Schüleraustausch mit der Seoul Foreign Language High School im Schuljahr 2001/02

Transkript

1 Durch das Freedom House gelangten wir treppab wieder zu unserem Bus. Dieser brachte uns zu einem Wachposten, von dem aus wir die Aussicht genießen konnten und ein letztes Mal unserem Knipsfinger freien Lauf lassen durften. Anschließend fuhr uns der Bus noch bis an die Bridge of No Return heran, über die die beiden Seiten rückkehrwillige Kriegsgefangene ausgetauscht hatten. Viele nordkoreanische und chinesische Kriegsgefangene hatten es jedoch vorgezogen, in Südkorea zu bleiben bzw. nach Taiwan zu gehen. Den freiwilligen Nordkorea- Heimkehrern wurde eine eventuelle spätere Rückkehr in den Süden verweigert, daher no return. Dort in der Nähe war auch ein Gedenkstein aufgestellt, der an den Axtmord-Zwischenfall am 18. August 1976 erinnert, der zwei amerikanischen JSA-Soldaten das Leben kostete darunter Captain Arthur G. Bonifas, nach dem zehn Jahre später der Stützpunkt der UNC Security Force JSA benannt wurde. Die Bridge of No Return (돌아오지 않는 다리) ist zw. hellblauem und grauem Häuschen mehr zu erahnen als zu erkennen. Und dann ging es wieder zurück. Der Bus hielt noch vor einem Souvenirladen, wo unsere Besucherausweise wieder eingesammelt wurden und wir uns mit rostigem Original-Stacheldrahtzaun von der DMZ und allerlei Schnickschnack eindecken konnten, und dann lieferte er uns wieder auf dem Parkplatz ab, wo wir schon mit laufender Kamera erwartet wurden Herr Dr. Müller, Sabrina und ich wurden daraufhin in persönlichen Interviews völlig unvorbereitet mit Fragen zum Thema deutsche Wiedervereinigung und Teilung Koreas konfrontiert, und ich für meinen Teil war froh, als das Interview für beendet erklärt wurde, nachdem ich mir ein paar konfuse Antworten abgerungen hatte: Man hatte mir die Gretchenfrage gestellt, wie mir P anmunjŏm gefallen habe und woher ich von der Teilung Koreas wisse. Im Nachhinein sind mir bessere Antworten in den Sinn gekommen, aber da war es eben zu spät. Sabrina wurde gefragt, ob sie Freunde aus Ostdeutschland habe, und nach Verneinung dessen, wie sie ostdeutsche Jugendliche finde. Es schloss sich ein Essen im Camp Bonifas an, bei dem wir beigebracht bekamen, auf ein in die Hand gelegtes Salatblatt mit unseren Stäbchen Reis und Fleisch zu füllen und dieses anschließend zusammengefaltet zu verspeisen. Und danach ging es wieder zurück nach Seoul, wobei sich die Rückfahrt durch einen riesigen Verkehrsstau länger hinzog, als Einzelnen lieb war Andreas Färber (12H) 8

