Zweige der Religion. Ursachen von Meinungsunterschieden

Transkript

1 1 Zweige der Religion Eröffnung & Einleitung Al- Fiqh in der Zeit des Gesandten (saw) & der Prophetengefährten (ra) innerhalb von Rechtsurteilen Grundregeln bezüglich MV Umgang & Resümee Zielsetzungsersuchung in den islamischen Wissenschaften Fatwa- Ändernde Faktoren Qualifikationen des Muftis Befolgung einer Rechtsschule bzw. von Gelehrtenmeinungen

2 2 Aussage von Ibn Qayyim (r)...wegen seiner [des Gelehrten] Unwissenheit bezüglich der Menschen, ihrer Traditionen, ihrer Situationen/Zustände und ihrer Bräuche, wird er nicht fähig sein (Recht und Unrecht) zu unterscheiden. Es ist also unverzichtbar, dass der Gelehrte die Machenschaften und Täuschungen sowie kulturelle Traditionen und Gewohnheiten der Menschen kennt, denn die Fatwa ändert sich mit Änderungen in Zeit, Ort, Kultur und Situationen/ Zuständen all dies ist Teil der Religion Allahs. 1 1 Ibn Qayyim (gest. 751 n.h.) in Ilaan A l-muwaqqiien an Rabb Al- Aalamien, Band 4, Seite 157, In: shaykh-abu -laith-luqman-ahmad

3 3 5 Die beiden Gefährten Abu Hanifas (r), Imam Abu Yusuf (r) und Imam Muhammad Asch- Schaybany (r) haben ihrem Lehrer nach dessen Verscheiden in ¾ seiner Urteile zuwidergehandelt. Bemerkenswert ist hier, dass sie ihren Lehrer nur um ca. 30 Jahre überlebten. Danach gefragt, war die Antwort, sinngemäß, dass dies keine Unterschiede in Prinzipien sind, sondern solche, die durch Zeit und Ort geprägt sind. Imam Asch- Schaafii (r) hatte aufgrund kultureller Faktoren in Ägypten andere Urteile getroffen, als er zuvor in ähnlichen Fragen im Irak traf. Der Gesandte Allahs (saw) sagte: Ich habe euch letztes Jahr verboten, das Fleisch der Opfertiere (durch Umwandlung in Trockenfleisch) aufzubewahren, da Gesandtschaften zugegen waren, nun erlaube ich es euch. Lektion Wenn wieder Hunger zu befürchten ist, so kann die Erlaubnis zurückgenommen werden. 5 Wenn nicht anders angegeben, so sind die Informationen aus den Unterrichtseinheiten von Dr. Khalid Hanafy entnommen und von Mohammed Johari aufgezeichnet worden

4 4 5 Der Prophet (saw) antwortete individuell Der Prophet (saw) gab verschiedenen Menschen verschiedene Antworten, auch in der Reihenfolge der Mehrfachnennungen. Bezüglich ihrer Frage, was die beste Tat sei. zu Abdullah ibn Masuud (ra) sagte Er (saw): Das Gebet zu seiner Zeit. Die Güte gegenüber den Eltern. Der Einsatz auf dem Wege Allahs. Muslim zu Abu Huraira (ra) sagte Er (saw): "An Allâh und Seinen Gesandten zu glauben. Der Einsatz auf dem Wege Allahs Eine fromm (mabruur) verrichtete Haddsch. Buchary zu Abu Dharr (ra) sagte Er (saw): Der Glaube an Allah und der Einsatz für Seine Sache. (...) Dann hilf einem Bedürftigen oder hilf jemandem bei einer Arbeit, die er nicht so gut erledigen kann. Füge keinem Menschen Schaden zu, denn auch dies zählt als Sadaqa dir selbst gegenüber. Muslim 5 Wenn nicht anders angegeben, so sind die Informationen aus den Unterrichtseinheiten von Dr. Khalid Hanafy entnommen und von Mohammed Johari aufgezeichnet worden

5 5 Ibn Al- Qayyim (ra), sagte, dass sein Lehrer, Ibn Taymiyyah (ra) einst an einer Gruppe tatarischer Soldaten vorbei kam, die zu viel getrunken hatten. Einige seiner Begleiter rügten sie dafür, aber er sagte: Lasst sie sich betrinken und vergnügen. Allah verbot das Trinken von Wein, weil es Menschen davon abhält, Ihn anzurufen und ihre Gebete zu verrichten, aber in diesen Fall hält es sie davon ab, Menschen zu töten und Blut zu vergießen. Dies ist im Einklang mit der bewährten Regel, die im Kern besagt: Es ist besser, eine Sünde nicht zu rügen, damit nicht eine größere Sünde begangen wird, so dass [nur] der geringere Schaden entsteht und das kleinere von zwei Übeln begangen wird. Quelle :Dr. Yusuf Al Qardawi, Islamic Awakening Between Rejection and Extremism. International Institute for Islamic Thought.

