Ausgabe: Januar 2017 S C H I N D H E L M & P F I S T E R E R
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- Benjamin Kilian Blau
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1 newsletter Ausgabe: Januar 2017 RECHTSANWÄLTE PFORZHEIM STUTTGART
2 Newsletter 01/2017 Seite 2 Aktuelles zum Arbeitsrecht Gesetzgebung 2. Wesentliche Änderungen im Schwerbehindertenrecht Im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes sind bereits zum 1. Januar 2017 wesentliche Änderungen im Schwerbehindertenrecht in Kraft getreten. Das ändert sich 2017 Eine Übersicht über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen, die zum 1. Januar 2017 im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wirksam werden, sind in der Pressemitteilung vom veröffentlicht. Bei den zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Änderungen sind insbesondere Folgende hervorzuheben: 1. Gesetzlicher Mindestlohn Ab dem 1. Januar 2017 beträgt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn brutto 8,84 Euro je Zeitstunde (bisher 8,50 Euro je Zeitstunde). Das nächste Mal wird über eine Anpassung zum 1. Januar 2019 entschieden. Neben zahlreichen Änderungen im Sozialrecht gibt es auch eine wesentliche Änderung für das Arbeitsrecht. Will ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten Menschen kündigen, müssen zukünftig 3 notwendige Schritte beachtet werden: 1. Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamtes ( 85 SGB IX, ab 1. Januar SGB IX), 2. Anhörung des Betriebsrats ( 102 BetrVG) und 3. Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ( 95 Abs. 2 SGB IX n.f. bzw. ab dem 1. Januar Abs. 2 SGB IX). Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist gemäß 95 Abs. 2 Satz 3 bzw. 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in Zukunft unwirksam. Dies ist neu. Zwar musste der Arbeitgeber bei Maßnahmen, die einen schwerbehinderten Mitarbeiter betreffen bereits bisher die Schwerbehindertenvertretung beteiligen.
3 Newsletter 01/2017 Seite 3 Wurde die Schwerbehindertenvertretung im Falle einer Kündigung jedoch nicht angehört, führte dies bislang nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Mütter und ihre Kinder besser zu schützen und das aus dem Jahr 1952 stammende Mutterschutzgesetz (MuSchG) an die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Damit ist ab sofort bei einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen nicht nur der Betriebsrat, sondern auch die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß anzuhören. Der Gesetzgeber hat zwar die Sanktion geregelt, wenn eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unterbleibt (Unwirksamkeit der Kündigung), leider fehlt aber jegliche Vorgabe, wie viel Zeit die Schwerbehindertenvertretung zur Stellungnahme und Erörterung hat. Eine klare Regelung (entsprechend 102 Abs. 2 BetrVG) fehlt. Dies wird in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Bis zum Vorliegen einschlägiger Rechtsprechung, sollten die Fristen analog 102 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitgeber gewahrt werden. D.h. bei einer ordentlichen Kündigung beträgt die Stellungnahmefrist eine Woche und bei einer fristlosen Kündigung 3 Tage. 3. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Mutterschutzgesetz Die Änderungen zum Mutterschutzgesetz, die zum 1. Januar in Kraft treten sollten, gibt es nicht. Das Gesetzgebungsverfahren hierzu ist noch nicht abgeschlossen. Ziel der Neuregelung ist es, Schwangere, Die Neuregelungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) treten nun erst zum 1. April 2017 in Kraft, nachdem das Gesetz mit letzten Änderungen in dritter Lesung vom Bundestag am verabschiedet wurde. Über die Einzelheiten der beiden geplanten Gesetzesänderungen hatten wir Sie bereits ausführlich in unserem letzten Arbeitsrechtskreis informiert. Sollten Sie hierzu noch Fragen haben, sprechen Sie uns gern noch einmal an. 4. Arbeitsstättenverordnung Die bereits im Dezember 2016 in Kraft getretene geänderte Arbeitsstättenverordnung enthält jetzt die Inhalte der Bildschirmarbeitsverordnung. Außerdem wurden einige Regelungen konkretisiert bzw. den neuen Anforderungen angepasst. So definiert die Arbeitsstättenverordnung nun den Begriff des Telearbeitsplatzes. Künftig müssen auch psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden, wie z.b. Belastungen und Beeinträchtigungen der Be-
