Beitrag: Überwachte Mitarbeiter - Das Spitzelsystem bei PENNY und REWE
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- Lioba Kolbe
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1 Manuskript Beitrag: Überwachte Mitarbeiter - Das Spitzelsystem bei PENNY und REWE Sendung vom 30. April 2013 von Christian Esser und Jo Sperling Anmoderation: Mitarbeiter werden plötzlich zu Zielpersonen: Wenn ihre Arbeitgeber Privatdetektive auf sie ansetzen. In der Supermarkt- Branche wird immer wieder ermittelt und gefilmt bis hinein in Umkleideräume. Auch die Lebensmittelketten REWE und PENNY stellen ihren Beschäftigten - und sogar Dienstleistern - nach. Bis nach Hause: Könnte ja sein, das dort geklaute Pfandflaschen gebunkert werden. Christian Esser und Joe Sperling erfuhren Unglaubliches - von Peilsendern und heimlich installierten 24- Stunden-Kameras. Und was los ist, wenn es Nacht wird über Rewe-Märkten. Text: Osterhofen in Bayern Samstagnacht. Der REWE-Markt schließt zum Wochenende. Eine halbe Stunde nach Ladenschluss tauchen nacheinander zwei Wagen auf. Die Insassen haben einen Schlüssel zum Markt, schalten die Alarmanlage ab. Dieser Mann arbeitet für eine Detektei im Auftrag des REWE- Konzerns. Seit einer Woche bespitzelt hier REWE seine Mitarbeiter mit versteckten Minikameras. Heute werden sie wieder ausgebaut. Mindestens vier Kameras, heimlich hinter Deckenplatten versteckt. Der Detektiv ist in Eile, will möglichst schnell wieder verschwinden. Guten Abend. Sperling, Redaktion Frontal21 können Sie uns sagen, was Sie hier machen? Wer bitte?
2 Sperling, Redaktion Frontal21 vom ZDF - können Sie uns sagen, was Sie hier machen? Nein, das sag ich Ihnen nicht. Wir haben gesehen, dass Sie Kameras ausgebaut haben. Haben Sie das gesehen? In wessen Auftrag haben Sie die Kameras ausgebaut? Ist dies der erste REWE-Laden, in dem Sie Kameras ein- und ausgebaut haben? Ich muss dazu nichts sagen, ganz einfach. Ist das mit dem Betriebsrat abgesprochen, dass hier Kameras ausgebaut haben? Es wird hier keine Kamera ausgebaut. Was haben Sie denn dann da gemacht? Ich muss nachts raus fahren, um EDV-Sachen zu reparieren - und Sie gehen mir hier auf den Keks, oder was? Was genau wir da gesehen haben, erklärt uns ein anderer Detektiv, der früher für die REWE-Gruppe gearbeitet hat. Er hat 2009 und 2010 Kameras eingebaut in den PENNY-Läden des REWE-Konzerns. Geplant hatte der Konzern Überwachungen in 50 Filialen. O-Ton ehemaliger PENNY-Detektiv: Im Schnitt wurden zwischen sechs und zwölf Kameras pro Filiale versteckt. Die waren dann durchgehend 14 Tage im Betrieb. Eingebaut wurde prinzipiell nachts. Wir haben dann hunderte Meter Kabel in den Decken verlegt. Alle Mitarbeiter wurden überwacht. Es gab eigentlich nie konkrete Aufträge, wo es hieß, nur diese eine Person zu überwachen. Das war mit unserer Technik sowieso unmöglich. Also hier sieht man jetzt eine typische Kasseneinstellung. Wie man erkennen kann, ist die Kamera auf die Kassiererin und nicht auf den Kunden ausgerichtet. Die Gründe der Überwachung schienen uns manchmal konstruiert, es ging vielleicht auch darum,
3 unliebsame Mitarbeiter loszuwerden. Die Überwachungsfotos zeigen wir dem Bundesdatenschutzbeauftragen Peter Schaar. O-Ton Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz: Eine solche Pauschalüberwachung ist unzulässig. Es ist ganz klar, wenn sämtliche Mitarbeiter überwacht werden, dann werden ja auch Personen damit überwacht, die für bestimmte Taten überhaupt nicht in Frage kommen. Und schon von daher fehlt es an einer entsprechenden Rechtfertigung, eine heimliche Videoüberwachung ist nur in extremen Einzelfällen, quasi als Ultima Ratio, als letzte mögliche Maßname zulässig. O-Ton Professor Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte, Hochschule Koblenz: Also diese flächendeckende massive Überwachung der eigenen Mitarbeiter ist nicht nur moralisch skandalös, weil hier zutiefst in die Privatsphäre der Leute eingegriffen wird. Sie ist auch rechtlich skandalös, weil hier elementare Rechtsvorschriften mit Füßen getreten werden. Und drittens ist es ein Armutszeugnis für die Unternehmensunkultur was wir hier zu sehen bekommen. Auf Nachfrage erklärt REWE: Es wurden und werden keine flächendeckenden und unbegründeten Videoüberwachungen von Mitarbeitern veranlasst oder geduldet. Wir suchen Mitarbeiter auf, die heimlich gefilmt worden sind, zeigen ihnen ihre Überwachungsfotos. Kennen Sie die? Das sind Sie? O-Ton PENNY-Mitarbeiterin: Müssen Sie die Zentrale Sie sind da gefilmt worden. O-Ton PENNY-Mitarbeiterin: Ja, das ist nicht korrekt. Yusuf Ekiz war Filialleiter bei PENNY. Die Firma schnüffelte in seinem Wohnumfeld, im Keller und im Müll. Der Vorwurf: Alkoholmissbrauch und Diebstahl. Die Detektive finden nichts. Ekiz erfährt erst durch Frontal21 von der Überwachung. O-Ton Yusuf Ekiz, ehemaliger Filialleiter: Das ist ja ein Wahnsinn.