2 Hintergrundinformationen Während wir uns in unserem wiedervereinigten westeuropäischen Heimatland im Glauben wiegen, die Zeiten des Kalten Kriegs und konventioneller militärischer Bedrohungen seien vorüber, wurden wir in Korea eines anderen belehrt. Ansatzweise bekamen wir zu spüren, dass dort der Kalte Krieg noch immer schwelt. Ganz gleich, was man von Schwarzweißmalereien wie der so genannten Achse des Bösen hält, nimmt Nordkorea dem Süden gegenüber militärisch eine drohende Haltung ein: Nördlich der entmilitarisierten Zone stehen über eine Million Soldaten bereit, die von ihren Verbänden, ihrer Stationierung und Ausstattung her darauf eingestellt sind, den Süden zu annektieren. Südkorea unterhält knapp Soldaten, zudem sind über US-Soldaten im Land stationiert. Die Nordkoreanische Volksarmee kann im Kriegsfall auf über sieben Millionen Mann anwachsen; dem südkoreanischen Militär stehen drei Millionen Reservisten zur Verfügung. Ein geschichtlicher Rückblick Den Beginn der koreanischen Geschichte datieren die Koreaner auf das Jahr 2333 v.chr. Zu dieser Zeit gründete König Dangun das erste Königreich, Gojosŏn (das alte Josŏn) wurde Korea von Japan besetzt und erhielt seine Unabhängigkeit erst 1945 mit der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg wieder zurück sollten auf Beschluss der UN-Vollversammlung allgemeine Wahlen unter UN-Aufsicht stattfinden. Die Sowjetunion, die den Nordteil des Landes besetzt hielt, weigerte sich jedoch, die Wahlen im Norden stattfinden zu lassen. Im Mai 1948 fanden daraufhin nur südlich des 38. Breitengrades Wahlen statt, während sich im Norden des Landes ein kommunistisches Regime unter Kim Il-sung etablierte. Am 25. Juni 1950 fiel Nordkorea im Süden ein und begann damit den Koreakrieg, in den schon bald die USA, China und UN-Truppen eingriffen wurde in P anmunjŏm ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Darin wurde eine Demarkationslinie im Bereich des 38. Breitengrades festgelegt und eine 2 km breite entmilitarisierte Zone auf beiden Seiten der Grenze eingerichtet. Am 16. Mai 1961 gab es in Südkorea einen Militärputsch und eine Verfassungsänderung. Erst nach einer erneuten Verfassungsänderung 1987 wurde der Präsident wieder vom Volk gewählt, und erst 1992 wurde in Person von Kim Young-sam wieder eine Zivilperson zum Präsidenten gewählt. Sein Amtsnachfolger Kim Dae-jung (1998) ist der amtierende Präsident. Der Kalte Krieg Nach dem Waffenstillstand standen sich Nord- und Südkorea an der entmilitarisierten Zone im Kalten Krieg gegenüber. Nordkorea beabsichtigte eine militärische Wiedervereinigung des Landes unter kommunistischer Führung, während der Süden sich als einzigen legitimen Vertreter Koreas sah und eine Wiedervereinigung unter seiner Führung anstrebte. Erst in den 70er Jahren erkannten sich die beiden Regierungen gegenseitig politisch an. Der Norden hat mit gelegentlichen Schießereien über die Grenze und dem Bau von mindestens vier Tunneln unter der entmilitarisierten Zone hindurch (1974, 1975, 1978, 1990) die Waffenstillstandsvereinbarung wiederholt gebrochen. Noch heute nimmt das Militär in Südkorea 15,5 % des Staatsetats (2,8 % des BIP) ein und im Norden ein nicht klar bestimmbares Vielfaches. Sunshine policy Erst die Regierung Kim Dae-jung konnte einen Durchbruch in den innerkoreanischen Beziehungen erwirken. Nach seiner Berliner Erklärung an der Freien Universität Berlin im März 2000 kam es am 13. Juni 2000 in Pyŏngyang zum ersten Gipfeltreffen eines südkoreanischen und nordkoreanischen Staatsoberhauptes. Am 15. Juni gaben Präsident Kim Dae-jung und sein nordkoreanischer Amtskollege, der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsausschusses Kim Jong-il (Kim Il-sungs Nachfolger), eine historische Erklärung ab und vereinbarten Treffen von seit dem Koreakrieg getrennten Familien, die sich seit dem Waffenstillstand weder besuchen noch sich Briefe schreiben, noch miteinander telefonieren durften. Präsident Kim Dae-jung lässt sich in seiner Politik von drei Prinzipien leiten: Südkorea duldet keine bewaffnete Provokation durch Nordkorea. Im Gegenzug wird Nordkorea zugesichert, dass es nicht vom Süden annektiert wird. Es werden Zusammenarbeit und Versöhnung angestrebt. Im Dezember 2000 ist Präsident Kim Dae-jung für seinen Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und die Aussöhnung mit Nordkorea mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. 9

