkert et al; fluency: Reber et al.) Andere Ansätze fokussieren auf Persönlichkeitseigenschaften der Nutzer (bspw. Diffusion of innovation-ansatz: Rogers, 2003; Sensation Seeking; Need for uniqueness) 5

Dynamische Betrachtung von UX Grundproblem Problemeingrenzung Die meisten Ansätze versuchen, Vorhersagemodelle zu entwickeln, die statisch gefasst werden und das wirkliche ER-LEBEN der Nutzer nicht als Elaborations- und Vertrautheitskomponente, also einem dynamische Annäherungs-, Lern- und Verständnisprozess verstehen 6

Dynamische Betrachtung von UX Gegenmaßnahmen (Methoden) Problemeingrenzung Repeated Evaluation Technique (RET) siehe Beitrag von Harsányi, Gebauer, Kraemer & Carbon: Design Evaluation: Zeitliche Dynamik ästhetischer Wertschätzung Aktivierung spezifischer Schemata zur tiefen Elaboration ( Priming semantic contexts von Faerber, Leder, Gerger & Carbon, 2010) 7

Dynamische Betrachtung von UX Gegenmaßnahmen (Modelle 1) User Experience Lifecycle Model ContinUE (ContinUE) von Pohlmeyer, Hecht & Blessing (2009) werden solche Interaktions-, Elaborationsund Rückkopplungsschleifen explizit integriert Weitere Beispiele: interaktive Produktdesigntheorien wie die von Desmet, Nicolas & Schoormans (2008) Problemeingrenzung 8

Carbon & Jakesch (2013) Dynamische Betrachtung von UX Gegenmaßnahmen (Modelle 2) Im Bereich HAPTIK: Bisher war kein entsprechendes Modell vorhanden Problemeingrenzung 9

Haptik: Wesentlich für das Erlebens Interaktivität bei haptischem Erleben ist besonders evident - das zu explorierende Objekt wird selbst durch das Explorieren verändert UND verändert das explorierende Subjekt - Wesen: durch enactment (Hornstein & Mulligan, 2004) auch besonders gute Elaborations- und Speichermöglichkeiten Interaktivität 10

Haptik: Wesentlich für das Erlebens Multimethodalität Komplexe multimethodale Exploration - Sonneveld & Schifferstein (2008) bieten hierzu ein Rahmenmodell an, um zu zeigen auf welch vielfältige Art, Produkte haptisch verarbeitet werden - Grundlage des Modells: Schema zur Einteilung haptischer Explorationsmechanismen (Lederman & Klatzky, 1987) 11

Funktionales Modell Grundidee Carbon, C. C., & Jakesch, M. (2013). A model for haptic aesthetic processing and its implications for design. Proceedings of the IEEE, 101(9), 1-11. Konzeption: sequentiell aufeinander aufbauende Verarbeitungsstufen Von Stufe zu Stufe erhöht sich der Spezifikations- und Komplexitätsgrad der Verarbeitung Zusätzlich zu dieser feed-forward-prozessstruktur existieren vielfältige Rückkopplungsschleifen, die mittels Top-Down-Verarbeitung wiederum Einfluss auf vorangegangene Prozesse nehmen können 12

Funktionales Modell Aufbau Schritt für Schritt 13

Unspecified object 1. Feed-forward processing 2. Recursive loops 3. Specified object 14

1. Low-level analyses (exploration) Expectation Orthogonal exploration Hardness Stickiness Pushing force Plasticity Tangential exploration Roughness Depth Braking Slipperiness Fibrosity Measure exploration Temperature Weight Size 15

Expectation Absolute assessment Relative assessment 2. Mid-level analyses (assessment) Integration Symmetry Closure Contour Complexity Integrative assessment Coherence 16

3. High-level analyses (evaluation) Expectation Integration Familiarity Utilization evaluation Usability Ergonomics Functionality Intuitiveness Attention Adequateness Practicability Aesthetic evaluation Innovativeness Typicality Idiosyncrasy Arousal Interest Erhabenheit Fascination Seduction Frustration Liking 17

Unspecified object 1. Low-level analyses (exploration) Expectation Orthogonal exploration Tangential exploration Measure exploration 2. Mid-level analyses (assessment) Integration Absolute assessment Relative assessment Integrative assessment 3. High-level analyses (evaluation) Familiarity Utilization evaluation Aesthetic evaluation Specified object 18

Fazit und Ausblick Adäquate Forschung im Bereich der User Experience muss notwendigerweise folgende Dinge beachten: a) das Nutzererleben als Prozess zu verstehen (wie z.b. als Rahmenmodell formuliert bei Pohlmeyer et al., 2009), b) adäquate Messtechniken zu benutzen, um Dynamiken des Erlebens erfassen zu können (bspw. via RET, siehe Carbon & Leder, 2005), c) Wesentliche Sinnesmodalitäten zu integrieren (bspw. Haptik, siehe Carbon & Jakesch, 2013), um Erlebnisse affektiv und kognitiv fassen zu können 19

Literatur 1. Carbon, C. C., & Jakesch, M. (2013). A model for haptic aesthetic processing and its implications for design. Proceedings of the IEEE, 101(September), 1-11. 2. Carbon C. C., Leder H. (2005). The Repeated Evaluation Technique (RET): A method to capture dynamic effects of innovativeness and attractiveness. Applied Cognitive Psychology, 19, 587 601. 3. Gattol, V., Sääksjärvi, M. C., & Carbon, C. C. (2011). Extending the Implicit Association Test (IAT): Assessing consumer attitudes based on multi-dimensional implicit associations. Plos ONE, 6(1), e15849. 4. Pohlmeyer, A.E., Hecht, M., & Blessing, L. (2009). User Experience Lifecycle Model ContinUE [Continuous User Experience]. In A. Lichtenstein, C. Stößel & C. Clemens (Eds.), Der Mensch im Mittepunkt technischer Systeme. Fortschritt-Berichte VDI Reihe 22 Nr. 29 (pp. 314-317). Düsseldorf, Germany: VDI-Verlag. 5. Pohlmeyer, A.E. Identifying Attribute Importance in Early Product Development. Technische Universität Berlin, Ph.D. thesis (2011). 6. Thüring, M. & Mahlke, S. (2007). Usability, Aesthetics and Emotion in Human-Technology Interaction. International Journal of Psychology, 42, 253-264. 7. Vogel, M. (2013). Temporal Evaluation of Aesthetics of User Interfaces as one Component of User Experience. In Smith, R.T. and Wünsche, B.C. (Eds.) Proceedings of the Fourteenth Australasian User Interface Conference (AUIC2013), Adelaide, Australia. Conferences in Research and Practice in Information Technology Series, 139, 131-132, Australien Computer Society Inc. 20

Abstract Abstract Dieser Vortrag stellt das funktionale Modell zur haptisch-ästhetischen Verarbeitung von Carbon und Jakesch (2013) vor, das speziell die User Experience mit Konsumentenprodukten zu beschreiben und erklären versucht. Als Prozessmodell, welches die komplette haptisch-ästhetische Verarbeitung von einfachen lowlevel Aspekten ("exploration"), über mid-level Aspekte ("assessment") bis hin zu komplexen, integrativen high-level Aspekten ("evaluation") adressiert, kann es innerhalb des ContinUE-Modells zu allen Phasen des Erlebens her-angezogen werden. 21