4 Was sagen Sie dazu? O-Ton Yusuf Ekiz, ehemaliger Filialleiter: Also ich bin völlig überrascht, das ist ja, das ist ja eine Frechheit, das kann man doch nicht einfach. Also man kann doch nicht einfach Menschen, die privat außerhalb des Geschäftes, also hier erkenne ich das, das ist niemals das Wohnumfeld oder die Arbeit, also bin ich irgendwo privat observiert worden. Hundertprozentig. Selbst wenn ich Alkoholiker bin, dann haben die auch nicht das Recht mich zu überwachen. Ich bin es nicht. Und ich denke, diese Vorwürfe sind absolut unrichtig, ja, sind total falsch. Und damit kann ich gar nicht leben jetzt. Ergebnislose Überwachung. Das scheint häufiger vorzukommen. In einer internen Mail spricht die Revision von PENNY-Süd selbst von einer Deliktquote von Null % in den ganzen Einbauten in Dabei schreckt die Firma nicht einmal vor rechtswidrigen Anweisungen an den Detektiv zurück. Der Auftrag: im Aufenthaltsraum eine Kamera auf den Spind von Frau L. gerichtet. Dazu heißt es: Ist mit Betriebsrat abgeklärt. Hat der Betriebsrat dem wirklich zugestimmt? Das wollen wir vom Gesamtbetriebsrat Andreas Ratzmann wissen. Doch der will mit uns nicht reden. Schriftlich erklärt er, illegale Überwachungspraktiken würden auch von den örtlich zuständigen Betriebsräten niemals geduldet. O-Ton Professor Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte, Hochschule Koblenz: Ein Betriebsrat muss per se sehr defensiv sein, um bestimmten Überwachungen zuzustimmen. Aber personenbezogenen Überwachungen, die zum Beispiel dazu führen, dass ich an Bilder komme, die den Intimbereich meiner Beschäftigten verletzen, da muss ein Betriebsrat kategorisch gegen stimmen. Das geht einfach nicht, das ist unakzeptabel und das deutet darauf hin, dass der Betriebsrat hier flächendeckend versagt hat. Der ehemalige PENNY-Detektiv zeigt uns ein Überwachungsvideo. Nikolaus Chitzious wurde gefilmt, als er mit Frau und Kind einkauft. Doch Chitzious ist gar kein PENNY-Mitarbeiter, sondern arbeitet für eine Spedition, die REWE beliefert. Trotzdem wird er tagelang auf Schritt und Tritt verfolgt. Sein Lastwagen verwanzt, seine Familie beobachtet. Der Verdacht: Pfandflaschendiebstahl.