6 6 Gefahr von oberflächlichen Halbwissen Dschaabir (ra) überliefert: Wir waren auf Reisen und einer von uns zog sich eine Kopfverletzung zu. Nachts hatte er einen feuchten Traum. Er fragte seine Gefährten: `Seht ihr für mich eine Ausnahme bzw. Erleichterungsregelung (Ar- Rukhsa), so dass ich die Ersatzwaschung (At- Tayammum) vornehmen kann?` Sie antworteten: `Wir sehen für dich keine Möglichkeit, du bist fähig dich mit Wasser zu waschen.` So nahm er die Ganzwaschung vor und starb. Als wir dem Propheten (saw) davon berichteten, sagte dieser: `Sie haben ihn getötet; Warum haben sie nicht gefragt als sie nicht wussten, denn die Heilung für die Unfähigkeit, Erschöpfung, Krankheit (Al- Ay) ist das Fragen. Es hätte ihm genügt, wenn er die Ersatzwaschung vorgenommen hätte. (Abu Daawuud) Bukhari

7 7 Umar ibn Abdul Asies (r) akzeptierte in Medina einen Zeugen und einen Schwur als genügend, im Irak hatte er zwei Zeugen verlangt. Ibn Abbaas (ra) saß mit seinen Schülern und jemand, der vorbei kam fragte, ob Allah die Reue des Mörders annimmt. Ibn Abbas verneinte. Kurz danach stellte ihm jemand dieselbe Frage und er bejahte. Seine Schüler fragten ihn daraufhin, wie er eine Frage verschiedentlich beantworten könne und er gab zur Antwort, dass er die erste Person so einschätzte, dass er jemanden töten wollte und ihm deswegen mitgab, dass seine Reue nicht angenommen werden würde, wenn er es täte. Die zweite Person hat hingegen wie jemand ausgesehen, der in der Vergangenheit getötet hat und daraufhin dies zutiefst bereute, weswegen ich ihm mitgab, dass wenn er bereut, dies angenommen ist. 6 Ich habe euch verboten die Grabstätten zu besuchen. Besucht sie nun! (Muslim.) Der Gesandte Allahs (saw) sagte: 6

8 8 Die Mehrheit der Gelehrten: Wenn jemand seinen Scheidungsausspruch von dem Eintritt einer Bedingung abhängig macht wird der Scheidungsausspruch gezählt, wenn die Bedingung eintritt. Dies auch für den Fall, wenn dies gar nicht beabsichtigt war, sondern dadurch nur eine Verhaltensweise seitens der Frau ermutigt werden bzw. sie dadurch von einer Sache abgebracht werden sollte. Andere Gelehrte, darunter Imam Ibn Taymiyah (ra) meinen, dass wenn der Mann die Scheidung nicht beabsichtigte, er die Ausgleichsleistungen für einen nicht erfüllten Schwur vorzunehmen hat (Speisung von zehn Armen/deren Bekleidung/ Befreiung eines Sklaven/ drei Tage fasten; siehe Quran 5:89) 6

9 9 Sheikh AbdurRahmaan Al-Ajlaan (h) hält fest, dass der Brauch in einer Gesellschaft im Allgemeinen und im Speziellen Faktoren wie beispielsweise gesellschaftlicher Stand, Alter und gesundheitlicher Zustand der Ehefrau, regelt, in wie weit eine Frau das Recht darauf hat, Haushaltshilfe (n) im Rahmen der Versorgungsleistungen des Ehemannes zu empfangen. Als Beleg wird hierfür folgender Vers aufgeführt: و ل ه ن م ث ل ال ذ ي ع ل ي ه ن ب ال م ع ر وف Und den Frauen steht in rechtlicher Weise (gemäß Al- Maruuf) das gleiche zu, wie den Männern gegenüber ihnen. (2:228) Dieses durch den Brauch definierte Recht ist gleichzeitig mit den finanziellen Verhältnissen des Mannes in Einklang zu bringen, dem anbefohlen wurde, gemäß dieser seine Versorgungsleistungen zu erfüllen: Der Wohlhabende soll entsprechend seinem Wohlstand (die Aufwendungen) ausgeben. Und wem seine Versorgung bemessen (zugeteilt) wurde, der soll (eben) von dem ausgeben, was Allah ihm gegeben hat. Allah erlegt keiner Seele mehr auf als das, was Er ihr gegeben hat. Allah wird nach Schwierigkeit Erleichterung schaffen. (65:7) Bezüglich des relevantes Maßstabs (was der Brauch bezüglich der Frau vorsieht oder die Möglichkeiten des Mannes) vertreten die Gelehrten verschiedenen Auffassungen: Der Brauch bezüglich der Frau ist maßgeblich Die finanziellen Möglichkeiten des Mannes sind entscheidend Beides ist ausgewogen zu berücksichtigen Imam Asch- Schaafi`i (r) vertrat die zweiten Auffassung auf der Grundlage des zuvor erwähnten Verses (65:7).