4 Newsletter 01/2017 Seite 4 schäftigten durch störende Geräusche oder Lärm, ungeeignete Beleuchtung oder ergonomische Mängel am Arbeitsplatz. jeweils einen Tag Urlaub. Das Arbeitsgericht und LAG geben der Klage auf Urlaubsabgeltung statt. Das BAG hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt. Rechtsprechung BAG: EuGH-Vorlage Müssen Arbeitgeber Urlaubsansprüche ohne Antrag des Arbeitnehmers von sich aus erfüllen? Beschluss vom 13. Dezember AZR 541/15 (A) -, PM Nr. 63/16 Das BAG hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Arbeitgeber nach dem EU-Recht verpflichtet ist, Urlaub dem Arbeitnehmer von sich aus zu gewähren, wenn dieser keinen Urlaubsantrag stellt und damit ein Verfall des Urlaubsanspruchs zum Jahresende droht. Das Bundesurlaubsgesetz sieht eine solche Verpflichtung nicht vor. In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrte ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung für 51 nicht genommene Urlaubstage. Das Arbeitsverhältnis sollte zum enden. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer noch im Oktober 2013 aufgefordert, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Dieser nahm aber im November und Dezember 2013 nur Aus dem Urteil des EuGH vom wird in der juristischen Literatur teilweise abgeleitet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig festzulegen. Bis zur Entscheidung des EuGH ist jedem Arbeitgeber anzuraten, dem Arbeitnehmer bei Nichteinigung den Urlaub einseitig zuzuweisen, damit der Urlaub im laufenden Kalenderjahr bzw. während der noch laufenden Kündigungsfrist abgebaut werden kann. BAG: Mitbestimmung des Betriebsrats beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers Beschluss vom 13. Dezember ABR 7/15 -, PM Nr. 64/16 Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher- Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats. Sachverhalt: Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen
5 Newsletter 01/2017 Seite 5 eines Konzerns das Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck. Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das LAG hatte vor dem Bundesarbeitsgericht teilweise Erfolg. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. BAG: Massenentlassungsschutz - Benachteiligung von Personen in Elternzeit Urteil vom 26. Januar AZR 442/16 -, PM Nr. 4/17 Massenentlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen bedürfen nach Maßgabe von 17 KSchG zu ihrer Wirksamkeit einer vorherigen ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats und einer vorherigen ordnungsgemäßen Anzeige an die Agentur für Arbeit. Dieser durch 17 KSchG gewährleistete Schutz ist europarechtlich durch die Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie) determiniert. Hiervon ausgehend hielt das BAG die Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin vom 10. März 2010 für wirksam, die sich zur Zeit der wegen einer Betriebsstilllegung durchgeführten Massenentlassung in Elternzeit befand und deren Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf des Zeitraums von 30 Kalendertagen gekündigt wurde, obwohl sich die Kündigungen der übrigen Arbeitsverhältnisse mangels einer ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats gemäß 17 KSchG als unwirksam erwiesen hatten (BAG 25. April AZR 49/12 -). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Juni BvR 3634/13 - dieses Urteil aufgehoben, weil es die Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 i. V. m. Art. 6 GG verletze. Die Klägerin werde unzulässig wegen der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit und