3 WM-Stadion Seoul Am Dienstag, dem , trafen wir uns wie gewöhnlich gegen 8.40 Uhr an unserem Treffpunkt. Nach der Besprechung des Tages besuchten wir alle den Unterricht, der für diesen Tag vorgesehen war. Da wir in zwei Gruppen eingeteilt waren, waren die einen mit Fußball auf dem schuleigenen Sportplatz beschäftigt, die anderen führten im Konversationsunterricht deutsche Gespräche mit den koreanischen Schülerinnen und Schülern. Nachdem der Unterrichtsbesuch für diesen Tag abgeschlossen war, trafen wir uns gegen 11 Uhr, um ein gemeinsames Mittagessen in der Kantine einzunehmen. Mit dem Essen fertig, machten wir uns auf den Weg zum Worldcup Stadion in Seoul, in dem das Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft 2002 stattfinden sollte. Nach einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung des Stadions begaben wir uns selbst hinein. Es war großartig. Ein neues, hochmodernes Stadion mitten in Asien, und wir hatten die Möglichkeit es uns anzusehen. Es ist mit allen Raffinessen ausgestattet. Es fasst Zuschauer auf Sitzplätzen und ist ein reines Fußballstadion. Es ist sowohl für den Sommer als auch für kältere Zeiten bestimmt, da das Dach geschlossen werden kann. Wir blieben etwa eine halbe Stunde dort und machten uns dann langsam auf den Weg zum World-Cup-Park, der eine ehemalige Mülldeponie war, welche inzwischen kultiviert wurde und einen spärlichen Pflanzenbewuchs aufweist. Links: Das WM-Stadion Seoul aus dem WM-Park gesehen; rechts: der WM-Park selbst. Links: Das WM-Stadion Seoul Rechts: Die Gruppe in den Zuschauerrängen. 10

4 Nun ging unser Tagesprogramm weiter, und nach etwa einer halbstündigen Fahrt mit der U- Bahn erreichten wir dann gegen Uhr das Goethe-Institut. Das Goethe-Institut ist ein Verein zur Förderung der deutschen Kultur und Sprache insbesondere im Ausland. Freudig wurden wir dort vom Leiter des Instituts begrüßt, der uns anschließend einlud, einen Film über die Geschichte des Fußballs anzusehen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft. Um die gewonnenen Informationen zum Thema Fußball zu verdauen, wurden wir zum Essen eingeladen. Um den Tag gelungen ausklingen zu lassen, beschlossen wir noch, einen der so zahlreich vorhandenen traditionellen koreanischen Märkte zu besichtigen. Es war interessant zu sehen, wie die Einwohner ihre Waren verkauften und mit welchem Elan sie bei der Arbeit waren. Um für den darauf folgenden Tag fit zu sein, entschlossen wir uns, diesem interessanten Tag ein Ende zu machen, und kehrten gegen Uhr an die Schule zurück, wo die jeweiligen Gastmütter schon auf uns warteten. Sebastian Kurtz (11a) Gruppenfoto vor dem Goethe-Institut in Seoul Das Namdaemun-Tor 11

5 Volksdorf Am Mittwoch, dem 15. Mai, trafen wir uns gegen 8:30 Uhr an der Foreign Language High School. Schon am Eingang bemerkte man, dass dieser Tag kein normaler Tag war: Blumenverkäufer vor dem Schulgelände, traditionell gekleidete Schüler am Haupteingang, die die Lehrer begrüßten allgemein herrschte eine heitere Stimmung. Es war Lehrertag!!! Vergleichbar mit dem Mutter- oder Vatertag, ist es in Korea Brauch, die Lehrer am 15. Mai besonders zu ehren. Zu diesem Anlass gab es eine Zeremonie in der Aula der Schule. Wie erwartet, wurde sie auf Koreanisch gehalten und war so für uns unverständlich, aber es war sehr interessant, auch mal eine koreanische Schulfeier miterleben zu dürfen. Es kamen wieder traditionell gekleidete Schüler, die vor der Bühne tanzten. Auf der Bühne saßen Lehrer und der Schulleiter, Herr Park, die Reden anlässlich des Feiertags hielten. Der Unterricht war ebenfalls lockerer als sonst. Die Lehrer wurden von den meisten Schülern beschenkt, und uns wurde Trauben- und Pfirsichsaft mit ein paar Schokoladenkeksen angeboten. Während dieser kleinen Feier in der Klasse 1-6 schien unser Deutschlehrer, Herr Kim, zu Tränen gerührt, und bevor wir gingen, wurde noch für uns gesungen. Herr Dr. Müller mit Blumensträußchen zum Lehrertag Lehrertagszeremonie in der Aula, z.t. in traditioneller Kleidung Gruppenfoto in der Klasse 1-6, deren Klassenlehrer Herr Kim ist 12