10 10 Der Gesandte Allahs (saw) sagte: Wenn jemand von euch für lange Zeit abwesend war, sollte er seine Familie nachts nicht überraschen. Laut einer anderen Überlieferung hat der Gesandte Allahs(s) verboten, dass der Mann die eigene Familie nachts überrascht. (Al-Bukhari und Muslim) Wenn jemand schwört, dass er kein Fleisch mehr essen wird, danach Fisch verspeist, so ist der kulturelle Sprachgebrauch der Person entscheidend: Wenn Fisch als Fleisch gewertet wird, so muss er Sühne leisten, ansonsten nicht. Dies obwohl im Quran Fisch als Fleisch bezeichnet wird: و ه و ال ذ ي س خ ر ال ب ح ر ل ت أ ك ل وا م ن ه ل ح م ا ط ر ي ا و ت س ت خ ر ج وا م ن ه ح ل ي ة ت ل ب س ون ه ا و ت ر ى ال ف ل ك م و اخ ر ف يه و ل ت ب ت غ وا م ن ف ض ل ه و ل ع ل ك م ت ش ك ر ون Und Er ist es, Der euch das Meer dienstbar gemacht hat, damit ihr frisches Fleisch daraus esst und Schmuck aus ihm hervorholt, den ihr anlegt. Und du siehst die Schiffe es durchpflügen, damit ihr nach etwas von Seiner Huld trachtet und auf dass ihr dankbar sein möget! (16:14) Ibn Humaam, Fath Al-qadier (Fisch eventuell kein Fleisch innerhalb der Kultur)

11 11 Al-Qaradawi (h) fügt den Worten Ibn-Al-Qayyims (r) hinzu, dass der Informationsstand zu den Fatawa-ändernde Faktoren dazu gehört und führt hierfür beispielhaft an: dass man heutzutage die Schwangerschaftszeit nicht mehr wie einige Gelehrte damals mit mehreren Jahren angeben kann, da nun wissenschaftlich erwiesen ist, dass solche Laufzeiten nicht möglich sind. dass man heute nicht mehr wie vor einigen Jahrhunderten sagen kann, dass das Rauchen nur verpönt sei, da nun jetzt wissenschaftlich erwiesen ist, dass das Rauchen gesundheitsschädlich ist.

12 12 Dr. Khalid Hanafy führte aus, dass auch die zu erwartenden Konsequenzen einer Fatwa zu den Fatwa-ändernden Faktoren dazu gehören. Beispielhaft kann man hier aufführen: Ibn Zubair (ra) wollte die Kaaba gemäß den Wünschen des Propheten Muhammad (saw) umbauen, auf den Fundamenten Ibrahims (as). Ibn Zubair (ra) sagte: Ich hörte A'isha (ra) sagen: `Der Prophet (saw) sagte: `Wenn ich nicht befürchten würde, dass dein Volk erst kürzlich die Zeit der Unwissenheit verlassen hat und ich genügend Mittel hätte, so hätte ich dem Bau der Kaaba vom Hijr aus hinzugefügt. Auch würde ich zwei Türen machen, eine für das Eintreten der Leute und die anderen zum Hinausgehen.` 7 Ibn Zubair (ra) fügte hinzu: Heute kann ich es mir leisten und ich fürchte die Menschen nicht. Umars (ra) Entscheidung, Prophetengefährten aufzufordern, sich von ihren Frauen zu scheiden, welche Schriftanhängerinnen sind, aufgrund der Konsequenzen dieser Ehen. 7 Bukhari

13 13 Weitere beispielhafte Ausführungen von Dr. Khalid Hanafy Die Entscheidung des Propheten (saw), solche, die Hochverrat begangen haben, nicht zu exekutieren, aus Angst davor, dass die Araber sagen würden, Muhammad (saw) würde seine Gefährten töten. Die Entscheidung des Propheten (saw), am Grabe Abdullah ibn Ubays für diesen zu beten, trotz seiner offenkundigen Heuchelei, da ihm dies nicht verboten wurde und er dies als Zeichen seiner Großzügigkeit denen gegenüber statuieren wollte, die sich ihm noch nicht angeschlossen hatten.