6 Newsletter 01/2017 Seite 6 wegen ihres Geschlechts benachteiligt, wenn ihr der Schutz vor Massenentlassungen versagt werde, weil das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung dazu geführt habe, dass die Kündigung erst nach Ablauf des 30-Tage- Zeitraums erklärt wurde. In diesen Fällen gelte der 30-Tage-Zeitraum auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei. Beide Landesarbeitsgerichte bejahen die Anwendung der Verzugsschadenspauschale nach 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht. 288 Abs. 5 Satz 1 BGB wurde 2014 vom Gesetzgeber eingefügt. Danach hat der Gläubiger eine Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners neben dem Verzugsschaden Anspruch auf eine Schadenspauschale von EUR 40,00. Für Arbeitsverhältnisse gilt diese Norm für alle Entgeltforderungen, die ab dem Monat Juli 2016 entstanden sind. An diese nationalrechtliche Erweiterung des Entlassungsbegriffs bei Massenentlassungen durch das Bundesverfassungsgericht war das BAG nunmehr gebunden. Das BAG hat deshalb nun auf die Revision der Klägerin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. März 2010 nicht aufgelöst worden ist. Das LAG Köln hat die Revision zugelassen. Im Fall des LAG BW kam es auf die Rechtsfrage nicht an, weil das Gericht bereits die Voraussetzungen des Verzugs nicht gesehen hat. Beide Verfahren sind gleichwohl derzeit beim BAG anhängig. Anmerkung: Ein formaler Fehler mit erheblicher Auswirkung! Das BAG hat fast 7 Jahre später entschieden, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. LAG Köln und LAG BW: Anwendbarkeit der Verzugsschadenspauschale im Arbeitsrecht LAG Köln, Urteil vom , 12 Sa 524/16 LAG BW, Urteil vom , 3 Sa 34/16 Antje Reinicke Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht
7 Newsletter 01/2017 Seite 7 Auch für Richterinnen gilt der Mutterschutz Der BGH entschied mit Urteil vom (Az.: 2 StR 9/15), dass eine Richterin nicht auf den Mutterschutz verzichten kann und eine im Mutterschutz befindliche Richterin nicht an einer Verhandlung teilnehmen kann. Sachverhalt: Der Entscheidung lag ein Urteil des Landgerichtes Darmstadt zugrunde. Die dortige Hauptverhandlung dauerte mehr als 20 Monate. Eine der Richterinnen wurde im Laufe der Verhandlung schwanger. In der Zeit vom bis war die Hauptverhandlung unterbrochen. Als die Hauptverhandlung am wieder fortgesetzt wurde, war die Schwangerschaft eindeutig beendet. Auskünfte zur Schwangerschaft gab die Richterin auch auf mehrfache Nachfragen der Verteidigung nicht. Die Verteidigung rügte daher die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichtes, da sich die Richterin in Mutterschutz befinden müsse und nicht tätig sein dürfe. Das Landgericht Darmstadt wies diesen Einwand durch Beschluss zurück und vertrat die Auffassung, dass es einer Richterin aufgrund der Unabhängigkeit des Richteramtes freistehe, auf ihren Mutterschutz zu verzichten. Entscheidung: Der BGH erteilte der Rechtsansicht des Landgerichtes Darmstadt eine klare Absage. Aus 6 Abs. 1 MuSchG folge ein absolutes Dienstleistungsverbot in der Zeit des Mutterschutzes. Hierauf kann auch eine Richterin nicht verzichten. Das Gesetz wolle so der BGH jeder Mutter den Entscheidungsdruck (gegebenenfalls auf den Mutterschutz zu verzichten und zu arbeiten) nehmen und verbiete generell eine Tätigkeit. Dies habe zur Folge, dass die Fortsetzung der Hauptverhandlung mit der Richterin in der Mutterschutzfrist zur fehlerhaften Besetzung des Gerichtes führt. Eine solche fehlerhafte Besetzung des Gerichtes stellt einen absoluten Revisionsgrund ( 338 Nr. 1 StPO) dar, weshalb das Urteil aufzuheben war. Bastian Meyer Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht
8 Newsletter 12/2016 Seite 8 Veranstaltungshinweis Wir möchten Ihnen bereits jetzt mitteilen, dass unsere Arbeitsrechtsrechtliche Jahresveranstaltung dieses Jahr am in Pforzheim im CCP stattfinden wird. Bitte merken Sie sich den Termin vor und freuen sich auf interessante Fachvorträge. Eine gesonderte Einladung geht Ihnen zeitnah noch zu.
9 Newsletter 12/2016 Seite 9 Den Newsletter erhalten Sie mit freundlicher Empfehlung von: Weiherstrasse 2-4 Feuerseeplatz Pforzheim Stuttgart Tel.: (07231) Tel.: (0711) Fax.: (07231) Fax.: (0711) Web: info@rae-sp.de Der Inhalt dieses Newsletters dient nur der allgemeinen Information. Er stellt keine anwaltliche Beratung juristischer oder anderer Art dar und soll auch nicht als solche verwendet werden. Wir übernehmen insbesondere keine Haftung für Handlungen, die auf Grundlage dieser Angaben unternommen werden.
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