5 Wir finden Nikolaus Chitzious in München. Sind Sie das hier auf dem Foto? O-Ton Nikolaus Chitzious: Ja. Schauen Sie mal, Sie sind überwacht worden. Wissen Sie das? Der Deutsch-Grieche will es nicht glauben, begreift erst allmählich was passiert ist. O-Ton Nikolaus Chitzious: Ich sag Dir, ich bin zehn Jahre, ungefähr zwölf Jahre bei REWE. Ich nehme nichts. Ich bin nicht bescheuert, meine Arbeit zu verlieren - für eine Flasche oder 100 Euro nehmen oder so. Ich bin nicht bescheuert, meine Arbeit zu verlieren. Einige nehmen eine Schokolade oder so. Frontal21: Sie haben sich korrekt verhalten, alles richtig gemacht? O-Ton Nikolaus Chitzious: Nix 100 Prozent, 1000 Prozent. Der Verdacht gegen ihn hat sich nie bestätigt. Wochenlange undifferenzierte Überwachung sämtlicher Mitarbeiter in zahlreichen Filialen, Bespitzelung bis ins Privatleben, Überwachung gar von Mitarbeitern fremder Unternehmen. Welche Begründung kann es dafür geben? Wir fragen nach bei REWE. Das Unternehmen räumt ein: Ende 2010 habe die Konzernrevision Einzelfälle aufgedeckt, bei denen eine Mitarbeiterin eigenmächtig handelte. Von der habe man sich getrennt. Andere Überwachungen seien legal gewesen. Sie sollten der Aufdeckung von Straftaten dienen. O-Ton Ulrich Dalibor, Gewerkschaft ver.di: Der Schutz von Persönlichkeiten ist in unserem Land klar geregelt, und das muss Konsequenzen haben nicht nur für die Betroffenen, die das gemacht haben, also für die, die das ausgelöst haben, sondern für ein Unternehmen. Dort muss es klare Regelungen geben, wer Dritte beauftragt in die Mitarbeiterüberwachung zu gehen, behält selbst die Verantwortung und hat dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche Regeln eingehalten werden. Er bleibt in der Verantwortung für jede und jetzt sag ich es so deutlich -
6 Schweinerei, die die Detektei veranlasst. Das Überwachungsmaterial könnte auch zum Schaden der Kunden missbraucht werden, erzählt uns der Detektiv. O-Ton ehemaliger PENNY-Detektiv: Zur Auswertung haben wir immer die Kontonummern, Bankleitzahlen und Kartennummern bekommen. Es fehlte nur noch die Geheimzahl. Und die hatten wir ja auf Video. Wären wir nicht seriös, dann könnten wir noch heute anhand dieser Daten viele PENNY-Kunden um ihr Bankguthaben erleichtern oder diese Daten gewinnbringend verkaufen. Wir wollen wissen, ob REWE auch heute noch Detektive beauftragt, Mitarbeiter heimlich zu überwachen. Wir besuchen eine Detektei, die angeblich jetzt für REWE und PENNY arbeitet und geben uns als potentielle Kunden aus, drehen mit versteckter Kamera. Die Büroräume liegen diskret in einem Kellergeschoss. Der Mitarbeiter erklärt uns gern die technischen Details. O-Ton Detektiv, Wortprotokoll: Wir arbeiten so, dass wir zuerst die Deckenplatten rausheben. Da wird dann ein kaum sichtbares Loch reingemacht und hier kommt dann die Kamera rein. Ich stell dann eine Leiter auf und klettere in die Decke. Meistens verkleide ich mich als Handwerker oder Elektriker. Und dann erzählt uns der Detektiv auch noch, wo er gerade Kameras eingebaut hat und zeigt uns sogar Belege dafür. O-Ton Detektiv, Wortprotokoll: Über das, was ich Ihnen jetzt zeige, müssen Sie aber Stillschweigen halten. Das ist ein REWE-Markt, den wir überwacht haben. Das sind ganz frische Aufnahmen aus dem März. Die Aufnahmen sind etwas milchig, weil die Kamera in einem Kühlgitter hängt. Hier die Panorama-Ansicht vom ganzen Markt, damit können wir alle Mitarbeiter filmen. Hier hängt eine Kamera über der Kasse, hier das Büro. Hier sehen Sie die Kassendaten. REWE ist ein großer Kunde von uns. Die mieten uns, dann bauen wir ein und in der Regel eine Woche später wieder aus. Und dann gibt er uns noch einen entscheidenden Hinweis. Vor ein paar Tagen habe ich ein Kamerasystem in einen REWE- Markt eingebaut. Das baue ich am Samstag nach Geschäftsschluss wieder aus. Das ist dann Material von einer ganzen Woche. Das wird dann hier ausgewertet. Und so kommt es, dass wir am vergangenen Samstag, nachts, vor dem REWE-Markt in Osterhofen stehen und miterleben, wie Detektivarbeit im Auftrag von REWE aussieht.
7 Was haben Sie da getan, in dem Laden? Ich repariere EDV-Gegenstände, PCs, sonstiges. Dafür nehmen Sie Deckenplatten über Kassen raus? Über Kassen - Guck mal an die Decke, das sind Access Points. Schönen Abend! REWE bleibt dabei. Bei jeder Überwachung liege ein Straftatverdacht vor. Dieser angebliche Verdacht soll dann schnüffeln, überwachen und bespitzeln rechtfertigen. Und das schon seit Jahren. Abmoderation: Dem Sittenverfall bei der Mitarbeiter-Überwachung wollte die Regierung eigentlich mit einem Gesetz begegnen. Der Entwurf aber verunglückte. Jetzt ist die Sache vertagt - auf die nächste Legislaturperiode. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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